Leitsatz (redaktionell)
Maßgeblichkeit des Versicherungsfalls auch für die Feststellung der Hinterbliebenenrente - Änderung durch die Neufassung des AVG § 36 Abs 3 - Bindungswirkung eines Bescheides:
1. Bei den Hinterbliebenenrenten ist der Versicherungsfall der Tod des Versicherten; auf diesen Zeitpunkt kommt es deshalb bei der Feststellung der Hinterbliebenenrente auch für die Prüfung der vom Eintritt des Versicherungsfalles abhängigen Voraussetzungen für die Halbdeckung nach AVG § 36 Abs 3 an.
Nach der Neufassung des AVG § 36 Abs 3 bleiben nunmehr die dort genannten Ersatz- und Ausfallzeiten sowie Zeiten des Rentenbezugs für die Feststellung sowohl der Versichertenrente als auch der Hinterbliebenenrente unberücksichtigt.
2. Die Bindungswirkung eines Bescheides erstreckt sich nur auf die in dem entscheidenden Teil des Bescheids enthaltene Feststellung der Höhe der Leistung und auf die Leistungsart.
Normenkette
AVG § 36 Abs. 3 Fassung: 1957-02-23; AVG § 36 Abs. 3 Fassung: 1965-06-09; RVO § 1259 Abs. 3 Fassung: 1957-02-23, Abs. 3 Fassung: 1965-06-09; SGG § 77 Fassung: 1953-09-03
Tenor
Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Landessozialgerichts Berlin vom 20. März 1964 wird zurückgewiesen.
Kosten sind nicht zu erstatten.
Gründe
I
Die Beteiligten streiten über die Anrechnung von Ausfallzeiten bei Feststellung der Witwenrente der Klägerin.
Die Klägerin, geboren am 29. Juni 1896, bezieht seit Dezember 1958 Witwenrente nach ihrem im November 1958 verstorbenen Ehemann W K, geboren am 5. August 1896; der Versicherte erhielt seit Dezember 1950 wegen Berufsunfähigkeit eine Rente, die nach Art. 2 §§ 30, 31 des Angestelltenversicherungs-Neuregelungsgesetzes (AnVNG) umgestellt wurde. Mit Bescheid vom 6. Mai 1959 stellte die Beklagte die Witwenrente (nach Ablauf des Sterbevierteljahres) auf monatlich 178,90 DM fest; sie rechnete dabei unter Berücksichtigung von Ersatzzeiten, einer Zurechnungszeit und 36 Monaten nachgewiesener Ausfallzeit insgesamt 26,5 Versicherungsjahre an. Auf Antrag der Klägerin stellte die Beklagte die Witwenrente durch Bescheid vom 8. Mai 1962 neu auf 222,80 DM fest, sie ging dabei nunmehr von 33 anrechnungsfähigen Versicherungsjahren aus; diese Änderung ergab sich aus der Berücksichtigung weiterer Ersatzzeiten und einer Erhöhung der Zurechnungszeit; die Beklagte kürzte jedoch gleichzeitig die Ausfallzeit von bisher 36 Monaten auf die "Ausfallzeitpauschale" von 17 Monaten (Art. 2 § 14 AnVNG i.d.F. vor dem Inkrafttreten des Rentenversicherungs-Änderungsgesetzes - RVÄndG - vom 9. Juni 1965 - aF -). Mit der Klage begehrte die Klägerin, bei der Rentenberechnung anstelle der pauschalen Ausfallzeit die nach ihrer Meinung nachgewiesenen Ausfallzeiten von 81 Monaten anzurechnen. Das Sozialgericht (SG) Berlin änderte den Bescheid vom 8. Mai 1962 ab und verurteilte die Beklagte, bei der Berechnung der Witwenrente "die Ausfallzeiten des Versicherten in voller Höhe anzurechnen" (Urteil vom 12. Juni 1963). Es hielt die Voraussetzungen des § 36 Abs. 3 des Angestelltenversicherungsgesetzes (AVG) - i.d.F. vor dem Inkrafttreten des RVÄndG (aF) - für erfüllt, weil bei Feststellung der Hinterbliebenenrenten nach vorausgegangenem Rentenbezug des Versicherten die sogenannte "Halbdeckung" nicht nach dem Eintritt des Versicherungsfalles des Todes des Versicherten, sondern nach dem Eintritt des Versicherungsfalles zu prüfen sei, der zur Gewährung von Rente an den Versicherten geführt habe. In ihrem "Ausführungsbescheid" vom 25. September 1963 rechnete die Beklagte darauf - bei gleichen Ersatz- und Zurechnungszeiten wie in dem Bescheid vom 8. Mai 1962 - als nachgewiesene Ausfallzeit 83 Monate, insgesamt 38,5 Versicherungsjahre an und stellte die Witwenrente - nach dem 5. Rentenanpassungsgesetz (RAG) - auf 329,20 DM fest; auf Grund der weiteren Rentenanpassungen erhöhte sich diese Rente bis zum Jahre 1966 auf 421,20 DM. Auf die Berufung der Beklagten hob das Landessozialgericht (LSG) Berlin am 20. März 1964 das Urteil des SG auf und wies die Klage ab: Für die Prüfung der "Halbdeckung" nach § 36 Abs. 3 AVG (aF) sei bei der Berechnung der Hinterbliebenenrenten der Versicherungsfall maßgebend, der den Anspruch auf diese Rente auslöse, also der Zeitpunkt des Todes des Versicherten. Da die Zeit vom Eintritt des Ehemannes der Klägerin in die Versicherung im Jahre 1922 (im Urteil heißt es unrichtig: 1919) bis zu seinem Tode im November 1958 434 Monate umfasse und von dieser Zeit nur 162 Monate mit Pflichtbeiträgen belegt seien, fehle es an der "Halbdeckung". Daran ändere nichts, daß die Hinterbliebenenrente aus der Rente des Versicherten abgeleitet sei. Auch Billigkeitserwägungen führten zu keinem anderen Ergebnis, weil der Versicherte hier - als Bezieher von Rente wegen Erwerbsunfähigkeit - rechtlich die Möglichkeit gehabt habe, ab 1957 noch Pflichtbeiträge zu entrichten. Das LSG ließ die Revision zu.
Mit der form- und fristgerecht eingelegten Revision beantragte die Klägerin,
das Urteil des LSG aufzuheben und die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des SG zurückzuweisen.
Zur Begründung trug sie vor, das LSG habe § 36 Abs. 3 AVG aF unrichtig angewandt; die für die Anrechenbarkeit von Ausfallzeiten erheblichen Voraussetzungen der "Halbdeckung" seien bei vorausgegangenem Rentenbezug des Versicherten nicht nach dem Versicherungsfall des Todes zu beurteilen, sondern nach dem Versicherungsfall, der zur Gewährung von Rente an den Versicherten geführt habe; die Hinterbliebenen dürften nicht schlechter gestellt werden als der Versicherte; sei die "Halbdeckung" für die Versichertenrente gegeben gewesen, dann könne die Anrechenbarkeit von Ausfallzeiten für die Hinterbliebenenrente nicht an dem Fehlen der "Halbdeckung" scheitern. Das LSG habe auch gegen § 1744 der Reichsversicherungsordnung (RVO) verstoßen, es habe den bindend gewordenen Bescheid vom 6. Mai 1959, in dem eine nachgewiesene Ausfallzeit von 36 Monaten angerechnet worden sei, nicht zum Nachteil der Klägerin mit dem Bescheid vom 8. Mai 1962 durch Anrechnung einer "pauschalen" Ausfallzeit von nur 17 Monaten abändern dürfen.
Die Beklagte beantragte,
die Revision zurückzuweisen.
Auf Grund der Neufassung des § 36 Abs. 3 AVG durch das RVÄndG erließ die Beklagte den Bescheid vom 19. Oktober 1966; sie errechnete die Rente der Klägerin ab 1. Juli 1965 - bei einer nunmehr als nachgewiesen angerechneten Ausfallzeit von 36 Monaten - auf 287,50 DM (ohne die Rentenanpassungen), beließ es jedoch bei dem Zahlbetrag von 421,20 DM, der sich nach dem "Ausführungsbescheid" vom 25. September 1963 und der späteren Rentenanpassungen ergeben hatte, weil die in dem Bescheid vom 19. Oktober 1966 net festgestellte Rente keinen höheren Betrag ergab.
Die Beteiligten erklärten sich mit einem Urteil ohne mündliche Verhandlung einverstanden (§§ 165, 153 Abs. 1, 124 Abs. 2 SGG).
II
Die Revision ist zulässig (§§ 162 Abs. 1 Nr. 1, 164 SGG); sie ist jedoch nicht begründet.
Der Bescheid vom 19. Oktober 1966, mit dem die Beklagte die Witwenrente ab 1. Juli 1965 neu festgestellt hat, ist nicht Gegenstand des Revisionsverfahrens; er gilt als mit der Klage beim SG angefochten (§ 171 Abs. 2 SGG). Daher ist hier nicht zu prüfen, ob in diesem Bescheid als nachgewiesene Ausfallzeit zu Recht 36 Monate (statt der von der Klägerin begehrten 81 Monate) angerechnet sind. Im Revisionsverfahren ist allein darüber zu entscheiden, ob für die Rente der Klägerin auch schon für die Zeit vor dem 1. Juli 1965 statt der Ausfallzeitpauschale von 17 Monaten längere Ausfallzeiten anzurechnen sind. Das LSG hat dies zu Recht verneint.
Rentenansprüche sind grundsätzlich - sofern im Gesetz nichts anderes bestimmt ist - nach dem Recht im Zeitpunkt ihrer Entstehung zu beurteilen, Dies gilt auch für Ansprüche auf Hinterbliebenenrente, obwohl es sich hierbei um Ansprüche handelt, die aus der Rente des Versicherten abgeleitet sind (vgl. Urteil des BSG vom 20. Dezember 1960, BSG 13, 251, 252). Der Anspruch der Klägerin auf Witwenrente ist mit dem Tode ihres Ehemannes im November 1958 entstanden; er ist daher nach den Vorschriften des seit 1. Januar 1957 geltenden AnVNG und des AVG zu beurteilen. Gemäß § 45 AVG wird die Rente nach einem Bruchteil - nämlich sechs Zehntel - der Versichertenrente gewährt. Je nach den persönlichen Verhältnissen der Witwe ist entweder von einer Versichertenrente wegen Berufsunfähigkeit (§ 45 Abs. 1 AVG) oder wegen Erwerbsunfähigkeit (§ 45 Abs. 2 AVG) auszugehen; dabei kommt es nicht darauf an, ob der Versicherte selbst Anspruch auf Rente wegen Berufsunfähigkeit oder Erwerbsunfähigkeit oder auf Altersruhegeld gehabt hat. Hat der Versicherte bis zu seinem Tode Rente bezogen, so ist deshalb auch der Bruchteil von sechs Zehntel nicht von dieser Versichertenrente zu nehmen, vielmehr ist die Versichertenrente eigens für die Feststellung der Witwenrente auf den Todestag des Versicherten zu berechnen. So ist die Beklagte auch in dem angefochtenen Bescheid vom 8. Mai 1962 verfahren. Da die Klägerin im November 1958 das 45. Lebensjahr bereits vollendet gehabt hat, beträgt ihre Witwenrente nach § 45 Abs. 2 Nr. 1 AVG sechs Zehntel der nach § 30 Abs. 2 AVG berechneten Versichertenrente ohne Kinderzuschuß. Die Beklagte hat daher zur Feststellung der Rente der Klägerin zunächst die Rente errechnet, die der Ehemann der Klägerin (ohne Kinderzuschuß) erhalten hätte, wenn er im November 1958 erwerbsunfähig (§ 24 Abs. 2 AVG) geworden wäre; nach § 35 Abs. 1 und Abs. 2 AVG hat sie 33 anrechnungsfähige Versicherungsjahre ermittelt, nämlich 299 Monate Versicherungszeiten - darunter 162 Pflichtbeitragsmonate -, 17 Monate pauschale Ausfallzeit (nach Art. 2 § 14 AnVNG aF) und 75 Monate Zurechnungszeit. Die nach Meinung der Klägerin nachgewiesenen längeren Ausfallzeiten sind zu Recht nicht angerechnet worden, weil die Voraussetzungen des § 36 Abs. 3 AVG aF nicht gegeben sind.
Anstelle der pauschalen Ausfallzeit nach Art. 2 § 14 AnVNG aF dürfen nachgewiesene längere Ausfallzeiten nur dann angerechnet werden, wenn diese Ausfallzeiten nach § 36 Abs. 3 AVG aF anrechenbar sind (Urteile des Bundessozialgerichts - BSG - vom 20. Juni 1962 und 17. März 1964, BSG 17, 129 und 20, 251). Anrechenbar nach Art. 36 Abs. 3 AVG aF sind Ausfallzeiten nur dann, wenn die Zeit vom Eintritt in die Versicherung bis zum Eintritt des Versicherungsfalles mindestens zur Hälfte, jedoch nicht unter 60 Monaten, mit Beiträgen für eine rentenversicherungspflichtige Beschäftigung oder Tätigkeit belegt ist (sogen. "Halbdeckung"). "Versicherungsfall" im Sinne der Rentenversicherungsgesetze ist das Ereignis oder das Zusammentreffen mehrerer Ereignisse im Leben des Versicherten, gegen deren Nachteile dem Versicherten und seinen Hinterbliebenen durch die Versicherung Schutz gewährt werden soll (vgl. Urteile des BSG vom 25. Oktober 1963 und vom 5. März 1965, BSG 20, 48, 50 und 22, 278, 280 mit weiteren Hinweisen). Bei den Hinterbliebenenrenten ist dieses Ereignis der Tod des Versicherten; auf diesen Zeitpunkt kommt es deshalb bei der Feststellung der Hinterbliebenenrente auch für die Prüfung der vom Eintritt des Versicherungsfalles abhängigen Voraussetzungen für die "Halbdeckung" nach § 36 Abs. 3 AVG aF an. Nach den mit der Revision nicht angegriffenen Feststellungen umfaßt der hiernach maßgebende Zeitraum 434 Monate (vom September 1922 bis zum Tode des Ehemannes der Klägerin im November 1958). In diese Zeit fallen 162 Pflichtbeitragsmonate, sonach weniger als die Hälfte (217 Monate) des für die Halbdeckung erforderlichen "Beitragssolls". Die Anrechnung nachgewiesener längerer Ausfallzeiten ist daher bei der Feststellung der Witwenrente der Klägerin - bis 30. Juni 1965 - nicht möglich; es ist nur die pauschale Ausfallzeit nach Art. 2 § 14 AnVNG aF anzurechnen. Die Klägerin wird aber dadurch nicht, wie sie meint, schlechter gestellt als der Versicherte, und zwar deshalb nicht, weil Ausfallzeiten bei der Feststellung der Rente des Versicherten weder vor noch nach dem 1. Januar 1957 anzurechnen gewesen sind. Das vor dem 1. Januar 1957 geltende Recht hat den Begriff der Ausfallzeiten im Sinne von § 36 AVG nicht gekannt und deshalb auch keine Vorschriften enthalten, die den Vorschriften über "Halbdeckung" im Sinne von § 36 Abs. 3 AVG aF entsprochen haben. Die Zeiten der Schul-, Hochschul- und Berufsausbildung des Ehemannes der Klägerin von 1911 bis 1914 und von 1918 bis 1922, deren Anrechnung die Klägerin (nach Bl. 77 der Rentenakten) begehrt, haben für die Höhe der Rente, die der Ehemann der Klägerin vor dem 1. Januar 1957 bezogen hat, keine Bedeutung gehabt, sie sind auch nicht als Ersatzzeiten des alten Rechts Beitragszeiten gleichgestellt oder für die Erfüllung der Wartezeit und (oder) die Erhaltung der Anwartschaft anzurechnen gewesen. Die Vorschriften über die "Halbdeckung" im Sinne der vor dem 1. Januar 1957 geltenden §§ 1265 RVO, 32 AVG sind nur für die aus ihnen folgende Fiktion der Erhaltung der Anwartschaft erheblich gewesen, sie haben einen ganz anderen Sinngehalt gehabt als die auch wörtlich abweichenden Vorschriften über die "Halbdeckung" im Sinne des § 36 Abs. 3 AVG aF, die für die Anrechenbarkeit von Ausfallzeiten und damit für die Anzahl der anzurechnenden Versicherungsjahre (§ 35 AVG) bedeutsam sind (vgl. auch Urteil des BSG vom 25. Mai 1961, BSG 14, 220, 222). Auch bei der Umstellung der Rente des Ehemannes der Klägerin zum 1. Januar 1957 ist es auf die Erfüllung der "Halbdeckung" im Sinne von § 36 Abs. 3 AVG aF nicht angekommen. Diese Umstellung ist nach Art. 2 § 31 AnVNG auf Grund von Tabellenwerten erfolgt, eine Neuberechnung der Rente nach den Vorschriften des seit dem 1. Januar 1957 geltenden Rechts ist nicht vorzunehmen gewesen. Diese Neuberechnung ist im vorliegenden Falle erst durch den Eintritt des Versicherungsfalles des Todes des Versicherten für die Feststellung der Witwenrente erforderlich geworden, erst dieser Versicherungsfall hat zur Anwendung der Vorschriften des neuen Rechts geführt und damit - erstmals - die Prüfung der Voraussetzungen der "Halbdeckung" im Sinne von § 36 Abs. 3 AVG aF erforderlich gemacht. Im vorliegenden Fall hat diese Prüfung zwar ergeben, daß diese Voraussetzungen bei der Feststellung der Witwenrente nicht erfüllt sind; das muß aber nicht immer so sein. Es ist möglich, daß ein Versicherter, der bereits Rente wegen Berufsunfähigkeit bezieht, während der Rentenbezugszeit noch Pflichtbeiträge entrichtet und daß erst auf Grund dieser Pflichtbeiträge die Voraussetzungen der "Halbdeckung" bei der Feststellung der Witwenrente gegeben sind. In einem solchen Falle wirkt sich die Prüfung der Voraussetzungen des § 36 Abs. 3 AVG aF nach dem Zeitpunkt des Todes des Versicherten bei der Feststellung der Witwenrente zum Vorteil der Witwe aus.
Eine andere Beurteilung hinsichtlich des Zeitraumes, der für die Erfüllung der Voraussetzungen der "Halbdeckung" maßgebend ist, ist aber auch dann nicht geboten, wenn - anders als im vorliegenden Fall - der Versicherte eine Rente bezogen hat, die bereits nach der neuen Rentenformel festgestellt worden ist. Zunächst ist es auch in solchen Fällen nach § 36 Abs. 3 AVG aF möglich, daß Ausfallzeiten, die bei der Feststellung der Versichertenrente wegen des Fehlens der "Halbdeckung" nicht haben angerechnet werden können, bei der Feststellung der Witwenrente anzurechnen sind, weil der Versicherte während des Rentenbezuges - etwa als Bezieher von Rente wegen Berufsunfähigkeit - noch Pflichtbeiträge entrichtet hat und erst durch diese Pflichtbeiträge die Voraussetzungen der "Halbdeckung" bei der Feststellung der Witwenrente erfüllt sind, die Witwe also durch diese Berechnungsweise nicht nur nicht benachteiligt, sondern besser gestellt wird als der Versicherte. Aber auch im umgekehrten Falle - wenn bei der Feststellung der Versichertenrente die Voraussetzungen des § 36 Abs. 3 AVG aF gegeben gewesen sind, bei der Feststellung der Witwenrente aber nicht mehr vorliegen, weil der Versicherte während der Rentenbezugszeit aus rechtlichen Gründen (als Bezieher von Altersruhegeld) oder aus tatsächlichen Gründen (wegen Erwerbsunfähigkeit) Pflichtbeiträge nicht mehr hat entrichten können - ist nicht ohne weiteres gesagt, daß die Witwe schlechter gestellt wird als der Versicherte. Aus § 45 Abs. 3 AVG, der für die Berechnung der Witwenrente allgemein auf § 31 Abs. 2 Satz 2 AVG verweist, und aus § 45 Abs. 2 AVG, der für die dort geregelten Fälle von einer nach § 30 Abs. 2 AVG berechneten Versichertenrente ausgeht, könnte der Schluß gezogen werden, daß bei der eigens für die Festsetzung der Witwenrente erforderlichen Berechnung der Versichertenrente Gesichtspunkte zu beachten sind, die bei einer Umwandlung von Renten gelten und daß damit möglicherweise die bei der Feststellung der bisherigen Versichertenrente angerechneten Ausfallzeiten ohne Rücksicht darauf, ob die Voraussetzungen des § 36 Abs. 3 AVG aF weiterhin vorliegen, bei der Feststellung der Witwenrente wiederum zu berücksichtigen sind. Diese Frage kann hier offen bleiben, weil im vorliegenden Falle der Versicherte eine nach den Vorschriften des alten Rechts berechnete und nach Art. 2 §§ 30 ff AnVNG umgestellte Rente bezogen hat, für die eine Anrechnung von Ausfallzeiten nicht in Betracht gekommen ist.
Seit der Neufassung des § 36 Abs. 3 AVG (wie auch des § 37 AVG) durch das RVÄndG kommt es auf die im vorliegenden Fall streitige Frage nicht mehr an. Bei der Ermittlung des für die "Halbdeckung" maßgebenden Zeitraumes bleiben nunmehr die dort genannten Ersatz- und Ausfallzeiten sowie Zeiten des Rentenbezugs für die Feststellung sowohl der Versichertenrente als auch der Hinterbliebenenrente unberücksichtigt. Dies hat dazu geführt, daß bei der Neufeststellung der Rente der Klägerin in dem Bescheid vom 19. Oktober 1966 u.a. (anders als in dem angefochtenen Bescheid vom 8. Mai 1962) nicht mehr nur die pauschale Ausfallzeit (von 17 Monaten), sondern längere nachgewiesene Ausfallzeiten angerechnet worden sind. Für die Rentenbezugszeit der Klägerin bis zum 30. Juni 1965, über die in dem anhängigen Revisionsverfahren allein zu entscheiden ist, führt dies aber zu keiner anderen Beurteilung, weil die Neufassung des § 36 Abs. 3 AVG erst am 1. Juli 1965 in Kraft getreten ist (Art. 2 § 2 Nr. 19 Buchst. g, Art. 5 § 10 Abs. 1 Buchst. e RVÄndG).
Der Bescheid der Beklagten vom 8. Mai 1962 ist entgegen der Meinung der Klägerin schließlich auch nicht deshalb rechtswidrig, weil die Beklagte in dem Bescheid vom 6. Mai 1959 als nachgewiesene Ausfallzeit 36 Monate, in dem Neufeststellungsbescheid vom 8. Mai 1962 jedoch zwar weitere Ersatz- und Zurechnungszeiten, aber nur noch die Ausfallzeitpauschale von 17 Monaten angerechnet hat. Es trifft zwar zu, daß der Bescheid vom 6. Mai 1959 mit dem Zugang an die Klägerin bindend geworden ist (§ 77 SGG); diese Bindungswirkung erstreckt sich aber nur auf die in dem entscheidenden Teil des Bescheids ("Verfügungssatz") enthaltene Feststellung der Höhe der Leistung und auf die Leistungsart, nicht auf die rechtliche Beurteilung von Vorfragen in der Begründung des Bescheids und auf rechtliche Erwägungen im Zusammenhang mit der Rentenberechnung (vgl. zuletzt Urteil des erkennenden Senats vom 21. September 1966 - 11 RA 189/64 -; ständige Rechtsprechung des BSG). Die Beklagte hat diese Bindungswirkung auch beachtet. Sie hat zwar den Bescheid vom 6. Mai 1959 aufgehoben, der Klägerin jedoch mit Bescheid vom 8. Mai 1962 wiederum rückwirkend ab 1. Dezember 1958 Witwenrente - unter Berücksichtigung der für das Sterbevierteljahr zustehenden höheren Bezüge - gewährt und die Witwenrentenbezüge (nach Ablauf des Sterbevierteljahres) sogar von monatlich 178,90 DM auf monatlich 222,80 DM erhöht. Gegen § 1744 RVO hat sie sonach nicht verstoßen.
Das LSG hat deshalb zu Recht das Urteil des SG aufgehoben und die Klage abgewiesen. Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des LSG ist unbegründet und zurückzuweisen (§ 170 Abs. 2 SGG). Mit der Aufhebung des Urteils des SG ist der Bescheid der Beklagten vom 25. September 1963, in dem die Beklagte dieses Urteil ausgeführt und die Rente vom Erlaß des Urteils des SG an auf 329,20 DM festgestellt hat, hinfällig; das gleiche gilt für die Anpassungsbescheide nach dem 6., 7. und 8. RAG, in denen die Beklagte für die Anpassung von dem Bescheid vom 25. September 1963 ausgegangen ist. Da die Beklagte in dem Bescheid vom 19. Oktober 1966, in dem sie die Rente der Klägerin auf Grund der Neufassung des § 36 Abs. 3 AVG ab 1. Juli 1965 neu berechnet hat, der Klägerin im Hinblick auf das Urteil des SG wiederum die zuletzt bezogene Rente von 421,20 DM weiter gewährt hat, obwohl die der Klägerin ab 1. Juli 1965 zustehende Rente nach dem zutreffenden Urteil des LSG niedriger ist, wird die Beklagte nunmehr auch den Bescheid vom 19. Oktober 1966 hinsichtlich des Zahlbetrages der laufenden Rente zu überprüfen haben.
Die Entscheidung über die Kosten beruht auf § 193 SGG.
Fundstellen