Entscheidungsstichwort (Thema)
Berücksichtigung nur konkreten Schadens
Leitsatz (amtlich)
Der bereits nach BVG § 30 Abs 2 S 2 Buchst b als berufliches Betroffensein berücksichtigte hypothetische Schaden begründet für einen aus schädigungsunabhängigen Gründen vorzeitig aus dem Erwerbsleben ausgeschiedenen Beschädigten, dessen Renteneinkommen nicht durch Schädigungsfolgen gemindert ist, keinen Anspruch auf Berufsschadensausgleich nach BVG § 30 Abs 3 bis 5 (Abgrenzung zu BSG 1973-05-24 10 RV 294/72 = BSGE 36, 21; Fortführung von BSG 1974-10-16 10 RV 615/73 = BSGE 38, 160).
Leitsatz (redaktionell)
Zur Frage, ob der Beschädigte einen Berufsschadensausgleich deshalb beanspruchen kann, weil er während seiner Berufstätigkeit einen sozialen Abstieg mit entsprechendem Einkommensverlust dadurch abgewendet hat, daß er seine nach der Verwundung ausgeübte Tätigkeit (hier: als technischer Angestellter, zuletzt in leitender Stellung - vor dem Krieg Hohlglasschleifer) unter Aufwand erhöhter Energie und Tatkraft mit Gefährdung seiner Gesundheit ausübt. Vom Senat verneint.
Normenkette
BVG § 30 Abs. 2 S. 2 Buchst. b Fassung: 1971-12-16, Abs. 3 Fassung: 1971-12-16, Abs. 4 Fassung: 1971-12-16, Abs. 5 Fassung: 1975-12-18; AFGHStruktG Art. 2 § 1 Nr. 4 Fassung: 1975-12-18
Verfahrensgang
Bayerisches LSG (Entscheidung vom 18.01.1977; Aktenzeichen 10 V 151/76) |
SG Landshut (Entscheidung vom 21.01.1976; Aktenzeichen S 11 V 236/74) |
Tenor
Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Bayerischen Landessozialgerichts vom 18. Januar 1977 wird zurückgewiesen.
Kosten sind nicht zu erstatten.
Tatbestand
Der 1921 geborene Kläger erhielt ursprünglich ua wegen "Amputation des rechten Beines im Oberschenkel" Rente nach einer Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) um 70 vH. Eine Verschlechterung der Stumpfverhältnisse und ein besonderes berufliches Betroffensein (§ 30 Abs 2 Buchst b des Bundesversorgungsgesetzes - BVG -) führten zur Anhebung der MdE auf 90 vH ab 1. Oktober 1972 (Bescheide vom 5. Dezember 1974 und 22. April 1976; Teilvergleich vom 21. Januar 1976). Nach einem Herzinfarkt im September 1972 und einem Reinfarkt nach einem halben Jahr gewährte ihm die Bundesversicherungsanstalt für Angestellte (BfA) zuerst Erwerbsunfähigkeitsrente auf Zeit und ab 1. Oktober 1975 auf Dauer.
Der Kläger hatte nach dem Besuch der Volksschule vor dem Kriege den Beruf eines Hohlglasschleifers erlernt und ausgeübt, nach der Verwundung ab 1944 5 Semester einer Glasfachschule besucht und war ab 1948 bis zu einer 1967 erfolgten Entlassung als technischer Angestellter - zuletzt in leitender Stellung (Direktor) - in mehreren Glashütten in Deutschland und Österreich tätig gewesen. Sodann war er wieder von Januar 1971 bis September 1972 als Techniker und Berater beschäftigt.
Anträge des Klägers auf Gewährung von Berufsschadensausgleich in den Jahren 1968 und 1970 wurden, da die Entlassung 1967 nicht wegen der Schädigungsfolgen erfolgt war und die Voraussetzungen für eine Zugunstenentscheidung nicht vorgelegen hatten, rechtverbindlich abgelehnt. Auch der weitere Antrag des Klägers auf diese Leistung wegen eingetretener Erwerbsunfähigkeit vom Oktober 1972 blieb nach Durchführung eines Vorverfahrens ohne Erfolg (Bescheide vom 6. Juni 1974 und 29. Juli 1974). Das Sozialgericht (SG) verurteilte den Beklagten, dem Kläger ab 1. Oktober 1972 Berufsschadensausgleich unter Zugrundelegung des Durchschnittsverdienstes eines technischen Angestellten der Leistungsgruppe 2 im Wirtschaftsbereich Glasindustrie zu gewähren, weil dem Kläger die Ausübung des Glastechnikerberufes wegen der Schädigungsfolgen nur unter Aufbietung außergewöhnlicher Energie möglich gewesen sei, so daß die Erwerbsunfähigkeit bzw die Berufsaufgabe ursächlich auf den Schädigungsfolgen beruhe (Urteil vom 21. Januar 1976).
Das Landessozialgericht (LSG) hat die Klage abgewiesen. Es hat in der erneuten Entscheidung über den Berufsschadensausgleich keine die Berufung ausschließende Neufeststellung erblickt, weil ihr ein anderer Sachverhalt zugrunde gelegen habe. Die Beendigung des Arbeitsverhältnisses durch Kündigung des Arbeitgebers 1967 sei nicht mehr zu berücksichtigen, weil sie bereits Gegenstand der rechtsverbindlich abgelehnten Anträge gewesen sei. Für die mit dem Ausscheiden aus dem Berufsleben im September 1972 verbundenen wirtschaftlichen Nachteile sei allein der schädigungsunabhängige Herzinfarkt verantwortlich zu machen; dieser stehe im Zusammenhang mit einem Aneurysma, das einer - vom Kläger abgelehnten - Herzoperation bedürfe, auch einer Rehabilitation und der Rückkehr des Klägers in das Erwerbsleben entgegen. Anhaltspunkte dafür, daß das Renteneinkommen durch die Schädigungsfolgen gemindert wäre, seien nicht vorhanden. Die berufliche Entwicklung des Klägers habe durch die Schädigungsfolgen keine Nachteile erfahren. Solche seien erst 1967 durch die Kündigung aus anderen Gründen eingetreten. Auch eine Verzögerung im beruflichen Aufstieg könne nach den Angaben des Klägers über seine Arbeitsverhältnisse und -verdienste seit Beginn der 50er Jahre nicht angenommen werden. Nicht übertragbar auf den Berufsschadensausgleich seien die im Zusammenhang mit der Anwendung des § 30 Abs 2 Buchst b BVG angestellten Überlegungen der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts - BSG - (BSGE 36, 21; SozR Nr 60 zu § 30 BVG), wonach derjenige, der seinen Beruf nur unter Aufbringung außergewöhnlicher Energie ausübe, diesen an sich nicht ausüben könne, so daß evtl eine solche Berufstätigkeit bei der Ermittlung beruflicher und wirtschaftlicher Folgen einer Schädigung jedenfalls dann unberücksichtigt bleiben müsse, wenn sie - aus welchen Gründen auch immer - nicht mehr ausgeübt werde. Denn die berufliche Betroffenheit sei nicht auf einen schädigungsbedingten Einkommensverlust beschränkt, sondern auch dann gegeben, wenn die Art der Schädigungsfolge der Ausübung der unzumutbaren Beschäftigung entgegenstehe. Demgegenüber hänge der Anspruch auf Berufsschadensausgleich von einer tatsächlichen schädigungsbedingten Einkommensminderung ab. Die fiktive Unterstellung einer tatsächlich nicht vorhandenen Einkommensminderung auch beim Berufsschadensausgleich würde den Beschädigten der Versuchung aussetzen, wegen der finanziellen Vorteile eine gesundheitsschädigende Beschäftigung auszuüben. Ein schädigungsbedingter Einkommensverlust bei Eintritt des schädigungsunabhängigen Nachschadens komme daher nicht in Betracht. Auch ein zufälliges Zusammentreffen von schädigungsbedingten und -unabhängigen Gründen für die Beendigung der Berufstätigkeit scheide aus, weil der Kläger erklärt habe, er ziehe vorerst das Verbleiben in seinem Beruf einer Umschulung vor.
Mit der zugelassenen Revision rügt der Kläger die Verletzung des § 30 Abs 4 BVG durch das LSG. Er habe seinen Beruf wegen der Schädigungsfolgen nur unter Aufbietung außergewöhnlicher Energie und damit auf Kosten seiner Gesundheit ausgeübt, obwohl er ihn an sich nicht habe ausüben können und auch nicht dazu verpflichtet gewesen sei. Daher sei es rechtlich unerheblich, aus welchem Anlaß die unzumutbare Tätigkeit eingeschränkt werde oder gar entfalle. Schädigungsunabhängige Gründe für die Beendigung der aus schädigungsbedingten Gründen an sich unzumutbaren Tätigkeit könnten für den Anspruch auf Berufsschadensausgleich also nicht schädlich sein. Der erforderliche konkrete wirtschaftliche Schaden sei dadurch gegeben, daß die nicht zumutbare Arbeitstätigkeit vor Erreichen der regulären Altersgrenze eingestellt werde, wodurch es am Erwerbseinkommen fehle. Dieser hätte bereits während der Dauer der Beschäftigung bestanden, wenn der Beschädigte nicht auf Kosten der Gesundheit gearbeitet hätte. Es würde eine nicht berechtigte Benachteiligung der Versorgungsberechtigten bedeuten, die unter Aufbietung außergewöhnlicher Energie oder unter Gefährdung ihrer Gesundheit ein Abgleiten im Beruf oder dessen vorzeitige Aufgabe zu vermeiden suchten, wenn sie dafür bestraft würden, daß sie auf den frühzeitigen Bezug von Berufsschadensausgleich verzichteten. Wenn es nicht in der Absicht des Gesetzgebers gelegen habe, den Versorgungsberechtigten zur Ausübung einer seinen Gesundheitszustand gefährdenden Beschäftigung zu zwingen, dann dürften ihm keine Nachteile dadurch entstehen, daß er den Versorgungsetat durch seine Arbeit aus eigener Verantwortung entlastet habe. Der Beschädigte erfahre mit diesem Verhalten entgegen der Auffassung des LSG keine finanziellen Vorteile, sondern nur Nachteile. Deren Fortwirkung müsse mit der Beendigung der schädigungsbedingten unzumutbaren Berufstätigkeit aufhören, also ausgeglichen werden.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Bayerischen Landessozialgerichts vom 18. Januar 1977 aufzuheben und die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Landshut vom 21. Januar 1976 zurückzuweisen.
Der Beklagte beantragt,
die Revision des Klägers gegen das Urteil des Bayerischen Landessozialgerichts vom 18. Januar 1977 als unbegründet zurückzuweisen.
Er schließt sich der Ansicht des LSG an.
Die Beteiligten sind mit einer Entscheidung durch Urteil ohne mündliche Verhandlung einverstanden (§ 124 Abs 2 des Sozialgerichtsgesetzes - SGG -).
Entscheidungsgründe
Die Revision des Klägers hat keinen Erfolg.
In verfahrensrechtlicher Hinsicht ist das LSG zutreffend davon ausgegangen, daß die Berufung des Beklagten nicht durch § 148 Nr 3 SGG ausgeschlossen war, da in diesem Rechtsstreit der Anspruch auf Berufsschadensausgleich auf einen neuen, früher noch nicht geprüften Sachverhalt gestützt worden ist (vgl BSGE 37, 80, 81).
Die Revision wendet sich nicht gegen die Feststellungen des angefochtenen Urteils, der Kläger habe während seiner aktiven Berufstätigkeit mit seinem Arbeitsverdienst zumindest das von ihm selbst als maßgebend erachtete Vergleichseinkommen (technische Angestellte der Leistungsgruppe 2 im Wirtschaftsbereich "Glasindustrie") erreicht, wenn nicht gar überschritten, die Entlassung Ende 1967 nebst anschließender dreijähriger Arbeitslosigkeit sei nicht durch die Schädigungsfolgen beeinflußt gewesen, und schließlich hätten die Schädigungsfolgen auch nichts zu tun mit dem Eintritt des Herzinfarkts im September 1972 und der hieraus - bei Unmöglichkeit einer Rehabilitation - folgenden Erwerbsunfähigkeit des Klägers. Umstritten ist indessen nach dem Revisionsvorbringen, ob der Kläger einen Berufsschadensausgleich deshalb beanspruchen kann, weil er während seiner Berufstätigkeit einen sozialen Abstieg mit entsprechendem Einkommensverlust dadurch abgewendet hat, daß er seine Beschäftigungen als technischer Angestellter fraglos unter Aufwand erhöhter Energie und Tatkraft mit Gefährdung seiner Gesundheit ausübte. Dies hat das LSG mit zutreffenden Erwägungen verneint.
Nach § 30 Abs 3 BVG erhalten einen Berufsschadensausgleich solche Schwerbeschädigten, deren "Erwerbseinkommen" (so die frühere Fassung, seit dem 8. Anpassungsgesetz vom 14. Juni 1976: "Einkommen aus gegenwärtiger oder früherer Tätigkeit") durch die Schädigungsfolgen gemindert ist (Einkommensverlust).
Hinsichtlich der Kausalität genügt es, daß die Schädigungsfolgen - uU im Zusammenwirken mit schädigungsunabhängigen Gesundheitsstörungen - eine wesentliche (Mit-)Ursache für den Einkommensverlust darstellen (vgl BSGE 37, 80, 86f). Als Einkommensverlust kann nur ein konkreter, betragsmäßig nachzuweisender wirtschaftlicher Schaden berücksichtigt werden (vgl BSGE 29, 208, 212; 37, 81, 82; 41, 65, 67). Diese Voraussetzung hatte der Kläger in der Zeit vor September 1972 zweifelsfrei nicht erfüllt, denn seine Arbeitsentgelte waren im Vergleich zu den Durchschnittseinkommen der maßgebenden Leistungsgruppe 2 niemals abgesunken, sondern hatten im Gegenteil dieses Niveau - wie das LSG in Stichproben für die Jahre 1967 und 1972 festgestellt hat - deutlich überschritten. - Der Einkommensverlust, der sich seit September 1972 dadurch ergeben hat, daß der Kläger bereits im Alter von 51 Jahren aus dem Erwerbsleben ausscheiden mußte und fortan auf Renteneinkommen angewiesen war, könnte durch die Schädigungsfolgen wesentlich mitverursacht worden sein, wenn - was durchaus nahe läge - eine langjährige berufliche Überanstrengung den Eintritt des Herzinfarkts begünstigt haben würde oder wenn später - nach Stabilisierung des Infarktleidens - eine Wiederaufnahme der Berufstätigkeit an den Schädigungsfolgen gescheitert wäre. Beide Eventualitäten sind jedoch hier nach den - von der Revision nicht angegriffenen - Feststellungen des LSG auszuschließen. Bei einer solchen Fallgestaltung kommt dem Kläger auch nicht der von der Rechtsprechung entwickelte Grundsatz zugute, daß einem, aus schädigungsunabhängigen Gründen vorzeitig aus dem Erwerbsleben ausgeschiedenen, schwerbeschädigten Rentner ein Berufsschadensausgleich zustehen kann, sofern sein Renteneinkommen durch die Schädigungsfolgen gemindert ist (vgl BSGE 38, 160 167; SozR 3100 § 30 Nr 4). Denn das Renteneinkommen des Klägers wurde bei ordnungsgemäßer Beitragsentrichtung nach seinen während der zurückgelegten Beitragszeiten erzielten Bruttoarbeitsentgelten bemessen (§§ 30, 32 AVG); war die Höhe dieser Entgelte nicht durch die schädigungsbedingte MdE beeinträchtigt, so kann auch von einem schädigungsbedingten Verlust an Renteneinkommen nicht die Rede sein. Sollte sich - wie das LSG angedeutet hat - die Tatsache, daß der Kläger von März 1960 bis November 1964 in Österreich beschäftigt war, rentenmindernd auswirken, so bestehen jedenfalls keine Anhaltspunkte dafür, daß der Kläger damals durch seine Schädigung zur Aufnahme jener Beschäftigung veranlaßt worden war.
Der Berufsschadensausgleich, den das SG Landshut in seinem Urteil vom 21. Januar 1976 dem Kläger zuerkannt hat, und der sich nach dem Ausführungsbescheid vom 10. Mai 1976 auf monatlich 691,- DM belief, hat demnach einen Einkommensverlust entschädigt, der in keiner Weise durch die Schädigungsfolgen beeinflußt gewesen ist. Ein solches Ergebnis harmoniert nicht mit der Rechtsprechung zum Berufsschadensausgleich für Frührentner (BSGE 38, 160; SozR 3100 § 30 Nr 4); erst recht wäre es unvereinbar mit der gesetzlichen Regelung, die mit Wirkung ab 1. Januar 1976 durch § 30 Abs 5 BVG (idF des HStruktG-AFG Art 2 § 1 Nr 4 vom 18. Dezember 1975) eingeführt wurde, um den Einfluß eines schädigungsunabhängigen Nachschadens auf den mit dem Ausscheiden aus dem Erwerbsleben verbundenen Einkommensverlust auszuklammern (vgl SozR 3100 § 30 Nr 16).
Die Revision meint nun freilich, unbeschadet dieser im allgemeinen geltenden Rechtsauffassung sei eine abweichende Betrachtungsweise im vorliegenden Fall angezeigt. Dieser sei dadurch gekennzeichnet, daß mit der vorzeitigen Einstellung der Erwerbstätigkeit ein konkreter wirtschaftlicher Schaden eingetreten sei, der bereits während der Dauer der gesamten - an sich nicht zumutbaren - Beschäftigung gegeben gewesen wäre, wenn der Kläger nicht auf Kosten seiner Gesundheit gearbeitet hätte. Nach dem zum beruflichen Betroffensein iS des § 30 Abs 2 BVG entwickelten Rechtsgedanken (BSGE 36, 21, 25; SozR Nr 60 zu § 30 BVG) mute das BVG dem Beschädigten keine außergewöhnliche, den Durchschnitt übersteigende Arbeitsleistung zu; verrichte ein Beschädigter dennoch unter Aufbietung außergewöhnlicher Energie seinen Beruf, so stehe bereits damit fest, daß er ihn an sich nicht ausüben könne; für die Frage des fortwirkenden beruflichen Betroffenseins könne es daher auf die Aufgabe dieser - eigentlich gar nicht zumutbaren - Beschäftigung (aus beliebigen Gründen) nicht mehr ankommen. - Die Revision folgert aus diesen Erwägungen, auch für die Gewährung von Berufsschadensausgleich müsse es in derartigen Fällen unerheblich bleiben, aus welchem Anlaß die sowieso unzumutbare Tätigkeit beendet worden sei; es komme hiernach nicht darauf an, daß für den Kläger schädigungsunabhängige Gründe die Beendigung der - wegen der Schädigungsfolgen an sich unzumutbaren - Berufstätigkeit herbeigeführt hätten.
Zur Frage einer dem Beschädigten zumutbaren Erwerbstätigkeit enthielt § 9 Abs 4 DVO zu § 30 Abs 3 und 4 BVG (idF vom 28. Februar 1968 - BGBl I 194 -; unverändert als Abs 5 idF vom 11. April 1974 - BGBl I 927) die Regelung, daß eine Minderung des derzeitigen Bruttoeinkommens unberücksichtigt bleibt, wenn sie der Beschädigte dadurch verursacht hat, daß er ohne verständigen Grund seine Arbeitskraft nicht in zumutbarem Umfang einsetzt. Dieser - neuerdings weggefallenen (vgl § 9 Abs 6 DVO zu § 30 Abs 3 - 5 BVG vom 18. Januar 1977 - BGBl I 162) - Bestimmung könnte auf den ersten Blick ein Umkehrschluß entnommen werden, welcher die Argumentation des Klägers bekräftigt: Beeinträchtigt es einerseits die Versorgungsansprüche des Beschädigten, wenn er seine Arbeitskraft nicht in zumutbarem Umfang einsetzt, so müßte es andererseits seine Versorgungsansprüche verstärken, wenn er über das zumutbare Maß hinaus arbeitet und dadurch während seines Berufslebens öffentliche Mittel einsparen hilft, die ihm bei einem "normalen", also weniger tatkräftigen Arbeits- und Energieaufwand zugeflossen wären.
An diesem Punkt gerät das Versorgungsrecht in enge Berührung mit der zivilen Rechtsprechung und Literatur zum Schadensersatzrecht, insbesondere zu der aus § 254 Abs 2 BGB abgeleiteten Schadensminderungspflicht des Geschädigten. Tut dieser mehr zur Schadensabwendung oder -minderung, als ihm zugemutet werden kann, so soll der Erfolg solcher "überobligationsmäßigen Anstrengungen" nicht dem Schädiger zugute kommen; vielmehr bleibt der Schädiger zum Ersatz eines - hypothetischen - Schadens verpflichtet (vgl BAGE 20, 48, 52 ff = AP Nr 7 zu § 249 BGB; BGHZ 55, 329, 334; BGHLM Nr 1 zu § 249 - C - BGB = NJW 1974, 602 ff; Palandt/Heinrichs, BGB 36. Aufl, Vorbem. 2 c bb und 7 b zu § 249, Anm. 2 c und 3 b dd zu § 254 - mwNachw). Die Feststellung und Berechnung eines solchen Schadens kann allerdings nicht ganz unproblematisch sein (vgl Larenz, Anm zu AP aaO; Thiele SAE 1968, 81 ff; Becker, BB 1976, 746 ff).
Eine Übertragung derartiger Erwägungen auf das Versorgungsrecht müßte auf die stark voneinander abweichenden Strukturen beider Rechtsgebiete Bedacht nehmen. Zumal mit der besonderen Systematik des Berufsschadensausgleichs wäre eine Berücksichtigung hypothetischer Einkommensverluste bei einem vorzeitigen schädigungsunabhängigen Ausscheiden aus dem Erwerbsleben schwerlich in Einklang zu bringen. Es müßte nämlich dann als "derzeitiges Bruttoeinkommen aus früherer Tätigkeit" ein von den tatsächlichen Gegebenheiten abweichender geringerer Wert eingesetzt werden, wobei übrigens im Fall des Klägers nicht einmal ersichtlich wäre, welcher geringer entlohnten Berufs- oder Wirtschaftsgruppe sein Arbeitseinsatz unter "zumutbarem" Kraft- und Energieaufwand zuzuordnen gewesen wäre. Für eine solche, mit Billigkeitserwägungen allenfalls im Wege eines Umkehrschlusses aus § 9 Abs 4 (bzw 5) DVO aF ableitbar gewesene Korrektur der tatsächlichen Verhältnisse durch Ermittlung und Einsetzung fiktiver Einkommenswerte fehlt nun seit dem 1. Januar 1976 (vgl § 17 DVO vom 18 Januar 1977) ein brauchbarer Anknüpfungspunkt im geltenden Berufsschadensausgleichsrecht.
Dies besagt indessen nicht, daß versorgungsrechtlich die mit "überobligationsmäßigen Anstrengungen" eines Beschädigten verbundene Belastung überhaupt nicht zu honorieren wäre. Allerdings ist dabei zu beachten, daß das BVG - anders als die bürgerlich-rechtlichen Schadensersatznormen - weitgehend differenzierte Regelungen enthält, welche jeweils spezifische Belangen verschiedener Gruppen von Beschädigten abschließend Rechnung tragen sollen. Hier sind insbesondere auf der einen Seite der Berufsschadensausgleich, auf der anderen das berufliche Betroffensein mit ihren speziellen Voraussetzungen und Merkmalen gegenüberzustellen (vgl BSGE 29, 208, 210 ff). Beim beruflichen Betroffensein ist zumal die in § 30 Abs 2 Satz 2 Buchst b BVG geregelte Fallgruppe dadurch gekennzeichnet, daß durch Höherbewertung der MdE diejenigen Beschädigten zusätzliche Versorgung erhalten, die unter besondere Energieaufwand und Hinnahme gesundheitlicher Risiken berufliche Abstieg und Einkommensminderungen abgewendet haben (vgl BSGE 13, 20, 23; SozR Nr 60 zu § 30 BVG). Diese Regelung - insofern ein "Fremdkörper" im Versorgungsrecht, als die Schädigungsfolgen letztlich keine wirtschaftliche Einbuße bedingt zu hab brauchen (SozR 3100 § 62 Nr 8) - stellt den klassischen Fall des Ersatzes eines hypothetischen Schadens dar. Das berufliche Betroffensein dieses Personenkreises hängt nicht davon ab, daß die Berufstätigkeit, welche überobligationsmäßige Anstrengungen mit sich bringt, kontinuierlich ausgeübt wird (vgl Urteil des erkennenden Senats vom 23. November 1977 - 9 RV 72/76); die Rentenerhöhung bleibt auch nach dem alters bedingten Ausscheiden aus dem Erwerbsleben bestehen (vgl BSGE 36, 21, 24 ff; SozR 3100 § 62 Nr 8).
Die aus dem beruflichen Betroffensein resultierende Leistungserhöhung ist dem Kläger - allerdings erst ziemlich spät - zuteil geworden. Damit ist der - dank seines besonderen Kraft- und Energieaufwands latent gebliebene - "Schaden" des Klägers in der vom BVG vorgezeichneten Weise vergütet, so daß sich eine nochmalige Abgeltung in Gestalt eines Berufsschadenausgleichs erübrigt. Gegen diese Betrachtungsweise spricht es nicht, daß der Kläger bei einem weniger tatkräftigen, dh im Rahmen des "Zumutbaren" verbliebenen Arbeitseinsatz schon vor dem Ausscheiden aus der Berufstätigkeit unter Umständen Berufsschadensausgleich und Höherbewertung der MdE (nach § 30 Abs 2 Satz 2 Buchst a oder c BVG) nebeneinander hätte beanspruchen können. Würde man hierin eine Begünstigung der Beschädigten erblicken, die nicht mit außergewöhnlichem Einsatz einen Einkommensverlust abgewendet haben, so würde übersehen, daß diese Beschädigten sich auch nicht die optimale Vorsorge für Erwerbsunfähigkeit und Alter "erarbeiten" können und im Wege des § 30 Abs 3 BVG nicht den vollen Ersatz hierfür, sondern eben nur einen "Ausgleich" in Höhe von vier Zehntel des Einkommensverlustes erhalten.
Die Revision des Klägers erweist sich hiernach als unbegründet und muß deshalb zurückgewiesen werden (§ 170 Abs 1 Satz 1 SGG).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Fundstellen