Beteiligte
Kläger und Revisionskläger |
Beklagte und Revisionsbeklagte |
Tatbestand
I.
Streitig ist, ob die Beklagte den Erhöhungsbetrag der Halbwaisenrente des Klägers wegen gleichzeitigen Bezuges von Waisengeld aus einer Ärzteversorgung um die Hälfte kürzen durfte.
Der 1961 geborene Kläger bezog von der Beklagten für die Zeit vom 24. Dezember 1979 bis zum 30. Juni 1983 eine Halbwaisenrente aus der Versicherung seiner am 24. Dezember 1979 verstorbenen Mutter Dr. Sieglinde S… . Die Versicherung der Verstorbenen, seit 1972 selbständige Fachärztin für Orthopädie, beruhte im wesentlichen auf einer Nachversicherung und einer Nachentrichtung von Beiträgen gemäß Art. 2 § 49a Abs. 2 und 3 Angestelltenversicherungs-Neuregelungsgesetz (AnVNG) für die Jahre 1956 bis 1973. Mit Bewilligungsbescheid vom 30. Mai 1980 kürzte die Beklagte den Erhöhungsbetrag der Halbwaisenrente um die Hälfte (§ 46 Satz 4 Angestelltenversicherungsgesetz -AVG-), weil auch die Ärzteversorgung Westfalen-Lippe dem Kläger eine Halbwaisenrente gewährte.
Die verstorbene Mutter des Klägers hatte seit September 1967 freiwillige Beiträge zur Ärzteversorgung Westfalen-Lippe geleistet, nachdem sie sich bereits 1962 - wegen der Beamtentätigkeit ihres Ehemannes - von der Pflichtmitgliedschaft bei dieser Einrichtung hatte befreien lassen und der Ärzteversorgung als freiwilliges Mitglied beigetreten war.
Die Klage gegen den Bescheid vom 30. Mai 1980 blieb in den Vorinstanzen ohne Erfolg (Urteil des Sozialgerichts -SG- Münster vom 4. August 1983; Urteil des Landessozialgerichts -LSG- Nordrhein-Westfalen vom 6. Februar 1985).
Das LSG hat im wesentlichen ausgeführt, die Kürzung des Erhöhungsbetrages der Waisenrente sei gemäß § 46 Satz 4 AVG i.d.F. des 20. Rentenanspassungsgesetzes (RAG) zu Recht erfolgt. Eine Einschränkung dieser Regelung dahin, daß die Kürzung bei den in der Angestelltenversicherung (AV) freiwillig Versicherten oder bei den freiwilligen Mitgliedern der berufsständischen Versorgungseinrichtung nicht gelte, sei nicht erfolgt. Wenn § 46 Satz 4 AVG hinter dem Wort "Berufsgruppe" den Klammerzusatz "§7 Abs. 2" des AVG enthalte, sei damit Iediglich die Art der Versorgungseinrichtung definiert worden, deren Halbwaisenrente zur Kürzung des Erhöhungsbetrages führe. Der Zusatz sei hingegen nicht auf die Art der Mitgliedschaft bezogen, so daß es unerheblich sei, daß die Verstorbene lediglich freiwilliges Mitglied der Ärzteversorgung gewesen sei und ihr Versicherungsverhältnis nicht auf Pflichtmitgliedschaft beruht habe. Diese Auslegung sei systemgerecht. Für eine Gesetzeslücke bestehe kein Anhalt.
Mit der vom LSG zugelassenen Revision rügt der Kläger eine Verletzung des § 46 Satz 4 AVG. Er hält daran fest, daß die Kürzungsregel in § 46 Satz 4 AVG nur Personen erfasse, die nach § 7 Abs. 2 AVG von der Versicherungspflicht zu befreien seien. Dafür spreche schon die Tatsache, daß eine Kürzung der Waisenrente nur um den halben Kinderzuschuß vorgeschrieben sei; dies lasse den Schluß zu, daß Grund für die Kürzung nur der Umstand gewesen sei, daß die von der Pflichtversicherung nach § 7 AVG befreiten Versicherten ihre Beiträge zur Ärzteversicherung nicht selbst in voller Höhe zu tragen hätten, sondern die Hälfte vom jeweiligen Arbeitgeber zu zahlen sei. Hätte der Gesetzgeber § 46 Satz 4 AVG auch bei nur freiwillig in der Ärzteversorgung versicherten Personen bzw. ihren Hinterbliebenen anwenden wollen, hätte er auf keinen Fall eine generelle Kürzung der Waisenrente um einen bestimmten Betrag festlegen dürfen, weil bei freiwillig Versicherten eine Waisenrente nicht immer den Kürzungsbetrag (von 75,95 DM) erreiche. In diesen Fällen wäre eine Waise mit geringerer Waisenrente aus der Ärzteversorgung schlechter gestellt als eine Waise, die nur die Rente nach § 44 AVG erhalte. Eine solche Regelung wäre willkürlich und nicht verfassungskonform. Das gelte auch mit Rücksicht auf die Vorschriften des § 55 Abs. 3 Nr. 2 AVG sowie §§ 10, 55 Beamtenversorgungsgesetz (BeamtVG), wonach eine ausschließlich auf freiwilligen Beiträgen beruhende Leistung aus einem anderen Versicherungssystem nicht zur Kürzung führe.
Der Kläger beantragt sinngemäß, die Urteile des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 6. Februar 1985 und des Sozialgerichts Münster vom 4. August 1983 aufzuheben und die Beklagte unter Abänderung des Bescheides vom 30. Mai 1980 zu verurteilen, den Erhöhungsbetrag der Halbwaisenrente des Klägers ungekürzt zu gewähren.
Die Beklagte beantragt, die Revision zurückzuweisen.
Sie ist der Ansicht, daß § 46 Satz 4 AVG Anwendung finde, wenn das Waisengeld aufgrund einer Mitgliedschaft bei einer Versorgungs-einrichtung gezahlt werde, die "auf gesetzlicher Verpflichtung" beruhte. Diese Voraussetzung sei bei der Mutter des Klägers erfüllt gewesen, da sie als Ärztin Pflichtmitglied der Ärzteversorgung gewesen sei. Damit habe sie an sich zu dem in § 7 Abs. 2 AVG definierten Personenkreis gehört, der die dort aufgeführten "befreiungsberechtigenden" Kriterien aufgewiesen habe. Daß sie von der Pflichtmitglied-schaft im Versorgungswerk befreit worden sei, sei unerheblich. Nur wenn die Mitgliedschaft im Versorgungswerk ausschließlich freiwillig gewesen wäre (z.B. Ausschluß der Pflichtmitgliedschaft wegen Vollendung des 45. Lebensjahres) und damit keine Befreiungsmöglichkeit i.S. von § 7 Abs. 2 AVG gegeben gewesen wäre, könne der volle Erhöhungsbetrag zur Waisenrente gezahlt werden. Ein solcher Fall sei hier aber nicht gegeben.
Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung durch Urteil ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt (§ 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz -SGG-).
Entscheidungsgründe
II.
Die Revision des Klägers ist zulässig und auch begründet.
Der angefochtene Bescheid der Beklagten, mit dem der Erhöhungsbetrag zur Waisenrente nur zur Hälfte gewährt worden ist, ist rechtswidrig. Dem Kläger steht der volle Erhöhungsbetrag zu.
Rechtsgrundlage für die Berechnung der Höhe der Waisenrente ist § 46 AVG. Nach dessen Satz 3 erhöht sich die Waisenrente einer Halbwaise um den Kinderzuschuß (§ 39 Abs. 4 AVG). Der durch das 20. RAG vom 27. Juni 1977 (BGBl I S. 1040) mit Wirkung ab 1. Januar 1978 angefügte Satz 4 des § 46 AVG, der eine Halbierung des Erhöhungsbetrages für zwei Fallgruppen vorsieht, findet keine Anwendung. Danach wird der in Satz 3 genannte Erhöhungsbetrag nur zur Hälfte gewährt, wenn die Waise von einer der in § 7 Abs. 1 AVG genannten Stellen Waisengeld nach beamtenrechtlichen Vorschriften oder Grundsätzen oder aus einer öffentlich-rechtlichen Versicherungs- oder Versorgungseinrichtung einer Berufsgruppe (§ 7 Abs. 2 AVG) erhält.
Nach den unangegriffenen und daher für den Senat bindenden (§ 163 SGG) Feststellungen des LSG hat zwar der Kläger neben seiner Halbwaisenrente aus der AV Halbwaisenrente von der Ärzteversorgung Westfalen-Lippe erhalten. Es steht auch außer Frage, daß die von dieser Versorgungseinrichtung gewährte Halbwaisenrente Waisengeld einer "öffentlich-rechtlichen Versicherungs- oder Versorgungsein-richtung einer Berufsgruppe", nämlich der Berufsgruppe der Ärzte ist, der die Mutter des Klägers seit 1967 als freiwilliges Mitglied angehört hat. Dies reicht aber für die Anwendung der Kürzungsregelung des § 46 Satz 4 AVG nicht aus. Die dort in dem Klammerzusatz enthaltene Verweisung auf § 7 Abs. 2 AVG erschöpft sich nicht - wie die Beklagte selbst einräumt und was das LSG verkannt hat - in einem bloßen Hinweis auf die Art der Versorgungseinrichtung, deren Halbwaisenrente zur Kürzung des Erhöhungsbetrages führt. Da § 7 Abs. 2 AVG selbst keine nähere Bezeichnung (Definition) der Art der Versorgungseinrichtungen enthält, sondern auf die Art der Mitglied-schaft in diesen Einrichtungen bezogen ist, muß die Verweisung eine andere Bedeutung haben: Sie schließt die Anwendung der Kürzungsregelung jedenfalls in den Fällen aus, in denen - wie hier - das Waisengeld ausschließlich auf freiwilliger Mitgliedschaft in einem Versorgungswerk beruht.
Die Bedeutung der Verweisung auf § 7 Abs. 2 AVG erschließt sich aus der Entstehungsgeschichte des § 46 Satz 4 AVG, seinem Zusammenhang mit § 39 Abs. 1 Satz 2 Nr. 4 AVG und dem Zweck dieser Regelungen, wie er in den Motiven zum 20. RAG zum Ausdruck kommt. Nach § 7 Abs. 2 AVG in der Fassung, die diese Bestimmung zur Zeit der Einfügung des Satzes 4 des § 46 AVG am 1. Januar 1978 hatte, konnten von der Versicherungspflicht in der AV Personen befreit werden, "die aufgrund einer durch das Gesetz angeordneten oder auf Gesetz beruhenden Verpflichtung Mitglieder einer öffentlich-rechtlichen Versicherungs- oder Versorgungseinrichtung ihrer Berufsgruppe sind" (§ 7 Abs. 2 AVG i.d.F. des AnVNG vom 23.2.1957- BGBl I 88); die in § 7 Abs. 2 Halbsatz 2 AVG (i.d.F. des Gesetzes vom 25.6.1979 - BGBl I 797) normierten weiteren Voraussetzungen hinsichtlich der beitrags- und leistungsrechtlichen Ausgestaltung der Versorgungswerke für angestellte Mitglieder haben zwar zur Zeit des hier streitigen Versicherungsfalles bereits gegolten, können aber vernachlässigt werden, weil einerseits keine Zweifel bestehen, daß die Ärzteversorgung Westfalen-Lippe diese Voraussetzungen erfüllt, andererseits sich die Bedeutung der Verweisung auf § 7 Abs. 2 AVG in Satz 4 des § 46 AVG offensichtlich nur auf die im ersten Halbsatz dieser Regelung bestimmten Merkmale der "Mitgliedschaft" erstreckt. Dies ergibt sich aus dem Zusammenhang mit § 39 AVG.
In § 39 AVG, auf den § 46 AVG hinsichtlich der Höhe des Kinderzuschusses (= Erhöhungsbetrag der Waisenrente) verweist, wurde wie in § 46 AVG durch das 20. RAG eine Kürzungsregelung eingefügt. Nach § 39 Abs. 1 Satz 2 AVG entfällt der Kinderzuschuß zu einer Rente wegen Berufs- oder Erwerbsunfähigkeit sowie zum Altersruhegeld dann, wenn in bestimmten gleichzeitig gewährten anderen Leistungen Beträge enthalten sind, die wegen des Kindes gezahlt werden. § 39 Abs. 1 Satz 2 Nr. 4 AVG nennt als derartige Parallelleistungen Versicherungs- oder Versorgungsleistungen eines Berechtigten, "wenn er aufgrund einer durch Gesetz angeordneten oder auf Gesetz beruhenden Verpflichtung Mitglied einer öffentlich-rechtlichen Versicherungs- oder Versorgungseinrichtung seiner Berufsgruppe ist". § 39 Abs. 1 Satz 2 Nr. 4 AVG schränkt demnach die Anwendung der Wegfallregelung auf Leistungen für bestimmte Mitgliedergruppen ein. Damit sind Leistungen geweint, die aufgrund gesetzlicher Pflichtmitgliedschaft erworben worden sind, bei denen also wegen der eigenen Berufstätigkeit des Versorgungsberechtigten eine gesetzliche Pflichtmitgliedschaft bestanden hat (Eicher/Haase/Rauschenbach, Die Rentenversicherung der Arbeiter und Angestellten, 6. Aufl., § 1262 RVO Anm. 3a). Daran fehlt es bei einem Berechtigten, der die Leistung ausschließlich aufgrund freiwilliger Mitgliedschaft in der Versorgungseinrichtung erworben hat; denn das freiwillige Mitglied ist nicht aufgrund gesetzlicher Verpflichtung - wegen der eigenen Berufstätigkeit - versichert, sondern kann aus den verschiedensten Gründen aus der gesetzlichen Pflichtmitgliedschaft ausgeschlossen oder von ihr befreit worden sein (u.a. wegen Überschreitung von Altersgrenzen, Nichtausübung des Berufes, wegen anderweitig versicherter Berufstätigkeit). Sein freiwilliger Beitritt beruht nicht auf gesetzlicher Verpflichtung. Diese Einschränkung des von der Wegfallvorschrift erfaßten Personenkreises hat auch für die Auslegung des § 46 Satz 4 AVG Bedeutung.
Daß § 39 Abs. 1 Satz 2 Nr. 4 AVG nicht - wie § 46 Satz 4 AVG - auf § 7 Abs. 2 AVG verweist, sondern den Wortlaut dieser Bestimmung (damals dessen 1. Halbsatz) wörtlich wiederholt, hat nur redaktionelle Bedeutung. Daraus kann nicht entnommen werden, daß der Klammerzusatz in § 46 Satz 4 AVG einen anderen Regelungsinhalt hat, insbesondere nur einen Hinweis auf die Art der Versorgungsein-richtung enthält und damit - anders als § 39 AVG - jegliche kindbezogenen Leistungen aus einer Versorgungseinrichtung in die Kürzungs-regelung einbezieht. Dagegen spricht nicht nur der Wortlaut des § 7 Abs. 2 AVG, sondern vor allem, daß kein Grund dafür ersichtlich ist, warum der Gesetzgeber beim Kinderzuschuß nur die auf Pflichtmitgliedschaft beruhenden Leistungen, hingegen bei der Waisenrente - weitergehend - jegliche Leistungen aus einem berufsständischen Versorgungswerk in die Kürzungsregelung hätte einbeziehen wollen, obwohl er sonst der Waisenrente bzw. dem in ihr enthaltenen Erhöhungsbetrag mindestens den gleichen, wenn nicht einen höheren Stellen- bzw. Schutzwert als dem Kinderzuschuß beimißt (vgl. etwa § 39 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 AVG). Für die Annahme, daß dem Klammer-zusatz in § 46 Satz 4 AVG die gleiche Bedeutung zukommt wie der Regelung in § 39 Abs. 1 Satz 2 Nr. 4 AVG, spricht insbesondere, daß beide Kürzungsregelungen des 20. RAG aus denselben gesetzgeberischen Motiven entstanden sind und den gleichen Zweck haben. Ziel des Gesetzgebers war es, mit dem 20. RAG zur Konsolidierung der Rentenfinanzen Kosten in der Rentenversicherung einzusparen und künftig ungerechtfertigte Belastungen der Solidargemeinschaft auch bei Kinderzuschüssen und Waisenrenten zu vermeiden (BT-Drucks 8/165 S. 37/38; BT-Drucks 8/337 S. 84/85). Nachdem die zunächst im Regierungsentwurf vorgesehene Bindung des Kinderzuschusses und des Waisenrenten-Erhöhungsbetrages an versicherungsrechtliche Voraussetzungen (Halbbelegung) aufgegeben worden war, sollten statt dessen aufgrund eines Änderungsantrages der Fraktionen der SPD und FDP, der unverändert in das Gesetz übernommen wurde, durch die vorgenannten Regelungen ungerechtfertigte Kumulierungen von Familienlastenausgleichsleistungen vermieden werden (BT-Drucks 8/425 S. 5 zu Artikel 2). Der beitragsunabhängige Kinderzuschuß bzw. der beitragsunabhängige Bestandteil in den Waisenrenten der AV soll künftig dann nicht mehr bzw. nur zur Hälfte gewährt werden, wenn für das Kind "bereits andere beitragsunabhängige kindbezogene Leistungen" gewährt werden; das wird u.a. bei kindbezogenen Versorgungsbezügen bzw. Waisengeldern von Beamten und vergleichbaren Personen" angenommen (vgl. BT-Drucks aaO).
Danach kann die Verweisung auf § 7 Abs. 2 AVG - ebenso wie die Wiederholung seines Inhalts in § 39 Abs. 1 Satz 2 Nr. 4 AVG - nur diejenigen aus einer berufsständischen Versorgungseinrichtung gewährten kindbezogenen Leistungen meinen, die aufgrund einer gesetzlichen Pflichtmitgliedschaft erworben wurden. Sie erfaßt damit jedenfalls nicht diejenigen Leistungen, die - wie im vorliegenden Fall - ausschließlich auf freiwilliger Mitgliedschaft beruhen, weil sich der Versorgungsberechtigte bereits vor einer Beitragsentrichtung von seiner gesetzlichen Pflichtmitgliedschaft hatte befreien lassen und der Versorgungseinrichtung als freiwilliges Mitglied beigetreten war. Derartige Leistungen sind weder den Leistungen für Beamte, deren Versorgung auf Gesetz beruht, vergleichbar noch handelt es sich um eine vergleichbare Personengruppe. Mit der durch das AnVNG erfolgten Erweiterung der Befreiungsmöglichkeiten für Angestellte in § 7 AVG, der bis dahin nur eine Befreiung bei einer Versorgung nach beamtenrechtlichen Grundsätzen vorsah, hat der Gesetzgeber seitdem auch eine Pflichtmitgliedschaft bei einer Versicherungs- oder Versorgungseinrichtung der jeweiligen Berufsgruppe der Versorgung nach beamtenrechtlichen Grundsätzen (§ 7 Abs. 1 AVG) als gleichwertig erachtet (BSG SozR 2400 § 7 Nr. 3). An dieser Gleichwertigkeit fehlt es aber bei einer ausschließlich freiwilligen Mitgliedschaft in der Versorgungseinrichtung, und zwar nicht nur dann, wenn eine Pflichtmit-gliedschaft aufgrund Gesetzes nicht bestanden hat oder ausgeschlossen war (nach § 6 der Satzung der Westfälisch-Lippischen Ärzteversorgung sind von der Pflichtmitgliedschaft ausgenommen Ärzte und Ärztinnen, die nach vollendetem 45. Lebensjahr Angehörige der Ärztekammer werden, sowie beamtete Ärzte und aktive Sanitätsoffiziere), sondern auch dann, wenn eine solche ursprünglich, "dem Grunde nach" bestanden hat, aber durch Befreiung auf Antrag weggefallen ist und lediglich in Form einer freiwilligen Mitgliedschaft fortbestanden hat. Dies ist in der Westfälisch-Lippischen Ärzteversorgung u.a. für Ärztinnen möglich, die - wie die Mutter des Klägers - infolge Eheschließung mit einem Beamten befreiungsberechtigt (§ 6 Abs. 5 der Satzung) und nach der Befreiung der Ärzteversorgung freiwillig beigetreten sind.
Der dem entgegenstehenden Ansicht der Beklagten, die Mitgliedschaft des verstorbenen Versicherten habe auch dann "aufgrund gesetzlicher Verpflichtung" i.S. von § 7 Abs. 2 AVG bestanden, wenn diese Verpflichtung zwar weggefallen sei, die freiwillige Fortsetzung aber vorausgesetzt habe, daß vorher eine Pflichtmitgliedschaft bestanden habe, ist der Senat nicht gefolgt. Diese im Zusammenhang mit der Auslegung des § 7 Abs. 2 AVG erörterte, aber nicht entschiedene Frage (BSG SozR Nr. 3 zu § 7 AVG) ist jedenfalls im Rahmen des § 46 Satz 4 AVG zu verneinen. Eine freiwillig fortgesetzte Mitgliedschaft eines "an sich" versicherungspflichtigen Mitglieds besteht - wie die freiwillig begründete Mitgliedschaft eines von der Pflichtmitgliedschaft Ausgeschlossenen - nicht (mehr) aufgrund gesetzlicher Verpflich-tung (so auch Koch/Hartmann, AVG, § 7 Anm. 4, Stand Juli 1962), weil eine solche Verpflichtung als Grund für die Mitgliedschaft durch Befreiung entfallen ist. Eine solche freiwillig fortgesetzte Mitgliedschaft unterscheidet sich jedenfalls dann, wenn zu keiner Zeit Beiträge aufgrund einer Pflichtmitgliedschaft entrichtet worden sind, nicht prinzipiell von derjenigen, die ein von der gesetzlichen Pflichtmitglied-schaft Ausgeschlossener kraft Beitrittserklärung begründet hat. So wird bei einer Vielzahl von Versorgungswerken- wie auch bei der Ärzteversorgung Westfalen-Lippe - die freiwillige Mitgliedschaft nicht nur gestattet, wenn zuvor eine Mitgliedschaft kraft gesetzlicher Verpflichtung vorgelegen hat, sondern auch dann, wenn der Arzt von vornherein von der Pflichtmitgliedschaft ausgeschlossen war (§ 7 der Satzung der Westfälisch-Lippischen Ärzteversorgung; ähnlich: § 4 der Satzung des Versorgungswerks der Ärztekammer Saar; § 9 der Satzung des Versorgungswerks der Ärztekammer Bremen; § 7 der Satzung der Berliner Ärzteversorgung; anders: § 17 der Satzung der Bayerischen Ärzteversorgung). Ein sachgerechter Grund dafür, beide Gruppenfreiwilliger Mitglieder derart unterschiedlich zu behandeln, daß Waisengelder aus der Versorgung der "an sich" versicherungspflichtigen Mitglieder den Kürzungsregelungen strikt unterworfen sein sollen, auch wenn sie ausschließlich auf freiwilligen Beiträgen beruhen, hingegen die von der gesetzlichen Verpflichtung ausgenommenen, aber gleichwohl freiwillig beigetretenen Mitglieder die vollen kindbezogenen Leistungen erhalten sollen, ist entgegen der Ansicht der Beklagten nicht ersichtlich. Der Kläger weist zutreffend darauf hin, daß eine derartige Differenzierung insbesondere dann zu sachwidrigen Ergebnissen führen könnte, wenn das zur Kürzung führende Waisengeld - etwa wegen der Abhängigkeit von der Höhe der entrichteten freiwilligen Beiträge - geringer wäre als die entfallende Hälfte des Erhöhungsbetrags zur Waisenrente der AV. Insoweit kann aber schon im Hinblick auf den Gleichheitsgrundsatz nicht angenommen werden, daß der Gesetzgeber die Waisen derjenigen, die von der Pflichtmitgliedschaft ihrer Berufseinrichtung befreit waren und stets freiwillige Beiträge entrichtet haben, hätte schlechter stellen wollen als die Waisen derjenigen, die kraft Gesetzes aus der Pflichtmitgliedschaft ausgeschlossen waren, deren freiwillige Mitgliedschaft aber gleichwohl keine Anwendung der Kürzungsregelungen zur Folge hat.
Im übrigen besagt der Klammerhinweis in § 46 Satz 4 AVG auf § 7Abs. 2 AVG nicht auch, daß - wie der Kläger meint - die Mitgliedschaft des verstorbenen Versicherten bei seinem berufsständischen Versorgungswerk sämtliche der in § 7 Abs. 2 AVG aufgeführten "befreiungsberechtigenden" Kriterien aufweisen muß. Zu diesen Kriterien gehört nach § 7 Abs. 2 AVG zweifelsfrei auch, daß der zu Befreiende Pflichtmitglied in der gesetzlichen Rentenversicherung sein muß, denn nur ein solches kann von der Versicherungspflicht befreit werden. Daß die Verweisung auf § 7 Abs. 2 AVG eine derartig umfassende Bedeutung hätte, ist weder dem Zweck der Regelung noch ihren Motiven zu entnehmen. Der Hinweis bezieht sich vielmehr nur auf die Art der Mitgliedschaft im Versorgungswerk, nicht auf diejenige in der AV, wie sich bereits aus dem Inhalt des § 39 Abs. 1 Satz 2 Nr. 4 AVG ergibt. Ist diese Mitgliedschaft ausschließlich freiwillig in dem Sinne, daß zu keiner Zeit eine auf Gesetz beruhende Pflichtmitgliedschaft im Versorgungswerk wirksam geworden, d.h. - wie im vorliegenden Fall - zu keiner Zeit Pflichtbeiträge entrichtet worden sind -, kann sie nach dem Zweck des § 46 Satz 4 AVG nicht zur Kürzung der Halbwaisenrente aus der AV führen. Ob etwas anderes gilt, wenn eine auf Gesetz beruhende Mitgliedschaft erst später - nach der Entrichtung von Pflichtbeiträgen - in eine freiwillige Mitgliedschaft umgewandelt worden wäre, kann dahinstehen, da ein solcher Fall hier nicht vorliegt.
Nach allem war der Revision des Klägers stattzugeben.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Fundstellen