Verfahrensgang
Tenor
Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Landessozialgerichts Niedersachsen vom 21. Februar 1996 wird, soweit sie die Gewährung einer Erwerbsunfähigkeitsrente betrifft, zurückgewiesen. Soweit sie die Gewährung einer Berufsunfähigkeitsrente betrifft, wird das Urteil des Landessozialgerichts Niedersachsen vom 21. Februar 1996 aufgehoben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landessozialgericht zurückverwiesen.
Tatbestand
I
Die Beteiligten streiten darüber, ob dem Kläger ab dem 1. März 1991 ein Recht auf Rente wegen Erwerbsunfähigkeit (EU), hilfsweise ein Recht auf Rente wegen Berufsunfähigkeit (BU) zusteht.
Der im März 1937 geborene Kläger erlernte von 1952 bis 1955 den Beruf des Maschinenschlossers und übte ihn bis 1974 aus. Ab 1975 war er als Versicherungsvertreter, ab 1977 als Bezirksleiter im Außendienst des Q. … -V. … und ab 1. August 1985 bis zum 31. Juli 1986 als Versicherungsvertreter im Außendienst „Bezirksinspektor”) bei der B. … L. … AG angestelltenversicherungspflichtig beschäftigt. Den letzten Arbeitsplatz verlor der Kläger betriebsbedingt; ab Mai 1987 war er arbeitslos. Seit dem 1. April 1997 bezieht er Rente wegen Alters.
Den am 18. Februar 1991 gestellten Antrag auf Gewährung einer Rente wegen EU bzw BU lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 25. Juni 1992 und bestätigendem Widerspruchsbescheid vom 9. Dezember 1992 ab, weil der für körperlich leichte Tätigkeiten im Sitzen vollschichtig leistungsfähige Kläger, der ohne größere Beeinträchtigungen einen Fußweg von 800 m zurücklegen könne, auf den allgemeinen Arbeitsmarkt verweisbar sei, bzw jedenfalls auf die auch seinem Restleistungsvermögen entsprechende Tätigkeit eines Angestellten im Innendienst von Versicherungsunternehmen zumutbar zu verweisen wäre.
Das Sozialgericht (SG) Aurich hat die hiergegen erhobene Klage auf Gewährung einer Rente wegen EU durch Urteil vom 23. November 1993 abgewiesen. Das Landessozialgericht (LSG) Niedersachsen hat die Berufung des Klägers, mit der er hilfsweise auch die Gewährung einer Rente wegen BU verfolgte, durch Urteil vom 21. Februar 1996 zurückgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt: Dem Kläger stehe kein Anspruch auf eine Rente wegen EU bzw BU gemäß §§ 24 bzw 23 Angestelltenversicherungsgesetz (AVG) iVm § 300 Abs 2 des Sechsten Buches Sozialgesetzbuch (SGB VI) zu. Wegen der beim Kläger vorliegenden Gesundheitsstörungen seien körperlich schwere und mittelschwere Arbeiten nicht mehr zumutbar. Darüber hinaus könnten mit schwerem Heben und Tragen und häufigem Bücken verbundene Arbeiten, Arbeiten in Zwangshaltung und Überkopfarbeiten nicht mehr verrichtet werden. Tätigkeiten als Schlosser und als Handelsvertreter könne er deshalb nicht mehr ausführen. Er sei jedoch seit Antragstellung durchaus noch in der Lage, leichte Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsfeldes ohne Zwangshaltung und im Wechsel von Gehen, Stehen und Sitzen, überwiegend im Sitzen, vollschichtig zu verrichten; Gehstrecken zu Fuß bis 1000 m seien zumutbar. Mit diesem Leistungsvermögen sei der Kläger nicht erwerbsunfähig, weil er in der Lage sei, auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt eine Erwerbstätigkeit in gewisser Regelmäßigkeit auszuüben und vollschichtig mehr als nur geringfügige Einkünfte zu erzielen. Er sei auch nicht berufsunfähig, weil er sich aus anderen als gesundheitlichen Gründen vom Lehrberuf des Schlossers gelöst habe, zuletzt als Versicherungsvertreter ungelernte Tätigkeiten verrichtet habe und deshalb keinen Berufsschutz genieße. Nach Angaben des Arbeitgebers sei er für seinen Beruf nicht länger als drei Monate angelernt worden. Jedenfalls könne der bisherige Beruf des Klägers nicht höher als in den unteren Bereich der Angelernten eingestuft werden. Nach dem vom Bundessozialgericht (BSG) entwickelten Mehrstufenschema könnten Angelernte im unteren Bereich auf alle anderen Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarkts verwiesen werden. Einer konkreten Benennung einer Verweisungstätigkeit bedürfe es nicht, da der Kläger mit dem bei ihm festgestellten Leistungsvermögen noch unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarkts arbeiten könne und keine atypische Leistungseinschränkung vorliege.
Der Kläger hat – die vom Senat zugelassene – Revision eingelegt und rügt eine Verletzung der §§ 23, 24 AVG. Das LSG habe die Rechtsprechung des BSG zur Qualifikation des Ausgangsberufs, ua im Hinblick auf die Entscheidung vom 23. November 1994 – 13 RJ 73/92 –, verkannt, indem es sich ausschließlich zur Qualifikation des Ausgangsberufs auf die Einarbeitungszeit beschränkt habe. Es hätte nicht ausschließlich auf die Dauer der beim letzten Arbeitgeber vorgenommenen Einarbeitungszeit abstellen dürfen. Insbesondere schon deshalb nicht, weil der Kläger bereits über Jahre hinweg in diesem Beruf tätig gewesen sei, und er darüber hinaus mit Erfolg den Beruf des Maschinenschlossers erlernt habe. Bei Berücksichtigung des heranzuziehenden Tarifvertrages für das private Versicherungsgewerbe (Stand 1. April 1986) hätte das LSG, das keinerlei Feststellungen dazu getroffen habe, in welche Gehaltsgruppe der Kläger einzustufen gewesen wäre, den Kläger iS des sog Mehrstufenschemas mindestens als Angelernten des oberen Bereichs, wenn nicht sogar aufgrund seiner langjährigen Berufserfahrung als „Facharbeiter” einstufen müssen, und ihm folglich eine konkrete Verweisungstätigkeit benennen müssen; als „Facharbeiter” bzw Angelernter des oberen Bereichs könnte er nicht auf den allgemeinen Arbeitsmarkt zumutbar verwiesen werden. Für den Anspruch auf Gewährung einer EU-Rente wäre entsprechend den Vorlagebeschlüssen des 13. Senats an den Großen Senat (GrS) vom 23. November 1994 in den Verfahren 13 RJ 19/93, 71/93, 73/93 und 1/94 dem Kläger eine konkrete Verweisungstätigkeit zu bezeichnen gewesen, da, wie der 13. Senat des BSG im Vorfeld seines Vorlagebeschlusses an den GrS des BSG in der generellen Tatsachenerhebung festgestellt habe, für die angesprochene Versichertengruppe – zu der auch der Kläger gehöre – eine erhebliche Gefahr der Verschlossenheit des Arbeitsmarkts vorliege. Es könne nicht mehr davon ausgegangen werden, Versicherten – wie dem Kläger –, die nur noch leichte körperliche Arbeiten mit weiteren Einschränkungen verrichten könnten, stünde der allgemeine Arbeitsmarkt ohne nähere Betrachtung offen.
Der Kläger beantragt,
- das Urteil des Landessozialgerichts Niedersachsen vom 21. Februar 1996, das Urteil des Sozialgerichts Aurich vom 23. November 1993 und den Bescheid der Beklagten vom 25. Juni 1992 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 9. Dezember 1992 aufzuheben,
- die Beklagte zu verurteilen, dem Kläger ab 1. März 1991 bis zum 31. März 1997 Rente wegen Erwerbsunfähigkeit, hilfsweise wegen Berufsunfähigkeit, zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Revision gegen das Urteil des Landessozialgerichts Niedersachsen vom 21. Februar 1996 zum Az L 1 An 10/94 zurückzuweisen.
Sie hält das Urteil des LSG für zutreffend.
Entscheidungsgründe
II
Die zulässige Revision des Klägers ist, soweit sie die Gewährung einer Rente wegen EU betrifft, unbegründet; das LSG hat die Berufung des Klägers gegen das zutreffende Urteil des SG zu Recht zurückgewiesen. Dem Kläger steht kein Recht auf Rente wegen EU zu, weil er nicht erwerbsunfähig ist (dazu unter A.). Soweit die Revision die Gewährung einer Rente wegen BU betrifft, ist sie iS der Aufhebung des angefochtenen Urteils und der Zurückverweisung des Rechtsstreits an das Berufungsgericht begründet (§ 170 Abs 2 Satz 2 Sozialgerichtsgesetz ≪SGG≫, dazu unter B.).
Das LSG hat das für die Entscheidung des Rechtsstreits maßgebliche Recht zugrunde gelegt. Maßgebend für die Entscheidung über das Begehren des Klägers sind die Vorschriften des AVG, das mit dem 1. Januar 1992 außer Kraft getreten ist (Art 83 Nr 1, Art 85 Abs 1 des Rentenreformgesetzes 1992). Denn es ist über einen vor diesem Zeitpunkt liegenden Leistungsbeginn aus dem geltend gemachten Rentenrecht im Erstfeststellungsverfahren zu entscheiden (§ 300 Abs 2 SGB VI, vgl stellvertretend Urteile des Senats vom 21. Juli 1992 – 4 RA 13/91; 25. Februar 1992 – SozR 3-6480 Art 22 Nr 1 und SozR 3-6050 Art 46 Nr 5 = aaO 2600 § 300 Nr 1, SozR 3-6180 Art 13 Nr 2 = aaO 2600 § 300 Nr 2; Urteil vom 23. Juni 1994 – SozR 3-2600 § 300 Nr 3; Urteil vom 24. Oktober 1996 – SozR 3-2600 § 300 Nr 8; Urteil vom 29. August 1996 – SozR 3-2600 § 301 Nr 1; Urteil vom 30. Januar 1997 – SozR 3-2600 § 300 Nr 10).
Gemäß § 24 Abs 1 AVG erhält der Versicherte Rente wegen EU, der erwerbsunfähig ist und zuletzt vor Eintritt der EU eine versicherungspflichtige Beschäftigung oder Tätigkeit ausgeübt hat, wenn die Wartezeit erfüllt ist. Rente wegen BU erhält der Versicherte, der berufsunfähig ist und die genannten versicherungsrechtlichen Voraussetzungen erfüllt (§ 23 Abs 1 AVG).
Die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen, von denen die Anwendung dieser Haftungsnormen abhängt, liegen vor; der Kläger ist „Versicherter” und hat „die Wartezeit erfüllt”: Der Kläger ist – durch seine zuletzt angestelltenversicherungspflichtige Beschäftigung – Mitglied bei der Bundesversicherungsanstalt für Angestellte ≪BfA≫ (§ 2 Abs 1 Nr 1 AVG), für die der beklagte Rentenversicherungsträger, die Sonderanstalt Seekasse, das rentenversicherungsrechtliche Leistungsverhältnis selbständig durchführt (wegen ≪mindestens≫ eines entrichteten Pflichtbeitrags an die Rentenversicherung der Angestellten ≪oder Arbeiter≫ aufgrund seemännischer Tätigkeit (vgl § 1 Abs 4 Satzung der Seekasse; § 29 Gesetz über die Errichtung der BfA vom 7. August 1953, BGBl I 857 iVm der Vereinbarung zwischen der RfA und der Seekasse vom 16. Dezember 1943 ≪AN 1944, 42≫ in der Ergänzung vom 3. Dezember 1971 ≪BAnz 1972 Nr 9 vom 14. Januar 1972≫; seit 1. Januar 1992 bestätigt durch § 135 SGB VI). Die – nach der Versicherteneigenschaft – zweite Grundvoraussetzung für die Anwendbarkeit der jeweiligen versicherungsrechtlichen Haftungsnorm, die Erfüllung der Wartezeit, einer Versicherungszeit von 60 Kalendermonaten (§ 24 Abs 1 und 3 Satz 1 Buchst a, § 23 Abs 1 und 3 AVG), ist im Hinblick auf beide beanspruchten Renten gleichfalls gegeben.
Hingegen ist das LSG, soweit es um die Gewährung einer Rente wegen EU geht, zu Recht, und soweit es um die Gewährung einer Rente wegen BU geht, von seinem Standpunkt aus zutreffend, nicht darauf eingegangen, ob der Kläger zuletzt vor Eintritt der EU/BU eine versicherungspflichtige Beschäftigung oder Tätigkeit ausgeübt, also in den letzten fünf Jahren vor Eintritt der EU/BU drei Jahre Pflichtbeiträge für eine solche Beschäftigung oder Tätigkeit hat (§ 24 Abs 1 und 2a, § 23 Abs 1 und 2a AVG; sog Drei-Fünftel-Belegung). Denn dieses Erfordernis ist keine versicherungsrechtliche Voraussetzung für die Anwendung dieser versicherungsrechtlichen Haftungsnormen, sondern schränkt deren persönlichen Geltungsbereich ein. Die Einstandspflicht des Versicherungsträgers wird nicht schon dann begründet, wenn der Versicherungsfall eingetreten ist; hinzukommen muß, daß der Versicherte in diesem Zeitpunkt zu dem Kreis der aktuell rentenversicherten Beschäftigten oder Erwerbstätigen gehört. Diese zusätzliche Voraussetzung verhindert die Entstehung des Stammrechts trotz Vorliegens des Haftungsgrundes, des Eintritts des Versicherungsfalls. Sie ist erst nach der Bestimmung des Zeitpunkts feststellbar, in dem der Versicherungsfall eingetreten ist; erst wenn feststeht, ob und wann der Versicherungsfall eingetreten ist, kann entschieden werden, ob dieser rechtshindernde Einwand besteht.
A. Das LSG hat in einer vom Senat, der an seiner ständigen Rechtsprechung zur Rente wegen EU festhält (BSG SozR 3-2200 § 1247 Nr 18 = aaO § 1246 Nrn 41 und 20 = aaO § 1246 Nr 52), revisionsgerichtlich nicht zu beanstandenden Weise entschieden, daß der Kläger nicht erwerbsunfähig ist. Nach § 24 Abs 2 Satz 1 AVG ist nur der Versicherte erwerbsunfähig, der gesundheitlich nicht in der Lage ist, auf nicht absehbare Zeit eine Erwerbstätigkeit in gewisser Regelmäßigkeit auszuüben oder mehr als nur geringfügige Einkünfte durch Erwerbstätigkeit zu erzielen. Dies trifft – wie das LSG richtig entschieden hat – bei dem Kläger aufgrund seines vollschichtig einsetzbaren Restleistungsvermögens nicht zu. Nach den insoweit unangegriffenen und somit den Senat bindenden (§ 163 SGG) Feststellungen des LSG ist die Leistungsfähigkeit des Klägers krankheitsbedingt zwar dauerhaft herabgesetzt, doch ist er in der Lage vollschichtig in gewisser Regelmäßigkeit noch leichte Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsfeldes ohne Zwangshaltung und im Wechsel von Gehen, Stehen und Sitzen, überwiegend im Sitzen, zu verrichten. In solchen Fällen ist EU nicht gegeben, es sei denn, ein auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt noch regelmäßig vollschichtig einsetzbarer Versicherter kann nur noch Vollzeitarbeitsplätze ausfüllen, bei denen wegen ihrer Seltenheit (oder Unüblichkeit) zumindest die erhebliche Gefahr einer Verschlossenheit des Arbeitsmarkts besteht. Dies hat der Senat durch eine abschließende (SozR 3-2200 § 1246 Nr 41) Auflistung der Arten solcher seltenen Tätigkeiten in seiner Entscheidung vom 25. Juni 1986 (= SozR 2200 § 1246 Nr 137; ebenso der 5b-Senat des BSG im Urteil vom 9. September 1986 = SozR aaO Nr 139; und Schultes, Zur Feststellung der Berufsunfähigkeit in der Rentenversicherung nach der einschlägigen Rechtsprechung des BSG, SGb 1997, 555 ff) umgrenzt. Auch im Hinblick darauf hat das LSG zutreffend verneint, daß der Kläger erwerbsunfähig ist. Anhaltspunkte für einen in den sog Katalogfällen (Unüblichkeits- und Seltenheitsfälle) aufgeführten Ausnahmetatbestand liegen nicht vor.
Soweit der Kläger der Ansicht ist, daß ihm entsprechend den Vorlagebeschlüssen des 13. Senats an den GrS in den Verfahren 13 RJ 19/93, 71/93, 73/93, 1/94 eine konkrete Verweisungstätigkeit zu bezeichnen gewesen wäre, kann dieser Auffassung nicht gefolgt werden. Denn bei der Prüfung der EU sind mangels sog Berufsschutzes alle Versicherten auf das allgemeine Arbeitsfeld verweisbar (BSGE 19, 147, 149 f; SozR 2200 § 1247 Nr 7; SozR 5850 § 2 Nr 12; SozR 3-2200 § 1247 Nr 8); bei solcherart verweisbaren Versicherten bedarf es grundsätzlich keiner konkreten Benennung (zumindest) einer Verweisungstätigkeit (Urteil des Senats vom 1. März 1984 = SozR 2200 § 1246 Nr 117 mwN). Dem steht nicht entgegen, daß ausnahmsweise eine solche für einen eingeschränkt, aber für leichte Tätigkeiten vollschichtig leistungsfähigen Versicherten erforderlich ist, wenn eine Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen oder eine schwere spezifische Leistungsbehinderung vorliegt (Urteile des Senats vom 30. November 1982 = SozR 2200 § 1246 Nr 104 und vom 1. März 1984 = aaO Nr 117; ebenso zuletzt die auf die Vorlagebeschlüsse des 13. Senats ergangenen Beschlüsse des GrS vom 19. Dezember 1996 – GS 1 bis 4/95 ≪GS 2/95 = BSGE 80, 24≫; und Schultes, aaO). Bei den bei dem Kläger vorliegenden gesundheitlichen Einschränkungen handelt es sich augenfällig weder um eine Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen noch um eine schwere spezifische Leistungsbehinderung, sondern um – auch von der Anzahl her – gewöhnliche Leistungseinschränkungen, wobei der Ausschluß von mit schwererem Heben und Tragen und häufigem Bücken verbundenen Arbeiten, Arbeiten in Zwangshaltungen und Überkopfarbeiten bereits vom Begriff „leichte Tätigkeiten” umfaßt ist (BSG SozR 2200 § 1246 Nr 117; SozR 3-2200 § 1247 Nr 10). Demgemäß war die Revision des Klägers, soweit sie die Gewährung einer EU-Rente betrifft, zurückzuweisen.
B. Der Senat, der auch hinsichtlich der Rente wegen BU an seiner ständigen Rechtsprechung festhält (BSGE 78, 207 = SozR 3-2600 § 43 Nr 13; SozR 3-2600 § 43 Nr 14 = SGb 1997, 583; BSG SozR 3-2200 § 1246 Nrn 2 und 41; BSGE 66, 226 = SozR 3-2200 § 1246 Nr 1; SozR 2200 § 1246 Nr 137), kann nach dem bisherigen Ergebnis des Verfahrens nicht abschließend darüber entscheiden, ob dem Kläger Rente wegen BU zu gewähren ist. Das LSG hat zwar die für die Entscheidung des Rechtsstreits richtige Maßstabsnorm herangezogen, diese jedoch nicht zutreffend angewandt und keine ausreichenden tatsächlichen Feststellungen getroffen, die es ermöglichen zu beurteilen, ob der haftungsbegründende Tatbestand erfüllt, dh der Versicherungsfall der BU eingetreten ist, und dem Kläger deswegen ein subjektives Recht auf Gewährung einer Rente wegen BU – dauerhaft oder befristet – zusteht.
Berufsunfähig ist ein Versicherter gemäß § 23 Abs 2 Satz 1 AVG, dessen Erwerbsfähigkeit infolge von Krankheit oder Behinderung (bzw „anderen Gebrechen oder Schwäche seiner körperlichen oder geistigen Kräfte”) auf weniger als die Hälfte derjenigen eines körperlich und geistig gesunden Versicherten mit ähnlicher Ausbildung und gleichwertigen Kenntnissen und Fähigkeiten herabgesunken ist. Nach Satz 2 aaO umfaßt der Kreis der Tätigkeiten, nach denen die Erwerbsfähigkeit (nicht: Erwerbsmöglichkeit) des Versicherten (genauer: seine Berufsfähigkeit) zu beurteilen ist, alle Tätigkeiten, die seinen Kräften und Fähigkeiten entsprechen und ihn unter Berücksichtigung der Dauer und des Umfangs seiner Ausbildung sowie seines bisherigen Berufes und der besonderen Anforderungen seiner bisherigen Berufstätigkeit zugemutet werden können. Mithin kommt bei der Prüfung der BU der Ermittlung des „bisherigen Berufs” Bedeutung zu. Es ist zu prüfen, ob der Versicherte seinen „bisherigen Beruf” ohne wesentliche Einschränkungen weiter ausüben kann, wofür das Anforderungs- und Belastungsprofil des „bisherigen Berufs” zu dem Restleistungsvermögen des Versicherten in Beziehung zu setzen ist. Ist er im wesentlichen aus gesundheitlichen Gründen nicht mehr in der Lage, den fachlichen Anforderungen und den gesundheitlichen Belastungen „vollwertig” zu genügen, ist – da eine Abhängigkeit des Verweisungsfeldes vom qualitativen Wert des bisherigen Berufs besteht (stellvertretend Urteil des Senats vom 25. Januar 1994 – 4 RA 35/93 = SozR 3-2200 § 1246 Nr 41 mwN) – der qualitative Wert des bisherigen Berufs von entscheidender Bedeutung für die Prüfung der von Amts wegen zu beachtenden materiell-rechtlich rechtshindernden Einwendung des zumutbaren Vergleichsberufs ≪sog Verweisungsberuf≫ (näher BSGE 78, 207, 212). Zur Bewertung des qualitativen Werts des bisherigen Berufs, zur praktischen Ausführung der rechtlichen Vorgaben des § 23 Abs 2 Satz 2 AVG und zur Vermeidung einer rechtlich nicht zu rechtfertigenden unterschiedlichen Rechtsanwendung bei Berufen mit gleicher Qualität hat die Rechtsprechung des BSG aufgrund einer Beobachtung der tatsächlichen Gegebenheiten der Arbeits- und Berufswelt (Urteil des Senats vom 25. Juni 1986 – 4 RA 55/84 = SozR 2200 § 246 Nr 137) das sog Mehrstufenschema entwickelt, das inzwischen auf sechs Hauptstufen begrenzt ist (BSGE 78, 207, 218). Die Stufen sind nach ihrer Leistungsqualität, diese gemessen nach Dauer und Umfang der im Regelfall erforderlichen Ausbildung, nicht nach Entlohnung oder Prestige, geordnet. Fachlich-qualitativ gleichwertig sind danach alle Vergleichsberufe, die nach dem „Schema” in die gleiche oder in die nächst niedrigere Stufe einzuordnen sind (BSGE aaO S 219). Für die Beurteilung der qualitativen Gleichwertigkeit beider Berufe kommt es nicht darauf an, ob der Versicherte die für die vollwertige Ausübung des bisherigen Berufs erforderlichen Kenntnisse und Fähigkeiten auf dem Weg der für den Regelfall vorgeschriebenen oder üblichen Ausbildung oder auf sonstige Weise erworben hat (BSGE aaO).
Das LSG hat in tatsächlicher Hinsicht bindend festgestellt, daß der Kläger seinen bisherigen Beruf (Hauptberuf) nicht mehr ausüben kann. Dabei ist es rechtlich zutreffend davon ausgegangen, daß der „bisherige Beruf” des Klägers die zuletzt ausgeübte versicherungspflichtige Beschäftigung des Versicherungsvertreters „Bezirksinspektor”) ist. Seine früher ausgeübten Beschäftigungen als Schlosser (in den Jahren 1955 bis 1974), als Versicherungsvertreter (in den Jahren 1975 bis 1977) sowie als Bezirksleiter im Außendienst (in den Jahren 1977 bis 1985) kommen hierfür nicht in Betracht, da er sich von diesen Tätigkeiten „freiwillig”, dh im wesentlichen nicht krankheits- oder behinderungsbedingt gelöst hat (BSG SozR 3-2200 § 1246 Nr 32 mwN).
Das LSG hat jedoch den qualitativen Wert des bisherigen Berufs des Klägers nicht nach den maßstäblichen Kriterien des sog Mehrstufenschemas bestimmt. Das LSG begründet die Einordnung der Beschäftigung des Klägers als Versicherungsvertreter in die Fallgruppe der ungelernten Tätigkeiten damit, daß er hierfür nicht länger als drei Monate angelernt worden sei. An diese tatsächliche Feststellung der Dauer der Anlernzeit ist der Senat mangels zulässiger Rügen gebunden. Die Revision rügt, daß das LSG keine Feststellungen dazu getroffen habe, in welche Gehaltsgruppe der Kläger nach dem ihrer Ansicht nach heranzuziehenden Tarifvertrag einzustufen gewesen wäre. Nach der Rechtsprechung des BSG (Hinweis auf die Entscheidung vom 23. November 1994 – 13 RJ 73/92) sei es nicht zulässig, für den qualitativen Wert des Ausgangsberufs allein die beim letzten Arbeitgeber vorgenommene Einarbeitungszeit zu berücksichtigen. Sie rügt, zur Bestimmung des qualitativen Werts des Ausgangsberufs reiche allein nicht aus, die Dauer der Einweisungszeit, nicht aber die (hypothetische) tarifliche Einstufung zu klären (§ 103 SGG).
Diese Rüge ist nicht zulässig erhoben. Die Revision hätte (zunächst) den rechtlichen Standpunkt des LSG zur Frage darlegen müssen, wie der qualitative Wert des „bisherigen Berufs” zu beurteilen ist, und inwiefern ausgehend von diesem rechtlichen Standpunkt des LSG die tarifvertragliche Einstufung beweiserheblich und beweisbedürftig ist. Dies hat sie nicht getan; Darlegungen hierzu fehlen.
Das LSG hat zwar im Ansatz zu Recht die Dauer der Ausbildung oder Einweisung als ein Merkmal zur Einordnung des qualitativen Werts des konkret ausgeübten „bisherigen Berufs” in das „Mehrstufenschema” angesehen. Denn für den qualitativen Wert des im Einzelfall ausgeübten „bisherigen Berufs” ist nach der ständigen Rechtsprechung des Senats (SozR 3-2200 § 1246 Nr 41 mwN) – was für den Bereich der Angestelltenversicherung nicht näher zu entfalten ist – das Maß der für dessen vollwertige Ausübung erforderlichen beruflichen Kenntnisse und Fähigkeiten entscheidend. Dieses bestimmt sich grundsätzlich und in aller Regel nach Intensität und Dauer der (im allgemeinen) erforderlichen Ausbildung. Mithin kann die vom Gesetz nicht erwähnte tarifliche Einstufung keines der in § 23 Abs 2 Satz 2 AVG genannten Tatbestandsmerkmale ersetzen; noch weniger kann sie als wichtiger eingeschätzt werden (Urteil des Senats SozR 3-2200 § 1246 Nr 41 mwN). Gleichwohl können Tarifverträge im Einzelfall für die Tatsacheninstanzen ein wichtiges Hilfsmittel „Hilfstatsache” – „Indiz”) sein, wenn der bisherige Beruf kein staatlich geregelter Ausbildungsberuf ist und andere Erkenntnismittel (zB Gewerkschafts- oder Arbeitgeberauskünfte oder berufskundliche Sachverständige) nicht zur Verfügung stehen (stRspr des Senats ua SozR 3-2200 § 1246 Nr 41; BSGE 78, 207, 210 jeweils mwN).
Das Urteil des LSG ist jedoch aus materiell-rechtlichen Gründen aufzuheben. Das LSG hat revisibles Bundesrecht verletzt. Es hat das sog Mehrstufenschema, ein Gefüge von Erfahrungssätzen und von daher revisibel (Meyer-Ladewig, SGG, § 162 Anm 4), nicht zutreffend angewandt. Hierbei hat die rechtliche Behandlung dieses Gefüges nicht „schematisch” zu erfolgen, denn das sog Mehrstufenschema (Sechs-Stufen-Schema) soll (gemäß Art 1 Abs 3 iVm Art 3 Abs 1 Grundgesetz ≪GG≫) eine sachgerechte Gleichbehandlung gleicher Sachverhalte und eine sachgerechte Differenzierung unterschiedlicher Gegebenheiten durch die Rechtsprechung (und die Rentenversicherungsträger) ermöglichen (BSGE 78, 207, 218). Wegen des Gebots sachgerechter Differenzierung muß vielmehr vom „(Mehrstufen-)Schema” abgewichen werden, soweit es Besonderheiten des Einzelfalls erfordern. Es bedarf dann aber der hinreichenden Angabe von Gründen um überprüfen zu können, ob eine (gemäß Art 1 Abs 3 iVm Art 3 Abs 1 GG) sachgerechte Differenzierung vorliegt. Das LSG ist vom „Mehrstufenschema” abgewichen, ohne hierfür einen rechtfertigenden Grund zu nennen. Es ist ersichtlich davon ausgegangen, daß dann, wenn eine nicht länger als drei Monate dauernde Einweisungszeit zur vollwertigen Ausübung des „bisherigen Berufs” genügt, dieser stets der untersten Stufe des sog Mehrstufenschemas zuzuordnen ist. Dies trifft aber nicht zu. Schon die Überforderungsklausel beim Vergleichsberuf (sog Verweisungsberuf) belegt das. Danach überfordert der Vergleichsberuf nicht, wenn der Versicherte lediglich eine Einarbeitungs- oder Einweisungszeit von höchstens bis zu drei Monaten benötigt (BSGE 78, 207, 220). Nach der vom LSG zugrunde gelegten Ansicht wäre hingegen auch der wegen fehlender fachlicher Überforderung auf einen Vergleichsberuf der Stufen zwei bis sechs „sozial zumutbar” verwiesene Versicherte künftig hinsichtlich seines bisherigen Berufs stets in die unterste Stufe des „Mehrstufenschemas” einzuordnen; dies wäre ein logischer und ein Wertungswiderspruch.
Für die unterste Stufe des „Mehrstufenschemas” kommt es allein darauf an, ob der Beruf (bisheriger oder Vergleichsberuf) ein (fachlich-qualitatives) Anforderungsprofil hat, das besondere und über die Erfüllung der allgemeinen Schulpflicht hinausgehende Anforderungen an Kenntnisse, fachliche Fähigkeiten, Ausbildung und Berufserfahrung stellt und deswegen eine mehr als kurzzeitige, nämlich bis zu drei Monaten dauernde Einarbeitungs- oder Einweisungszeit erfordert. Von daher ist die Einordnung des im Einzelfall vollwertig ausgeübten „bisherigen Berufs” in die unterste Stufe aufgrund einer Einarbeitungs- oder Einweisungszeit von bis zu drei Monaten dann (gemäß Art 1 Abs 3 iVm Art 3 Abs 1 GG) sachlich gerechtfertigt, wenn dieser keine über die Erfüllung der allgemeinen Schulpflicht hinausgehenden Anforderungen an Kenntnisse, fachliche Fähigkeiten, Ausbildung und Berufserfahrung stellt. Dies hat das LSG verkannt, indem es – von seinem Standpunkt aus zu Recht – den Kläger in die unterste Stufe des „Mehrstufenschemas” allein aufgrund der Dauer der Einweisungszeit in den „bisherigen Beruf” eingeordnet hat.
Ob das insofern auf der Verletzung revisiblen Rechts beruhende Urteil sich aus anderen Gründen als richtig darstellt, kann vom Senat nicht entschieden werden. Dies setzte zwingend voraus, daß die Einordnung des „bisherigen Berufs” des Klägers in die unterste Stufe des „Mehrstufenschemas” zutreffend ist. Das kann vom Senat jedoch nicht abschließend beurteilt werden. Die hierfür erforderlichen Feststellungen hat das LSG bisher nicht getroffen. Es fehlen Feststellungen zum (fachlich-qualitativen) Anforderungsprofil des „bisherigen Berufs” des Versicherungsvertreters, insbesondere solche, die es ermöglichen zu beurteilen, ob dessen Anforderungsprofil derart ist, daß es keine besonderen über die Erfüllung der allgemeinen Schulpflicht hinausgehende Anforderungen an Kenntnisse, fachliche Fähigkeiten, Ausbildung und Berufserfahrung stellt. Da die Feststellungen des LSG zum qualitativen Wert des bisherigen Berufs schon nicht ausreichen, kann erst recht nicht beurteilt werden, ob die Verweisung „auf alle anderen Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes” zutreffend ist. In diesem Zusammenhang wird das LSG zu beachten haben, daß nach dem sog Mehrstufenschema „Angelernte im unteren Bereich” (Versicherte mit Tätigkeiten mit einer regelmäßigen Ausbildungs- oder Anlernzeit von drei bis zwölf Monaten ≪BSG SozR 3-2200 § 1246 Nr 45≫) nicht insgesamt auf alle anderen Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes verwiesen werden können. Ausgeschlossen sind diejenigen Tätigkeiten, die einen nur ganz geringen qualitativen Wert haben (stellvertretend BSGE 43, 243 ≪246 f≫ = SozR 2200 § 1246 Nr 16; aaO Nrn 81, 109). Ggf wird zu prüfen sein, ob die Beklagte einen fachlich und gesundheitlich zumutbaren Verweisungsberuf hinreichend konkret benannt hat und ob dieser benannte Verweisungsberuf von den og „Katalogfällen” erfaßt wird (dazu und zur jeweiligen Darlegungs- und objektiven Beweislast: BSGE 78, 207 ≪211 ff≫). Schließlich – bei Eintritt des Versicherungsfalls der BU – wird es auch ermitteln müssen, ob die sog Drei-Fünftel-Belegung gegeben ist.
Somit war der Revision des Klägers bezüglich des Hilfsantrags iS der Aufhebung des angefochtenen Urteils und der Zurückverweisung des Rechtsstreits an das LSG stattzugeben. Dieses wird auch über die Kosten des Revisionsverfahrens zu entscheiden haben.
Fundstellen