Leitsatz (amtlich)
Die Beihilfe für eine OKK, deren Beiträge für die Regelleistungen nicht ausreichen (RVO § 389 Abs 2 S 2), ist seit dem 1950-04-01 nicht mehr vom Gemeindeverband, sondern vom Bund zu leisten (1. ÜberlG Art 120 Abs 1 S 4, 1. ÜberlG §§ 1, 17 f).
Normenkette
RVO § 389 Abs. 2 S. 2 Fassung: 1961-07-12; GG Art. 120 Abs. 1 S. 4 Fassung: 1965-07-30; ÜblG 1 § 1 Fassung: 1955-04-28, § 17 Fassung: 1955-04-28
Tenor
Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 3. Dezember 1970 wird zurückgewiesen.
Kosten des Revisionsverfahrens sind nicht zu erstatten.
Gründe
I
Die klagende Allgemeine Ortskrankenkasse (AOK) begehrt von dem beklagten Gemeindeverband eine Beihilfe nach § 389 Abs. 2 Satz 2 der Reichsversicherungsordnung (RVO).
Der Beitragssatz der Klägerin betrug seit dem 1. März 1965 11 v.H. des Grundlohns; er erreichte damit die seinerzeit maßgebende Obergrenze, über die hinaus eine weitere Erhöhung nur unter besonderen Voraussetzungen - auf übereinstimmenden Beschluß der Arbeitgeber und der Versicherten in der Vertreterversammlung - möglich war. Trotzdem deckten 1965 die Einnahmen die Ausgaben nicht. Der Voranschlag für 1966 ließ wiederum ein Defizit erwarten. Die Vertreterversammlung lehnte jedoch sowohl eine Erhöhung der Beiträge als auch - zunächst - den Abbau der Mehrleistungen ab. Erst Ende 1966 beschloß sie, die Mehrleistungen ab 1. Januar 1967 zu streichen.
Die Jahresrechnung 1966 ergab - trotz eines Einnahmeüberschusses in der allgemeinen Krankenversicherung - wegen eines hohen Defizits in der Krankenversicherung der Rentner (KVdR) insgesamt einen Fehlbetrag von 325.051,31 DM. Der zuständige Landesverband der Ortskrankenkassen verweigerte die Durchführung eines Finanzausgleichs nach § 13 des Sozialversicherungs-Anpassungsgesetzes vom 17. Juni 1949. Die oberste Verwaltungsbehörde erklärte, sie werde eine Vereinigung der Klägerin mit anderen Ortskrankenkassen nicht genehmigen, weil dadurch die finanziellen Schwierigkeiten nicht beseitigt würden.
Nachdem die Klägerin seit Anfang 1965 mit dem beklagten Landkreis erfolglos wegen einer Beihilfe nach § 389 Abs. 2 Satz 2 RVO verhandelt hatte, forderte sie ihn im Mai 1967 auf, das für 1966 errechnete, um die Kosten der in diesem Jahr noch gewährten Mehrleistungen (160.152,94 DM) geminderte Defizit auszugleichen, d.h. 164.898,37 DM an sie zu zahlen.
Der Beklagte bestritt und bestreitet weiterhin seine Beihilfeverpflichtung. Er macht in erster Linie geltend, § 389 Abs. 2 Satz 2 RVO sei nichtig; die Vorschrift verstoße gegen Art. 120 Abs. 1 Satz 4 des Grundgesetzes (GG), wonach der Bund die Zuschüsse zu den Lasten der Sozialversicherung trage. Ferner höhle sie die von Art. 28 Abs. 2 GG mitgarantierte Finanzhoheit der Gemeindeverbände aus, denen sie fremde Lasten nicht voraussehbarer Größenordnung auferlege. Auch seien ihre Voraussetzungen hier nicht gegeben; die Klägerin habe 1966 in der allgemeinen Krankenversicherung einen Überschuß erzielt. Das Defizit in der KVdR müsse außer Betracht bleiben; denn die KVdR-Beiträge würden nicht nach 11 v.H. des Grundlohns bemessen, sie und die Leistungen der KVdR seien daher keine Beiträge und Regelleistungen i.S. des § 389 RVO. Im übrigen müsse die begehrte Beihilfe hinter der Möglichkeit eines Finanzausgleichs nach § 13 SVAG zurücktreten; ein Ausgleich innerhalb der Solidargemeinschaft der Versicherten gehe der Hilfe aus allgemeinen Haushaltsmitteln vor. Darüber hinaus könne die Klägerin von den Trägern der Rentenversicherung eine das Defizit ausgleichende zusätzliche Beitragsleistung fordern. Schließlich müsse die Klägerin das Defizit zunächst aus ihrem Vermögen decken.
Das Sozialgericht (SG) hat diese Einwendungen für unbegründet gehalten und den Beklagten verurteilt, den geforderten Betrag an die Klägerin zu zahlen.
Auf die Berufung des Beklagten hat das Landessozialgericht (LSG) die Klage abgewiesen: Die Klägerin habe die Mehrleistungen erst ab 1. Januar 1967 gestrichen. Das vor diesem Zeitpunkt entstandene Defizit brauche nicht durch eine Beihilfe nach § 389 Abs. 2 RVO ausgeglichen zu werden. Dieser setzte nach Wortlaut und systematischer Stellung den Tatbestand des § 389 Abs. 1 RVO voraus, der seinerseits davon ausgehe, daß die §§ 385 ff RVO befolgt, d.h. die Leistungen bis auf die Regelleistungen gemindert und diese auch bei einem Beitragssatz von seinerzeit 11 v.H. des Grundlohns nicht gedeckt seien. Werde eine weitere Erhöhung der Beiträge abgelehnt, so zwinge der Grundsatz des § 385 Abs. 1 Satz 1 RVO (Deckung der Ausgaben durch Einnahmen) zum gleichseitigen Abbau der Mehrleistungen. Die in § 387 RVO eingeräumte Wahlmöglichkeit (Beitragserhöhung oder Leistungsabbau) werde aufgehoben, wenn die Krankenkasse sich gegen eine der beiden Alternativen entscheide. Dann werde die andere zur Pflicht. Innerhalb der durch die §§ 387 ff RVO vorgezeichneten Deckungsmöglichkeiten stehe die Beihilfe des Gemeindeverbandes an letzter Stelle. Sie könne einer Krankenkasse nur zugestanden werden, wenn sie sich gesetzmäßig verhalten habe (Urteil vom 3. Dezember 1970).
Die Klägerin hat die zugelassene Revision eingelegt und wie folgt begründet: Ein Abbau der Mehrleistungen sei nach dem Gesetzeswortlaut (§ 389 Abs. 1 und Abs. 2 Satz 2 RVO) nicht Voraussetzung für den Anspruch auf Beihilfe. Auch aus dem Normzweck ergebe sich dies nicht; die Beihilfe sei nicht Belohnung für gesetzmäßiges, ihre Versagung nicht Strafe für gesetzwidriges Verhalten. Ein Anspruch auf sie bestehe allerdings nur, soweit sie erforderlich sei, um die Regelleistungen zu decken. Mehr als das verlange die Klägerin vom Beklagten aber nicht. Der Ermittlung des Defizits seien hier ausschließlich Regelleistungen zugrunde gelegt worden. Die Mehrleistungen habe die Klägerin aus ihrer Rücklage finanziert, sie gingen nicht zu Lasten des Beklagten. Die Klägerin beantragt, das Urteil des LSG Nordrhein-Westfalen vom 3. Dezember 1970 aufzuheben und die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des SG Münster vom 1. Oktober 1968 zurückzuweisen.
Der Beklagte beantragt, die Revision zurückzuweisen. Er hält das angefochtene Urteil jedenfalls im Ergebnis für zutreffend. Er macht weiterhin in erster Linie geltend, er sei nicht der richtige Beklagte, nach Art. 120 Abs.1 GG sei vielmehr der Bund im Falle des § 389 Abs. 2 RVO beihilfepflichtig.
II
Die Revision der klagenden AOK ist unbegründet. Wie das LSG im Ergebnis zutreffend entschieden hat, ist der beklagte Gemeindeverband nicht verpflichtet, das Defizit der Klägerin auszugleichen. Ein auf § 389 Abs. 2 Satz 2 RVO gestützter Beihilfeanspruch kann sich seit dem 1. April 1950 nicht mehr gegen den Gemeindeverband, sondern nur noch gegen die Bundesrepublik Deutschland richten (Art. 120 Abs. 1 Satz 4 GG, §§ 1, 17 f des Ersten Gesetzes zur Überleitung von Lasten und Deckungsmitteln auf den Bund - Erstes ÜberleitungsG - idF vom 28. April 1955, BGBl I 193).
Nach § 389 RVO idF vom 12. Juli 1961, die bis zum 31. Dezember 1969, also auch während der streitigen Zeit, galt, hatte "der Gemeindeverband die erforderliche Beihilfe aus eigenen Mitteln zu leisten", wenn bei einer Ortskrankenkasse auch 11 v.H. des Grundlohns als Beiträge die Regelleistungen nicht deckten, die Vertreterversammlung eine weitere Erhöhung der Beiträge ablehnte und eine Vereinigung der Kasse mit anderen Ortskrankenkassen entweder nicht möglich war oder trotz erfolgter Vereinigung die Beiträge für die Regelleistungen nicht ausreichten. Das Gleiche gilt seit dem 1. Januar 1970 für den Fall, daß ein Beitragssatz von 8 v.H. die Regelleistungen nicht deckt und die übrigen Voraussetzungen des § 389 RVO vorliegen (Art. 2 Nr. 18, Art. 4 § 9 des Gesetzes vom 27. Juli 1969, BGBl I 946).
Die Bestimmung des "Gemeindeverbandes" zum sog. Garantieträger der Ortskrankenkassen geht auf Vorschriften des Krankenversicherungsgesetzes (KVG) vom 15. Juni 1883 zurück: Nach dessen § 4 Abs. 1 trat die Gemeinde-Krankenversicherung für alle versicherungspflichtigen Personen ein, die keiner der dort genannten Krankenkassen angehörten. Sie war u.U. auch zuständig, wenn eine Ortskrankenkasse geschlossen wurde, weil die gesetzlichen Mindestleistungen nicht gedeckt werden konnten (§ 47 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 4 KVG). Für die bei ihr versicherten Personen hatte die Gemeinde Beiträge zu erheben (§ 5 Abs. 2 KVG) und, soweit die Mittel der - nach § 9 Abs. 2 und 3 KVG gesondert zu führenden - Krankenversicherungskasse nicht ausreichten, aus der Gemeindekasse Vorschüsse zu leisten, die grundsätzlich zurückerstattet werden mußten (§ 9 Abs. 4 KVG). Die RVO beseitigte zwar die Gemeinde-Krankenversicherung (schon das KVG hatte sie nur als "durchaus subsidiäres Aushilfsmittel" vorgesehen; vgl. die Begründung zum Entwurf einer RVO von 1909, S. 58), ließ jedoch die bisherige Vorschußpflicht der Gemeinde ("da nach den seither ... gemachten Erfahrungen auf eine Rückerstattung von Vorschüssen regelmäßig nicht zu rechnen ist") in Gestalt einer Zuschußpflicht des Gemeindeverbandes bestehen; dabei wurde von "Zuschüssen" im Gesetz nur deswegen nicht gesprochen, weil dies zu Verwechslungen mit dem bei der Versicherung der Hausgewerbetreibenden in anderem Sinne gebrauchten Begriff hätte führen können (Begründung zum Entwurf einer RVO vom 12. März 1910 zu § 419, S. 224). Das ändert jedoch nichts daran, daß es sich bei der "Beihilfe" nach § 389 Abs. 2 Satz 2 RVO ihrem Wesen nach um einen (verlorenen) Zuschuß handelt (vgl. Allinger, BArbBl 1967, 612, 613 f).
Nach Art. 120 Abs. 1 GG idF des Gesetzes vom 30. Juli 1965 (BGBl I 649) trägt der Bund neben den Kriegsfolgelasten (Sätze 1 bis 3) "die Zuschüsse zu den Lasten der Sozialversicherung" (Satz 4). Daß diese Vorschrift - wie die übrigen Regelungen in Art. 120 Abs. 1 GG - für sich allein keinen Zahlungsanspruch begründet, sondern nur die Lastenverteilung regelt, wenn ein solcher Anspruch nach anderen Vorschriften besteht, entspricht allgemeiner Auffassung (vgl. BVerfG 14, 221, 233, 235; BSG 21, 209, 216). Besteht indessen ein solcher Anspruch nach anderen Vorschriften, insbesondere nach den Gesetzen über die Sozialversicherung, dann soll - das ist der Sinn des Art. 120 Abs. 1 Satz 4 GG - der Bund die Finanzverantwortung tragen.
Daß dies, wie die Klägerin meint, nur für Zuschüsse gilt, die entweder zu den Kriegsfolgelasten im weiteren Sinne gehören oder früher vom Reich getragen worden sind, ist Art. 120 GG nicht zu entnehmen. Dabei kann dahinstehen, ob die genannten Merkmale (Kriegs- oder Reichs-"Bezug") auf sämtliche Zuschußverpflichtungen zutreffen, die der Bund im Ersten ÜberleitungsG (§ 17) ausdrücklich übernommen hat. Die Aufzählung in § 17 aaO ist nicht erschöpfend, sondern ergänzungsfähig, wie die Klägerin selbst einräumt (vgl. BSG 21, 215 f). Auch andere, in § 17 nicht ausdrücklich erwähnte, aber nach Art. 120 Abs. 1 GG vom Bund zu tragende Lasten sind deshalb auf ihn übergegangen. Diesen - auf einer Verfassungsnorm beruhenden - Übergang hat eine vom "einfachen" Gesetzgeber erlassene Vorschrift (§ 17) nicht nachträglich von einschränkenden Voraussetzungen abhängig machen können. Art. 120 Abs. 1 Satz 4 GG ist vielmehr aus sich heraus zu interpretieren. Danach gibt weder der Wortlaut noch die Entstehungsgeschichte (vgl. Jahrbuch des öffentlichen Rechts der Gegenwart, N.F. Band 1, 1951, S. 834 ff) einen Anhalt für die von der Klägerin gemachten Einschränkungen. Auch das BVerfG hat, was die Natur der Zuschüsse zur Sozialversicherung betrifft, in ihnen - trotz der äußerlichen Verbindung der für sie getroffenen Regelung mit der für die Kriegsfolgelasten (Art. 120 Abs. 1 Sätze 1 bis 4 GG) - einen "gesonderten, vom Bund zu übernehmenden Ausgabenblock" gesehen, einen inneren Zusammenhang zwischen beiden Regelungen also nicht angenommen (BVerfG 14, 221, 235). Gleiches muß für den von der Klägerin alternativ geforderten "Reichsbezug" der Zuschüsse gelten; auch insoweit fehlt in Art. 120 Abs. 1 Satz 4 GG jeder auf eine solche Beziehung hinweisende Zusatz.
Die durch Art. 120 Abs. 1 GG geregelte Lastenverteilung betrifft allerdings nur das Verhältnis des Bundes zu den Ländern. Das ergibt sich vor allem aus seinem Absatz 2, der dem Bund die ihm nach dem GG (vgl. Art. 106) zustehenden, bisher den Ländern zugeflossenen Einnahmen von demselben Zeitpunkt an zuweist, von dem an er die Ausgaben übernimmt, die ihn nach Art. 120 Abs. 1 GG treffen, bisher aber von den Ländern getragen wurden (vgl. BVerfG 14, 234 f und BSG 21, 215 f). Damit ist das Inkrafttreten des bundesstaatlichen Finanzausgleichs nach Art. 106 GG untrennbar mit dem Lastenübergang nach Art. 120 Abs.1 GG verknüpft worden, so daß letztere Bestimmung in der Tat als eine "systematisch fehlgestellte Ergänzung zu Art. 106" angesehen werden kann (so Maunz-Dürig, Grundgesetz-Kommentar, Art. 120 Rand-Nr. 1). Dieser enge Zusammenhang zwischen Art. 106 und Art. 120 rechtfertigt es, den Abs. 9 des Art. 106, wonach als Einnahmen und Ausgaben der Länder auch die Einnahmen und Ausgaben der Gemeinden (Gemeindeverbände) gelten, auch im Rahmen des Art. 120 anzuwenden (ebenso anscheinend Maunz-Dürig aaO Rand-Nr. 6; vgl. ferner Art. 120 Abs. 1 Satz 3 GG nF, der den Ländern ausdrücklich die Gemeinden und Gemeindeverbände an die Seite stellt; unentschieden BVerfG 14, 236, 239). Das bedeutet, daß den nach Art. 120 Abs. 1 Satz 4 GG von den Ländern auf den Bund übergegangenen Lasten die bisher von den Gemeinden (Gemeindeverbänden) getragenen hinzuzurechnen sind. Der Bund trägt mithin nach Art. 120 Abs. 1 Satz 4 GG auch die Zuschußverpflichtungen der Gemeinden und Gemeindeverbände zu den Lasten der Sozialversicherung, und zwar von dem Zeitpunkt an, an dem das - insoweit konstitutive (BSG 21, 215) - Erste ÜberleitungsG in Kraft getreten ist, d.h. mit Wirkung vom 1. April 1950 (§§ 18 Abs. 1, 25 dieses Gesetzes).
Eine solche Lösung erscheint, soweit es sich um die hier streitige Zuschußpflicht des Gemeindeverbandes nach § 389 Abs. 2 Satz 2 RVO handelt, auch allein sachgemäß. § 389 RVO hat, wie insbesondere dessen Abs. 2 letzter Satz erkennen läßt (solange der Gemeindeverband Beihilfe leistet, "kann er einem Vertreter das Amt des Kassenvorsitzenden übertragen"), vor allem - nach Ansicht der Klägerin sogar lediglich - den Fall im Auge, daß bei einer einzelnen Kasse für eine vorübergehende Zeit die Deckungsmittel nicht ausreichen. Die Verhältnisse, die im vorliegenden Fall bei der Klägerin (und in ähnlichen Fällen bei einer Reihe weiterer Krankenkassen) zur Inanspruchnahme des Gemeindeverbandes nach § 389 Abs. 2 Satz 2 RVO geführt haben, sind anderer Art. Hier sind es im Grunde strukturelle, vornehmlich durch die Defizite der Rentnerkrankenversicherung hervorgerufene und deshalb mehr oder weniger "chronische" Finanzschwierigkeiten, die die Kassen in Bedrängnis gebracht haben. Diese Defizite beruhen letzten Endes auf Gesetzgebungsmaßnahmen des Bundes, der den Krankenkassen Aufgaben übertragen hat, ohne dabei immer für eine ausreichende Deckung durch Beiträge zu sorgen. Deshalb ist es, wenn die entstandenen Finanzierungslücken nicht anders zu schließen sind, nur folgerichtig, daß der Bund und nicht der insofern "unbeteiligte" Gemeindeverband für die Defizite aufkommt.
In diesem Zusammenhang wäre es auch nicht sinnvoll, die Zuschußverpflichtung gegenüber der Krankenkasse nach außen bei dem Gemeindeverband zu belassen und diesen seinerseits auf einen Ausgleichsanspruch gegen den Bund zu verweisen. Das würde nicht nur eine doppelte, mit umständlichen Abrechnungen verbundene Geldbewegung erfordern und zu einer mißlichen Trennung zwischen dem Träger der Verantwortung für die Prüfung des Beihilfeanspruchs einerseits und dem Träger der Finanzverantwortung andererseits führen (vgl. Bundestags-Drucksache II/480, S. 44 unter Nr. 55 und S. 47 oben), sondern auch Zweifel hinsichtlich der für die Bestellung des "Kommissars" (§ 389 Abs. 2 letzter Satz RVO) zuständigen Stelle aufwerfen.
Wenn der Bund im Falle des § 389 Abs. 2 Satz 2 die erforderlichen Zuschüsse "trägt", kann dies mithin - ungeachtet der Auslegung des Art. 120 Abs. 1 GG in anderen rechtlichen Zusammenhängen (vgl. BVerfG 9, 305, 317) - nur bedeuten, daß der Bund selbst die Zuschüsse leistet. Davon scheint auch § 21 des Ersten ÜberleitungsG idF vom 28. April 1955 auszugehen, wenn dort die Zuschüsse des Bundes zu den Lasten der Sozialversicherung ausdrücklich von den auf seine Rechnung (unmittelbar also von anderen Stellen) zu leistenden Ausgaben ausgenommen werden.
Diese Auslegung des § 389 Abs. 2 Satz 2 RVO, der durch Art. 120 Abs. 1 Satz 4 GG iVm dem Ersten ÜberleitungsG entsprechend geändert worden ist, kann der Senat in eigener Zuständigkeit verbindlich vornehmen. Einer vorherigen Anrufung des BVerfG nach Art. 100 GG bedarf es nicht, weil die genannte Vorschrift der RVO zum sog. vorkonstitutionellen Recht gehört (vgl. hierzu Maunz-Dürig aaO, Art.100 Rand-Nrn. 12 ff mit Hinweisen auf die Rechtsprechung des BVerfG). Daran ändert auch die wiederholte Anpassung des Beitragssatzes in § 389 Abs. 1 RVO nichts. Mit ihr hat der Bundesgesetzgeber die hier streitige Bestimmung (Abs. 2 Satz 2 des § 389 RVO) selbst dann nicht "in seinen Willen aufgenommen" (BVerfG 6, 55, 65), wenn dies für den Abs.1 des § 389 RVO anzunehmen wäre.
Unbegründet sind schließlich die von der Klägerin erhobenen Einwände, bei einer solchen Auslegung des § 389 Abs. 2 Satz 2 RVO müßte der Bund auch für etwaige Defizite von Betriebs- und Innungskrankenkassen aufkommen (§ 390 RVO), die Beitragsverpflichtungen des Gemeindeverbandes nach § 453 RVO (Arbeitgeberanteil für unständig Beschäftigte) übernehmen und anstelle des Gemeindeverbandes für die Fehlbeträge eintreten, die verbleiben, wenn das Vermögen einer aufgelösten oder geschlossenen Krankenkasse zur Befriedigung der Ansprüche ihrer "Beamten" nicht ausreicht (§ 305 RVO). Dabei wird vor allem übersehen, daß der Bund Lasten nach Art. 120 Abs. 1 Satz 4 GG nur im Verhältnis zu den Ländern und Gemeinden bzw. Gemeindeverbänden, nicht aber zu sonstigen Stellen wie Arbeitgebern und Innungen zu tragen hat, daß ferner Zuschüsse nach § 389 Abs. 2 Satz 2 RVO nur zu leisten sind, um die Krankenkasse in den Stand zu setzen, ihrer gesetzlichen Pflicht zur Gewährung der Regelleistungen an die Versicherten zu genügen. Diesem Zweck dienen die Zahlungen des Gemeindeverbandes nach § 305 RVO nicht.
Da hiernach die Klage gegen den beklagten Gemeindeverband schon mangels dessen Passivlegitimation abgewiesen werden muß, hat der Senat auf den Abweisungsgrund des LSG, die Klägerin habe keinen Beihilfeanspruch, weil sie für 1966 noch Mehrleistungen gewährt habe (vgl. dazu Töns DOK 1966, 542, 545 ff), nicht einzugehen brauchen. Er hat auch offenlassen können, welche Voraussetzungen erfüllt sein müssen, um einen Beihilfeanspruch nach § 389 Abs. 2 Satz 2 auszulösen, ob dafür insbesondere schon ein einmaliges Defizit in einem Jahr ausreicht und ob der Inanspruchnahme des Bundes die des zuständigen Landesverbandes der Ortskrankenkassen nach § 13 SVAG vorangehen muß (vgl. Allinger aaO S. 615 ff und Töns aaO S. 549 f). Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des LSG, das sich jedenfalls im Ergebnis als richtig erweist, ist unbegründet.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Fundstellen
Haufe-Index 1669420 |
BSGE, 177 |