Entscheidungsstichwort (Thema)

Beitragsnachentrichtung. Beamter. freiwillige Versicherung

 

Orientierungssatz

1. Das Recht zur Nachentrichtung von Beiträgen nach AnVNG Art 2 § 49a Abs 2 setzt voraus, daß derjenige, der Beiträge nachentrichten will, zur freiwilligen Versicherung nach AVG § 10 berechtigt ist. Für Beamte besteht gemäß AVG § 10 Abs 1a iVm AVG § 6 Abs 1 Nr 2 und Nr 3 das Recht zur freiwilligen Weiterversicherung nur, wenn sie für 60 Kalendermonate Beiträge entrichtet haben. Für die Nachentrichtungsberechtigung kommt es auf den Status des Antragstellers im Zeitpunkt der Antragstellung an und nicht auf denjenigen zu der Zeit, für den die Beiträge gelten sollen (vgl BSG 1977-02-23 12/11 RA 88/75).

2. Die Vorschrift des AnVNG Art 2 § 49a Abs 2 ist verfassungskonform. Die Regelung, die Beamten im Hinblick auf ihre anderweitige Sicherung sowohl von der freiwilligen Versicherung als auch grundsätzlich von der Nachentrichtung von Beiträgen auszuschließen, verstößt nicht gegen den allgemeinen Gleichheitssatz (vgl BVerfG 1978-09-27 1 BvL 4/77 = SozR 5750 Art 2 § 51a Nr 19).

 

Normenkette

AnVNG Art 2 § 49a Abs 2 Fassung: 1972-10-16; ArVNG Art 2 § 51a Abs 2 Fassung: 1972-10-16; AVG § 10 Abs 1a Fassung: 1972-10-16; RVO § 1233 Abs 1a Fassung: 1972-10-16; AVG § 6 Abs 1 Nr 2 Fassung: 1957-02-23; RVO § 1229 Abs 1 Nr 2 Fassung: 1957-02-23; AVG § 6 Abs 1 Nr 3 Fassung: 1957-02-23; RVO § 1229 Abs 1 Nr 3 Fassung: 1965-06-09; GG Art 3 Abs 1 Fassung: 1949-05-23

 

Verfahrensgang

Bayerisches LSG (Entscheidung vom 29.06.1976; Aktenzeichen L 16 An 122/75)

SG Bayreuth (Entscheidung vom 28.04.1975; Aktenzeichen S 10 An 285/74)

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten darüber, ob der Kläger zur Nachentrichtung von Beiträgen nach Art 2 § 49a Abs 2 des Angestelltenversicherungs-Neuregelungsgesetzes (AnVNG) berechtigt ist.

Der Kläger entrichtete in der Zeit vom 1. Juli 1968 bis 31. August 1969 Pflichtbeiträge zur Angestelltenversicherung. Am 1. Oktober 1973 beantragte er bei der Beklagten die Nachentrichtung von Beiträgen nach Art 2 § 49a Abs 2 AnVNG für die Zeit vom 1. Januar 1956 bis 28. Februar 1962. In dem Antrag gab er an, er sei Beamter auf Lebenszeit. Die Beklagte lehnte den Antrag mit der Begründung ab, daß die Voraussetzungen für die freiwillige Weiterversicherung nach § 10 Abs 1a des Angestelltenversicherungsgesetzes (AVG) nicht erfüllt seien (Bescheid vom 27. Februar 1974). Widerspruch, Klage und Berufung des Klägers sind erfolglos geblieben (Widerspruchsbescheid vom 16. Juli 1974; Urteil des Sozialgerichts -SG- Bayreuth vom 28. April 1975; Urteil des Bayerischen Landessozialgerichts -LSG- vom 29. Juni 1976). Das LSG hat darauf abgestellt, daß der Kläger im Zeitpunkt der Antragstellung nicht zur freiwilligen Weiterversicherung nach § 10 AVG berechtigt gewesen sei. Diese Berechtigung beziehe sich nicht auf den Zeitraum, für den nachentrichtet werden soll. Daß Ruhestandsbeamte sich im Gegensatz zu den Beamten auch ohne die Vorversicherung von 60 Kalendermonaten freiwillig versichern könnten, liege an der Systematik des Gesetzes. Höherrangige Normen des Grundgesetzes (GG), wie der Gleichheitssatz, seien nicht verletzt.

Mit der - vom LSG zugelassenen - Revision vertritt der Kläger die Auffassung, daß er für die Zeit vom 1. Januar 1956 bis 28. Februar 1962 nachentrichtungsberechtigt sei, weil er in diesem Zeitraum als Schüler und Student nicht versicherungspflichtig gewesen sei. Im Wege der grammatikalischen Auslegung könnten aus dem bloßen Wortlaut die Systematik des Gesetzes und der Wille des Gesetzgebers nicht entnommen und die Schlußfolgerung des LSG nicht gerechtfertigt werden. Es sei ihm unverständlich, daß die Beklagte nichts dagegen habe, daß pensionierte Beamte Beiträge nachentrichteten, auch wenn sie keine 60 Kalendermonate Beiträge aufzuweisen hätten.

Der Kläger beantragt,

die Urteile des LSG und des SG sowie den Bescheid

der Beklagten vom 27. Februar 1974 in der Gestalt

des Widerspruchsbescheides vom 16. Juli 1974

aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, die

Nachentrichtung freiwilliger Beiträge für die

Zeit vom 1. Januar 1956 bis 28. Februar 1962

zuzulassen.

Die Beklagte beantragt,

die Revision zurückzuweisen.

Die Beteiligten sind mit einer Entscheidung durch Urteil ohne mündliche Verhandlung einverstanden (§ 124 Abs 2 des Sozialgerichtsgesetzes -SGG-).

 

Entscheidungsgründe

Die Revision des Klägers ist nicht begründet. Das LSG hat zu Recht entschieden, daß der Kläger nicht berechtigt ist, Beiträge nach Art 2 § 49a Abs 2 AnVNG nachzuentrichten.

Das Recht zur Nachentrichtung von Beiträgen nach dieser Vorschrift setzt voraus, daß derjenige, der Beiträge nachentrichten will, zur freiwilligen Versicherung nach § 10 AVG berechtigt ist. Für Beamte besteht gemäß § 10 Abs 1a iVm § 6 Abs 1 Nr 2 und Nr 3 AVG das Recht zur freiwilligen Weiterversicherung nur, wenn sie für 60 Kalendermonate Beiträge entrichtet haben. Diese Voraussetzung liegt beim Kläger, für den nur 14 Beitragsmonate nachgewiesen sind, nicht vor.

Zu Unrecht meint der Kläger, es komme für die Nachentrichtungsberechtigung nicht auf den Status des Antragstellers im Zeitpunkt der Antragstellung an, sondern auf denjenigen zu der Zeit, für den die Beiträge gelten sollen. Diese Rechtsfrage hat der erkennende Senat bereits mit Urteil vom 23. Februar 1977 - 12/11 RA 88/75 - (DAngVers 1977, 297) dahin entschieden, daß nach Wortlaut und Entstehungsgeschichte der Vorschrift nicht irgend eine frühere Berechtigung zur freiwilligen Versicherung gemeint ist, sondern allein die gegenwärtige. Die Versicherungsberechtigung muß als materiell-rechtliche Voraussetzung für die Nachentrichtung von Beiträgen im Zeitpunkt der Antragstellung oder jedenfalls bis zum Ablauf der Antragsfrist am 31. Dezember 1975 vorgelegen haben, um ein Recht auf Nachentrichtung zu begründen (Urteile des Senats vom 23. November 1979 - 12 RK 29/78 -, vom 22. Februar 1980 - 12 RK 25/79 - und vom 11. Juni 1980 - 12 RK 15/79 -). Der Senat sieht keine Veranlassung, für den vorliegenden Fall von dieser Rechtsprechung abzuweichen.

Die Vorschrift des Art 2 § 49a Abs 2 AnVNG ist verfassungskonform. Mit der Regelung, die Beamten im Hinblick auf ihre anderweitige Sicherung sowohl von der freiwilligen Versicherung als auch grundsätzlich von der Nachentrichtung von Beiträgen auszuschließen, hat der Gesetzgeber nicht gegen den allgemeinen Gleichheitssatz verstoßen (BVerfG Beschluß vom 27. September 1978 - 1 BvL 4/77 - SozR 5750 Art 2 § 51a Nr 19).

Die vom Kläger beanstandete Zulassung von Ruhestandsbeamten zur Nachentrichtung hat keine Bedeutung für die Entscheidung seines Falles. Ruhestandsbeamte gehören nicht zum Personenkreis, der nach den in § 10 Abs 1a AVG genannten Vorschriften versicherungsfrei oder von der Versicherungspflicht befreit ist. Die Einschränkung des § 10 Abs 1a AVG trifft daher nicht auf sie zu. Ob es sozialpolitisch zweckmäßig war, den bereits mit beamtenrechtlicher Versorgung ausgestatteten Ruhestandsbeamten die freiwillige Versicherung und Nachentrichtung von Beiträgen offenzuhalten, entzieht sich der Beurteilung des Senats. Selbst wenn das Gesetz diesen Personen einen ungerechtfertigten Vorteil verschafft hätte, könnte der Kläger hieraus nicht ableiten, ebenso behandelt zu werden.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

 

Fundstellen

Dokument-Index HI1657746

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