Verfahrensgang
Tenor
Auf die Revision des Beklagten werden die Urteile des Landessozialgerichts Niedersachsen vom 5. September 1997 und des Sozialgerichts Braunschweig vom 21. Juni 1996 geändert.
Die Klage wird in vollem Umfang abgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind in sämtlichen Rechtszügen nicht zu erstatten.
Tatbestand
I
Die Klägerin ist seit 1989 als Schwerbehinderte mit einem zuletzt festgestellten Grad der Behinderung (GdB) von 70 anerkannt. Im August 1993 beantragte sie beim Beklagten – zunächst ohne Erfolg –, weitere inzwischen hinzugetretene Behinderungen, einen höheren GdB als 50 und die gesundheitlichen Voraussetzungen für das Merkzeichen „G” (erhebliche Beeinträchtigung der Bewegungsfähigkeit im Straßenverkehr) festzustellen (Bescheid vom 28. Februar 1994, Widerspruchsbescheid vom 14. Juni 1994). Im Laufe des sich anschließenden sozialgerichtlichen Verfahrens hat der Beklagte das Vorliegen einer weiteren „Behinderung” (Hüftgelenksverschleiß beidseits), einen GdB von 70 und die Voraussetzungen für das Merkzeichen G anerkannt und dieses Anerkenntnis mit Bescheid vom 3. Januar 1996 ausgeführt. Die auf Feststellung eines höheren GdB (80) sowie einer Hauterkrankung als weitere „Behinderung” gerichtete Klage hatte nur hinsichtlich des zweiten Klageantrags Erfolg (Urteil des Sozialgerichts ≪SG≫ Braunschweig vom 21. Juni 1996).
Das Landessozialgericht (LSG) hat die Berufungen beider Beteiligten zurückgewiesen (Urteil vom 5. September 1997). Zum Rechtsmittel des Beklagten hat es ausgeführt, nach § 4 Abs 1 Satz 1 Schwerbehindertengesetz (SchwbG) habe ein Behinderter Anspruch darauf, daß sämtliche bei ihm vorliegenden „Behinderungen” im Verfügungssatz eines Bescheides festgestellt würden. Eine Einschränkung dieses Anspruchs dahin, daß dieser mangels Feststellungsinteresses dann entfalle, wenn sich die noch festzustellenden Behinderungen nicht mehr auf den (Gesamt-)GdB auswirkten, sei dem Gesetz nicht zu entnehmen.
Gegen dieses Urteil legte nur der Beklagte die vom LSG zugelassene Revision ein, mit der er in erster Linie eine Verletzung des § 4 SchwbG rügt. Das Hautleiden der Klägerin sei keine Behinderung iS des § 3 Abs 1 Satz 1 SchwbG, sondern eine medizinische Diagnose, die – wie die übrigen festgestellten Gesundheitsstörungen – nicht zum Verfügungssatz, sondern zum Begründungsteil der angegriffenen Verwaltungsakte gehöre.
Der Beklagte beantragt,
die Urteile des Sozialgerichts Braunschweig vom 21. Juni 1996 und des Landessozialgerichts Niedersachsen vom 5. September 1997 zu ändern und die Klage vollständig abzuweisen.
Die Klägerin hat sich im Revisionsverfahren nicht vertreten lassen.
Entscheidungsgründe
II
Die Revision des Beklagten hat Erfolg. Die vorinstanzlichen Urteile sind zu ändern und die Klage ist auch insoweit abzuweisen, als der Beklagte verpflichtet worden ist, bei der Klägerin als weitere Behinderung eine „Hauterkrankung” festzustellen. Für eine Klage, mit der allein die Verurteilung des Versorgungsträgers zur isolierten Feststellung weiterer „Behinderungen” erstrebt wird, besteht kein Rechtsschutzbedürfnis.
Das Rechtsschutzbedürfnis ist zu verneinen, wenn die begehrte gerichtliche Entscheidung die rechtliche oder wirtschaftliche Stellung des Klägers nicht verbessern würde (BVerwGE 53, 134, 137; 75, 109, 113; 78, 85, 91; BSG SozR 3-7815 Art 1 § 3 Nr 4; Meyer-Ladewig, SGG, Komm, 6. Aufl, RdNr 16a vor § 51). Die in der Revisionsinstanz allein noch streitige Verpflichtung des Beklagten zur isolierten Feststellung einer weiteren Behinderung kann die Position der Klägerin nicht verbessern.
Klarzustellen ist zunächst, daß nach § 4 Abs 1 Satz 1 SchwbG „das Vorliegen einer Behinderung” festzustellen ist und nicht – worauf der Beklagte im Einklang mit der bisherigen Rechtsprechung des Senats zu Recht hinweist – eine Funktionsbeeinträchtigung (wie hier: „Hauterkrankung”) oder eine vollständige Vielzahl mehrerer zugleich vorliegender Funktionsbeeinträchtigungen. Das Schwerbehindertenrecht kennt nur einen Gesamtzustand der Behinderung. Daran ändert auch die in Praxis und Rechtsprechung eingebürgerte – und vom Senat gebilligte – Übung nichts, schlagwortartig von mehreren „Behinderungen” zu sprechen, auch wenn damit nach dem exakten Sprachgebrauch des SchwbG verschiedene Funktionsbeeinträchtigungen oder gar nur verschiedene körperliche, geistige oder seelische Regelwidrigkeiten gemeint sind (vgl Senatsurteil vom 10. September 1997 – 9 RVs 15/96 – MDR 1998, 166 = br 1998, 74; zur Veröffentlichung in BSGE und SozR vorgesehen). Bereits seit dem „Diagnoseurteil” des Senats (SozR 3870 § 4 Nr 3) ist zudem geklärt, daß die nach § 4 Abs 1 Satz 1 SchwbG festzustellende Behinderung sich nicht durch medizinische Diagnosen – oder durch die Beschreibung daraus folgender Funktionsbeeinträchtigungen – bezeichnen läßt.
Das LSG hat seine Auffassung vom Anspruch eines Behinderten auf eine regelnde Feststellung über seine Behinderung durch Verwaltungsakt allein auf den Wortlaut des § 4 Abs 1 Satz 1 SchwbG gestützt, wonach auf Antrag des Behinderten die für die Durchführung des Bundesversorgungsgesetzes (BVG) zuständigen Behörden das „Vorliegen einer Behinderung und den Grad der Behinderung” feststellen. Das Berufungsgericht meint, dieser Wortlaut sei eindeutig. Aus ihm ergebe sich der Wille des Gesetzgebers, jedem Antragsteller einen Anspruch auf Feststellung seiner vollständigen Behinderung im Verfügungssatz eines Bescheides einzuräumen (ebenso LSG Rheinland-Pfalz, br 1998, 51 und Biebrach-Nagel, VersorgVerw 1997, 8, 10 f; vom BSG bisher offengelassen: SozR 1500 § 150 Nr 23; SozR 3870 § 4 Nr 1; SozR 1300 § 45 Nr 48; SozR 3870 § 4 Nr 3 und zuletzt Urteil vom 10. September 1997 – 9 RVs 15/96 – aaO). Das trifft nicht zu. Aus der Entstehungsgeschichte des SchwbG und aus dem Zusammenhang des § 4 Abs 1 Satz 1 SchwbG mit anderen Regelungen dieses Gesetzes folgt das Gegenteil.
Mit dem Gesetz zur Weiterentwicklung des Schwerbeschädigtenrechts vom 24. April 1974 (BGBl I 981) hatte der Gesetzgeber den bis dahin durch das Gesetz über die Beschäftigung Schwerbeschädigter (Schwerbeschädigtengesetz) in erster Linie begünstigten Personenkreis der schwerbehinderten Kriegs- und Arbeitsopfer auf alle Schwerbehinderten unabhängig von der Art und Ursache ihrer Behinderung ausgedehnt. Damit verfolgte er das Ziel, das in erster Linie zur Überwindung der Kriegsfolgen geschaffene Schwerbeschädigtengesetz den geänderten Verhältnissen, insbesondere dem modernen Gedanken einer umfassenden Rehabilitation aller Behinderten anzupassen (vgl BT-Drucks 7/656, S 20). Der Übergang vom kausal geprägten Schwerbeschädigtenrecht auf das final ausgerichtete Schwerbehindertenrecht ist aber nicht mit einem Schlage vollständig und nicht widerspruchsfrei gelungen. Der Gesetzgeber hat aus der Aufgabe des Kausalitätsprinzips nur unzureichende Konsequenzen gezogen. Dafür ist die Forderung des § 4 Abs 1 Satz 1 SchwbG, außer dem Grad einer Behinderung auch deren „Vorliegen” festzustellen, – in der bisher nahezu einhellig und auch vom LSG vertretenen Interpretation – herausragendes Beispiel.
Diese Forderung fand sich bereits in § 3 Abs 1 Satz 1 SchwbG 1974 und ließ sich bei einer allein an ihrem Wortlaut orientierten Auslegung bereits damals nicht mit den Prinzipien des neu geschaffenen Schwerbehindertenrechts vereinbaren. Während das Schwerbeschädigtenrecht keine Entscheidung über die Eigenschaft als Schwerbeschädigter kannte, sondern den geschützten Personenkreis ausnahmslos und abschließend nach einer auf anderen Rechtsgebieten bereits festgestellten gesundheitlichen Schädigung mit einer Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) um 50 vH bestimmte, wies das SchwbG der Versorgungsverwaltung eigene Entscheidungskompetenzen zu. Aufgabe der Versorgungsbehörden sollte fortan sein, was bis dahin ausschließlich außerhalb des Schwerbeschädigtenrechts mit verbindlicher Wirkung für dieses entschieden worden war: gesundheitliche Verhältnisse und die daraus folgende MdE festzustellen, und zwar letztere nach denselben Maßstäben wie im Versorgungsrecht (§ 3 Abs 1 Satz 2 SchwbG 1974; jetzt § 3 Abs 3 SchwbG). Bei dieser schematischen Verlagerung von Entscheidungskompetenzen blieb unbeachtet, daß die Verwaltung mit Anerkennungsbescheiden im Versorgungsrecht oder im Recht der gesetzlichen Unfallversicherung, soweit dort „Krankheiten anerkannt” werden, eine rechtliche Zuordnung trifft, weil damit entschieden wird, daß eine bestimmte Erkrankung auf bestimmte schädigende Ereignisse, Unfälle oder Berufskrankheiten zurückzuführen ist (vgl dazu BSG SozR 3870 § 4 Nr 3), womit Ansprüche auf Heilbehandlung, Renten- und Hinterbliebenenversorgung ausgelöst werden können. Eine feststellende Regelung zur Unterscheidung anerkannter von nicht anzuerkennenden Krankheiten ist im final ausgerichteten Schwerbehindertenrecht aber nicht sinnvoll und nach dem SchwbG nicht vorgesehen. Denn auf diesem Rechtsgebiet ist es gleichgültig, worauf ein regelwidriger Gesundheitszustand beruht, und die „Feststellung” der daraus erwachsenden Behinderung – sofern sie denn einmal getroffen werden sollte – hätte keine rechtlichen Folgen. Rechtsfolgen hat allein die Entscheidung der Verwaltung über den GdB. Deshalb gibt der Schwerbehindertenausweis, der „dem Nachweis für die Inanspruchnahme von Rechten und Nachteilsausgleichen” dient, „die Schwerbehinderten nach diesem Gesetz oder nach anderen Vorschriften zustehen” (§ 4 Abs 5 Satz 2 SchwbG), auch keine Auskunft über die Art der Behinderung, insbesondere über die im Einzelfall vorliegenden Gesundheitsstörungen bzw Funktionsbeeinträchtigungen. Er ist nur über die Eigenschaft als Schwerbehinderter, den GdB sowie über Nachteilsausgleiche auszustellen (§ 4 Abs 5 Satz 1 SchwbG).
Der Gesetzgeber hat die „Feststellung” des Vorliegens einer Behinderung zwar auch bei der Revision des SchwbG 1986 nicht beseitigt, er hat die geschilderten Diskrepanzen sogar noch verstärkt, indem er den bis dahin diffusen Begriff der Behinderung deutlich abweichend von den zunächst nahestehenden, medizinisch geprägten Begriffen der Schädigungs- oder der Verletzungsfolgen definiert hat. Das SchwbG 1974 beruhte noch auf der Vorstellung, ebenso wie mehrere Unfall- oder Schädigungsfolgen gebe es auch mehrere Behinderungen (vgl dazu § 3 Abs 3 Satz 1 SchwbG 1974). Diese Vorstellung hat der Gesetzgeber aber mit dem Ersten Gesetz zur Änderung des SchwbG vom 24. Juli 1986 (BGBl I 1110) aufgegeben und damit einen weiteren Schritt zur Emanzipation von den kausal geprägten Grundsätzen des Schwerbeschädigtenrechts getan. Im § 3 Abs 1 Satz 1 SchwbG nF wird der Begriff der Behinderung nunmehr als die „Auswirkung einer nicht nur vorübergehenden Funktionsbeeinträchtigung” definiert, „die auf einem regelwidrigen körperlichen, geistigen oder seelischen Zustand beruht”. Folgerichtig wurde durch das Gesetz vom 24. Juli 1986 auch § 4 Abs 3 SchwbG geändert. Da es nunmehr nur noch einen Gesamtzustand der Behinderung gab (vgl dazu Senatsurteil vom 10. September 1997 – 9 RVs 15/96 – aaO), war hier klarzustellen, daß nicht mehrere Behinderungen, sondern mehrere Funktionsbeeinträchtigungen in ihrer Gesamtheit den GdB bestimmen (vgl BT-Drucks 10/3138, S 17). Unverändert ist dagegen der gesetzliche Auftrag des § 4 Abs 1 Satz 1 SchwbG an die Verwaltung geblieben, „das Vorliegen einer Behinderung” festzustellen.
Diese Bestimmung steht jetzt im Widerspruch zu § 4 Abs 2 Satz 1 SchwbG. Danach ist eine solche Feststellung nicht zu treffen, wenn sie schon in einem Rentenbescheid, einer entsprechenden Verwaltungs- oder Gerichtsentscheidung oder in einer vorläufigen Bescheinigung der für diese Entscheidung zuständigen Dienststellen getroffen worden ist. Außerhalb des Schwerbehindertenrechts gibt es aber keine Feststellung von Behinderungen. Im Versorgungsrecht, im Recht der gesetzlichen Unfallversicherung und im Entschädigungsrecht wird lediglich darüber entschieden, ob Gesundheitsstörungen auf bestimmte Ursachen zurückzuführen sind mit der Folge, daß wegen dieser Gesundheitsstörungen Heilbehandlungsansprüche und ab einem bestimmten Grad der Erwerbsminderung auch Rentenansprüche ausgelöst werden. Danach ließe sich in diesen Fällen auf die in § 4 Abs 1 Satz 1 SchwbG angeordnete Feststellung einer Behinderung nicht verzichten.
Den Verzicht des Gesetzes kann die vom LSG vertretene, allein den Wortlaut der Vorschrift berücksichtigende Auslegung des § 4 Abs 1 Satz 1 SchwbG nicht erklären. Dies gelingt erst durch eine Interpretation, die sich vor dem Hintergrund der dargestellten Rechtsentwicklung am Rehabilitationsziel des 1974 neu geschaffenen Schwerbehindertenrechts orientiert. Danach bedarf es keiner regelnden Feststellung der im Einzelfall vorliegenden Behinderung durch Verwaltungsakt. Die Versorgungsverwaltung hat deshalb im Verfügungsteil eines Feststellungsbescheides nicht dergestalt über „das Vorliegen einer Behinderung” zu entscheiden, daß sie einzelne Krankheiten oder Syndrome feststellt. Sie hat lediglich im Begründungsteil eines Verwaltungsaktes über die Höhe des GdB – oder über das Vorliegen der gesundheitlichen Voraussetzungen für einen Nachteilsausgleich – darzulegen, welche tatsächlichen Umstände sie insoweit festgestellt und ihrer Entscheidung zugrunde gelegt hat. Erst wenn die Verwaltung diesem im Schwerbehindertenrecht verstärkten und im Gesetz besonders hervorgehobenen Begründungszwang genügt, indem sie darstellt, welche regelwidrigen körperlichen, geistigen oder seelischen Zustände mit welchen Funktionsstörungen nach dem Ergebnis ihrer Ermittlungen bei dem Behinderten vorliegen, wird der Verwaltungsakt, der die Höhe des GdB regelt, hinlänglich bestimmt, für den Empfänger verständlich und für die Gerichte nachprüfbar (vgl so schon BSG SozR 3870 § 4 Nr 3). Eigener oder – in Fällen des sozialen Entschädigungsrechts – erneuter Ermittlungen der Versorgungsverwaltung zum Gesundheitszustand des Behinderten bedarf es nicht, wenn diese Ermittlungen bereits außerhalb des Schwerbehindertenrechts durchgeführt und ihr Ergebnis in einem Bescheid über die Anerkennung von Schädigungs- oder Verletzungsfolgen und die Höhe der MdE festgehalten ist. Das Schwerbehindertenrecht übernimmt dann die aus den „anerkannten Krankheiten” abgeleitete und dem Behinderten bereits nachvollziehbar erklärte MdE in der festgestellten Höhe als GdB (§ 4 Abs 2 Satz 2 SchwbG).
Diese Auslegung steht im Einklang sowohl mit dem Einkommensteuerrecht als auch mit der Bestimmung des § 2 SchwbG über das Verfahren der Gleichstellung (leicht) Behinderter mit Schwerbehinderten. Denn ebenso wie sonst im Schwerbehindertenrecht bliebe auch auf diesen Gebieten die Feststellung einer im Einzelfall vorliegenden Behinderung rechtlich folgenlos. Das Steuerrecht knüpft den Behindertenpauschbetrag in § 33b Abs 1 bis 3 Einkommensteuergesetz (EStG) bei Schwerbehinderten nach Grund und Höhe allein an den vom Versorgungsamt festgestellten und durch den Schwerbehindertenausweis oder den Bescheid über die Schwerbehinderteneigenschaft nachzuweisenden GdB (vgl § 65 Abs 1 Nr 1 Einkommensteuer-Durchführungsverordnung ≪EStDV≫). Behinderte, deren GdB auf weniger als 50, aber mindestens auf 25 festgestellt ist, erhalten einen Pauschbetrag zwar nur, wenn die Behinderung zu einer dauernden Einbuße der körperlichen Beweglichkeit geführt hat oder auf einer typischen Berufskrankheit beruht (§ 33b Abs 2 Buchst b EStG). Ob das der Fall ist, ergibt sich aber nicht aus dem Feststellungsbescheid nach § 4 Abs 1 SchwbG, sondern aus einer besonderen, von der Versorgungsverwaltung auszustellenden Bescheinigung, „die eine Äußerung darüber enthält, ob die Behinderung zu einer dauerhaften Einbuße der körperlichen Beweglichkeit geführt hat oder auf einer typischen Berufskrankheit beruht” (§ 65 Abs 1 Nr 2 Buchst a EStDV).
Die Gleichstellung (leicht) Behinderter mit einem GdB von weniger als 50, aber wenigstens 30 mit Schwerbehinderten soll nach § 2 Abs 1 Satz 1 SchwbG „aufgrund einer Feststellung nach § 4” erfolgen. Daraus wird zum Teil entnommen, das – für die Gleichstellung nach § 33 Abs 1 Nr 5 SchwbG zuständige – Arbeitsamt sei im Gleichstellungsverfahren nicht nur an den von der Versorgungsverwaltung festgestellten GdB gebunden, sondern auch an die Feststellung über das „Vorliegen einer Behinderung” (so Cramer, SchwbG, 5. Aufl 1998, § 2 Rz 8; Behrend, AiB 1992, 310, 313 und wohl auch Rieß, br 1991, 49, 51). Die Praxis der Arbeitsämter und der sozialgerichtlichen Rechtsprechung folgt dieser Auffassung zu Recht nicht (ebenso offenbar Wiegand, SchwbG, Stand 1986, § 2 Rz 4; Weber, SchwbG, Stand 1996, § 2 Anm 1 und Neumann/Pahlen, SchwbG, 8. Aufl 1992, § 2 Rz 8; vgl zur Beweiserhebung über weitere gesundheitliche Leiden im sozialgerichtlichen Verfahren LSG Berlin, Urteil vom 29. September 1993 – L 10 Ar 86/92 – E-LSG Ar 0-49). Zwar kann das Arbeitsamt ohne eine Entscheidung der Versorgungsverwaltung über einen GdB von mindestens 30 einen Behinderten nicht gleichstellen, mag auch eine Behinderung geringeren Grades seinen Arbeitsplatz offensichtlich und schwerwiegend gefährden. Ist aber ein GdB von mindestens 30 festgestellt, so wird das Arbeitsamt stets sämtliche im Zeitpunkt seiner Entscheidung beim Antragsteller vorliegenden gesundheitlichen Leiden mit den daraus für das Arbeitsleben folgenden Einschränkungen zu berücksichtigen haben, auch wenn sie im Feststellungsbescheid der Versorgungsverwaltung nach § 4 Abs 1 Satz 1 SchwbG nicht aufgeführt sind. Allein das entspricht dem finalen Charakter des SchwbG. Nur solange – unter der Herrschaft des Schwerbeschädigtengesetzes – schädigungsfremde Leiden nicht zur Gleichstellung führen konnten, war es notwendig, aus der Gesamtheit gesundheitlicher Störungen diejenigen als berücksichtigungsfähig zu isolieren, die bestimmte Ursachen hatten und die deshalb durch verbindliche Entscheidungen nach dem BVG, dem Bundesentschädigungsgesetz oder nach dem Recht der gesetzlichen Unfallversicherung als Schädigungsfolgen (Verletzungsfolgen) anerkannt waren.
Von diesem Verständnis ist man auch bei Abschluß des Einigungsvertrages (EinigVtr) ausgegangen. Danach galten im Rahmen des § 4 Abs 1 SchwbG – längstens bis zum 31. Dezember 1993 – in der DDR erteilte Beschädigtenausweise der Stufe I „als Feststellungen über das Vorliegen einer Behinderung und den Grad der Behinderung von 30” (EinigVtr Anlage I Kapitel VIII Sachgebiet E Abschnitt III Nr 1 Buchst a≫ aa≫). Sie eröffneten damit die Möglichkeit zur Gleichstellung nach § 2 SchwbG, ohne daß eine Aussage über die gesundheitlichen Verhältnisse des Antragstellers vorlag. Denn die Beschädigtenausweise der DDR enthielten keine Angaben zur Behinderung. Zwar waren vor der Entscheidung über die Anerkennung als Behinderter „Art und Umfang der Beschädigung durch Fachärzte, erforderlichenfalls nach kollektiver Beratung, festzustellen” (§ 2 Abs 1 Satz 1 der Anordnung über die Anerkennung als Beschädigte und Ausgabe von Beschädigtenausweisen ≪GBl 1971 II Nr 56, S 493≫). Auf dem Ausweis waren aber nur die persönlichen Daten des Inhabers, die Gültigkeitsdauer und die ausstellende Behörde angegeben sowie ein Hinweis auf die dem Beschädigten zustehenden Vergünstigungen (vgl Anlage 1 zu § 3 der Anordnung Nr 2 über die Anerkennung als Beschädigte und Ausgabe von Beschädigtenausweisen ≪GBl 1979 I Nr 33, S 315≫).
Die vom Senat vertretene Auslegung des § 4 Abs 1 Satz 1 SchwbG widerspricht auch nicht dessen Wortlaut. Das LSG hat zu Unrecht angenommen, der Wortlaut sei eindeutig und führe zwangsläufig zu dem vom Berufungsgericht gefundenen Ergebnis. Der Wortlaut läßt sich auch anders deuten: Festzustellen ist nicht, wie ein Antragsteller behindert ist, welche Auswirkungen also die bei ihm vorliegenden Funktionsbeeinträchtigungen insgesamt haben, festzustellen ist lediglich, daß eine (unbenannte) Behinderung als denknotwendige Voraussetzung für die Feststellung ihres Grades besteht. Der vollständige und einzig erforderliche Verfügungssatz eines Bescheides nach § 4 Abs 1 Satz 1 SchwbG könnte danach im Fall der Klägerin wie folgt lauten: Bei Ihnen wird eine Behinderung mit einem Grad von 70 festgestellt.
Führt die isolierte Feststellung einzelner Gesundheitsstörungen oder Funktionsbeeinträchtigungen – wie ausgeführt – zu keinen wirtschaftlichen oder rechtlichen Vorteilen für den Behinderten, so ist die auf Verurteilung zu einer solchen Feststellung gerichtete Klage unzulässig. Dies muß in jeder Lage des Rechtsstreits von Amts wegen beachtet werden, so daß das Revisionsgericht – wie hier – eine zusprechende Entscheidung allein wegen des zwischenzeitlich eingetretenen Wegfalls des Rechtsschutzbedürfnisses aufheben und die Klage, soweit über sie noch nicht rechtskräftig entschieden ist, abweisen muß (vgl dazu Meyer-Ladewig, RdNr 13 vor § 51; BSGE 2, 225, 226 f; 10, 218, 129).
Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 Sozialgerichtsgesetz.
Fundstellen