Entscheidungsstichwort (Thema)
Arbeitslosigkeit iS von § 1248 Abs 2 RVO
Orientierungssatz
Der im Recht der gesetzlichen Rentenversicherung nicht definierte Begriff der Arbeitslosigkeit ist nach der ständigen Rechtsprechung des BSG unter Berücksichtigung der besonderen Erfordernisse der Rentenversicherung grundsätzlich dem Recht der Arbeitslosenversicherung zu entnehmen (vgl BSG 1979-02-15 5 RJ 12/77 = SozR 2200 § 1248 Nr 28). Nach § 103 Abs 1 Nr 2 AFG ist dabei zu fordern, daß der Versicherte bereit sein muß, jede zumutbare Beschäftigung anzunehmen, die er ausüben kann. Diese Bereitschaft verlangt einen ernstlichen Arbeitswillen und ist eine innere Tatsache.
Normenkette
RVO § 1248 Abs 2 Fassung: 1972-10-16; AFG § 103 Abs 1 S 1 Nr 2
Verfahrensgang
LSG Hamburg (Entscheidung vom 09.07.1981; Aktenzeichen VI JBf 130/80) |
SG Hamburg (Entscheidung vom 07.07.1980; Aktenzeichen 18 J 547/79) |
Tatbestand
Der im September 1917 geborene Kläger trat mit Ablauf des Monats September 1977 als Polizeihauptmeister in den Ruhestand. Am 18. Oktober 1977 meldete er sich bei dem Arbeitsamt Hamburg als Arbeitsuchender. Im Dezember 1977 beantragte er bei der Beklagten Rente wegen Erwerbsunfähigkeit. Die Beklagte lehnte mit Bescheid vom 24. Februar 1978 den Antrag ab. Im Februar 1979 stellte der Kläger den Antrag auf - vorzeitiges - Altersruhegeld. Die Beklagte lehnte mit Bescheid vom 15. Mai 1979 auch diesen Antrag ab, weil es dem Kläger an der subjektiven Arbeitsbereitschaft gefehlt habe.
Mit der Klage hat der Kläger beantragt, den Bescheid aufzuheben und die Beklagte zur Gewährung von Altersruhegeld zu verurteilen. Das Sozialgericht Hamburg hat mit Urteil vom 7. Juli 1980 die Klage als unbegründet abgewiesen. Das Landessozialgericht (LSG) Hamburg hat mit Urteil vom 9. Juli 1981 die Berufung des Klägers als unbegründet zurückgewiesen. In den Entscheidungsgründen hat es ausgeführt: Der Kläger sei im wesentlichen nicht ernsthaft arbeitsbereit gewesen. Der Senat neige zwar dazu, ihm für die Zeit von August 1978 bis Februar 1979 "eine ernsthafte Arbeitsbereitschaft zuzubilligen", dieser Zeitraum umfasse aber keine 52 Wochen. Die Revision werde zugelassen, weil der Senat "der Frage, welche Beweisanforderungen an die Arbeitsbereitschaft eines Ruhestandsbeamten im Rahmen der Anspruchsvoraussetzungen des § 1248 Abs 2 Reichsversicherungsordnung (RVO) zu stellen sind, grundsätzliche Bedeutung" zumesse.
Mit der Revision beantragt der Kläger,
die Urteile der Vorinstanzen aufzuheben und die Beklagte zu
verurteilen, ihm für die Zeit vom 1. Februar 1979 an das
Altersruhegeld nach § 1248 Abs 2 RVO zu gewähren. Auf den Schriftsatz seiner Prozeßbevollmächtigten vom 20. Oktober 1981 wird Bezug genommen.
Die Beklagte beantragt,
die Revision als unbegründet zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist nicht begründet. Der Kläger hat keinen Anspruch auf vorzeitiges Altersruhegeld.
Der im Februar 1979 gestellte Antrag des Klägers auf Altersruhegeld wegen Arbeitslosigkeit ist nach § 1248 Abs 2 in der am 1. Januar 1973 in Kraft getretenen Fassung des Rentenreformgesetzes vom 16. Oktober 1972 (BGBl I S 1965) iVm § 103 Abs 1 Nr 2 AFG in der am 1. Januar 1976 in Kraft getretenen Fassung des Gesetzes zur Verbesserung der Haushaltsstruktur im Geltungsbereich des Arbeitsförderungs- und des Bundesversorgungsgesetzes vom 18. Dezember 1975 (BGBl I S 3113) zu beurteilen (vgl BSG, Urteil vom 23. März 1976 - 5 RKn 42/75 = SozR 2200, § 1248 Nr 11).
Voraussetzung für die Gewährung des vorzeitigen Altersruhegeldes nach § 1248 Abs 2 RVO ist ua, daß der Versicherte mindestens 52 Wochen lang arbeitslos war. Der im Recht der gesetzlichen Rentenversicherung nicht definierte Begriff der Arbeitslosigkeit ist nach der ständigen Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) unter Berücksichtigung der besonderen Erfordernisse der Rentenversicherung grundsätzlich dem Recht der Arbeitslosenversicherung zu entnehmen (BSG, Urteil vom 15. Februar 1979 - 5 RJ 12/77 = SozR 2200, § 1248 Nr 28). Nach § 103 Abs 1 Nr 2 AFG ist dabei zu fordern, daß der Versicherte bereit sein muß, jede zumutbare Beschäftigung anzunehmen, die er ausüben kann. Der Zweck des § 1248 Abs 2 RVO ist es, den Folgen unverschuldeter Arbeitslosigkeit älterer Arbeitnehmer, die wegen ihres Alters keine Arbeit mehr finden, zu steuern. Dieser Zielsetzung des Gesetzes entspricht aber nur die Begünstigung derjenigen arbeitslosen älteren Arbeitnehmer, die trotz ernsthaften Willens keine Arbeit finden und nicht wegen tatsächlicher oder rechtlicher Gründe an der Aufnahme einer Arbeit gehindert sind. Deshalb muß ihre subjektive Verfügbarkeit vorliegen, um Arbeitslosigkeit iS des § 1248 RVO anzunehmen (BSGE 15, 131, 133 = SozR Nr 9 zu § 1248 RVO).
Die Bereitschaft eines Versicherten, jede zumutbare Beschäftigung anzunehmen, verlangt einen ernstlichen Arbeitswillen und ist eine (innere) Tatsache. Das Vorliegen oder Nichtvorliegen solcher Tatsachen ist von den Tatsacheninstanzen festzustellen, das Revisionsgericht ist an die getroffenen tatsächlichen Feststellungen gebunden, außer wenn in bezug auf diese Feststellungen zulässige und begründete Revisionsrügen vorgebracht sind.
Das LSG hat in den Gründen seines Urteils festgestellt, daß der Kläger in dem Zeitraum von der Vollendung des 60. Lebensjahres an allenfalls von August 1978 bis Februar 1979 ernsthaft arbeitsbereit war, in der übrigen Zeit dagegen nicht. Damit hat es auch festgestellt, daß die Arbeitsbereitschaft nicht, wie erforderlich, 52 Wochen angedauert hat. Gegen diese tatsächliche Feststellung hat der Kläger keine Verfahrensrügen vorgebracht. Er hat ausdrücklich nur die Verletzung materiellen Rechts (§ 1248 Abs 2 RVO) gerügt. Dabei hat er sich auf den Vortrag beschränkt, drei besondere Umstände, nämlich die Annahme eines Teilzeitangebotes des Arbeitsamtes vom 20. März 1978, das Eingehen auf den Vermittlungsvorschlag des Arbeitsamtes vom 6. Juni 1978 und sein Verhalten hinsichtlich der fortlaufenden Meldungen, der Ab- und Rückmeldungen zum und vom Urlaub könnten für eine ernstliche Arbeitsbereitschaft sprechen und deuteten auf diese hin. Es bedarf keiner weiteren Erörterung dieser drei vom Kläger erwähnten Umstände, denn selbst wenn damit seine ernstliche Arbeitsbereitschaft dargetan wäre, würde das nicht genügen, um seinen Rentenanspruch zu begründen; das Gesetz fordert eine Arbeitslosigkeit von mindestens 52 Wochen. Demgemäß war die Revision des Klägers als unbegründet zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Fundstellen