Leitsatz (amtlich)
Ist nach der Ankündigung und Vorbereitung einer im inneren Zusammenhang mit dem Besuch der allgemeinbildenden Schule stehenden Veranstaltung (hier Skilehrgang) davon auszugehen, daß sie als Schulveranstaltung durchgeführt wird, ist der Versicherungsschutz der Schüler nicht ausgeschlossen, weil die Genehmigung der Schulaufsichtsbehörde fehlt.
Normenkette
RVO § 539 Abs. 1 Nr. 14 Buchst. b Fassung: 1971-03-18, § 548 Abs. 1 S. 1 Fassung: 1963-04-30
Verfahrensgang
LSG Nordrhein-Westfalen (Entscheidung vom 21.12.1976; Aktenzeichen L 5 U 89/76) |
SG Duisburg (Entscheidung vom 05.05.1976; Aktenzeichen S 18 U 20/76) |
Tenor
Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des Landessozialgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen vom 21. Dezember 1976 wird zurückgewiesen.
Die Beklagte hat der Klägerin auch die Kosten des Revisionsverfahrens zu erstatten.
Tatbestand
Die im Jahre 1960 geborene Klägerin ist Schülerin des Stadtwald-Gymnasiums in Essen, für das die Stadt Essen der Sachkostenträger ist. Unter Leitung des an diesem Gymnasiums unterrichtenden Sportlehrers W (W.) wurden bereits seit mehreren Jahren während der Weihnachts- und Osterferien Skilehrgänge in Österreich durchgeführt. Die an diesen Lehrgängen freiwillig teilnehmenden Schüler und Schülerinnen des Gymnasiums hatten alle anfallenden Kosten der Fahrt, Unterkunft, Verpflegung, Entlohnung der örtlichen Skilehrer und Benutzung der Skilifte selbst zu tragen.
Spätestens im September 1974 wies W. mit einem Aushang an der dafür vorgesehenen Stelle im Gymnasium darauf hin, daß auch in den Weihnachtsferien 1974/1975 und in den Osterferien 1975 wieder Skilehrgänge durchgeführt würden und sich interessierte Schüler und Schülerinnen melden sollten. Den sich daraufhin meldenden Schülern und Schülerinnen ließ er ein Schreiben vom 15. November 1974 zukommen, in dem neben näheren Einzelheiten über Fahrt, Unterkunft und Kosten auch der Hinweis enthalten war, daß "gemäß unserem Erlaß derartige Lehrgänge auch auf die Zensuren für die Beurteilung in Leibesübungen angerechnet werden" könnten. Das Schreiben war links oben gekennzeichnet mit "Stadtwald-Gymnasium" und von W. unterzeichnet. In einem weiteren Schreiben vom 15. März 1975, das wiederum als solches des Stadtwald-Gymnasiums gekennzeichnet war, teilte W. den Teilnehmern weitere Einzelheiten über den Skilehrgang mit. Im vorletzten Absatz dieses Schreibens wies er darauf hin, daß sämtliche Teilnehmer die allgemeine Ordnung befolgen müßten, u. a. Skifahren nur in Gruppen, Bettruhe nach Anordnung. Bei groben Verstößen erfolge sofortige Heimreise des Betreffenden nach vorheriger telefonischer Benachrichtigung der Eltern. Er hoffe, daß auch diesmal der Skiurlaub Ostern für alle Teilnehmer Erholung und viel Freude bringe.
Während dieses Skikurses erlitt die Klägerin beim Skifahren einen Unfall und zog sich einen Innenbandriß des linken Knies zu, der eine stationäre Behandlung erforderlich machte.
Die Beklagte lehnte mit Bescheid vom 23. Oktober 1975 Entschädigungsleistung aus der gesetzlichen Unfallversicherung insbesondere deswegen ab, weil es sich wegen der fehlenden Genehmigung der oberen Schulaufsichtsbehörde bei dem Skilehrgang nicht um eine schulische Veranstaltung des Stadtwald-Gymnasiums gehandelt habe.
Das Sozialgericht (SG) hat durch Urteil vom 5. Mai 1976 die Klage abgewiesen, da es sich um eine freiwillige Veranstaltung gehandelt habe, die von der Schulverwaltung lediglich vermittelt worden sei. Die Bindung zwischen der Schule und dem Lehrgang sei so gering gewesen, daß es dem Zweck des Gesetzes widersprechen würde, hier einen Unfall während des Schulbesuches anzunehmen. Dies wäre nur möglich, wenn es sich um eine Veranstaltung gehandelt hätte, die vom Ministerium gebilligt worden wäre und deren Bedeutung erkennbar erheblich für den gesamten Schulbetrieb gewesen wäre.
Auf die Berufung der Klägerin hat das Landessozialgericht (LSG) durch Urteil vom 21. Dezember 1976 das Urteil des SG und den Bescheid der Beklagten aufgehoben und die Beklagte verurteilt, die Klägerin wegen der Folgen des Unfalles vom 1. April 1975 zu entschädigen. Das LSG hat zur Begründung ua ausgeführt: Der Versicherungsschutz bestehe während schulischer Veranstaltungen auch bei Unfällen außerhalb des Bundesgebietes. Der Unfall der Klägerin habe sich auch während des Besuchs der allgemeinbildenden Schule ereignet. Der von der Schule zu erteilende Unterricht mit der Aufgabe, neben der Vermittlung von Bildung und Wissen zur Entwicklung der Persönlichkeit der ihr anvertrauten jungen Menschen beizutragen, wozu auch die körperliche Ertüchtigung dienlich sei (vgl BSGE 28, 204), werde in aller Regel von Lehrplänen bestimmt und erfaßt. Führe die Schule eine besondere Veranstaltung durch, für die eine schulaufsichtliche Genehmigung oder Anerkennung ausgesprochen worden sei, so handele es sich um eine lehrplanmäßige Veranstaltung. Eine Genehmigung des im vorliegenden Fall zu beurteilenden Skilehrganges durch die obere Schulaufsichtsbehörde hätte demnach zur Folge gehabt, daß es sich um eine lehrplanmäßige Veranstaltung gehandelt hätte. Eine Begrenzung des Versicherungsschutzes nur auf lehrplanmäßige Veranstaltungen würde jedoch Sinn und Zweck des Gesetzes nicht gerecht. Es sei daher unerheblich, daß der Skilehrgang des Stadtwald-Gymnasiums von der oberen Schulaufsichtsbehörde nicht als Schulveranstaltung anerkannt worden sei oder wegen des Fehlens der in den Richtlinien für Schulwanderungen und Schulfahrten des Kultusministers des Landes Nordrhein-Westfalen vom 18. Juli 1974 aufgestellten Voraussetzungen nicht hätte anerkannt werden können. Allein entscheidend sei vielmehr, ob Umstände vorlägen, die eine wesentliche innere Beziehung zwischen der Schulausbildung und der außerlehrplanmäßigen Veranstaltung herstellten. W. habe in der Schule "am schwarzen Brett" einen Aushang angebracht, mit dem er Skilehrgänge angekündigt und sich hierfür interessierende Schüler zur Teilnahme aufgefordert habe. Auch von Sinn und Zweck her bewegten sich die Skilehrgänge hinsichtlich ihrer pädagogischen Bedeutung im Rahmen schulischer Veranstaltungen. Da darüber hinaus den Teilnehmern am Skilehrgang schriftlich vom Sportlehrer ausdrücklich mitgeteilt worden sei, daß nach einem Erlaß derartige Lehrgänge auf die Zensuren für die Beurteilung in Leibesübungen angerechnet werden könnten, sei damit ein wesentlicher innerer Zusammenhang mit dem Schulunterricht hergestellt worden.
Das LSG hat die Revision zugelassen.
Die Beklagte hat dieses Rechtsmittel eingelegt.
Sie trägt vor: Die für das Vorliegen eines Arbeitsunfalles nach § 548 Abs 1 der Reichsversicherungsordnung (RVO) unabdingbare Voraussetzung des "wesentlichen (inneren) Zusammenhangs" zwischen Unfallereignis und versicherter Tätigkeit sei für den Personenkreis der nach § 539 Abs 1 Nr 14 b RVO Versicherten unter Einbeziehung pädagogischer Kriterien zu beurteilen. Es sei schlechthin undenkbar, die Prüfung, welche Tätigkeit eines Schülers dem Schulbesuch diene, völlig losgelöst vom schulischen und damit pädagogischen Bereich anstellen zu wollen. Die Unfallversicherungsträger kämen gar nicht umhin, bei der Beurteilung und Abgrenzung des Versicherungsschutzes für Schüler sich des Hilfsmittels schulrechtlicher Rechtssätze zu bedienen, in die der pädagogische Sachverstand zur Beschreibung schulischer Aufgabenstellungen und der Mittel zur Erreichung dieser schulischen Ziele eingeflossen sei. So seien Tätigkeiten von Schülern denkbar, die dem inneren Antrieb entsprängen und außerhalb des schulorganisatorischen Bereichs verrichtet würden. Obwohl derartige Tätigkeiten keine "Veranstaltungen" darstellten, könne Unfallversicherungsschutz bestehen, weil der ursächliche Zusammenhang zur versicherten Tätigkeit als gegeben angesehen werden könne. In diesen Fällen sei die Einbeziehung schulrechtlicher Rechtssätze in die Kausalitätsprüfung nicht möglich. Im vorliegenden Fall habe es sich aber um eine Veranstaltung gehandelt. Da die unfallversicherungsrechtliche Würdigung der Tätigkeit der Klägerin mit der Beurteilung der Veranstaltung, an der sie teilnahm, einhergehe, müßte hier den bestehenden schulrechtlichen Rechtssätzen zur Charakterisierung dieser Veranstaltung erhöhte Bedeutung zukommen. Der aus öffentlichem Interesse heraus bestehenden Verpflichtung, am Unterricht teilzunehmen und die übrigen als verbindlich anerkannten schulischen Veranstaltungen zu besuchen, solle als Rechtswohltat der Unfallversicherungsschutz gegenübergestellt werden.
Die Beklagte beantragt,
das angefochtene Urteil aufzuheben und die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des SG vom 5. Mai 1976 zurückzuweisen.
Die Klägerin beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist nicht begründet.
Die Klägerin ist als Schülerin während des Besuchs der allgemeinbildenden Schule versichert. Zum Besuch allgemeinbildender Schulen zählen vor allem der Besuch des Schulunterrichts einschließlich schulischer Veranstaltungen wie Schulausflüge und Schulreisen (s. BT-Drucks VI/1333; Brackmann, Handbuch der Sozialversicherung, 1. - 8. Aufl., S 474 q IV; Lauterbach, Gesetzliche Unfallversicherung, 3. Aufl, § 539 Anm 85 Buchst b). Was zum Schulunterricht gehört, ergibt sich regelmäßig aus dem Lehrplan. Der Skilehrgang war keine im Lehrplan vorgesehene Veranstaltung. Zum Besuch einer allgemeinbildenden Schule gehören jedoch nicht nur die Teilnahme an im Lehrplan aufgenommenen, sondern auch die an Veranstaltungen, die, ohne in den Lehrplan aufgenommen zu sein, in wesentlich innerer Beziehung zur Ausbildung in der Schule stehen (s BSGE 28, 204, 206; Brackmann aaO; Lauterbach aaO).
In Übereinstimmung mit dem Berufungsgericht teilt der Senat nicht die Auffassung der Beklagten, der Skilehrgang sei ua keine schulische Veranstaltung gewesen, weil der Lehrgang nicht die Voraussetzungen für eine Schulveranstaltung nach den Richtlinien für Schulwanderungen und Schulfahrten des Kultusministeriums in Nordrhein-Westfalen vom 18. Juli 1974 erfüllte (hier Richtlinien 3.1, 3.2.1). Unter 1.3 der Richtlinien (aaO) heißt es: "Schulwanderungen und Schulfahrten, die ganz oder teilweise in die Ferien fallen, sind nur dann Schulveranstaltungen, wenn sie von der oberen Schulaufsichtsbehörde genehmigt sind". Darüber hinaus bedürfen auch sonst jede Schulwanderung und Schulfahrt der Genehmigung als Schulveranstaltung (s 3.1 der Richtlinien aaO), die bei Studienfahrten das Schulkollegium beim Regierungspräsidenten erteilt (s 3.2.1 der Richtlinien aaO). Diese Genehmigung wurde nach der bei den Akten der Beklagten befindlichen Auskunft des Schulkollegiums beim Regierungspräsidenten in Düsseldorf vom 16. September 1975 von der Schulleitung nicht eingeholt. Der Skilehrgang entsprach nach dieser Auskunft auch insoweit nicht den Vorschriften über die Gestaltung von Schulfahrten, als zB eine Unterrichtsarbeit während des Skilehrganges nicht vorgesehen war.
Der Versicherungsschutz bei der Teilnahme an einer Veranstaltung der Schule richtet sich danach, ob die Teilnahme an der Veranstaltung im ursächlichen Zusammenhang mit dem Besuch der allgemeinbildenden Schule steht. Führt die Schule eine - nicht in den Lehrplan aufgenommene - Veranstaltung als solche der Schule durch, entfällt der ursächliche Zusammenhang zwischen dem Besuch der allgemeinbildenden Schule und der Teilnahme an dieser Veranstaltung nicht, weil die Schule die zur Durchführung solcher Veranstaltungen erlassenen Rechts- oder Verwaltungsvorschriften nicht beachtet hat. Ebenso wie der Versicherungsschutz der Arbeitnehmer grundsätzlich nicht entfällt, weil der Unternehmer gegen gewerbe- oder arbeitsrechtliche Vorschriften oder der Betrieb gegen Anordnungen der Unternehmensleitung verstoßen hat, steht dem Versicherungsschutz bei von der Schule durchgeführten Veranstaltungen nicht entgegen, daß zB der Lehrer oder die Schulleitung die Veranstaltung nicht bei der Aufsichtsbehörde angemeldet oder von dieser nicht die vorgeschriebene Genehmigung eingeholt oder die Veranstaltung in ihrer Durchführung nicht den ergangenen Rechts- und Verwaltungsvorschriften entsprochen hat. Entscheidend ist, ob die Teilnahme der Schüler an einer von der Schule durchgeführten Veranstaltung wesentlich durch den Besuch der allgemeinbildenden Schule bedingt ist. Das ist jedoch auch der Fall, wenn die im inneren Zusammenhang mit der Ausbildung zur Schule stehende Veranstaltung nicht schulrechtlichen Vorschriften entspricht. Zudem ist für Eltern und Schüler regelmäßig nicht erkennbar, ob eine Veranstaltung der Schule die in Rechts- oder Verwaltungsvorschriften niedergelegten Voraussetzungen erfüllt, insbesondere ob die Veranstaltung von der hierfür zuständigen Behörde als Schulveranstaltung genehmigt ist. Eine andere Entscheidung müßte zB dazu führen, daß bei einer Schulwanderung, die der Lehrer versehentlich nicht von der Schulleitung genehmigen ließ, oder bei einer Schulfahrt, für die versehentlich die Genehmigung des Schulkollegiums nicht eingeholt wurde, für die Schüler kein Versicherungsschutz besteht, selbst wenn die Veranstaltung sonst den für die Durchführung von Schulwanderungen und Schulfahrten erlassenen Rechts- oder Verwaltungsvorschriften entsprach. In diesen Fällen könnte ggf. die nachträglich ausgesprochene Genehmigung den Mangel heilen. Dies wäre jedoch nicht möglich, wenn die Wanderung oder Fahrt auch in ihrer Durchführung nicht die hierfür aufgestellten Voraussetzungen erfüllte und eine Genehmigung nicht zulässig ist. Aber auch in diesem Fall ist es versicherungsrechtlich entscheidend, daß die Schüler an der Veranstaltung deshalb teilnehmen, weil sie von ihrer Schule durchgeführt wird. Anderenfalls müßten die Eltern der Schüler aus versicherungsrechtlichen Gründen jeweils prüfen, ob eine Veranstaltung allen schulrechtlichen Vorschriften entspricht.
Voraussetzung für den Versicherungsschutz gemäß § 539 Abs 1 Nr 14 Buchst b RVO ist bei nicht in den Lehrplan aufgenommenen Veranstaltungen jedoch, daß es sich um Veranstaltungen der Schule handelt. Unterstützt die Schule zB durch Rat und Tat ihrer Lehrer lediglich Freizeitveranstaltungen von Gruppen ihrer Schüler, besteht für die Schüler Versicherungsschutz nicht allein wegen der Teilnahme von Lehrern an ihrer Freizeitgestaltung (Vollmar, Unfallversicherung für Schüler und Studenten sowie Kinder in Kindergärten, 2. Aufl, S 42). Dies entspricht auch der grundsätzlichen Beschränkung des Versicherungsschutzes der Schüler auf den organisatorischen Verantwortungsbereich der Schule (s BSGE 35, 207, 211; 41, 149, 150 f.). Im vorliegenden Fall können mehrere nachträglich bekannt gewordene Umstände dagegen angeführt werden, den Skilehrgang als Schulveranstaltung anzusehen. Ob die Teilnahme von Schülern an einer Veranstaltung im ursächlichen Zusammenhang mit dem Schulbesuch steht, richtet sich jedoch nicht nach später bekannt gewordenen Tatsachen und Umständen, sondern danach, ob die Eltern und Schüler im Zeitpunkt der Durchführung der Schulveranstaltung davon ausgehen konnten, daß es sich um eine organisatorisch von der Schule als Schulveranstaltung getragene Schulfahrt handelt. Das ist nach den Feststellungen des LSG der Fall.
Die Veranstaltung, während der die Klägerin verunglückte, war spätestens im September 1974 an dem für Verlautbarungen eingerichteten Aushang (sog. schwarze Brett) angekündigt. Auch das Schreiben vom 15. November 1974 an die interessierten Schüler ging unter der Kennzeichnung "Stadtwald-Gymnasium" heraus und war von dem Sportlehrer unterschrieben. Die Veranstaltung war als "Skilehrgang" bezeichnet. In der Ankündigung war ua darauf hingewiesen, daß gemäß "unserem Erlaß" der Lehrgang auch auf die Zensuren für die Beurteilung in Leibesübungen angerechnet werden könne. Die Leser dieser Ankündigung, insbesondere die Eltern und Schüler, konnten unter Berücksichtigung aller Umstände, insbesondere aus der Kennzeichnung als Ski-"Lehrgang", aus der Ankündigung an der vorgeschriebenen Stelle in der Schule, aus der Bezeichnung als Schreiben des Stadtwald-Gymnasiums und aus dem Hinweis auf die Anrechnung des Lehrganges auf die Zensuren in Leibesübungen entnehmen, es handele sich um eine Veranstaltung der Schule und nicht nur um eine von Lehrkräften der Schule lediglich unterstützte Freizeitgestaltung einzelner Schüler. Zwar können, worauf die Beklagte zutreffend hinweist, außerschulische Sportleistungen allgemein bei der Notengebung im Sport angemessen bewertet werden (s 2.4 der Richtlinien über den Unterricht in Leibesübungen vom 22. März 1963), zB Siege und hervorragende Plätze bei Leichtathletikmeisterschaften. Bei dem angekündigten Skilehrgang bestand jedoch die Möglichkeit einer Beeinflussung der Note, ohne daß so allgemein anerkannten Spitzenleistungen in einzelnen Sportarten wie die erfolgreiche Teilnahme an Meisterschaften nachgewiesen zu werden brauchten. Deshalb spricht die allgemeine Möglichkeit, außerschulische Sportleistungen bei der Notengebung im Sport zu berücksichtigen, nicht dagegen, den Hinweis auf die Beeinflussung der Note im Sport als Indiz für eine schulische Veranstaltung zu werten. Die Beklagte weist in diesem Zusammenhang auf das Schreiben des Turnlehrers vom 15. März 1975 hin, in dem dieser weitere Einzelheiten über die Fahrt mitteilte. In dieser wiederum als Schreiben des Stadtwald-Gymnasiums gekennzeichneten Mitteilung ist abschließend ausgeführt: "Ich hoffe, daß auch dieses Mal der Ski-Urlaub Ostern für alle Teilnehmer Erholung und viel Freude bringt". Dennoch erscheint diese Abschlußfloskel nicht ausreichend, um nach den Gesamtumständen vor Durchführung des Skilehrganges davon auszugehen, es handele sich bei dieser Veranstaltung um eine von dem Turnlehrer privat organisierte Ferienveranstaltung für Schüler. Im vorangehenden Absatz ist darauf hingewiesen, daß sämtliche Teilnehmer die allgemeine Ordnung befolgen müßten und bei groben Verstößen eine sofortige Heimreise des betreffenden Schülers nach vorheriger telefonischer Benachrichtigung der Eltern erfolge. Diese strenge Ordnung ist zwar, wie die Beklagte mit Recht ausführt, nicht nur Schulveranstaltungen eigentümlich. Sonstige Gruppenfahrten von Jugendlichen unterstehen gleichfalls häufig entsprechenden Ordnungsbestimmungen. Im Rahmen der Ankündigung vom 15. November 1974 und der näheren Einzelheiten im Schreiben vom 15. März 1975 sprechen die Hinweise auf die einzuhaltende Ordnung jedoch mehr für eine schulische Veranstaltung als für die Durchführung eines Ski-Urlaubs außerhalb der Organisation durch die Schule. Für die Eltern und Schüler erkennbar war, daß der Skilehrgang nicht im Rahmen eines Klassenverbandes und darüber hinaus für eine sehr begrenzte Anzahl von Schülern vorgesehen war. Die Veranstaltung im Rahmen eines Klassenverbandes wird regelmäßig ein besonders starkes Indiz für eine schulische Veranstaltung sein. Doch sind, was die Beklagte nicht verkennt, schulische Veranstaltungen außerhalb des Klassenverbandes auch nach den Richtlinien vom 18. Juli 1974 (aaO) nicht grundsätzlich ausgeschlossen. Die Beklagte führt außerdem zur Begründung ihrer Gegenmeinung an, daß der Skilehrgang jeweils in den Schulferien stattgefunden habe. Daraus mußten die Eltern und Schüler aber ebenfalls nicht schließen, es könne sich nicht um eine Schulveranstaltung handeln; denn die Richtlinien vom 18. Juli 1974 (aaO) sehen Schulveranstaltungen während der Ferien vor. Für sie ist lediglich eine Genehmigung der oberen Schulaufsichtsbehörde vorgesehen (s 1.3 der Richtlinien aaO). Schließlich war für die Eltern und Schüler erkennbar, daß der Skilehrgang finanziell voll von den Teilnehmern zu tragen war. Dies ist jedoch in der Regel bei in den Lehrplan aufgenommenen Wanderungen und Schulfahrten, und zwar selbst dann der Fall, wenn die Teilnahme - zB an einer Wochenfahrt - an sich zwingend vorgeschrieben ist.
Nach den gesamten Umständen der Ankündigung und Durchführung des Skilehrganges konnten hiernach Eltern und Schüler davon ausgehen, es handele sich um eine Schulveranstaltung. Bei einer Schulveranstaltung besteht jedoch - wie bereits ausgeführt - für die Schüler unabhängig davon Versicherungsschutz, ob die von dem Lehrer oder der Schulleitung zu beachtenden formellen Voraussetzungen für die Durchführung von schulischen Veranstaltungen erfüllt sind; denn entscheidend ist, daß die Teilnahme an dem als Veranstaltung der Schule organisierten Skilehrgang wesentlich durch den Schulbesuch bedingt war. Dies führt nicht, wie die Revision meint, zu einer Aufgabe der in der gesetzlichen Unfallversicherung geltenden Kausalitätstheorie und zu einer Annäherung an die Adäquanztheorie. Daß der Unfall der Klägerin wesentlich durch die Teilnahme an dem Skilehrgang bedingt worden ist, bedarf keiner Erörterung. Der innere Zusammenhang zwischen der Teilnahme an dem Skilehrgang und dem Besuch der allgemeinbildenden Schule ist gegeben, weil die Eltern und Schüler davon ausgehen konnten, es handele sich um eine Schulveranstaltung. Der Senat braucht aus Anlaß des vorliegenden Falles nicht zu entscheiden, ob bei einer erkennbar von der Schule getragenen Veranstaltung ein Versicherungsschutz daran teilnehmender Schüler entfällt, wenn die Veranstaltung nach Inhalt und Durchführung offensichtlich nicht im inneren Zusammenhang mit den Aufgaben und Zielen einer allgemeinbildenden Schule steht; denn dies ist hier nicht der Fall.
Die Beklagte meint zu Unrecht, ein Versicherungsschutz der Klägerin während des Skilehrganges sei ausgeschlossen, weil diesem Lehrgang lediglich die gleiche globale pädagogische und damit gesellschafts- und sozialpolitische Bedeutung zukomme wie jeder ähnlichen Gruppenveranstaltung eines Sport- und Turnvereins oder einer Jugendorganisation. Der Senat hat bereits in seinem Urteil vom 28. August 1968 (BSGE 28, 204) für die Schüler einer Ingenieurfachschule ausgeführt, es bedürfe keiner näheren Darlegung, daß für den jungen Menschen neben dem Erwerb von beruflichen Fachkenntnissen auch die Formung der ganzen Persönlichkeit von erheblicher Bedeutung sei, wozu eine körperliche Ertüchtigung gehöre. Der Senat hat die Teilnahme an dem vom ASTA der Fachhochschule organisierten Sport als im inneren Zusammenhang mit dem Besuch der Ingenieurfachschule stehend angesehen. Entsprechendes muß für die Schüler allgemeinbildender Schulen für den Besuch von Sportveranstaltungen gelten, die von der Schule organisiert sind. In seiner Entscheidung vom 28. August 1968 hat es der Senat ebenfalls nicht als erheblich angesehen, daß die körperliche Ertüchtigung durch Sport im gleichen Maße auch im Rahmen eines Sport- oder Turnvereins oder von anderen Studenten- oder Jugendorganisationen durchgeführt werden könnte. Ebenso hatte der Senat schon in seinem Urteil vom 22. September 1966 (SozR Nr. 3 zu § 548 RVO) entschieden, der Unfallschutz nach § 539 Abs 1 Nr 14 RVO aF iVm § 548 RVO umfasse die Teilnahme an einer lehrplanmäßigen, unter schulischer Aufsicht durchgeführten Klassenreise einer Berufsfachschule, auch wenn die Reise nicht speziellen Ausbildungszwecken, sondern lediglich allgemein der Erweiterung des Gesichtskreises der Schule diene. Diese Ausführungen gelten entsprechend für die versicherungsrechtliche Beurteilung der Durchführung von Schulveranstaltungen für Schüler allgemeinbildender Schulen (Brackmann aaO), und zwar auch für außerlehrplanmäßige Veranstaltungen. Die Beklagte meint, der Skilehrgang habe ausschließlich der Erholung und Entspannung der Schüler gedient und deshalb den Anforderungen einer Schulveranstaltung nicht entsprochen. Dies ist jedoch weder der Ankündigung des Skilehrganges noch den vom LSG getroffenen tatsächlichen Feststellungen zu entnehmen. Daß ein Skilehrgang zugleich Erholung und Entspannung bedeutet, ist ihm als sportlicher Veranstaltung eigen. Mit einer Klassenfahrt ins Ausland sind ebenfalls Erholung und Entspannung verbunden, ohne daß deshalb der Charakter einer Schulveranstaltung zu verneinen ist.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 des Sozialgerichtsgesetzes.
Fundstellen
Haufe-Index 1653087 |
BSGE, 94 |