Entscheidungsstichwort (Thema)

Heizungsmonteur. Heizungsinstallateur. Berufsunfähigkeit eines Heizungsbauers und Heizungsinstallateurs. berufskundliche Dokumentation

 

Leitsatz (redaktionell)

Ein Facharbeiterberuf "Heizungsmonteur" oder "Heizungsinstallateur" ist in der Bundesrepublik nicht bekannt. Diese Personengruppe kann zu den Facharbeiterberufen Zentralheizungs- und Lüftungsbauer, Kachelofen- und Luftheizungsbauer gehören. Eine Spezialisierung des gelernten Zentralheizungs- und Luftheizungsbauers ist der Ölfeuerungsmonteur. Aber auch der Gas- und Wasserinstallateur, Klempner sowie Kessel- und Behälterbauer kann in der Montage von Heizungsanlagen tätig werden.

 

Orientierungssatz

Von anderen Gerichten eingeholte Sachverständigengutachten (hier berufskundliche Dokumentation) können nur im Wege des Urkundenbeweises verwertet werden. Es sind daher SGG § 118 Abs 1 S 1 iVm ZPO §§ 415 ff, insbesondere aber auch das Gebot des rechtlichen Gehörs (GG Art 103 Abs 1, SGG § 62) einzuhalten.

 

Normenkette

RVO § 1246 Abs. 2 S. 2 Fassung: 1957-02-23; ZPO § 415; SGG § 62; GG Art. 103 Abs. 1

 

Verfahrensgang

LSG Rheinland-Pfalz (Entscheidung vom 23.10.1978; Aktenzeichen L 2 J 242/77)

SG Koblenz (Entscheidung vom 09.11.1977; Aktenzeichen S 9 J 247/77)

 

Tatbestand

Streitig ist die Rente wegen Berufsunfähigkeit (BU).

Der 1927 geborene Kläger, gelernter Weber, war nach einer Umschulung zum Heizungsbauer 1957 bis 1974 als Heizungsmonteur berufstätig.

Seinen im April 1976 gestellten Rentenantrag lehnte die beklagte Landesversicherungsanstalt (LVA) nach ärztlicher Untersuchung und Begutachtung mit Bescheid vom 18. Mai 1976, bestätigt durch Widerspruchsbescheid vom 24. März 1977, unter Verneinung von BU ab: Der Kläger könne insbesondere wegen der Folgen einer arteriellen Verschlußkrankheit zwar nicht mehr als Heizungsbauer arbeiten, wohl aber noch leichte Tätigkeiten vorwiegend im Sitzen verrichten.

Hiergegen ist der Kläger im Streitverfahren nicht durchgedrungen. Mit dem angefochtenen Urteil vom 23. Oktober 1978 hat das Landessozialgericht (LSG) die Berufung des Klägers gegen das die Klage abweisende Urteil des Sozialgerichts (SG) vom 9. November 1977 zurückgewiesen und ausgeführt: Als Heizungsbauer und Heizungsmonteur bzw Heizungsinstallateur genieße der Kläger Berufsschutz als Facharbeiter. Als solcher könne er aber auf alle leichteren Tätigkeiten im Klempnerberuf verwiesen werden (zB Ornamenten-, Buchstaben- und Blechklempner; Gürtler; Materialausgeber).

Gegen dieses Urteil hat der Senat die Revision zugelassen (Beschluß vom 28. Juni 1979).

Der Kläger hat die Revision eingelegt. Er trägt vor, das LSG habe, entgegen den von der höchstrichterlichen Rechtsprechung aufgestellten Forderungen, nicht angegeben, welcher Tarifvertrag für den bisherigen Beruf des Klägers gegolten haben und welche in Frage kommenden Verweisungstätigkeiten sich in diesem Tarifvertrag fänden. Es käme nicht auf die Entlohnung, sondern auf den qualitativen Wert der Verweisungstätigkeit an. Außerdem habe das LSG nichts dazu festgestellt, welche Anforderungen die dem Kläger zugemuteten Tätigkeiten an seine gesundheitlichen Kräfte wie an seine beruflichen Kenntnisse und Fertigkeiten stellten. Das Urteil des LSG verstoße gegen § 128 Abs 1 Satz 2 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG). Im übrigen habe das LSG dadurch, daß es die berufskundliche Dokumentation eines anderen Gerichts zur Urteilsgrundlage gemacht habe, ohne ihm Gelegenheit zur Äußerung hierzu zu geben, den Grundsatz des rechtlichen Gehörs verletzt.

Der Kläger beantragt,

das angefochtene Urteil, das Urteil des Sozialgerichts

Koblenz vom 9. November 1977 sowie den Bescheid der

Beklagten vom 18. Mai 1976 in der Gestalt des

Widerspruchsbescheides vom 24. März 1977 aufzuheben

und die Beklagte zu verurteilen, ihm ab 1. Mai 1976

Rente wegen Berufsunfähigkeit zu leisten;

hilfsweise,

das angefochtene Urteil aufzuheben und den Rechtsstreit

zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das

Landessozialgericht zurückzuverweisen.

Die Beklagte stellt keinen Antrag; sie hat auch nichts vorgetragen.

Die Beteiligten haben übereinstimmend erklärt, daß sie mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden sind (§ 124 Abs 2 SGG).

 

Entscheidungsgründe

Die zulässige Revision führt zur Zurückverweisung der Sache an die Vorinstanz.

Nach § 1246 Abs 2 Satz 1 der Reichsversicherungsordnung (RVO) ist berufsunfähig ein Versicherter, dessen Erwerbsfähigkeit in Folge von Krankheit oder anderen Gebrechen oder Schwäche seiner körperlichen oder geistigen Kräfte auf weniger als die Hälfte derjenigen eines körperlich und geistig gesunden Versicherten mit ähnlicher Ausbildung und gleichwertigen Kenntnissen und Fähigkeiten herabgesunken ist. Nach Satz 2 aaO kommt es bei der Bestimmung des Kreises der Tätigkeiten, nach denen die Erwerbsfähigkeit des Versicherten zu beurteilen ist und die dem Versicherten unter Verneinung von Berufsunfähigkeit noch "zugemutet werden können", entscheidend auf dessen "bisherigen Beruf" (= "bisherige Berufstätigkeit") sowie dessen "besondere Anforderungen", dh auf seine positiv zu bewertenden Merkmale, insgesamt also auf den qualitativen Wert des bisherigen Berufs an. Von geringerem Gewicht ist dagegen die aaO weiter genannte Ausbildung; sie kennzeichnet allein den Weg, auf dem die den Beruf qualifizierenden "Kenntnisse und Fähigkeiten" (Satz 1 aaO) regelmäßig erworben werden. Deshalb ist dann, wenn ein Versicherter die für einen bestimmten Beruf vorgesehene Ausbildung nicht durchlaufen hat, dieser doch sein "bisheriger Beruf", wenn er ihn nicht nur vorübergehend vollwertig ausgeübt hat; dies ist regelmäßig anzunehmen, wenn er entsprechend entlohnt worden ist (vgl zu alledem mit zahlreichen Nachweisen BSGE 41, 129 = SozR 2200 § 1246 Nr 11; BSGE 43, 243 = SozR 2200 § 1246 Nr 16; der erkennende Senat in SozR 2200 § 1246 Nr 29 und in der Entscheidung vom 12. Dezember 1979 - 1 RJ 132/78).

Bisheriger Beruf des Klägers ist nach den Feststellungen des LSG der des Heizungsmonteurs bzw des Heizungsinstallateurs. Diesen Beruf hat der Kläger seit einer "Umschulung" 1957 zum "Heizungsbauer" ausgeübt. Gleichwohl ist offen, welchen qualitativen Wert der bisherige Beruf des Klägers hat; insbesondere ist unklar, ob er - wie das LSG meint - als Facharbeiterberuf oder nur als angelernter Beruf anzusprechen ist:

Ein Facharbeiterberuf "Heizungsmonteur" oder "Heizungsinstallateur" ist in der Bundesrepublik nicht bekannt. Bekannt sind dagegen im Bereich des Heizungsbaues die Ausbildungsberufe des Zentralheizungs- und Lüftungsbauers sowie des Kachelofen- und Luftheizungsbauers (vgl das Verzeichnis der anerkannten Ausbildungsberufe, Stand 1. Juli 1979, herausgegeben vom Bundesinstitut für Berufsbildung, S 42, 62, 164 und ferner die Lohntarifverträge für die gewerblichen Arbeitnehmer im Zentralheizungs- und Lüftungsbauerhandwerk in Rheinland-Pfalz sowie für den Bereich Kachelofen- und Luftheizungsbauerhandwerk in Rheinland-Pfalz). Eine Spezialisierung des regelmäßig gelernten Zentralheizungs- und Lüftungsbauers kann zB der Ölfeuerungsmonteur sein (vgl Blätter für Berufskunde, herausgegeben von der Bundesanstalt für Arbeit, Bd 1 Buchst b, 1 - II A 503). Aber auch Gas- und Wasserinstallateure, Klempner sowie Kessel- und Behälterbauer können in der Montage von Heizungsanlagen tätig werden. Ein "Heizungsmonteur" oder "Heizungsinstallateur" kann nach allem einem der genannten Facharbeiterberufe angehören; es kann sich bei ihm aber auch um einen speziell für Montagezwecke angelernten Arbeiter handeln, der in keinem der genannten Berufe über die ganze Breite der erforderlichen Fertigkeiten und Kenntnisse verfügt. So könnte es sich auch beim Kläger verhalten, weil über die Dauer und Art seiner "Umschulung" vom Weber zum "Heizungsbauer" nichts festgestellt ist; andererseits setzt keiner der genannten Facharbeiterberufe eine Ausbildung von weniger als drei Jahren voraus.

Die Frage der BU des Klägers läßt sich ohne genaue Kenntnis des qualitativen Werts des bisherigen Berufs nicht beantworten. Ihm muß nämlich eine Tätigkeit, auf die er verwiesen wird, angemessen entsprechen (vgl BSGE 43, 243 = SozR 2200 § 1246 Nr 16; BSGE 45, 276 = SozR 2200 § 1246 Nr 27; BSG SozR 2200 § 1246 Nr 34, der erkennende Senat aaO). Der Kläger darf also weder auf eine zu geringwertige Tätigkeit verwiesen werden, noch darf er in seinen beruflichen Kenntnissen und Fähigkeiten überfordert werden. Nach allem kann der Senat nicht in der Sache entscheiden, bevor geklärt ist, welchen qualitativen Wert der bisherige Beruf des Klägers als Heizungsmonteur bzw Heizungsinstallateur hat; er mußte deshalb das angefochtene Urteil auf die Revision des Klägers aufheben und die Sache an die Vorinstanz zurückverweisen. Diese hat die notwendigen Feststellungen nachzuholen.

Hierbei wird das LSG zu berücksichtigen haben, daß die tarifliche Einstufung eines Berufs durch die unmittelbar am Arbeitsleben teilnehmenden Bevölkerungskreise (Tarifpartner) dessen qualitativen Wert relativ zuverlässig widerspiegelt. Die tarifliche Einstufung ist daher ein geeignetes Hilfsmittel, die Qualität des bisherigen Berufs und damit zugleich die Breite der nach § 1246 Abs 2 Satz 2 RVO zumutbaren Verweisung des Versicherten auf eine andere Berufstätigkeit zu ermitteln. Dabei hat die höchstrichterliche Rechtsprechung zusätzlich das Hilfsmittel des Mehrstufenschemas entwickelt. Es beruht auf der Überlegung, daß sich in der Berufswelt der Arbeiter, bezogen auf die tarifliche Bewertung der einzelnen Tätigkeiten, mehrere hierarchisch geordnete Gruppen auffinden lassen, die durch Leitberufe, nämlich die des Vorarbeiters mit Leitungsfunktion bzw des besonders hoch qualifizierten Arbeiters, des Facharbeiters, des Arbeiters in einem sonstigen Ausbildungsberuf (angelernter Arbeiter) und schließlich des Ungelernten charakterisiert werden. Wer mit seinem bisherigen Beruf einer dieser Gruppen angehört, kann jeweils nur auf eine Tätigkeit der nächstunteren Stufe verwiesen werden (vgl den erkennenden Senat in SozR 2200 § 1246 Nr 29 und Nr 51; Entscheidung vom 12. Dezember 1979 - 1 RJ 132/78). Das LSG wird daher bei seiner neuen Entscheidung nicht umhin können zu ermitteln, wie der Kläger bisher tarifvertraglich eingestuft war und wie er in ihm zugemuteten Verweisungsberufen eingestuft wäre.

In verfahrensrechtlicher Hinsicht wird das Berufungsgericht beachten müssen, daß es von anderen Gerichten eingeholte Sachverständigengutachten nur im Wege des Urkundenbeweises verwerten kann und daher § 118 Abs 1 Satz 1 SGG iVm §§ 415 ff der Zivilprozeßordnung (ZPO), insbesondere aber auch das Gebot des rechtlichen Gehörs (Art 103 Abs 1 des Grundgesetzes -GG-, § 62 SGG) einzuhalten sind. Ferner wird das LSG nicht unberücksichtigt lassen dürfen, daß bei der Feststellung von Tatsachen die Verwertung der eigenen Gerichtskunde voraussetzt, daß diese zum Gegenstand des Verfahrens gemacht und den Beteiligten Gelegenheit gegeben wird, sich dazu zu äußern (vgl zB BSGE 22, 19 = SozR Nr 70 zu § 128 SGG; BSG SozR Nr 91 zu § 128 SGG; BSG SozR 1500 § 62 Nr 2 und 3; der erkennende Senat in SozR 2200 § 1246 Nr 29 und Urteil vom 14. Dezember 1978 - 1 RJ 72/78 - sowie weiter in ständiger Rechtsprechung). Nach alledem war zu entscheiden wie geschehen und der Kostenausspruch der Endentscheidung vorzubehalten.

 

Fundstellen

Dokument-Index HI1656590

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