Entscheidungsstichwort (Thema)
Sperrzeit bei Ablehnung eines Arbeitsangebots durch Wehrdienstverweigerer aus Gewissensgründen
Leitsatz (amtlich)
Zur Frage des Eintritts einer Sperrzeit nach § 119 Abs 1 AFG bei Ablehnung eines Arbeitsangebots aus Gewissensgründen (Kriegsdienstverweigerer).
Leitsatz (redaktionell)
1. Das Interesse der Allgemeinheit an der Funktionsfähigkeit der Arbeitslosenversicherung wiegt grundsätzlich schwerer als das Interesse des als Kriegsdienstverweigerer anerkannten Arbeitslosen, aus Gewissensgründen eine ihm angebotene Arbeit im oder für Zulieferungsunternehmen für die Bundeswehr abzulehnen.
2. Bei der somit grundsätzlich zulässigen Verhängung einer Sperrzeit ist aber die Härteregelung des § 119 Abs 2 AFG zu beachten.
Normenkette
AFG § 119 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 Fassung: 1969-06-25; GG Art. 4 Abs. 1 Fassung: 1949-05-23, Abs. 3 Fassung: 1949-05-23; AFG § 119 Abs. 2
Verfahrensgang
LSG Niedersachsen (Entscheidung vom 28.04.1981; Aktenzeichen L 3 Ar 369/80) |
SG Aurich (Entscheidung vom 30.07.1980; Aktenzeichen S 5 Ar 165/79) |
Tatbestand
Die Beteiligten streiten über die Rechtmäßigkeit einer Sperrzeit.
Der 1946 geborene Kläger ist anerkannter Wehrdienstverweigerer (Bescheid des Kreiswehrersatzamtes B vom 26. Oktober 1966). Nach Tätigkeiten in seinem erlernten Beruf als technischer Zeichner und Schiffsbau-Techniker - von 1972 bis September 1978 bei den T -N in E - bezog er Arbeitslosengeld (Alg) ab 30. Oktober 1978.
Im Rahmen der Arbeitsvermittlung bot die Beklagte dem Kläger Beschäftigungen bei den V F W - F GmbH (VFW) in B und bei der Firma A GmbH in G als Techniker an. Diese Arbeitsangebote lehnte der Kläger nach Belehrung über die Rechtsfolgen mit der Begründung ab, daß er bei den VFW an Konstruktionen für militärische Fahrzeuge habe arbeiten sollen, was er als anerkannter Wehrdienstverweigerer aus Gewissensgründen ablehnte; die gleichen Gründe träfen auch für die Arbeitsablehnung bei der Firma A zu. Die wegen der letztgenannten Arbeitsablehnung verhängte Sperrzeit (vom 23. Januar bis 19. Februar 1979) ist bindend geworden, nachdem der Kläger wegen des Ergebnisses von Ermittlungen die Berufung insoweit zurückgenommen hat.
Wegen der Ablehnung des Arbeitsangebots bei den VFW hat die Beklagte eine Sperrzeit von vier Wochen (20. Februar bis 19. März 1979) festgesetzt und unter Aufhebung ihrer Bewilligungsentscheidung für die Dauer der Sperrzeit das gezahlte Alg in Höhe von 1.173,-- DM zurückgefordert (Bescheid vom 9. Mai 1979). Widerspruch und Klage hatten keinen Erfolg (Widerspruchsbescheid vom 31. Oktober 1979; Urteil des Sozialgerichts -SG- vom 30. Juli 1980). Auf die zugelassene Berufung des Klägers hat das Landessozialgericht (LSG) nach persönlicher Anhörung des Klägers und Einholung einer Auskunft bei den VFW das erstinstanzliche Urteil und die Bescheide der Beklagten - die Arbeitsablehnung bei den VFW betreffend - aufgehoben (Urteil vom 28. April 1981). Zur Begründung seiner Entscheidung hat es im wesentlichen ausgeführt, die Sperrzeit vom 20. Februar bis 19. März 1979 sei zu Unrecht verhängt worden, so daß die Entziehung und Rückforderung des für diesen Zeitraum bewilligten Alg nicht rechtmäßig sei. Der Kläger habe die angebotene Arbeit bei den VFW aus Gewissensgründen abgelehnt, die als "wichtiger Grund" iS des § 119 Abs 1 Nr 2 Arbeitsförderungsgesetz (AFG) anzusehen seien. Bei den VFW habe der Kläger als Katalogredakteur für die Wartung von Fahrzeugen und Geräten eingesetzt werden sollen. Aus der Auskunft der VFW vom 6. Januar 1981 sei zu entnehmen, daß der Kläger jedenfalls damit zu rechnen gehabt habe, auch an militärischen Projekten tätig zu werden. Er wäre also mit Aufgaben betraut worden, die seine Grundhaltung des Kriegsgegner berührten. Der Senat habe sich nach Anhörung des Klägers und aufgrund seiner Anerkennung als Wehrdienstverweigerer die Überzeugung gebildet, daß er insoweit tatsächlich eine Gewissensentscheidung getroffen habe, an deren Ernsthaftigkeit keine Zweifel bestünden. Kennzeichnend für die Lage des Klägers sei, daß er sich in einem zentralen Lebensbereich, wie der Berufsausübung, nicht als "identische Persönlichkeit" darstellen könne, wenn er als Wehrdienstverweigerer im Berufsleben Aufgaben wahrnehme, die zur Herstellung und Wartung von militärischen Objekten dienten. Der Kläger mache damit Gewissensgründe geltend, die iS von Art 4 Abs 1 Grundgesetz (GG) beachtlich seien. Dem könne nicht entgegengehalten werden, daß der Kläger als anerkannter Wehrdienstverweigerer nur den Wehrdienst mit der Waffe verweigern könne (Art 4 Abs 3 GG). Entgegen der Auffassung der Beklagten sei Art 4 Abs 3 GG nur ein Spezialfall der allgemeinen Gewissensfreiheit des Art 4 Abs 1 GG, die nach neuerer Lehre nicht nur die Gewissensbildung und -entscheidung als rein internen Vorgang, sondern auch das "gewissensgebundene Handeln" schütze. Zwar werde der Kläger durch die Entscheidung der Beklagten nicht unmittelbar gezwungen, eine mit seinem Gewissen nicht zu vereinbarende Arbeit auszuführen; jedoch sei auch eine Entscheidung, die den Kläger zu einem solchen Verhalten im Interesse der Versichertengemeinschaft zu veranlassen bezwecke, mit der ohne Gesetzesvorbehalt gewährleisteten Gewissensfreiheit in Art 4 Abs 1 GG nicht vereinbar. Die gegenteilige Auffassung, wonach eine mittelbare Nötigung zum Gewissensverrat aus Gründen der Rechtssicherheit sowie aus ethischen Überlegungen hinzunehmen sei, böte die Möglichkeit, das vorbehaltslos gewährleistete Grundrecht auszuhöhlen. Dies gelte insbesondere unter den heutigen Lebensbedingungen der Mehrheit der Bürger, deren reale Freiheit - namentlich bei Wechselfällen des Lebens, wie der Arbeitslosigkeit - weitgehend von gesetzlich vorgesehenen öffentlichen Leistungen abhängig sei.
Mit ihrer Revision rügt die Beklagte eine Verletzung des § 119 Abs 1 AFG. Die vom LSG festgestellte Gewissensentscheidung des Klägers rechtfertige nicht die Ablehnung der ihm bei VFW angebotenen Arbeit; denn diese Arbeit kollidiere nicht mit seiner Gewissensentscheidung, falls diese überhaupt als ernsthaft zu betrachten sein sollte. Als Inhalt der Gewissensentscheidung des Klägers habe das LSG festgestellt, der Kläger lehne es ab, an Konstruktionen für militärische Fahrzeuge und Geräte zu arbeiten. Als Gegenstand der vom Kläger bei VFW abgelehnten Arbeit stehe hingegen aufgrund der Auskunft dieser Firma die Herstellung von Katalogen fest, nach denen die Wartung von Fahrzeugen und Geräten vorzunehmen sei; der Kläger hätte allerdings damit zu rechnen gehabt, auch an militärischen Projekten tätig zu werden. Bei der Arbeit als Katalogredakteur handele es sich nicht um Konstruktionsaufgaben für militärische Fahrzeuge und Geräte. Die bloße Möglichkeit, auch mit solchen Aufgaben beschäftigt zu werden, reiche für die Ablehnung des Arbeitsangebotes nicht aus. Das Gewissen habe den Kläger nicht daran gehindert, (inzwischen) eine Stelle bei den T N aufzunehmen, in zumindest zunächst ebenfalls eine Verwendung bei militärischen Projekten nicht ausgeschlossen gewesen sei; erst nach Aufnahme der Beschäftigung habe sich der Kläger - wie das LSG festgestellt habe - bemüht, eine Fassung seines Arbeitsvertrages zu erreichen, die seine Umsetzung und Verwendung bei militärischen Projekten ausschließe. Ein gleiches Verhalten sei dem Kläger aber auch hinsichtlich der bei VFW angebotenen Stelle zuzumuten gewesen. Die Darlegungen des Klägers in der mündlichen Verhandlung vor dem LSG seien im übrigen nicht geeignet, die Ernsthaftigkeit seiner behaupteten Gewissensentscheidung zu untermauern. Sie ließen eher darauf schließen, daß der Kläger die Grenzen des ihm Zumutbaren selbst von Fall zu Fall bestimmen wolle. Ein solches Verhalten blockiere praktisch die Vermittlungstätigkeit der Arbeitsämter, weil bei den vielfältigen Bedürfnissen der Bundeswehr nahezu jedes Unternehmen als potentieller Zulieferer in Betracht komme.
Selbst wenn die Gewissensentscheidung des Klägers als ernstlich zu betrachten sei und die ihm angebotene Arbeit bei VFW mit seiner Gewissensentscheidung nicht vereinbar gewesen wäre, könne dem LSG nicht gefolgt werden; denn das LSG lasse in seinem Urteil eine Abwägung des grundrechtlich geschützten Interesses des Klägers mit einem Gemeinschaftsinteresse von Verfassungsrang, nämlich der Notwendigkeit einer funktionsfähigen Arbeitslosenversicherung vermissen. Bei dieser Abwägung habe das persönliche Interesse des Klägers an der Vermeidung einer mit seinem Gewissen nicht zu vereinbarenden Tätigkeit gegenüber dem Gemeinschaftsinteresse an der Beendigung seiner Arbeitslosigkeit zurückzustehen. Ein Zwang zur Aufnahme der angebotenen Arbeit werde mit der Sperrzeitdrohung nicht ausgeübt, sondern lediglich eine versicherungsmäßige Obliegenheit zur Risikominderung konkretisiert. Die Folgen der Nichtbeachtung der Obliegenheit seien in Form einer begrenzten Überwälzung ihrer finanziellen Auswirkungen pauschaliert, die nicht entfernt den Folgen einer Zivildienstverweigerung vergleichbar seien, die nach den vom LSG zitierten Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) auch bei gewissensbegründeter Verweigerung hingenommen werden müßten. Zudem bestehe nach § 119 Abs 2 AFG die Möglichkeit, Härten mildernd zu berücksichtigen.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Landessozialgerichts Niedersachsen vom
28. April 1981 aufzuheben und die Berufung des Klägers gegen das
Urteil des Sozialgerichts Aurich vom 30. Juli 1980 zurückzuweisen.
Der Kläger beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Er bezieht sich auf die seiner Meinung nach zutreffenden Gründe des angefochtenen Urteils und trägt ergänzend vor: Soweit die Revision behaupte, seine Gewissensentscheidung sei nicht ernsthaft gewesen und hierzu neue Tatsachenbehauptungen aufstelle, seien diese ungeeignet, die Revision zu begründen; darüber hinaus treffe es nicht zu, daß er bei den T N in der U-Bootwerft gearbeitet habe bzw arbeite. Mit diesen habe er einen Einsatz nur in Abteilungen vereinbart, die nichts mit militärischen Aufträgen zu tun hätten. Eine entsprechende vertragliche Vereinbarung habe er bei VFW nicht erhalten können, sondern hätte dort sofort an einem Wartungskatalog für Militärflugzeuge arbeiten müssen.
Beide Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung durch Urteil ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt (§ 124 Abs 2 des Sozialgerichtsgesetzes -SGG-).
Entscheidungsgründe
Die Revision der Beklagten ist mit der Maßgabe begründet, daß die Sache an das LSG zurückzuverweisen ist. Zutreffend hat das LSG zwar die Berufung des Klägers ungeachtet des hier eingreifenden Berufungsausschließungsgrundes des § 144 Abs 1 Nr 2 SGG für zulässig erachtet, weil sie vom SG nach § 150 Nr 1 SGG ausdrücklich zugelassen worden war. Entgegen der Auffassung des LSG hat jedoch die Beklagte mit den angefochtenen Bescheiden zu Recht die Voraussetzungen eines Sperrzeittatbestandes iS von § 119 Abs 1 Satz 1 Nr 2 AFG als erfüllt angesehen. Ob allerdings die für den Zeitraum vom 20. Februar bis 19. März 1979 festgestellte Sperrzeit auf zwei Wochen zu verkürzen war und dementsprechend auch die Entziehung und Rückforderung des für diesen Zeitraum bewilligten Alg nur bis zum 5. März 1979 Rechtens war, läßt sich den Feststellungen des LSG nicht entnehmen.
Nach § 119 Abs 1 Satz 1 Nr 2 AFG, der hier in der ursprünglichen Fassung des Gesetzes vom 25. Juni 1969 (BGBl I 582) anzuwenden ist, tritt eine Sperrzeit von vier Wochen ein, wenn ein Arbeitsloser trotz Belehrung über die Rechtsfolgen eine vom Arbeitsamt angebotene Arbeit nicht angenommen oder nicht angetreten hat, ohne für sein Verhalten einen wichtigen Grund zu haben. Würde eine Sperrzeit von vier Wochen für den Arbeitslosen nach den für den Eintritt der Sperrzeit maßgebenden Tatsachen eine besondere Härte bedeuten, so umfaßt die Sperrzeit zwei Wochen (§ 119 Abs 2 AFG). Die Fassung, die § 119 Abs 1 Satz 1 und Abs 2 AFG durch das Gesetz zur Konsolidierung der Arbeitsförderung (AFKG) vom 22. Dezember 1981 (BGBl I 1497) durch Art 1 § 1 Nr 45a und b erhalten hat, findet im vorliegenden Falle keine Anwendung, weil das Ereignis, das die Sperrzeit begründet hat, vor dem 1. Januar 1982 eingetreten ist (Art 1 § 2 Nr 13 AFKG).
Die Voraussetzungen für den Eintritt einer Sperrzeit nach § 119 Abs 1 Satz 1 Nr 2 AFG sind im Falle des Klägers erfüllt. Abgesehen von den Voraussetzungen eines wirksamen Arbeitsangebots - Bestimmtheit des Angebots, ordnungsgemäße Rechtsfolgenbelehrung -, an deren Vorliegen keine Zweifel bestehen, beruht die Ablehnung der Angebotenen Arbeit nicht auf Gründen, die als "wichtiger Grund" iS dieser Bestimmung anzusehen sind.
Zutreffend hat das LSG ausgeführt, daß zur Auslegung des § 119 Abs 1 Satz 1 Nr 2 AFG nicht nur auf die in früheren Bestimmungen des Gesetzes über Arbeitsvermittlung und Arbeitslosenversicherung (AVAVG) abschließend aufgeführten "berechtigten Gründe" zur Arbeitsablehnung (§ 78 Abs 2 AVAVG bzw § 90 AVAVG aF) zurückgegriffen werden kann. Diese Gründe sind bewußt durch den unbestimmten Gesetzesbegriff des "wichtigen Grundes" ersetzt worden, um den der Sperrzeit zugrunde liegenden Rechtsgedanken zu verallgemeinern (vgl den schriftlichen Bericht des Bundestagsausschusses für Arbeit zu BT-Drucks V/4100 S 20 f, Vorbem zu § 108a). Danach soll eine Sperrzeit nur dann eintreten, wenn dem Arbeitnehmer unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles und unter Abwägung seiner Interessen mit den Interessen der Versichertengemeinschaft ein anderes Verhalten zugemutet werden kann (vgl Bericht des Bundestagsausschusses für Arbeit, aaO). Die angebotene Arbeit muß insbesondere unter Berücksichtigung der "persönlichen Verhältnisse" zumutbar sein (vgl hierzu und zu den Maßstäben für die Auslegung des § 119 Abs 1 Satz 1 Nr 2 AFG BSG SozR 4100 § 119 Nr 13 mwN). Zu den im Rahmen der Sperrzeitregelung zu beachtenden persönlichen Verhältnissen gehören, wie der Senat bereits im Zusammenhang mit der Religionsfreiheit bzw - Ausübungsfreiheit ausgeführt hat (vgl BSG aaO), auch persönliche Bindungen und Positionen, soweit sie verfassungsrechtlichen Schutz genießen. Die Auslegung und Anwendung unbestimmter Gesetzesbegriffe, hier des "wichtigen Grundes" in § 119 Abs 1 Satz 1 AFG, muß mit vorrangigem Verfassungsrecht vereinbar sein. Insbesondere die Grundrechte und die in ihnen zum Ausdruck kommende Wertordnung sind zu beachten. Das gilt auch für Art 4 GG, der ua die Gewissensfreiheit und ihre spezielle Ausformung als Bekenntnisfreiheit in Art 4 Abs 1 GG sowie das Kriegsdienstverweigerungsrecht in Art 4 Abs 3 GG gewährleistet. Eine die Festsetzung einer Sperrzeit rechtfertigende Beeinträchtigung von Belangen der Versichertengemeinschaft liegt daher nicht vor, wenn und soweit Art 4 GG im vorliegenden Falle etwas anderes gebietet, dh die Ablehnung der angebotenen Arbeit rechtfertigt. Darüber ist im Konfliktfalle aufgrund einer Güterabwägung zu entscheiden (vgl BSG aaO).
Nach den Feststellungen des LSG, die insoweit nicht angegriffen worden sind und daher für das Revisionsgericht bindend sind (§ 163 SGG), hat der Kläger, der anerkannter Kriegsdienstverweigerer ist, die angebotene Arbeit mit der Begründung abgelehnt, daß er an Konstruktionen für militärische Objekte habe mitarbeiten sollen, was er wegen seiner gewissensgebundenen Gegnerschaft gegen den Krieg ablehne. Das Angebot betraf eine Tätigkeit bei den VFW als Katalogredakteur, bei der der Kläger an der Herstellung von Katalogen für die Wartung von Fahrzeugen und Geräten hätte mitarbeiten sollen; hierbei hätte er auch Konstruktionen von militärischen Projekten als Ausgangsbasis benutzen müssen. Allerdings hätte der Kläger auch damit zu rechnen gehabt, direkt an militärischen Projekten tätig zu werden; dies hat das LSG aus den Angaben der VFW entnommen, daß aufgrund der Aufgabenstellung der Firma generell nicht auszuschließen sei, daß Mitarbeiter auch an militärischen Projekten tätig werden. Der Kläger wäre damit nach den Feststellungen des LSG - auch als Katalogredakteur - mit Aufgaben betraut worden, die jedenfalls mittelbar dazu dienen, die Voraussetzungen für die von ihm grundsätzlich abgelehnte bewaffnete Auseinandersetzung zwischen Menschen und Staaten zu schaffen, bzw die seine diesbezügliche Grundhaltung "berühren". Das LSG hat insoweit aufgrund der Anerkennung des Klägers als Kriegsdienstverweigerer und seiner Angaben bei der persönlichen Anhörung in der mündlichen Verhandlung festgestellt, daß er tatsächlich eine Gewissensentscheidung getroffen hat, an deren Ernsthaftigkeit keine Zweifel bestehen.
Ob die hiergegen von der Beklagten erhobenen Angriffe durchgreifen, die sich vornehmlich dagegen richten, daß der vom LSG festgestellte Inhalt der Gewissensentscheidung (Ablehnung der Mitarbeit an Konstruktionen für militärische Objekte) sich nicht mit dem Gegenstand der abgelehnten Arbeit (Mitarbeit an Katalogen für die Wartung militärischer Objekte) decke, die aber auch gegen die Ernsthaftigkeit der Gewissensentscheidung gerichtet sind, kann dahingestellt bleiben. Auch wenn der Senat davon ausgeht, daß der Kläger eine ernsthafte Gewissensentscheidung getroffen hat, die sich nach ihrem Inhalt auch auf die konkret angebotene Arbeit als Katalogredakteur erstreckt, kann sich der Kläger zur Abwendung der Rechtsfolgen des § 119 Abs 1 Satz 3 AFG nicht mit Erfolg auf den grundrechtlich gewährleisteten Schutz der Gewissensfreiheit berufen.
Insbesondere unterfällt die Ablehnung von Arbeiten in oder für die Rüstungswirtschaft entgegen der Auffassung des Klägers nicht bereits dem Schutzbereich des Art 4 Abs 3 GG. Das hiernach gewährleistete Recht, den Kriegsdienst mit der Waffe zu verweigern, erstreckt sich nicht auf jede Mitwirkung am Krieg, sondern bezieht sich nur auf Tätigkeiten, die in einem - nach dem Stand der jeweiligen Waffentechnik - unmittelbaren Zusammenhang mit dem Einsatz von Kriegswaffen stehen. Nicht von Art 4 Abs 3 GG geschützt ist daher - außer zB dem Einsatz bei der Militärverwaltung und der Truppenbetreuung - die Heranziehung zur Kriegsfinanzierung oder der Einsatz in der Rüstungswirtschaft, dh die Heranziehung zu - zivilen - Aufgaben, die der Herstellung von militärischen Objekten oder auch deren Wartung dienen (vgl Herzog, in : Maunz/Dürig/Herzog/Scholz, GG, Art 4 RdNrn 170 bis 174, Stand 1971; Zippelius in: Bonner Kommentar - BK -, Art 4 RdNr 98, Stand 1966; Hemmrich, in: v Münch -Hrsg-, GG, 2. Aufl 1981, Art 4 RdNr 35; aA Hamel, Glaubens- und Gewissensfreiheit, in: Die Grundrechte, BD IV/1, S 37 ff, 92; Hamann/Lenz, GG, 3. Aufl 1970, Art 4 Anm 8). Die Frage, ob hinsichtlich der gewissensorientierten Verweigerung von "Diensten ohne Waffe", dh von Tätigkeiten, die nur mittelbar in einem Zusammenhang mit dem Krieg bzw mit dem Einsatz von Kriegswaffen stehen, nach dem systematischen Zusammenhang zwischen Art 4 Abs 3 und Art 4 Abs 1 GG ein Rückgriff auf die dort allgemein verbürgte Gewissensfreiheit zulässig ist, hat das LSG unter Bezugnahme auf die neuere Lehre zu Art 4 GG (zum Schutzbereich des Art 4 Abs 1 GG s neuestens Steiner, JuS 1982, 157, 161 f mwN) bejaht. Danach stellt Art 4 Abs 3 GG nur eine - nicht abschließende - Konkretisierung von Art 4 Abs 1 GG dar, dh, er hat gegenüber der allgemeinen Gewissensfreiheit des Art 4 Abs 1 GG nur eine Klarstellungs-, Bekräftigungs- und Verdeutlichungsfunktion und enthält im übrigen auch den gleichen Gewissensbegriff wie Art 4 Abs 1 GG. Diese Lehre geht davon aus, daß bereits Art 4 abs 1 GG ein allgemeines Grundrecht auf Gewissensbetätigungsfreiheit enthält, also grundsätzlich auch die Freiheit schützt, von der öffentlich handelnden Gewalt nicht gehindert zu werden, sich dem Gewissen - seinen Geboten und Verboten - gemäß zu verhalten (überwiegende Meinung in der Literatur, wobei der Umfang dieser Betätigungsfreiheit im einzelnen unterschiedlich bestimmt wird; siehe vor allem Böckenförde, VVDStRL 28 - 1970 -, S 33 ff, 50 f mwN auf S 53 unter Fußnote 65; Herzog aaO, Art 4 RdNrn 127 ff, 129 bis 135 mwN; Bäumlin, VVDStRL 28, S 3 ff, 15 f). Demgegenüber geht das BVerfG (und die Kommentarliteratur zum Wehrpflichtgesetz -WPflG-) davon aus, daß Art 4 Abs 3 GG eine abschließende Regelung für den Bereich des Waffendienstes bzw die Wehrpflicht enthält, also abschließend die Voraussetzungen normiert, unter denen Dienstleistungen für die Streitkräfte aus Gewissensgründen verweigert werden können (BVerfGE 19, 135, 138; 23, 127, 132; Scherer/Krekeler, WPflG, 3. Aufl 1966, § 25 Anm II 2; Hahnenfeld/Schmelzer/Winterhoff, WPflG, § 25 RdNr 4). Diese Auffassung des BVerfG setzt voraus, daß die Gewissensfreiheit des Art 4 Abs 1 GG grundsätzlich auf die Freiheit des "forum internum" und die Geheimsphäre beschränkt ist, also nur die Gewissensbildung und -entscheidung als internen Vorgang, nicht aber "gewissensgebundenes Handeln" schützt (so vor allem auch Zippelius, aaO, Art 4 RdNrn 41 ff, 44; weitere Nachweise bei Böckenförde, aaO, S 51 Fußnote 57). Allerdings hat das BVerfG, obwohl seiner Interpretation des Art 4 Abs 3 GG diese weitgehenden Rückwirkungen für die Auslegung von Art 4 Abs 1 GG zukommen, den Inhalt des Art 4 Abs 1 GG und den ihm zugrundeliegenden Gewissensbegriff nicht ausdrücklich erörtert, sondern dessen restriktive Interpretation implizit unterstellt (vgl dazu Böckenförde, aaO, § 74 unter Fußnote 142).
Ob der bisher vom BVerfG vertretenen restriktiven Auslegung des Art 4 Abs 1 GG zu folgen ist, die - soweit ersichtlich - bisher nicht expressis verbis aufgegeben worden ist (in der Rechtsprechung des BVerfG finden sich allerdings Hinweise, die auf eine Erstreckung des Art 4 Abs 1 GG auf die Gewissensbetätigungsfreiheit hindeuten, vgl etwa BVerfGE 48, 127, 163; weitere Nachweise bei Steiner, aaO, S 161 unter Fußnote 69), kann letztlich ebenso offengelassen werden wie die Frage, ob der erkennende Senat im Rahmen von § 31 Abs 1 Bundesverfassungsgerichtsgesetz (BVerfGG) an die sich aus den tragenden Gründen der genannten Entscheidungen ergebenden Auslegungsgrundsätze bzw notwendigen Prämissen gebunden ist. Hieran könnten schon angesichts der zwischenzeitlichen Änderung der allgemeinen Rechtsanschauungen zum Gewissensbegriff Zweifel bestehen (vgl hierzu Maunz/Schmidt-Bleibtreu/Klein/Ulsamer, BVerfGG, 1979, § 31 RdNrn 16 ff, 27). Auch dann, wenn - in Übereinstimmung mit der überwiegenden Meinung in der Literatur - Art 4 Abs 3 GG als eine nicht abschließende Konkretisierung der allgemeinen Gewissensbetätigungsfreiheit des Art 4 Abs 1 GG angesehen wird, dh dem prinzipiellen Kriegsgegner ein Grundrecht zugestanden wird, sein Gewissen auch in Bereichen zu betätigen, die nicht dem Schutzbereich des Art 4 Abs 3 GG zuzuordnen sind bzw mit militärischen Auseinandersetzungen nur mittelbar im Zusammenhang stehen, läßt sich die vom LSG getroffene Entscheidung nicht rechtfertigen.
Zutreffend weist die Beklagte darauf hin, daß eine im Rahmen von § 119 Abs 1 Satz 1 AFG zu beachtende verfassungsrechtlich geschützte Gewissensposition eine zusätzliche Belastung der Versichertengemeinschaft nur rechtfertigen kann, wenn bei der gebotenen Rechtsgüterabwägung der Gewissensposition des einzelnen ein höheres Gewicht zukommt als den verfassungsrechtlich vorausgesetzten oder angeordneten Gemeinschaftsaufgaben, hier der Funktionsfähigkeit der Arbeitslosenversicherung, deren Belange ihren verfassungsrechtlichen Anknüpfungspunkt im Sozialstaatsprinzip finden (vgl BSG SozR 4100 § 119 Nr 13; zur Güterabwägung im Bereich der Gewissensfreiheit s a Bäumlin aaO, S 18 ff). Diese Güterabwägung, die aufgrund einer auf den konkreten Fall bezogenen Analyse und Bewertung der in Anspruch genommenen Grundrechtsposition einerseits und der geltend gemachten Gemeinschaftsbelange andererseits zu erfolgen hat, führt hier zu dem Ergebnis, daß die dem Kläger im Gemeinschaftsinteresse abzufordernde Pflicht zur Entlastung der Solidargemeinschaft schwerer wiegt als sein Interesse an einer folgenlosen Verwirklichung seiner gewissensorientierten Grundhaltung als Kriegsgegner auch im Berufsleben. Inhalt der Gewissensüberzeugung des Klägers ist nach den Feststellungen des LSG die Ablehnung der Mitwirkung an bewaffneten Auseinandersetzungen zwischen Menschen und Staaten. Diese Gewissensposition wird aber durch die angebotene Arbeit als Katalogredakteur nicht in ihrem Kernbereich, sondern nur am Rande berührt. Das BVerfG hat bereits im Zusammenhang mit Art 4 Abs 3 GG ausgeführt, daß der Zwang, militärische Auseinandersetzungen zu unterstützen, in Friedenszeiten naturgemäß nicht so unmittelbar in Erscheinung tritt wie in Kriegszeiten (vgl BVerfGE 28, 243, 262). Dies gilt erst recht für einen - in Friedenszeiten erfolgenden - Einsatz im Bereich der Rüstungswirtschaft, wenn der zu leistende Beitrag - wie im vorliegenden Fall - angesichts der im Rahmen der Arbeitsteilung wahrzunehmenden Funktion keine unmittelbare, tatsächliche Nähe zur Waffenherstellung hat und für eine "Stärkung der bewaffneten Macht" nur von untergeordneter Bedeutung ist. Insoweit wird der vom Kläger in Anspruch genommene Schutz für seine Gewissensüberzeugung nur in einer formalen Randposition betroffen, der auch hinsichtlich der Wahrung der "Persönlichkeitsidentität" nur ein geringer Grad an Bedeutsamkeit beizumessen ist. Jedenfalls kann eine "kritische Bedrohung der Identität" bzw eine "Dekonstituierung" der Persönlichkeit, wie sei das LSG zur Begründung seiner Auffassung unter Bezugnahme auf Luhmann (Die Gewissensfreiheit und das Gewissen, AöR 90 - 1965 -, S 257 ff, 264 f) und Bäumlin (aaO, S 67) angenommen hat, bei derart "mittelbaren" Diensten, die nur in einem weiteren Sinne der Förderung militärischer Auseinandersetzungen dienen, schwerlich angenommen werden. Allerdings ist dem Kläger einzuräumen, daß letztlich jede Tätigkeit, die nur im entferntesten dazu beiträgt, Bestand, Organisation und Funktionsfähigkeit der bewaffneten Macht zu erhalten bzw zu stärken, und sei es nur durch die Mitarbeit bei der Herstellung von Nahrungsmitteln oder Bekleidung für militärische Organisationen (der Kläger lehnt nach seinen Angaben vor dem LSG zB auch Arbeiten in einer Bäckerei und in einem Textilbetrieb, der die Bundeswehr beliefert, ab), seiner verfassungsrechtlich geschützten Gewissensverwirklichungsfreiheit zugerechnet werden müßte; insoweit besteht weitgehende Übereinstimmung dahin, daß wegen der Besonderheiten des Gewissensphänomens als einer im sozialen Leben vorgegebenen Wirklichkeit (vgl BVerfGE 12, 45, 54 f; Böckenförde; aaO, S 66) grundsätzlich nicht zwischen richtigen oder unrichtigen, wesentlichen oder unwesentlichen Gewissensentscheidungen unterschieden werden kann, sofern nur deren Ernsthaftigkeit außer Frage steht (vgl Böckenförde, aaO S 70 mwN). Folgt man diesem extensiven Gewissensbegriff, der grundsätzlich die Freiheit jedweder Gewissensverwirklichung gewährleistet sehen will, so ist allerdings bei der Abwägung mit den im konkreten Falle kollidierenden Gemeinschaftsbelangen deren sachlich rechtfertigender Grund in Rechnung zu stellen. Im vorliegenden Falle muß das Interesse der Solidargemeinschaft der Arbeitslosenversicherung an einer möglichst schnellen Eingliederung des Arbeitslosen in den Arbeitsprozeß als schwererwiegend angesehen werden als das Interesse des Wehrdienstverweigerers, auch im Berufsleben ohne für ihn nachteilige Folgen von Arbeiten freigestellt zu werden, die nur entfernt mit dem Inhalt seiner Gewissensposition kollidieren. Das Interesse der Versichertengemeinschaft an einer möglichst raschen Entlastung von den finanziellen Folgen der Arbeitslosigkeit und die Erfordernisse des Arbeitsmarktes sind erheblich beeinträchtigt, wenn der Arbeitslose seine "Arbeitsbereitschaft" derart einschränkt, daß jedwede "Berührung" der angebotenen Arbeit mit seiner gewissensorientierten Grundhaltung ausgeschlossen ist. Damit wäre, worauf die Beklagte zutreffend hingewiesen hat, ihre Vermittlungstätigkeit in derartigen Fällen weitgehend blockiert, weil bei den vielfältigen Bedürfnissen der Bundeswehr - namentlich im technischen Bereich - eine Vielzahl von Unternehmen als potentielle Zulieferer in Betracht kommen und deshalb bei der Vermittlung nicht berücksichtigt werden könnte. Auch können die von der Beklagten gem § 14 Abs 1 Satz 2 AFG zu berücksichtigenden besonderen Verhältnisse der freien Arbeitsplätze nicht so zuverlässig bestimmt werden, daß von vornherein entsprechenden Einschränkungen der Arbeitsbereitschaft bei der Arbeitsvermittlung Rechnung getragen werden könnte. Es kann hierbei offenbleiben, ob etwas anderes zu gelten hätte, wenn der Arbeitslose solche Arbeiten ausschließt, die unmittelbar die Herstellung von Waffen oder Munition betreffen. Dies trifft jedenfalls für die Arbeit eines Katalogredakteurs nicht zu. Daß der Kläger auch mit der Möglichkeit zu rechnen hatte, evtl im Bereich der Waffenkonstruktion verwendet zu werden, berechtigt ihn nicht zur Ablehnung des konkreten Arbeitsangebots als Katalogredakteur, sondern kann allenfalls im Bereich der Härteregelung Berücksichtigung finden.
Der Annahme, daß im konkreten Falle die Interessen des Versicherten hinter denjenigen der Versichertengemeinschaft zurückzutreten haben, steht die Entscheidung des Senats vom 10. Dezember 1980 (BSG SozR 4100 § 119 Nr 13) nicht entgegen. Abgesehen davon, daß dort die Religionsfreiheit in ihrer ausdrücklich gewährleisteten Betätigungsform als Religionsübungsfreiheit tangiert war, war die Klägerin in dem dort bezeichneten Falle durch die angebotene Arbeit, wenn sie sie übernommen hätte, in ihrer Freiheit, die Gebote ihrer Religionsgemeinschaft zu befolgen (die Sabbatruhe einzuhalten) unmittelbar beeinträchtigt. Der Senat hat ausdrücklich die Bedeutung und Tragweite des Gebots staatlicher Toleranz in Fragen des Glaubens gegenüber Minderheiten und Sekten hervorgehoben und unter Bezugnahme auf die Rechtsprechung des BVerfG darauf hingewiesen, daß derartige Gruppen schon zahlenmäßig nicht ins Gewicht fallen (BVerfGE 33, 23, 32). Die Frage einer mehr oder weniger großzügigen Gewährung der in Art 4 Abs 1 GG ausgesprochenen Freiheiten ist insoweit auch nach der Rechtsprechung des BVerfG in einem Zusammenhang mit der Quantität ihrer Inanspruchnahme zu sehen. Eine massierte Berufung auf das Gewissen, wie sie zB im Bereich des Art 4 Abs 3 GG und mit steigender Tendenz auch in der Rechtsprechung der Zivilgerichte zum Vertragsrecht zum Ausdruck kommt (vgl zu Art 4 Abs 3 GG Böckenförde, aaO, § 77; zum Vertragsrecht Steiner, JuS 1982, S 164 unter Fußnote 117 bis 118), könnte insoweit die Arbeitslosenversicherung vor schwerwiegende Probleme stellen, etwa in regionalen Bereichen, in denen eine Vielzahl von Betrieben für Zwecke der Bundeswehr arbeitet. Unabhängig von diesem Gesichtspunkt kann aber im vorliegenden Falle auch eine Gewichtung der beiderseitigen Belange anhand des verfassungsrechtlichen Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit nicht dazu führen, daß der Kläger, der die angebotene Arbeit unter Berufung auf sein Gewissen abgelehnt hat, von den Konsequenzen seines Verhaltens völlig freigestellt wird. Es ist nicht Sinn der Gewissensfreiheit, dem einzelnen zu ermöglichen, sich von den Folgen seines Verhaltens zu distanzieren (vgl Luhmann, aaO S 281). Deshalb wird allgemein - ungeachtet ethischer Überlegungen, daß erst das materielle Opfer de Gewissensentscheidung Würde verleiht (vgl Ramm, Die Freiheit der Willensbildung, 1960, S 62 unter Fußnote 19) - die Auffassung vertreten, daß der einzelne, der sein Verhalten auf Gewissensgründe stützt, grundsätzlich daraus entstehende Nachteile in Kauf zu nehmen hat, ihm Opfer zumutbar sind, insbesondere dort, wo es um finanzielle Folgen seines gewissensgebundenen Handelns geht (vgl Luhmann, aaO, S 284 f ; Böckenförde, aaO S 71). Hierfür werden nicht nur Gesichtspunkte der Gerechtigkeit angeführt, sondern auch auf die praktisch-verfahrensmäßige Funktion derart "lästiger Nachteile" hingewiesen; sie schützen nicht nur die öffentliche Hand vor einem Mißbrauch der Gewissensfreiheit, sondern ebenso die Gewissensfreiheit selbst, weil sie für denjenigen, der sich auf sein Gewissen beruft, zugleich nach außen den Beweis führen, daß er um seines Gewissens willen so handelt (vgl Böckenförde, aaO S 71). Derartige Opferzumutungen erweisen sich mithin als zulässiges Korrektiv zur Eingrenzung der Gewissensbetätigungsfreiheit, da andernfalls auf andere Kriterien, namentlich auf Abgrenzungskriterien über zulässige Gewissensinhalte, zurückgegriffen werden müßte. Bei Berücksichtigung dieser Gesichtspunkte erweist sich die Überwälzung eines - pauschalierten - Teils der Kosten, die der Arbeitslose der Versichertengemeinschaft durch seine gewissensorientierte Arbeitsablehnung verursacht, als nicht grundsätzlich unverhältnismäßig bzw unzumutbar. Eine Opfergrenze wird allerdings dort zu ziehen sein, wo der allgemeine soziale Status des Betroffenen und seiner Familie durch ein derartiges Opfer wesentlich beeinträchtigt wird. Das ist aber dann nicht der Fall, wenn - wie es für § 119 Abs 1 AFG zutrifft - die Folgen der Nichtbeachtung der dem Versicherten auferlegten Obliegenheit zur Entlastung der Solidargemeinschaft nur in einer zeitlich begrenzten Überwälzung ihrer finanziellen Auswirkungen besteht. Durch die Entziehung des Alg für die begrenzte Dauer von in der Regel vier Wochen wird der Arbeitslose in seiner existentiellen Sicherheit auch insoweit nicht gefährdet, als ihm für diese Zeit regelmäßig Leistungen der Sozialhilfe zur Verfügung stehen. Darüberhinaus können die Umstände, die für den Eintritt der Sperrzeit maßgebend waren, in Fällen besonderer Härte zu einer Verkürzung der Sperrzeit auf zwei Wochen führen, § 119 Abs 2 AFG. Hierzu gehören auch persönliche Umstände, wenn sie zu den für den Eintritt der Sperrzeit maßgebenden Tatsachen gehören bzw sich auf diese zwangsläufig auswirken (vgl BSG Urteil vom 20. März 1980 - 7 RAr 4/79 -), also in Fällen der vorliegenden Art auch Umstände, die den Inhalt der Gewissensentscheidung und ihre Gründe oder die Situation bei der Ablehnung des Arbeitsangebots betreffen.
Das LSG hat - von seinem Rechtsstandpunkt aus zu Recht - keine Feststellungen dazu getroffen, ob eine Sperrzeitverkürzung nach § 119 Abs 2 AFG in Betracht kommt. Diese Feststellungen wird das LSG nachzuholen haben. Von ihrem Ergebnis hängt es auch ab, ob ggf die Aufhebung und Rückforderung des Alg für die festgesetzte Dauer der Sperrzeit rechtmäßig ist oder ob wegen einer Sperrzeitverkürzung auf zwei Wochen die angefochtenen Bescheide insoweit aufzuheben sind, als sie die Zeit vom 6. bis 19. März 1979 betreffen.
Die Sache ist daher an das LSG zurückzuverweisen, das auch über die Kosten des Revisionsverfahrens zu entscheiden haben wird.
Fundstellen
BSGE, 7 |
Breith. 1983, 161 |