Entscheidungsstichwort (Thema)
Erzieltes Arbeitsentgelt. Zuflußprinzip
Leitsatz (amtlich)
1. Der für die Höhe des Arbeitslosengeldes maßgebliche Bemessungszeitraum richtet sich nach den letzten beim Ausscheiden des Arbeitnehmers aus dem Arbeitsverhältnis abgerechneten Lohnabrechnungszeiträumen (§ 112 Abs 2 AFG) auch dann, wenn der abgerechnete Lohn wegen Zahlungsunfähigkeit des Arbeitgebers nicht mehr ausgezahlt wird.
2. Wird der abgerechnete Lohn vom Arbeitnehmer mangels Auszahlung nicht erzielt, kann die errechnete Summe zur Bestimmung des Bemessungsentgelts nach § 112 Abs 2 AFG nicht herangezogen werden.
3. Beträgt das Bemessungsentgelt gemäß § 112 Abs 2 und 3 AFG wegen Nichtauszahlung des Arbeitsentgelts 0,-- DM, bestimmt sich das Arbeitslosengeld regelmäßig nach § 112 Abs 7 AFG.
Orientierungssatz
1. § 112 Abs 2 S 1 AFG setzt voraus, daß das der Berechnung des Lohnfaktors des Bemessungsentgelts zugrunde zu legende Arbeitsentgelt erzielt worden ist. Erzielt ist Arbeitsentgelt nicht schon dann, wenn es erarbeitet ist, ein einklagbarer Anspruch auf das Arbeitsentgelt besteht oder ein Anspruch auf Arbeitsentgelt durch den Arbeitgeber anerkannt oder dieser Anspruch anderweit festgestellt ist. Die Bestimmung des § 112 Abs 2 AFG stellt vielmehr auf den Bezug ab. Erzielt ist das Entgelt, wenn es dem Arbeitnehmer zugeflossen ist, so daß er darüber verfügen kann (vgl BSG vom 10.12.1981 - 7 RAr 6/81 = USK 81302). Erarbeitetes Arbeitsentgelt, das dem Arbeitnehmer nicht zufließt, ist hiernach nicht erzielt (vgl BSG vom 13.5.1987 - 7 RAr 7/86 = SozR 4100 § 112 Nr 30).
2. Eine Berichtigung der von Anfang an fehlerhaften Abrechnung führt nur dann zu einem höheren Bemessungsentgelt, wenn es zur Nachzahlung gekommen ist.
Normenkette
AFG § 112 Abs 2 S 1; AFG § 112 Abs 3; AFG § 112 Abs 7
Verfahrensgang
LSG Nordrhein-Westfalen (Entscheidung vom 11.06.1986; Aktenzeichen L 12 Ar 269/84) |
SG Dortmund (Entscheidung vom 07.11.1984; Aktenzeichen S 5 (26) Ar 143/83) |
Tatbestand
Der Kläger begehrt höheres Arbeitslosengeld (Alg).
Der Kläger war vom 25. Juni 1979 bis zum 13. August 1982 Busfahrer der R. - D. GmbH & Co. KG in D. , über deren Vermögen am 16. August 1982 das Konkursverfahren eröffnet worden ist. Ausweislich einer Arbeitsbescheinigung vom 31. August 1982 betrug das Arbeitsentgelt in dieser Beschäftigung bei einer betriebsüblichen regelmäßigen Arbeitszeit von 60 Stunden im Mai 1982 für 210 Arbeitsstunden 1.808,10 DM, im Juni 1982 für 220 Arbeitsstunden 2.178,20 DM und im Juli 1982 für 220 Arbeitsstunden 1.894,20 DM. Tatsächlich ist das Entgelt für Juli 1982 dem Kläger nicht mehr ausgezahlt worden; die Beklagte bewilligte ihm ua für den genannten Juli-Betrag Konkursausfallgeld (Kaug).
Die Beklagte bewilligte dem Kläger ab 21. August 1982 Alg in Höhe von 253,80 DM wöchentlich, und zwar unter Zugrundelegung der Steuerklasse III (verheiratet) und einem gerundeten wöchentlichen Arbeitsentgelt von 515,-- DM (Bescheid vom 27. September 1982). Das gerundete wöchentliche Arbeitsentgelt ist aufgrund des für Juli 1982 bescheinigten Arbeitsentgelts errechnet worden (1.894,20 DM : 220 X 60 = 516,60 DM). Mit seinem Widerspruch brachte der Kläger vor, daß ihm nach dem Tarifvertrag für das private Omnibusgewerbe Nordrhein-Westfalen ein höherer Lohn zugestanden habe, nämlich für Juli 1982 3.018,47 DM. Der Kläger bezog sich hierfür auf ein rechtskräftiges Versäumnisurteil des Arbeitsgerichts D. vom 18. Januar 1983, durch das sein Arbeitgeber verurteilt worden sei, für die Zeit von März bis zum 9. Mai 1982 1.632,91 DM brutto sowie 200,-- DM netto nebst Zinsen zu zahlen. Der Widerspruch des Klägers hatte keinen Erfolg (Widerspruchsbescheid vom 15. April 1983).
Der Kläger erhob Klage und verwies dabei auf ein weiteres Versäumnisurteil des Arbeitsgerichts vom 7. Juni 1983, durch das der Arbeitgeber verurteilt worden ist, an den Kläger 5.160,42 DM brutto und 1.742,19 DM netto abzüglich 3.350,19DM netto erhaltenen Kaug nebst 4 % Zinsen seit dem 4. März 1983 zu zahlen.
Das Sozialgericht (SG) änderte den angefochtenen Bescheid in Gestalt des Widerspruchsbescheids und verpflichtete die Beklagte, das Bemessungsentgelt nach dem Lohn zu berechnen, der dem Kläger im Juni 1982 nach dem Lohntarifvertrag für die gewerblichen Arbeitnehmer des privaten Omnibusgewerbes in Nordrhein-Westfalen zugestanden hat; es ließ die Berufung zu (Urteil vom 7.November 1984). Auf die Berufung der Beklagten hat das Landessozialgericht (LSG) dieses Urteil abgeändert und die Klage abgewiesen (Urteil vom 11. Juni 1986).
Zur Begründung seines Urteils hat das LSG folgendes ausgeführt: Entgegen der Auffassung des SG sei Bemessungszeitraum nicht der Juni 1982, sondern der Juli 1982. Bemessungszeitraum seien die letzten, vor dem Ausscheiden des Arbeitnehmers aus dem Beschäftigungsverhältnis abgerechneten, insgesamt 20 Tage mit Anspruch auf Arbeitsentgelt umfassenden Lohnabrechnungszeiträume der letzten, die Beitragspflicht begründenden Beschäftigung vor Entstehung des Anspruchs (§ 112 Abs 3 Arbeitsförderungsgesetz -AFG-). Der Teillohnabrechnungszeitraum vom 1. bis 13. August 1982 sei nicht miteinzubeziehen, weil er beim Ausscheiden des Klägers noch nicht abgerechnet gewesen sei. Abgerechnet sei indessen der Juli 1982 gewesen. Daß der Kläger im Juli 1982 den Lohn nicht mehr ausgezahlt bekommen habe, sei unerheblich. Es genüge, wenn der Arbeitnehmer bis zum Tage des Ausscheidens aus dem Beschäftigungsverhältnis das Entgelt tatsächlich in die Hand bekommen habe oder es aufgrund der bis dahin erfolgten Abrechnung nur noch des technischen Überweisungsvorgangs bedürfe, damit der Arbeitnehmer über das Entgelt verfügen könne. Sowohl aus der Arbeitsbescheinigung als auch aus der vorliegenden Lohnabrechnung für den Monat Juli 1982, die den Ausdruck enthalte "Tag der Auszahlung 5. 8.", folge zwingend, daß die Abrechnung vor dem Ausscheiden am 13. August 1982 erfolgt sei. Aufgrund dieser Abrechnung habe es nur noch des technischen Überweisungsvorgangs bedurft, damit der Kläger über das Arbeitsentgelt verfügen konnte. Zugrunde zu legen sei daher das für den Juli 1982 abgerechnete Entgelt in Höhe von 1.894,20 DM, aus dem sich bei Zugrundelegung der tariflichen regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit von 60 Stunden nach § 112 Abs 2 AFG ein wöchentlich gerundetes Bemessungsentgelt von 515,-- DM ergebe. Unter Berücksichtigung des Familienstandes und der Steuerklasse III stehe dem Kläger nach der maßgeblichen AFG-Leistungsverordnung 1982 ein Alg von 253,80 DM zu. Ein etwaiger tariflicher Anspruch auf höheres Arbeitsentgelt könne nicht berücksichtigt werden. Maßgebend sei nur das Bruttoarbeitsentgelt, das dem Arbeitnehmer nach dem vor seinem Ausscheiden bestehenden Lohn- und Gehaltsanspruch im Bemessungszeitraum zu zahlen gewesen sei. Allerdings habe das Bundessozialgericht (BSG) darauf hingewiesen, daß spätere Berichtigungen oder Veränderungen in den Lohnabrechnungen aufgrund eines von vornherein angenommenen Rechtsanspruchs zu berücksichtigen seien (SozR 4100 § 112 Nr 5). Ein solcher Fall sei hier jedoch nicht gegeben. Rückwirkende Neubemessungen und Änderungen, die sich im Verlaufe einer späteren rechtlichen Auseinandersetzung ergeben, seien vielmehr nach dem Urteil vom 16.März 1983 - 7 RAr 25/82 - nicht zu berücksichtigen. Maßgebend sei allein das nach den tatsächlichen Umständen entsprechend dem Verständnis der Arbeitsvertragsparteien ohne Versehen oder Rechenfehler abgerechnete und zugeflossene Entgelt. Zwar habe das BSG offen gelassen, ob dann etwas anderes gelte, wenn der Arbeitnehmer im Falle einer untertariflichen oder nicht ordnungsgemäßen Bezahlung im Laufe des Bemessungszeitraums die ihm zustehende Entlohnung verlangt habe. Nach dem Normzweck des § 112 AFG sei diese Frage aber zu verneinen. Wollte man nämlich eine Überprüfung durch das Arbeitsamt fordern, so würden dem Arbeitsamt Schwierigkeiten zugemutet, vor denen das Gesetz das Arbeitsamt habe bewahren wollen. Das Arbeitsamt wäre dann gezwungen, entweder den rechtskräftigen Ausgang eines arbeitsgerichtlichen Verfahrens über die Höhe des dem Arbeitnehmer im Bemessungszeitraum zustehenden Lohnes abzuwarten oder selbst arbeitsrechtliche Prüfungen oder Entscheidungen vorzunehmen. Beides wäre mit einem zeitlichen Aufwand verbunden, der dem Normzweck einer schnellen praktikablen Entscheidung entgegenstehe.
Der Kläger rügt mit der Revision die Verletzung des § 112 AFG. Zu Recht sei das LSG davon ausgegangen, daß der Juli 1982 der Bemessungszeitraum sei, auch wenn das Arbeitsentgelt im Juni nur teilweise und im Juli 1982 überhaupt nicht mehr ausgezahlt worden sei; denn nach § 112 Abs 3 AFG komme es nur darauf an, daß die Abrechnung erfolgt sei. Unrichtig sei jedoch, wenn das LSG die Höhe des Alg nicht nach dem Arbeitsentgelt bestimme, das der Arbeitslose im Bemessungszeitraum erzielt habe. Erzielt heiße soviel wie erreichen, herankommen, für sich erwerben. Erzielen sei nicht gleichbedeutend mit dem Wort zufließen, was weniger auf den rechtlichen Anspruch abstelle. Daß es nicht auf den Zufluß ankomme, zeige § 112 Abs 3 AFG. Man könne nicht in § 112 Abs 3 AFG bei der Ermittlung des Bemessungszeitraums vom Zufluß absehen und bei der Auslegung des Begriffs des erzielten Arbeitsentgelts einen solchen verlangen. Erzielt sei hiernach der einklagbare Anspruch auf Arbeitsentgelt. Zwar bedürfe es für eine reibungslose Arbeit der Beklagten einer eindeutigen Bestimmbarkeit des Anspruchs. Deshalb müsse in aller Regel an die Lohnabrechnung angeknüpft werden. Die materielle Richtigkeit der Lohnabrechnung dürfe aber nicht einfach beiseite geschoben werden. Jedenfalls dann, wenn der Arbeitnehmer seinen Arbeitgeber vor Fälligkeit des Anspruchs auf Änderungen des Tariflohns hingewiesen und die Abrechnung nach dem neuen Tarif gefordert habe, müsse die Beklagte einen urkundlich nachgewiesenen Anspruch berücksichtigen. Der Arbeitnehmer könne sich nämlich in Anbetracht der Durchsetzbarkeit seines Anspruchs schon im Bemessungszeitraum auf das höhere Lohnniveau einrichten. Dem Grundsatz der Lohnersatzleistung und der möglichst unanfechtbaren Feststellung des Arbeitsentgelts werde damit ausreichend Rechnung getragen. Es sei nicht einzusehen, weshalb die Höhe des Alg willkürlich davon abhängen solle, was der Arbeitgeber in einer offenkundig fehlerhaften Lohnabrechnung eingetragen habe. Verweisungen auf Schadensersatzansprüche gegen den Arbeitgeber nützten insbesondere in Fällen der Insolvenz des Arbeitgebers dem Arbeitnehmer wenig. Dabei sei auch zu berücksichtigen, daß in Insolvenzfällen oft nur Teilbeträge an den Arbeitnehmer tatsächlich ausgezahlt würden und die Höhe des Alg nicht davon abhängen dürfe, was dem Arbeitnehmer ausgezahlt worden sei. Denn wenn das Alg für die Dauer der Arbeitslosigkeit die Beibehaltung des bisherigen Lebensstandards in einem gewissen näher bestimmten Umfang sichern solle, dürfe dieser Lebensstandard nicht dadurch extrem gesenkt werden, daß an der falschen und tarifwidrigen Lohnabrechnung festgehalten werde.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des LSG aufzuheben und die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des SG zurückzuweisen.
Die Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Sie nimmt zur Begründung ihres Antrags auf das angefochtene Urteil Bezug, das sie für zutreffend hält.
Entscheidungsgründe
Die Revision des Klägers ist im Sinne der Zurückverweisung der Sache an das LSG begründet. Aufgrund der bisher vom LSG getroffenen Feststellungen läßt sich nicht entscheiden, ob der Kläger mehr an Alg als die bewilligten 253,80 DM wöchentlich zu beanspruchen hat.
Die Höhe des dem Kläger ab 21. August 1982 zustehenden Alg richtet sich nach §111 AFG in der zuletzt durch das Arbeitsförderungs-Konsolidierungsgesetz (AFKG) vom 22. Dezember 1981 (BGBl I 1497) geänderten Fassung. Nach Abs 1 dieser Bestimmung beträgt das Alg 68 vH des um die gesetzlichen Abzüge, die bei Arbeitnehmern gewöhnlich anfallen, verminderten Arbeitsentgelts (§ 112 AFG). Die AFG-Leistungsverordnung 1982 vom 30. Dezember 1981 (BGBl I 1704), in der für die verschiedenen Arbeitsentgelte (§ 112 AFG) nach Minderung um die bei Arbeitnehmern gewöhnlich anfallenden gesetzlichen Abzüge unter Berücksichtigung der Nettolohnersatzquote von 68 vH die jeweiligen Leistungssätze ausgewiesen sind, sieht in der Leistungsgruppe C, der der Kläger gemäß § 111 Abs 2 Satz 2 Nr 1 Buchst c AFG angehört (verheiratet, Steuerklasse III), für ein (wöchentliches) Arbeitsentgelt (Bemessungsentgelt) von 515,-- DM die bewilligten 253,80 DM vor. Höheres Alg hat der Kläger daher nur zu beanspruchen, wenn sein Alg nach einem höheren Arbeitsentgelt (Bemessungsentgelt) als 515,-- DM zu zahlen ist.
Arbeitsentgelt (Bemessungsentgelt) in diesem Sinne ist nach § 112 Abs 2 AFG (idF des AFKG) grundsätzlich das im Bemessungszeitraum in der Arbeitsstunde durchschnittlich erzielte Arbeitsentgelt ohne Mehrarbeitszuschläge, vervielfacht mit der Zahl der Arbeitsstunden, die sich als Durchschnitt der tariflichen regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit der Beschäftigungsverhältnisse im Bemessungszeitraum ergibt (Satz 1). Einmalige und wiederkehrende Zuwendungen bleiben außer Betracht; dies gilt auch für Zuwendungen, die anteilig gezahlt werden, wenn das Arbeitsverhältnis vor dem Fälligkeitstermin endet (Satz 3). Das dem Alg zugrunde zu legende Bemessungsentgelt ist hiernach das Produkt eines Lohn- und eines Zeitfaktors, die beide aus Lohnbedingungen entwickelt werden, die im Bemessungszeitraum maßgebend waren. Die Bestimmung des Bemessungszeitraums hat daher jeder weiteren Anwendung des § 112 Abs 2 AFG vorauszugehen.
Bemessungszeitraum sind nach § 112 Abs 3 AFG (idF des AFKG) die letzten vor dem Ausscheiden des Arbeitnehmers aus dem Beschäftigungsverhältnis abgerechneten, insgesamt 20 Tage - bzw unter bestimmten, hier nicht gegebenen Voraussetzungen 60 Tage - mit Anspruch auf Arbeitsentgelt umfassenden Lohnabrechnungszeiträume der letzten die Beitragspflicht begründenden Beschäftigung vor der Entstehung des Anspruchs. Das LSG hat die Tage des Beschäftigungsverhältnisses im August 1982 nicht als zum Bemessungszeitraum gehörend angesehen, weil sie beim Ausscheiden noch nicht abgerechnet gewesen seien, dagegen jedoch den Juli 1982, auch wenn der Kläger den Lohn im Juli 1982 nicht mehr ausgezahlt bekommen habe. Das ist nach den getroffenen, mangels jeglicher diesbezüglicher Revisionsrügen der Beteiligten den Senat bindenden Feststellungen (§ 163 Sozialgerichtsgesetz -SGG-) zutreffend. Abgerechnet ist nämlich, wie der Senat entschieden hat, ein Lohnabrechnungszeitraum schon dann, wenn der Arbeitgeber das für diesen Zeitraum erarbeitete Arbeitsentgelt vollständig errechnet hat, so daß dieses aufgrund der Berechnung dem Arbeitnehmer ohne weitere Rechenoperationen ausgezahlt oder überwiesen werden kann (nicht veröffentlichtes Urteil vom 24. Juli 1986 - 7 RAr 8/84 -; ebenso BSG SozR 4100 § 112 Nr 30). Eine Abrechnung in diesem Sinne lag nach den Feststellungen des LSG im Zeitpunkt des Ausscheidens des Klägers aus dem Beschäftigungsverhältnis am 13.August 1982 zwar nicht für August, aber für Juli 1982 vor; nach den Feststellungen des LSG ist die Juli-Abrechnung vor dem 5. August 1982 erfolgt.
Die Maßgeblichkeit des Monats Juli 1982 als Bemessungszeitraum für das nach § 112 Abs 2 AFG zu bestimmende Bemessungsentgelt entfällt nicht deshalb, weil der Kläger die für Juli 1982 mit 1.894,20 DM abgerechneten Bezüge zu keinem Zeitpunkt von seinem in Konkurs gefallenen Arbeitgeber erhalten hat. Die Bestimmung des Bemessungszeitraums hängt vom Zeitpunkt der Abrechnung ab, nicht dagegen davon, wie die Revision zutreffend geltend macht, daß das abgerechnete Arbeitsentgelt auch in dem Sinne vom Arbeitnehmer erzielt wurde, daß es ihm zufloß (vgl BSG SozR 4100 § 112 Nr 30). Der Monat Juli 1982 umfaßt nach den Feststellungen des LSG auch die erforderlichen 20 Tage mit Anspruch auf Arbeitsentgelt.
Ist der Lohnfaktor des Bemessungsentgelts hiernach das im Juli 1982 in der Arbeitsstunde durchschnittlich erzielte Arbeitsentgelt ohne Mehrarbeitszuschläge, beträgt es jedoch nicht (1.894,20 DM : 220 =) 8,61 DM, wie die Beklagte und diese bestätigend das LSG angenommen haben. Die Beklagte und das LSG haben nicht berücksichtigt, daß der Kläger die für Juli 1982 bescheinigten Bezüge nicht erzielt hat, weil sie ihm überhaupt nicht ausgezahlt worden sind.
In der hier maßgeblichen Fassung setzt § 112 Abs 2 Satz 1 AFG voraus, daß das der Berechnung des Lohnfaktors des Bemessungsentgelts zugrunde zu legende Arbeitsentgelt erzielt worden ist. Erzielt ist Arbeitsentgelt indes nicht schon dann, wenn es erarbeitet ist, ein einklagbarer Anspruch auf das Arbeitsentgelt besteht oder ein Anspruch auf Arbeitsentgelt durch den Arbeitgeber anerkannt oder dieser Anspruch anderweit festgestellt ist. Die Bestimmung des § 112 Abs 2 AFG stellt vielmehr auf den Bezug ab. Erzielt ist nach der Rechtsprechung des Senats das Entgelt, wenn es dem Arbeitnehmer zugeflossen ist, so daß er darüber verfügen kann (vgl Urteil vom 10. Oktober 1978 - 7 RAr 57/77 - USK 78203; SozR 4100 § 112 Nr 11; Urteil vom 7. August 1979 - 7 RAr 17/78 - USK 79159; Urteil vom 10. Dezember 1981 - 7 RAr 6/81 - USK 81302). Erarbeitetes Arbeitsentgelt, das dem Arbeitnehmer nicht zufließt, ist hiernach nicht erzielt (vgl SozR 4100 § 44 Nr 10; Urteil vom 14. August 1980 -7 RAr 103/79 - USK 80169; SozR 4100 § 112 Nr 30).
An dem Erfordernis des Zufließens ist entgegen der Ansicht der Revision (ebenso Hennig/Kühl/Heuer, Komm zum AFG, Stand August 1988, § 112 Rz 9) festzuhalten. Es entspricht der Zielsetzung, die der Gesetzgeber mit den Regelungen des § 112 Abs 2 und 3 AFG ua verfolgt hat, das Alg als Lohnersatzleistung nach dem tatsächlichen Lohnniveau der Versicherten, dem wirklich bezogenen Arbeitsentgelt, auszurichten, das möglichst nahe an dem Leistungsbeginn liegt. Von jeher sind in der Arbeitslosenversicherung die tatsächlichen Lohn- und Gehaltsverhältnisse im Bemessungszeitraum maßgebend gewesen (vgl RVA AN 1928, 119 und 1930, 48; BSGE 12, 55 = SozR Nr 2 zu § 90 AVAVG), die durch das Bruttoentgelt bestimmt werden, das dem Arbeitnehmer nach Abzug der Lohnsteuer und der Sozialversicherungsbeiträge zur Verfügung gestellt wird. Hieran hat das AFG nichts geändert (vgl Begründung zu § 101 Abs 2 - 4 AFG-Entwurf, BT-Drucks V/2291 S 80 f). Auch die durch das AFKG wieder aufgehobene Regelung des § 112 Abs 2 Sätze 3 und 4 durch Art II § 2 Nr 10 des Gesetzes vom 18. August 1980 (BGBl I 1469), nach der bestimmte wiederkehrende Zuwendungen mit dem auf eine Woche entfallenden Anteil auch dann berücksichtigt wurden, wenn die Zuwendung nicht im Bemessungszeitraum zu zahlen war, ging davon aus, daß an sich nach § 112 Abs 2 AFG nur solches Arbeitsentgelt erzielt ist, das dem Arbeitnehmer im bzw für den Bemessungszeitraum gezahlt worden ist (vgl Begründung zu § 112 Abs 2 Sätze 3 und 4 AFG, BT-Drucks 8/4022 S 90). Zu Unrecht meint die Revision, die Höhe des Alg dürfe in Insolvenzfällen nicht davon abhängen, was dem Arbeitnehmer ausgezahlt worden ist, weil das Alg dann nicht mehr die Beibehaltung des bisherigen Lebensstandards in dem durch die Nettolohnersatzquote bestimmten Umfange sichere. Zwar kann das Bemessungsentgelt wegen der Anbindung an die Lohnbedingungen in dem verhältnismäßig kurzen Bemessungszeitraum und dessen Bestimmung nach den zuletzt abgerechneten Lohnabrechnungszeiträumen von Zufälligkeiten abhängen. Jedoch hat das Gesetz durch § 112 Abs 7 AFG für den Fall Vorsorge getroffen, daß der Arbeitnehmer gerade in dem verhältnismäßig kurzen Bemessungszeitraum ein wesentlich geringeres Arbeitsentgelt erzielt hat, als es seiner eigentlichen, während eines längeren Zeitraums ausgeübten beruflichen Tätigkeit entsprochen hätte. Im übrigen wird der Lebensstandard des Arbeitnehmers dann gerade nicht durch das erarbeitete Arbeitsentgelt bestimmt, wenn er den Anspruch auf Arbeitsentgelt nicht durchzusetzen vermag, wie das häufig vor Insolvenzen der Fall ist.
Das Zuflußprinzip steht auch nicht mit der Rechtsprechung zu der Frage in Widerspruch, inwieweit bei einer Lohnabrechnung, die der Berichtigung bedarf, das Arbeitsentgelt in der richtigen Höhe zu berücksichtigen ist. Die Rechtsprechung hat tarifliche Lohnerhöhungen, die den Bemessungszeitraum erfassen, aber der letzten Lohnabrechnung noch nicht zugrunde liegen konnten, sowohl nach dem Gesetz über Arbeitslosenvermittlung und Arbeitslosenversicherung (AVAVG) als auch nach dem AFG bei der Bemessung des Alg nicht berücksichtigt (RVA AN 1930, 48; BSGE 12, 55 = SozR Nr 2 zu § 90 AVAVG; BSG SozR 4100 § 112 Nrn 1, 3 und 5). Während die jüngere Rechtsprechung hervorgehoben hat, daß nur abgerechnetes Arbeitsentgelt zur Bemessung heranzuziehen und die Abrechnung in diesen Fällen richtig gewesen sei, hat der Senat andererseits zum Ausdruck gebracht, daß das für den abgerechneten Zeitraum geltende Gehaltsniveau auch dann maßgebend bleibe, wenn das Gehalt fehlerhaft berechnet worden ist, zugrunde zu legen sei dann allerdings die richtige Höhe, was eine doppelte (gemeint: eine zweite) Berechnung des Alg (nach der berichtigten Abrechnung des Arbeitgebers) durch das Arbeitsamt erforderlich machen könne (SozR 4100 § 112 Nr 5). Als maßgebend hat der Senat in seinem, lediglich im Dienstblatt der Bundesanstalt für Arbeit - Rechtsprechung - (Dienstbl BA R) veröffentlichten Urteil vom 16. März 1983 -7 RAr 25/82 - (Dienstbl BA R § 112 AFG Nr 2847) deshalb "allein das nach den tatsächlichen Umständen entsprechend dem Verständnis der Arbeitsvertragsparteien ohne Versehen oder Rechenfehler abgerechnete und zugeflossene Entgelt" bezeichnet. Auch eine Berichtigung der von Anfang an fehlerhaften Abrechnung führt mithin nur dann zu einem höheren Bemessungsentgelt, wenn es zur Nachzahlung gekommen ist. Entsprechend hatte schon das Reichsversicherungsamt entschieden (RVA AN 1929, 187).
Allerdings muß der Zufluß nicht im Bemessungszeitraum erfolgt sein. Für die Zwecke des § 112 Abs 2 AFG genügt es, wenn der Arbeitnehmer bis zum Tage des Ausscheidens aus dem Beschäftigungsverhältnis das Entgelt tatsächlich "in die Hand" bekommen hat. Dem steht es gleich, wenn es aufgrund der bis dahin erfolgten Abrechnung nur noch des (einer entsprechend wirksamen Verfügung des Arbeitgebers folgenden) technischen Überweisungsvorgangs bedarf, damit der Arbeitnehmer über das Entgelt verfügen kann (Urteil vom 10. Dezember 1981 - 7 RAr 6/81 - USK 81302; Urteil vom 16. März 1983 - 7 RAr 25/82 - Dienstbl BA R § 112 AFG Nr 2847; SozR 4100 § 112 Nr 30). Der - nachfolgende - Zufluß ist jedoch auch in Fällen dieser Art unentbehrlich. Der Senat hat das Zuflußprinzip mit der genannten Rechtsprechung nicht aufgegeben, sondern nur den Zuflußbegriff erweitert. Weil allein das Abstellen auf den Zufluß sicherstellt, daß der Bemessung wirklich bezogenes Arbeitsentgelt zugrunde gelegt wird, ist der Zufluß unverzichtbar.
Hiernach kann Arbeitsentgelt, soweit es infolge Zahlungsunfähigkeit des Arbeitgebers nicht ausgezahlt worden ist, bei der Ermittlung des im Bemessungszeitraum durchschnittlich erzielten Arbeitsentgelts nicht berücksichtigt werden. Weil der Kläger im vorliegenden Falle im Juli 1982 tatsächlich kein Arbeitsentgelt erzielt hat, beträgt der Lohnfaktor (0,-- DM : 220 =) 0,-- DM und damit auch das Bemessungsentgelt gemäß § 112 Abs 2 und 3 AFG (0,-- DM X Zeitfaktor) = 0,-- DM. Es kann daher dahingestellt bleiben, ob bei der Bestimmung des Zeitfaktors, der mit 60 angenommen worden ist, beachtet wurde, daß nicht die im Betrieb üblich gewesene, sondern grundsätzlich nur eine tarifliche regelmäßige wöchentliche Arbeitszeit zugrunde zu legen ist, und zwar auch dann, wenn das Beschäftigungsverhältnis einer tariflichen Regelung nicht unterlag (§ 112 Abs 2 Satz 1 und Abs 4 Nr 2 AFG).
An dem Ergebnis, daß sich in Anwendung des § 112 Abs 2 und 3 AFG ein - nach § 112 Abs 7 AFG noch zu überprüfendes - Bemessungsentgelt von 0,-- DM ergibt, ändert sich nichts, wenn der Lohnanspruch des Klägers sich nach dem zwischen verschiedenen nordrhein-westfälischen Verbänden des Verkehrsgewerbes und der Gewerkschaft Öffentliche Dienste, Transport und Verkehr abgeschlossenen Tarifwerk, also dem Manteltarifvertrag und dem Lohntarifvertrag für die gewerblichen Arbeitnehmer des privaten Omnibusgewerbes Nordrhein-Westfalen vom 11. Juni 1982, gerichtet hat und der für Juli 1982 vom Arbeitgeber bescheinigte Arbeitsverdienst dem Tariflohn nicht entsprochen hat, wie der Kläger geltend macht. Der Senat hat schon entschieden, daß es auf ein dem Arbeitnehmer von Rechts wegen zustehendes höheres Arbeitsentgelt nicht ankommt, wenn der Arbeitnehmer tatsächlich zu einem geringeren Arbeitsentgelt beschäftigt worden ist und der Arbeitgeber dieses Arbeitsentgelt richtig abgerechnet und ausgezahlt hat (Urteil vom 16. März 1983 - 7 RAr 25/82 - Dienstbl BA R § 112 AFG Nr 2847). Auf die in diesem Urteil offen gelassene Frage, ob etwas anderes gilt, wenn der Arbeitnehmer noch während des Bemessungszeitraums (oder schon zuvor) die ihm zustehende Entlohnung verlangt hat, kommt es im vorliegenden Falle nicht an, weil dem Kläger von dem im Bemessungszeitraum erarbeiteten Arbeitsentgelt nichts zugeflossen ist. Wenn der Arbeitgeber nicht einmal das abgerechnete Entgelt auszahlt, kann auch ein von Rechts wegen zustehender Anspruch auf Arbeitsentgelt der Ermittlung des Lohnfaktors nicht zugrunde gelegt werden; denn auch dessen Berücksichtigung setzt voraus, falls sie möglich ist, daß überhaupt ein Arbeitsentgelt zugeflossen ist.
Hat der Arbeitgeber das im Bemessungszeitraum erarbeitete Arbeitsentgelt wegen Zahlungsunfähigkeit nicht ausgezahlt, ist indessen regelmäßig gemäß § 112 Abs 7 AFG zu prüfen, ob es mit Rücksicht auf die von dem Arbeitslosen in den letzten drei Jahren vor der Arbeitslosmeldung überwiegend ausgeübte berufliche Tätigkeit unbillig hart wäre, von dem Arbeitsentgelt (Bemessungsentgelt) nach § 112 Abs 2 bis 6 AFG auszugehen. Eine solche unbillige Härte ist immer anzunehmen, wenn gerade im Bemessungszeitraum die Zahlung des Arbeitsentgelts wegen Zahlungsunfähigkeit des Arbeitgebers gänzlich ausgefallen ist, während der Arbeitnehmer in der Beschäftigung oder in den Beschäftigungen in den letzten drei Jahren überwiegend Arbeitsentgelt erzielt hat, wovon hier ausgegangen werden kann. Dies hat zur Folge, daß gemäß § 112 Abs 7 AFG von dem am Wohnsitz des Klägers maßgeblichen tariflichen oder mangels einer tariflichen Regelung von dem ortsüblichen Arbeitsentgelt derjenigen Beschäftigung auszugehen ist, für die der Kläger nach seinem Lebensalter und seiner Leistungsfähigkeit unter billiger Berücksichtigung seines Berufes und seiner Ausbildung nach Lage und Entwicklung des Arbeitsmarktes in Betracht kommt. Hiernach könnte dem Kläger Alg nach einem höheren Arbeitsentgelt (Bemessungsentgelt) als 515,-- DM zustehen. Das wäre insbesondere der Fall, wenn der Kläger weiterhin für eine Beschäftigung als Busfahrer in Betracht käme und das genannte Tarifwerk ein wöchentliches Arbeitsentgelt für Busfahrer vorsähe, das - gemäß § 112 Abs 9 AFG auf den nächsten durch fünf teilbaren DM-Betrag gerundet - 520,-- DM oder mehr ausmacht.
Da es insoweit an tatsächlichen Feststellungen fehlt, die zu treffen das LSG von seiner Rechtsauffassung her keine Veranlassung hatte, ist das angefochtene Urteil nach § 170 Abs 2 SGG aufzuheben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das LSG zurückzuverweisen, das auch über die Kosten des Revisionsverfahrens zu entscheiden haben wird.
Fundstellen