Leitsatz (amtlich)
Die Regelung des BVG § 61 Abs 2, nach der die ernst nach Ablauf eines Jahres nach dem Tode des Beschädigten beantragte Hinterbliebenenrente frühestens mit dem Antragsmonat beginnt, läßt Ausnahmen auch für solche Berechtigte nicht zu, die als Erwerbsunfähige oder in der Erwerbsfähigkeit beschränkte Personen ohne gesetzlichen Vertreter rechtswirksam innerhalb des auf den Tod folgenden Jahres einen Antrag nicht stellen konnten. Für die Anwendung des allgemeinen Rechtsgedankens des BGB § 206 Abs 1 ist insoweit kein Raum.
Leitsatz (redaktionell)
Der Antrag hat im Versorgungsrecht nicht nur Bedeutung für den Gang des Verwaltungsverfahrens, indem er der Verwaltungsbehörde den Anstoß gibt, tätig zu werden, sondern er hat insbesondere auch eine überwiegend materiell-rechtliche Bedeutung. Diese Besteht darin, daß ein Anspruch auf Versorgung nicht schon mit der Verwirklichung des gesetzlichen, vom Willen des Berechtigten unabhängigen Tatbestandes (zB Eintritt des schädigenden Ereignisses und der Schädigungsfolge) entsteht, sondern daß zu diesem Tatbestandsmerkmalen der Antrag als weiterer rechts- und anspruchsbegründender Faktor hinzukommen muß.
Normenkette
BVG § 61 Abs. 2 Fassung: 1950-12-20, § 206 Abs. 1 Fassung: 1896-08-18
Tenor
Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Landessozialgerichts Baden-Württemberg in Stuttgart vom 30. Juni 1961 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
Von Rechts wegen.
Gründe
Die ... 1943 in B geborene Klägerin ist die uneheliche Tochter der landwirtschaftlichen Arbeiterin F H, außerehelicher Erzeuger ist der am 29. August 1944 als Soldat gefallene Landwirt J Sch. Amtsvormund der Klägerin war zunächst das Jugendamt in B, und zwar bis zur Einstellung seiner Tätigkeit infolge der kriegerischen Ereignisse gegen Ende des Krieges. Nach erfolgter Ausweisung aus dem polnisch besetzten Gebiet kam die Klägerin am 20. März 1951 in die Bundesrepublik Deutschland, sie steht seit Juli 1953 unter der Amtsvormundschaft des Kreisjugendamtes H. Dieses stellte unter dem 31. Juli 1953 beim Versorgungsamt (VersorgA) U Antrag auf Gewährung von Waisenrente aus Anlaß des Todes des außerehelichen Erzeugers; dem Antrag wurde mit Bescheid vom 13. Juni 1955 stattgegeben und Waisenrente vom 1. Juli 1953 (Antragsmonat) an bewilligt. Der Widerspruch des Amtsvormundes, mit dem Rentenzahlung bereits mit Beginn des Aufenthalts in der Bundesrepublik begehrt wurde, hatte keinen Erfolg.
Auf die Klage hat das Sozialgericht (SG) Ulm mit Urteil vom 30. August 1957 den Beklagten verurteilt, der Klägerin die Waisenrente schon vom 1. April 1951 an zu gewähren: Die geschäftsunfähige Klägerin sei vom Eintreffen in der Bundesrepublik an bis zur Bestellung des Kreisjugendamtes H als Amtsvormund ohne gesetzlichen Vertreter und deshalb nicht in der Lage gewesen, einen Versorgungsanspruch rechtzeitig anzumelden. In analoger Anwendung des allgemeinen Rechtsgedankens des § 206 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) habe deshalb die Frist zur Stellung des Antrages auf Versorgung nicht zu laufen beginnen können, deshalb sei es gerechtfertigt, den Rentenbeginn vorzuverlegen. Das SG hat die Berufung zugelassen.
Auf die Berufung des Beklagten hat das Landessozialgericht (LSG) Baden-Württemberg in Stuttgart mit Urteil vom 30. Juni 1961 das Urteil des SG aufgehoben und die Klage gegen den Bescheid vom 13. Juni 1955 abgewiesen: Nach § 61 des Bundesversorgungsgesetzes (BVG) beginne die Hinterbliebenenrente frühestens mit dem auf den Sterbetag folgenden Monat, wenn jedoch Bezüge für das Sterbevierteljahr nicht gezahlt würden, mit dem auf den Sterbetag folgenden Tag. Werde ein Anspruch auf Hinterbliebenenrente erst nach Ablauf eines Jahres nach dem Tode geltend gemacht, so beginne die Rente mit dem Monat, in dem ihre Voraussetzungen erfüllt seien, frühestens mit dem Monat, in dem der Anspruch angemeldet worden sei. Bei Zugrundelegung dieser Vorschrift habe das VersorgA die Waisenrente der Klägerin zu Recht vom 1. Juli 1953 an gewährt; denn der Versorgungsantrag des Kreisjugendamtes als materielle Anspruchsvoraussetzung sei erst im Laufe des Monats Juli 1953 gestellt worden. Entgegen der Ansicht des SG verpflichte der Umstand, daß das Kreisjugendamt die Amtsvormundschaft erst unmittelbar vor Antragstellung angetreten und die Klägerin bis dahin keinen gesetzlichen Vertreter gehabt habe, nicht zur Vorverlegung des Rentenbeginns bis zum Zeitpunkt ihrer Ankunft in der Bundesrepublik. Denn in § 61 BVG sei eine derartige Ausnahme von dem Grundsatz, daß für den Beginn der Rentenzahlung der Anmeldemonat maßgebend sein solle, nicht vorgesehen. Eine derartige Ausnahmeregelung könne auch nicht aus der gesetzlichen Regelung der Anmeldefrist in den §§ 57 ff. BVG aF hergeleitet werden. Ebensowenig sei die analoge Anwendung des allgemeinen Rechtsgedankens des § 206 BGB möglich; denn diese Vorschrift habe lediglich eine Ablaufhemmung der Verjährungsfrist zum Inhalt, dagegen keine Regelung dahingehend, daß ein Anspruchsberechtigter so zu stellen sei, als ob er in der Lage gewesen wäre, einen Anspruch auf wiederkehrende Leistungen zum frühest möglichen Zeitpunkt zu erheben. Schließlich verstoße § 61 BVG auch nicht gegen den Gleichheitsgrundsatz des Art. 3 Abs. 1 des Grundgesetzes (GG); denn der Grundsatz, daß sich der Rentenbeginn nach der Stellung des Versorgungsantrages richte, gelte für alle Rentenbewerber gleichermaßen, gleichgültig, ob es sich um Ostvertriebene oder um die einheimische Bevölkerung, ob es sich um eheliche oder uneheliche Kinder handele. Im übrigen sei die Klägerin bei ihrem Eintreffen in die Bundesrepublik - wenn auch nicht gesetzlich vertreten - keineswegs völlig schutzlos gewesen. Ihre Mutter oder Großmutter habe jederzeit die Möglichkeit gehabt, einen Versorgungsantrag zu stellen; das habe zwar zunächst als fehlerhaft angesehen werden müssen, ein solcher Formfehler sei durch eine spätere Weiterführung des Verfahrens durch den - später bestellten - Amtsvormund aber auch jederzeit heilbar gewesen. Das LSG hat die Revision zugelassen.
Gegen dieses am 17. Juli 1961 zugestellte Urteil richtet sich die vom Landratsamt Heidenheim - Kreisjugendamt - mit Schriftsatz vom 20. Juli 1961 eingelegte und begründete, am 24. Juli 1961 beim Bundessozialgericht (BSG) eingegangene Revision der Klägerin. Sie rügt die Nichtanwendung des allgemeinen Rechtsgedankens des § 206 BGB, dem § 61 BVG nicht entgegenstehe; denn es dürfe hier nicht übersehen werden, daß erst vom Juli 1953 an ein gesetzlicher Vertreter ihre Rechte habe wahrnehmen können. Darüber hinaus verstoße § 61 Abs. 2 BVG, wenn er wie vom Berufungsgericht in der Weise angewandt werde, daß auch bei unverschuldeter verspäteter Antragstellung die Rente erst mit dem Antragsmonat beginne, gegen das GG (Art. 3 Abs. 1 und Art. 20 GG). Wenn im übrigen das LSG ausführe, auch ohne gesetzlichen Vertreter sei schon die uneheliche Mutter in der Lage gewesen, einen Versorgungsantrag zu stellen, so finde diese Auffassung im geltenden Recht keine Stütze; für minderjährige außereheliche Waisen sei allein ein vom Gesetz bestellter Vormund antragsberechtigt. Schließlich habe das Berufungsgericht noch verkannt, daß die Landesverwaltung eine Einheit sei, und daß der Beklagte deshalb gegen sich gelten lassen müsse, wenn er - als Bundesland - es versäumt habe, rechtzeitig ausreichende Maßnahmen zu treffen, um sicherzustellen, daß uneheliche Flüchtlingskinder sofort nach ihrer Ankunft im Lande erfaßt und unter den Schutz der Amtsvormundschaft gestellt werden können.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des LSG Baden-Württemberg in Stuttgart vom 30. Juni 1961 aufzuheben und der Klage gegen den Bescheid vom 13. Juni 1955 stattzugeben.
Der Beklagte beantragt,
die Revision als unbegründet zurückzuweisen.
Er hält das angefochtene Urteil für zutreffend.
Auf den Schriftsatz der Klägerin vom 20. Juli 1961 und den des Beklagten vom 26. September 1961 wird verwiesen.
Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung durch Urteil ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt (§ 124 Abs. 2 des Sozialgerichtsgesetzes - SGG -).
Die durch Zulassung statthafte (§ 162 Abs. 1 Nr. 1 SGG) Revision der Klägerin ist form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden (§ 164 Abs. 1 Satz 1 SGG) und deshalb zulässig. Dabei steht der Zulässigkeit der Revision nicht entgegen, daß sie vom Kreisjugendamt - Amtsvormundschaft - Heidenheim als dem gesetzlichen Vertreter der Klägerin selbst und nicht durch einen Prozeßbevollmächtigten im Sinne des § 166 Abs. 2 SGG eingelegt und begründet worden ist. Denn das Kreisjugendamt ist eine Behörde im Sinne des § 166 Abs. 1 SGG, die auch dann von dem Vertretungszwang nach § 166 Abs. 1 SGG befreit ist, wenn sie im Rahmen ihrer Aufgaben als gesetzlicher Vertreter eines Beteiligten diesen vor dem BSG vertritt (BSG 3, 121).
Bei Prüfung der Prozeßvoraussetzungen durch den erkennenden Senat, von denen die Rechtswirksamkeit des Verfahrens als Ganzes abhängt (vgl. BSG 2, 225; 3, 126), war davon auszugehen, daß es sich bei der Berufung des Beklagten gegen das Urteil des SG, obwohl dieses nur den Beginn der Versorgung bzw. Versorgung für einen bereits abgelaufenen Zeitraum betraf (§ 148 Abs. 2 SGG aF), um eine zulässige Berufung gehandelt hat; denn das SG hat in seinem Urteil wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache die Berufung ausdrücklich zugelassen (§ 150 Nr. 1 SGG).
Da der Beklagte der Klägerin Waisenrente vom 1. Juli 1953 an bewilligt hat, geht der Streit der Beteiligten nur noch darum, ob der Klägerin die Rente auch schon für die Zeit vom 1. April 1951 bis zum 30. Juni 1953 zusteht.
Nach § 61 Abs. 1 BVG beginnt die Hinterbliebenenrente frühestens mit dem auf den Sterbetag folgenden Monat; nach § 61 Abs. 2 BVG beginnt die Rente, wenn die Hinterbliebenenrente (§ 61 Abs. 2 BVG aF: der Anspruch auf Hinterbliebenenrente) erst nach Ablauf eines Jahres nach dem Tode geltend gemacht wird, mit dem Monat, in dem ihre Voraussetzungen erfüllt sind, frühestens mit dem Antragsmonat (§ 61 Abs. 2 BVG aF: frühestens mit dem Monat, in dem der Anspruch angemeldet worden ist). Dieser Inhalt der Vorschrift des § 61 Abs. 2 BVG deckt sich im wesentlichen mit dem des für Beschädigte geltenden § 60 Abs. 1 BVG, der den Anspruch auf Beschädigtenversorgung ebenfalls mit dem Monat, in dem die Voraussetzungen für ihre Gewährung erfüllt sind, und ebenfalls frühestens mit dem Monat, in dem die Anmeldung erfolgt ist, entstehen läßt. Schon daraus ergibt sich, daß der Gesetzgeber des BVG der Anmeldung des Anspruchs, d. h. der Antragstellung durch den Beschädigten oder Hinterbliebenen, eine besondere Bedeutung beigemessen hat. Das geht nicht zuletzt auch aus den - durch das Erste Neuordnungsgesetz vom 27. Juni 1960 in Fortfall gekommenen - §§ 56 (für Beschädigte) und 58 Abs. 1 (für Hinterbliebene) BVG aF hervor, nach denen die Beschädigten ihre Versorgungsansprüche zur Vermeidung des Ausschlusses binnen zwei Jahren nach dem Inkrafttreten des BVG, die Hinterbliebenen ihre Versorgungsansprüche zur Vermeidung des Ausschlusses binnen zwei Jahren nach dem Tode des Beschädigten (Fristende frühestens am 31. Dezember 1953) anmelden mußten. Das alles bedeutet, daß im BVG ebenso wie in den ihm vorausgegangenen Versorgungsgesetzen die Anmeldung bzw. der Antrag zu den Voraussetzungen eines jeden Versorgungsanspruchs gehört. Der Antrag hat also nicht nur Bedeutung für den Gang des Verwaltungsverfahrens, indem er der Verwaltungsbehörde den Anstoß gibt, tätig zu werden, den Sachverhalt aufzuklären und eine die begehrte Leistung bewilligende oder ablehnende Entscheidung vorzubereiten, sondern er hat insbesondere auch eine überwiegend materiell-rechtliche Bedeutung. Diese materiell-rechtliche Bedeutung besteht darin, daß ein Anspruch auf Versorgung nicht schon mit der Verwirklichung des gesetzlichen, vom Willen des Berechtigten unabhängigen Tatbestandes (z. B. Eintritt des schädigenden Ereignisses und der Schädigungsfolge) entsteht, sondern daß zu diesen Tatbestandsmerkmalen der Antrag als weiterer rechts- und anspruchsbegründender Faktor hinzukommen muß (vgl. für das Reichsversorgungsgesetz: RVG 6, 256; 11, 180; für die nach dem Zusammenbruch in den verschiedenen Zonen geltenden Versorgungsgesetze: BSG 2, 289, 293; für das BVG: BSG 2, 289, 293; 7, 119, 120; 7, 187, 190). In Anwendung dieser Grundsätze und des hier maßgeblichen Wortlauts des § 61 Abs. 2 BVG konnte deshalb im vorliegenden Falle für die Klägerin - grundsätzlich - frühestens mit dem 1. Juli 1953 ein Anspruch auf Waisenversorgung nach dem BVG entstehen. Denn unbestritten hat der gesetzliche Vertreter der Klägerin, das Kreisjugendamt in Heidenheim, für diese - aus Anlaß des Todes des außerehelichen Erzeugers im August 1944 - den ersten Antrag auf Gewährung von Waisenrente erst im Juli 1953 und damit später als ein Jahr nach dem Tode beim VersorgA Ulm gestellt.
Die Klägerin wendet wie dargelegt ein, die Vorschrift des § 61 Abs. 2 BVG könne auf sie deshalb keine Anwendung finden, weil sie - aus den von ihr angeführten Gründen - zu einer früheren Antragstellung nicht in der Lage gewesen sei.
Der erkennende Senat vermochte diesem und auch dem übrigen Vorbringen der Klägerin nicht zu folgen.
Nach § 206 Abs. 1 BGB wird in Fällen, in denen eine geschäftsunfähige oder in der Geschäftsfähigkeit beschränkte Person ohne gesetzlichen Vertreter ist, die gegen diese laufende Verjährung - im Regelfalle - nicht vor dem Ablauf von sechs Monaten nach dem Zeitpunkt vollendet, in dem die Person unbeschränkt geschäftsfähig wird oder der Mangel der Vertretung aufhört. Diese für das Gebiet des bürgerlichen Rechts geltende Vorschrift entspricht im wesentlichen der für das Gebiet der Kriegsopferversorgung nach dem BVG aF geltenden Vorschrift des § 57 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 und Satz 2 BVG aF (für Hinterbliebene vgl. § 58 Abs. 1 Satz 3 BVG aF), nach der nach Ablauf der Anmeldefrist der Anspruch dann noch geltend gemacht werden kann, wenn der Berechtigte an der Anmeldung durch Verhältnisse verhindert worden ist, die außerhalb seines Willens lagen; dabei ist der Anspruch binnen sechs Monaten (das ist dieselbe Frist wie die des § 206 Abs. 1 BGB) anzumelden, nachdem die Verhinderung weggefallen ist. Sowohl § 206 Abs. 1 BGB als auch die §§ 57 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 und Satz 2, 58 Abs. 1 Satz 3 BVG aF regeln danach lediglich Fälle, bei denen es um Fristen geht, so daß der allgemeine, auch in den §§ 57 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 und Satz 2, 58 Abs. 1 Satz 3 BVG aF enthaltene Rechtsgedanke des § 206 Abs. 1 BGB, auf den die Klägerin sich beruft, nur dahingehen könnte, daß ein Geschäftsunfähiger ohne gesetzliche Vertretung seine Rechte nicht durch Fristablauf verliert, wenn sie innerhalb von sechs Monaten nach Wegfall des Hindernisses geltend gemacht werden. Das aber hat mit dem Beginn der Zahlung nichts zu tun. Auch die von der Klägerin für ihre Auffassung angeführte Entscheidung des Reichsversicherungsamts (RVA) vom 11. Januar 1939 zu § 1286 der Reichsversicherungsordnung (RVO) aF (AN 1939 Nr. 5287) kann nicht zu einer Entscheidung zu ihren Gunsten führen; denn wenn das Recht der RVO dem RVA eine unterschiedliche Behandlung zwischen solchen Berechtigten, die als Geschäftsfähige zur rechtzeitigen Antragstellung durch außerhalb ihres Willens liegende Verhältnisse nicht in der Lage waren und solchen, die in der Geschäftsfähigkeit beschränkt waren, erlaubte, so ist diese Unterscheidung im Recht des BVG - wegen seiner andersartigen Regelung - nicht möglich. Die den Zahlungsbeginn regelnden §§ 60 Abs. 1 (für Beschädigte) und 61 Abs. 2 (für Hinterbliebene) BVG enthalten keine den §§ 57 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 und Satz 2, 58 Abs. 1 Satz 3 BVG aF entsprechenden zusätzlichen Vorschriften. Das Gesetz läßt somit keine Ausnahmen von dem Grundsatz zu, daß für den Beginn der Zahlung regelmäßig allein der Anmeldemonat maßgebend ist; einzige Durchbrechung dieses Grundsatzes im BVG ist die - im vorliegenden Falle nicht anwendbare - Regelung des § 61 Abs. 2 BVG, nach dem die Zahlung von Hinterbliebenenrente schon dann mit dem Monat beginnt, in dem die Voraussetzungen für ihre Gewährung erfüllt sind, wenn der Anspruch vor Ablauf eines Jahres nach dem Tode geltend gemacht wird (vgl. zur Waisenversorgung auch noch § 61 Abs. 3 BVG, nach dem für die nach dem Tod des Vaters geborenen Waisen die Zahlung der Waisenrente mit dem Monat der Geburt beginnt, sofern der Anspruch innerhalb eines Jahres nach der Geburt geltend gemacht wird, anderenfalls beginnt die Zahlung auch erst mit dem Monat, in dem die Anmeldung erfolgt ist). Das alles läßt erkennen, daß der Gesetzgeber eine den §§ 57 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 und Satz 2, 58 Abs. 1 Satz 3 BVG aF - über die nachträgliche Anmeldung von Ansprüchen zur Wahrung der Anmeldefristen - entsprechende Vorschrift in diejenigen über den Zahlungsbeginn nicht hinein- bzw. hinzunehmen wollte. Das bedeutet gleichzeitig, daß der Bescheid vom 13. Juni 1955, mit dem der Beklagte der Klägerin in Anwendung des § 61 Abs. 2 BVG Waisenversorgung vom 1. Juli 1953 an bewilligt hat, rechtlich nicht zu beanstanden ist; das LSG hat ihn zu Recht bestätigt.
Daran vermag der Hinweis der Revision auf das Urteil des 11. Senats des BSG vom 23. März 1961 - 11 RV 724/59 - nichts zu ändern. In dem dort entschiedenen Falle war - anders als im vorliegenden - der Versorgungsantrag nicht nur erst nach Ablauf der Jahresfrist des § 12 Abs. 2 des Körperbeschädigten-Leistungsgesetzes - KBLG - (§ 61 Abs. 2 BVG), sondern auch noch nach Ablauf der Frist von sechs Monaten des § 10 Abs. 2 i. V. m. § 9 Abs. 1 Nr. 3 und Abs. 2 KBLG (§ 58 Abs. 1 Satz 3 BVG aF i. V. m. § 57 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 und Satz 2 BVG aF) gestellt worden. In dem in diesem Einzelfall vom 11. Senat entschiedenen Rechtsstreit ist deshalb die vorliegend zu entscheidende Rechtsfrage gar nicht Gegenstand der Erörterungen geworden, so daß der erkennende Senat auch nicht näher auf dieses Urteil einzugehen brauchte.
Bei dieser Sach- und Rechtslage, die im Hinblick auf den für den Rentenbeginn allein maßgebenden Antragsmonat eine Vorverlegung der Zahlung in keinem Falle rechtfertigt, kann unerörtert bleiben, wie die Verwaltungsbehörde hinsichtlich des Rentenbeginns einen Versorgungsantrag hätte behandeln müssen, der alsbald nach dem Eintreffen in die Bundesrepublik von der nicht vertretungsberechtigten Mutter der Klägerin für diese gestellt worden wäre, und ob der Mangel der gesetzlichen Vertretung bei der Antragstellung durch die Weiterführung des Verwaltungsverfahrens seitens des erst später als Amtsvormund bestellten Kreisjugendamtes heilbar gewesen oder geheilt worden wäre. Denn unstreitig hat weder die Mutter der Klägerin noch eine andere, zur Vertretung nicht berechtigte Person einen solchen Antrag gestellt.
Die vorstehende Entscheidung verstößt auch nicht gegen das GG. Der Gleichheitsgrundsatz (Art. 3 Abs. 1 GG) ist schon deshalb nicht verletzt, weil die Klägerin hier nicht anders behandelt wird als die Vielzahl der Anspruchsberechtigten, die nach Fristablauf ihren Anspruch verspätet angemeldet haben, sich aber darauf berufen konnten, daß sie an der rechtzeitigen Anmeldung durch Verhältnisse verhindert worden sind, die außerhalb ihres Willens lagen (§§ 57 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 und Satz 2, 58 Abs. 1 Satz 3 BVG aF). Für sie alle hat, ebenso wie bei der Klägerin, die Zahlung der Rente erst mit dem Monat begonnen, in dem der Anspruch auf sie angemeldet worden ist, und zwar ohne Rücksicht darauf, ob es sich um Beschädigte oder Hinterbliebene, um eheliche oder uneheliche Waisen, um Zugehörige der einheimischen Bevölkerung oder um Ostvertriebene gehandelt hat. Ebensowenig verstößt die Entscheidung gegen Art. 20 GG. Denn auch die Tatsache, daß es sich bei der Bundesrepublik Deutschland um einen sozialen Bundesstaat handelt, verpflichtet - und berechtigt - dessen ausführende Organe nicht zu einem Handeln, das der notwendigen Gleichbehandlung aller (Art. 3 Abs. 1 GG) entgegensteht. Die Klägerin kann nicht verlangen, daß sie aus dem Gedanken der Sozialstaatlichkeit heraus anders und besser behandelt wird als die Vielzahl derer, die wie sie bei der Stellung von Versorgungsanträgen auf den Antragsmonat für den Beginn der Rente verwiesen werden müssen.
Die Revision trägt schließlich vor, der Beklagte müsse, da es sich bei der Landesverwaltung um eine Einheit handele, gegen sich sein Versäumnis gelten lassen, rechtzeitig ausreichende Maßnahmen dahingehend getroffen zu haben, daß die unehelichen Flüchtlingskinder - wie hier die Klägerin - sofort nach ihrer Ankunft im Lande erfaßt und unter den Schutz der Amtsvormundschaft gestellt werden können. Auch dieses Vorbringen ist nicht geeignet, der Revision zum Erfolg zu verhelfen. Zwar trifft zu, daß das BVG in den einzelnen Ländern der Bundesrepublik Deutschland als deren eigene Angelegenheit ausgeführt wird (Art. 83 GG), und daß jedes Land eine im großen Rahmen bestehende Verwaltungseinheit bildet. Hierbei darf jedoch nicht übersehen werden, daß jede Landesverwaltung, um funktionsfähig zu sein, durch einen den Notwendigkeiten entsprechenden Verwaltungsunterbau in zahlreichen Einzelverwaltungen aufgegliedert ist; diesen allen ist ihr besonderer Zuständigkeitsbereich zugewiesen, innerhalb dessen sie ihren Verwaltungsaufgaben nachzukommen haben. Alleiniger Zuständigkeitsbereich der Versorgungsverwaltung ist dabei die Versorgung der Opfer des Krieges nach dem BVG und den diesem verwandten, für besondere Personenkreise geschaffenen Gesetzen einschließlich der Nebengesetze, ohne daß es auch zu ihren Aufgaben gehörte, alle Versorgungsberechtigten - gegebenenfalls selbst ohne deren Mitwirkung - zu erfassen oder ihre Erfassung zu veranlassen. Wollte man der Revision folgen, so wäre die Versorgungsbehörde nicht nur verpflichtet, für die rechtzeitige Erfassung aller aus den Ostgebieten zuziehenden Jugendlichen, die ohne gesetzlichen Vertreter sind, Sorge zu tragen, sondern sie müßte darüber hinaus auch um die Erfassung aller derjenigen, die als Opfer des Krieges für eine Versorgung in Frage kommen oder kommen könnten, bemüht sein, gleichgültig, ob es sich um die eingesessene Bevölkerung oder um Vertriebene, ob es sich um Beschädigte, Witwen, Waisen und Eltern handelt. Hätte der Gesetzgeber dies gewellt, so wäre das von ihm im BVG festgelegte Antragsprinzip entbehrlich gewesen. Daran ändert nichts, daß die Versorgungsbehörden im Rahmen des Gesetzes und der ihnen mit diesem zugewiesenen Aufgaben auch gehalten sind, dem ihnen anvertrauten Personenkreis soziale Hilfe zu leisten und ihn fürsorgerisch zu betreuen. Für die rechtzeitige Erfassung der jugendlichen Ostvertriebenen, die wie die Klägerin ohne gesetzlichen Vertreter in die Bundesrepublik gekommen sind bzw. kommen, sind, wie das LSG zutreffend ausgeführt hat, in erster Linie die Meldebehörden oder auch - schon früher - die Flüchtlingsdurchgangslager, gegebenenfalls in Zusammenarbeit mit den Jugendämtern, zuständig. Ob und inwieweit das Land für etwaige Versäumnisse hinsichtlich der rechtzeitigen Erfassung Jugendlicher wie hier der Klägerin gegebenenfalls einzustehen hätte, kann dahingestellt bleiben; denn in keinem Falle können solche Versäumnisse in der Weise ausgeglichen werden, daß, wie von der Revision begehrt, entgegen der Vorschrift des § 61 Abs. 2 BVG die Rente nicht wie vom Gesetz vorgeschrieben vom Antragsmonat an, sondern - ohne Rücksicht auf den Antrag - rückwirkend von dem Monat an gewährt wird, in dem der Zuzug in die Bundesrepublik erfolgt ist.
Nach allem war der Revision der Klägerin der Erfolg zu versagen; sie war als unbegründet zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Abs. 1 SGG.
Fundstellen