Leitsatz (redaktionell)
Der Beweis des ersten Anscheins ist nur bei typischen Geschehensabläufen, dh nur in Fällen möglich, in denen ein gewisser Tatbestand feststeht, der nach der Lebenserfahrung auf eine bestimmte Ursache oder einen bestimmten Ablauf hinweist. Der Beweis des ersten Anscheins ist aber ausgeschlossen, wenn für einen Geschehensablauf mehrere Möglichkeiten in Betracht zu ziehen sind, mag davon auch eine wahrscheinlicher sein als die andere.
Im sozialgerichtlichen Verfahren gibt es nicht den Grundsatz, daß im Zweifelsfalle diejenige Möglichkeit als ausreichend bewiesen anzusehen wäre, die am meisten Aussicht auf Verwirklichung des erhobenen Anspruchs bietet.
Normenkette
SGG § 128 Abs. 1 S. 1 Fassung: 1953-09-03
Tenor
Auf die Revision des Beklagten wird das Urteil des Schleswig-Holsteinischen Landessozialgerichts vom 18. Januar 1962 aufgehoben und die Sache zur erneuten Entscheidung an dieses Gericht zurückverwiesen.
Die Kostenentscheidung bleibt dem abschließenden Urteil vorbehalten.
Von Rechts wegen.
Gründe
Die Klägerin ist die Witwe des am 19. April 1945 verstorbenen Landwirts und Bauunternehmers A (im folgenden kurz mit A. bezeichnet), der von März 1943 bis Ende des Jahres 1944 als Vorarbeiter zu Aufräumungs- und Wiederaufbauarbeiten in den Hydrierwerken P bei S verpflichtet war. Nachdem die Klägerin ständigen Aufenthalt in der Bundesrepublik genommen hatte, beantragte sie im April 1958 die Gewährung einer Witwenrente mit der Begründung, der Tod ihres Mannes sei auf Erkrankungen während der erwähnten Dienstleistung zurückzuführen. Dieser Antrag wurde durch Bescheid vom 10. Dezember 1958 abgelehnt, weil A. im wesentlichen die gleiche Tätigkeit verrichtet habe wie vorher und die Lungentuberkulose mit dieser Dienstleistung auch nicht in ursächlichem Zusammenhang gestanden habe. Der Widerspruch hatte keinen Erfolg. Die Klage wurde durch Urteil des Sozialgerichts (SG) Lübeck vom 20. November 1959 mit der Begründung abgewiesen, daß eine Notdienstverpflichtung nicht erwiesen und der Tod auch nicht auf eine unmittelbare Kriegseinwirkung im Sinne des § 5 Abs. 1 Buchst. d des Bundesversorgungsgesetzes (BVG) zurückzuführen sei. Nach der Vernehmung weiterer Zeugen, vor allem zur Klärung der Frage, von welcher Stelle A. eingesetzt worden ist und ob eine Einberufung durch den Landrat auf Grund der Notdienstverordnung vorgelegen hat, verurteilte das Landessozialgericht (LSG) durch Urteil vom 18. Januar 1962 den Beklagten zur Zahlung der Witwenrente. Das LSG führte aus, eine Versorgung könne nur gewährt werden, wenn A. Dienst auf Grund der Dritten Verordnung zur Sicherstellung des Kräftebedarfs für Aufgaben von besonderer staatspolitischer Bedeutung (Notdienstverordnung) vom 15. Oktober 1938 geleistet habe (§ 3 Abs. 1 Buchst. k BVG), für dessen Anordnung in den Landkreisen allein der Landrat zuständig gewesen sei. Die Voraussetzungen einer militärähnlichen Dienstleistung im Sinne des § 3 BVG würden nicht erfüllt durch eine Dienstverpflichtung des Arbeitsamts (vgl. BSG 6, 129), das nur für Arbeitnehmer zuständig gewesen sei, und auch nicht durch eine Einberufung der Gauhandwerkskammer oder einer ähnlichen Körperschaft des öffentlichen Rechts (vgl. Urt. des 10. Senats des BSG vom 13.5.1958 - 10 RV 216/56 -). Nach der Meinung der Klägerin und ihrer Stiefschwester sei die Arbeitsverpflichtung von der Kreishandwerkerschaft ausgesprochen worden, nach der Aussage der Zeugin P seien Handwerker auf Veranlassung der Gauhandwerkskammer durch die Kreishandwerkerschaft herangezogen worden, nach Ansicht des Zeugen G sei A. auf Vorschlag der Handwerkerschaft wahrscheinlich vom Arbeitsamt verpflichtet worden und nach den Angaben des Zeugen P seien selbständige Handwerker auf Grund der Notdienstverordnung von der Kreishandwerkerschaft in Zusammenarbeit mit der Deutschen Arbeitsfront eingesetzt worden, die auch den Verpflichtungsbescheid zugestellt hätten. Das LSG meinte, danach könne nicht mit Sicherheit festgestellt werden, ob A. vom Landrat oder mit seiner Ermächtigung von der Kreishandwerkerschaft zur Dienstleistung auf Grund der Notdienstverordnung aufgefordert oder vielleicht sogar von einer unzuständigen Stelle verpflichtet worden sei. Jedoch sei hier davon auszugehen, daß A. auf Grund der Notdienstverordnung durch den Landrat verpflichtet worden sei. Zugunsten der Klägerin, die keine entsprechenden Unterlagen mehr habe und der die Beweisführung erschwert sei, müsse angenommen werden, daß bei A. die gesetzmäßigen Voraussetzungen für die Dienstverpflichtung von Handwerkern beachtet worden seien. Insbesondere auf Grund der Aussage des Zeugen P bestehe kein Zweifel darüber, daß die Arbeitsämter nur für die Dienstverpflichtung von Arbeitnehmern, aber nicht von selbständigen Handwerkern zuständig gewesen und Handwerker grundsätzlich nach der Notdienstverordnung verpflichtet worden seien. Wenn nach Meinung dieses Zeugen die Handwerker von der Kreishandwerkerschaft eingesetzt worden seien, so sei dies mit der den Landräten vorbehaltenen Zuständigkeit nicht vereinbar gewesen. Offenbar habe der Zeuge die Mitwirkung der Handwerkerschaft bei der Beratung des Landrats und die von diesem ausgesprochene Notdienstverpflichtung nicht genügend auseinandergehalten. Bei einem so langfristigen Einsatz wie im vorliegenden Fall sei anzunehmen, daß das Verfahren nach der Notdienstverordnung schon im Interesse des Betroffenen eingehalten worden sei (vgl. Scholmann, Der Beweis des ersten Anscheins in der Sozialgerichtsbarkeit, KOV 1961, 220). Eine freiwillige Dienstleistung scheide aus; denn nach der Aussage des Zeugen P hätten Handwerker sich erfahrungsgemäß nicht freiwillig für den Notdienst zur Verfügung gestellt, und nach den glaubhaften Angaben der Klägerin hätte sich ihr Ehemann bei seinem Alter nicht freiwillig für längere Zeit außerhalb seines Wohnortes im kriegsgefährdeten Bereich zu einem Leben in Baracken und unter militärähnlichen Umständen bereitgefunden. Dies alles rechtfertige die Feststellung, daß A. Dienst auf Grund der Notdienstverordnung und damit militärähnlichen Dienst im Sinne des § 3 Abs. 1 Buchst. k BVG geleistet habe. Unter Berücksichtigung der in dem Gutachten des Medizinalrates Dr. Dr. H dargelegten Umstände müsse die Lungentuberkulose, die zum Tode des A. geführt habe, auf eine Lungenentzündung tuberkulöser Art in besonders aggressiver Form zurückgeführt werden, die sich A. während des auf Grund der Notdienstverordnung geleisteten Dienstes zugezogen habe. Die Revision wurde zugelassen, weil die Bejahung der Notdienstverpflichtung auf die Erwägung gestützt sei, daß grundsätzlich von einem gesetzmäßigen Handeln der Verwaltung auszugehen sei.
Der Beklagte hat gegen dieses Urteil am 18. April 1962 Revision eingelegt. Er beantragt,
das Urteil des LSG vom 18. Januar 1962 aufzuheben und die Klage abzuweisen;
hilfsweise,
die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Schleswig-Holsteinische LSG zurückzuverweisen.
In der Revisionsbegründung vom 8. Juni 1962, beim Bundessozialgericht (BSG) eingegangen am 9. Juni 1962, rügt der Beklagte Verstöße gegen § 128 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) und § 1 Abs. 3 BVG. Er meint, es habe nicht bewiesen werden können, daß A. auf Grund der Notdienstverordnung durch den Landrat verpflichtet worden sei. Offengeblieben sei die Frage, ob nicht doch eine Dienstverpflichtung durch das Arbeitsamt oder ob überhaupt eine förmliche Verpflichtung vorgelegen habe. Möglich sei auch, daß A. durch die Kreishandwerkerschaft einberufen worden sei, die zu Dienstverpflichtungen gesetzlich nicht ermächtigt war und deren "Verpflichtungsbescheid" daher rechtlich ohne Bedeutung gewesen wäre. Der Zeuge P habe im übrigen nur von der Zustellung (nicht von der Ausstellung) des Verpflichtungsbescheids durch die Kreishandwerkerschaft gesprochen. Die Annahme, er habe dabei nicht genügend unterschieden zwischen der Beratung des Landrats durch die Kreishandwerkerschaft und der Zuständigkeit des Landrats für die dann auszusprechende Dienstverpflichtung, entbehre der Begründung, zumal der Zeuge am meisten sachkundig und zu einer solchen Unterscheidung in der Lage gewesen sei. Mindestens hätte das LSG diesen Zeugen nochmals hören müssen. Es fehle somit an einer für die Urteilsfindung ausreichenden Grundlage. Die Voraussetzungen für den Beweis des ersten Anscheins seien nicht gegeben gewesen. Wenn die Behörden einschließlich der Kreishandwerkerschaft nach allgemeiner Erfahrung auch gesetzmäßig handeln, so könne dies jedoch nicht für die Verhältnisse im Jahre 1943 gelten, unter denen Willkür geherrscht habe. Der Beweis des ersten Anscheins sei in der Sozialgerichtsbarkeit auch nicht zulässig, vielmehr müßten die den Anspruch begründenden Tatsachen nach § 1 Abs. 3 BVG mindestens wahrscheinlich sein (vgl. Urt. des 9. Senats des BSG vom 17.9.1957 - 9 RV 746/55 - auszugsweise abgedruckt in "Die Kriegsopferversorgung" 1958, 119, 120). Außerdem bedürfe es zur Entscheidung der Frage, ob A. auf Grund der Notdienstverordnung durch den Landrat verpflichtet worden sei, des vollen Beweises, da es sich insoweit um Rechtsverhältnisse außerhalb der im Versorgungsrecht angeführten Tatbestände handele (vgl. Urt. des Bayer. LSG vom 19.11.1954, Breithaupt 1955, 535 ff; Buresch "Wahrscheinlichkeit und Möglichkeit" in "Die allgemeine Ortskrankenkasse" 1955, 100 ff). Da dieser Beweis nicht habe erbracht werden können und alle Beweismöglichkeiten erschöpft seien, müsse das angefochtene Urteil aufgehoben werden.
Die Klägerin beantragt,
die Revision als unbegründet zurückzuweisen und dem Beklagten die Erstattung der außergerichtlichen Kosten aufzuerlegen.
Sie hält das angefochtene Urteil aus den vom LSG angeführten Gründen für zutreffend.
Die Revision ist durch die Zulassung des LSG nach § 162 Abs. 1 Nr. 1 SGG statthaft. Zwar kann zweifelhaft sein, ob sie aus den vom LSG angeführten Gründen zuzulassen war, insbesondere ob es sich dabei um eine Rechtsfrage und nicht nur um eine Frage der tatsächlichen Feststellung handelt. Jedoch ist das Revisionsgericht an den Zulassungsausspruch gebunden, da er nicht offensichtlich gegen das Gesetz verstößt (BSG 6, 70; 10, 240, 269). Die sonach statthafte Revision ist auch form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden (§§ 164, 166 SGG); sie ist daher zulässig. Die Revision ist auch begründet.
Nach den §§ 1 Abs. 5, 38 Abs. 1 BVG hat die Witwe Anspruch auf Versorgung, wenn ihr Ehemann an den Folgen einer Schädigung gestorben ist, die er durch eine militärische oder militärähnliche Dienstverrichtung oder durch die diesem Dienst eigentümlichen Verhältnisse erlitten hat (vgl. § 1 Abs. 1 BVG). Militärischer Dienst (§ 2 BVG) hat zweifellos nicht vorgelegen. Die Klägerin könnte daher eine Witwenrente nur erhalten, wenn die Dienstleistung ihres Ehemannes in Pölitz, auf welche die für dessen Tod ursächliche Erkrankung zurückgeführt wird, als militärähnlicher Dienst im Sinne des § 1 Abs. 1 BVG anzusehen wäre. Als militärähnlicher Dienst im Sinne dieser Vorschrift gilt u. a. nach § 3 Abs. 1 Buchst. k BVG der Dienst auf Grund der Dritten Verordnung zur Sicherung des Kräftebedarfs für Aufgaben von besonderer staatspolitischer Bedeutung (Notdienstverordnung) vom 15. Oktober 1938 (RGBl I 1441). Das LSG hat diese Voraussetzung bejaht, weil Handwerker nach seiner Meinung nur auf Grund der Notdienstverordnung zum Arbeitseinsatz hätten herangezogen werden können und daher unter Berücksichtigung eines gesetzmäßigen Verhaltens der Behörde im vorliegenden Falle eine Dienstleistung auf Grund der Notdienstverordnung angenommen werden müsse, die in Landkreisen nur vom Landrat habe angeordnet werden können. Unter Hinweis auf Ausführungen von Scholmann über den Beweis des ersten Anscheins in der Sozialgerichtsbarkeit hat das LSG ausgeführt, ein so langfristiger Einsatz wie bei A. rechtfertige die Annahme, daß den gesetzmäßigen Voraussetzungen der Notdienstverordnung entsprochen worden sei, daß also die Dienstleistung auf Grund dieser Verordnung vom Landrat angeordnet gewesen sein müsse, zumal nach den Erklärungen des Zeugen P und der Klägerin eine freiwillige Dienstleistung oder eine Dienstverpflichtung durch das Arbeitsamt, das nicht für selbständige Handwerker, sondern nur für Arbeitnehmer zuständig gewesen sei, nicht anzunehmen sei. Nach diesen Ausführungen hat das LSG sich seine Überzeugung nicht auf Grund des ersten Anscheins, sondern auf Grund einer Würdigung der erhobenen Beweise gebildet.
Aus diesem Grunde braucht nicht erörtert zu werden, ob der Beweis des ersten Anscheins überhaupt zulässig gewesen wäre und ob die Ausführungen zu dem in der Revisionsbegründung erwähnten Urteil des BSG zutreffen. Abgesehen davon haben die Voraussetzungen für den Beweis des ersten Anscheins nicht vorgelegen. Ein solcher Beweis ist nur bei typischen Geschehensabläufen, d. h. nur in Fällen möglich, in denen ein gewisser Tatbestand feststeht, der nach der Lebenserfahrung auf eine bestimmte Ursache oder einen bestimmten Ablauf hinweist (vgl. Baumbach/Lauterbach, ZPO, 26. Auflage, Anhang zu § 282 Anm. 3). Der Beweis des ersten Anscheins ist aber ausgeschlossen, wenn für einen Geschehensablauf mehrere Möglichkeiten in Betracht zu ziehen sind, mag davon auch eine wahrscheinlicher sein als die andere (vgl. BGH Urt. vom 17.2.1964, NJW 1964, 1176). Bei der Beurteilung der Frage, auf welche Weise und von wem der Ehemann der Klägerin zum Arbeitseinsatz herangezogen worden ist, waren aber mindestens vier Möglichkeiten zu berücksichtigen, die in dem Urteil des LSG auch angedeutet sind: Der Arbeitseinsatz auf freiwilliger Grundlage, auf Grund einer Einberufung durch die Gauhandwerkskammer oder Kreishandwerkerschaft (vgl. Urteil des erkennenden Senats vom 13.5.1958 - 10 RV 216/56), auf Grund einer Dienstverpflichtung durch das Arbeitsamt nach der Verordnung zur Sicherung des Kräftebedarfs von besonderer staatspolitischer Bedeutung vom 13. Februar 1939 (RGBl I 206) oder auf Grund der Notdienstverordnung. Wenn der Arbeitseinsatz eines Handwerkers aber nicht ausschließlich auf Grund der Notdienstverordnung möglich war, so konnte allein daraus, daß für Handwerker Dienstverpflichtungen auf Grund der Notdienstverordnung ausgesprochen worden sind, auf erste Sicht nicht zwingend der Schluß gezogen werden, daß der größeren Wahrscheinlichkeit nach im vorliegenden Falle ebenso verfahren worden sein müsse. Der vorliegende Sachverhalt ließ einen Anscheinsbeweis nicht zu, weil es möglich und denkbar ist, daß die Dienstleistung des A. in P auf andere Weise zustande gekommen ist, auch wenn diese weniger wahrscheinlich erscheinen sollte. Das Verfahren des LSG ließe sich auch nicht aus dem Grunde als Anscheinsbeweis rechtfertigen, weil der Klägerin als Flüchtling die Beweisführung erschwert gewesen wäre. Der Sachverhalt ist nach § 103 SGG durch das Gericht von Amts wegen zu klären und das Ergebnis dieser Aufklärung und das sonstige Gesamtergebnis des Verfahrens ist nach § 128 SGG zu würdigen; danach gibt es im sozialgerichtlichen Verfahren nicht den Grundsatz, daß im Zweifelsfalle diejenige Möglichkeit als ausreichend bewiesen anzusehen wäre, die am meisten Aussicht auf Verwirklichung des erhobenen Anspruchs bietet.
Bei der hiernach erforderlichen und vom LSG auch vorgenommenen Würdigung der einzelnen Beweisergebnisse hat das LSG, wie vom Beklagten zutreffend gerügt, das Gesamtergebnis des Verfahrens aber nicht in dem für die Entscheidung erforderlichen Umfang gewürdigt und nicht alle für den Arbeitseinsatz in Betracht kommenden Möglichkeiten berücksichtigt. Es ist davon ausgegangen, daß der Arbeitseinsatz von Handwerkern nur auf Grund der Notdienstverordnung durch den Landrat möglich gewesen wäre und daß dies daher auch bei A. so gewesen sein müsse. Dabei hat das LSG einen freiwilligen Einsatz und entsprechend den Angaben des Zeugen P., daß die Arbeitsämter nur für Arbeitnehmer, aber nicht für selbständige Handwerker zuständig gewesen seien, die in der Regel nur auf Grund der Notdienstverordnung verpflichtet worden wären, auch eine Dienstverpflichtung durch das Arbeitsamt für ausgeschlossen gehalten. Ob diese Annahme richtig ist, was zweifelhaft sein kann, weil die Dienstverpflichtung auf Grund der Verordnung zur Sicherstellung des Kräftebedarf von besonderer staatspolitischer Bedeutung vom 13. Februar 1939 zwar den Arbeitsämtern übertragen, aber keineswegs auf Arbeitnehmer beschränkt war, kann jedoch dahingestellt bleiben. Das LSG hätte sich aber bei der Beweiswürdigung auch mit der Möglichkeit einer Einberufung durch die Gauhandwerkskammer oder die Kreishandwerkerschaft auseinandersetzen müssen, zumal diese Möglichkeit im Urteil erwähnt ist und sowohl die Klägerin als auch verschiedene Zeugen ausdrücklich darauf hingewiesen haben. Nach der Darstellung in dem angefochtenen Urteil haben die Klägerin und ihre Stiefschwester selbst die Meinung geäußert, daß A. von der Kreishandwerkerschaft verpflichtet worden sei; die Zeugin F eine frühere Angestellte des Arbeitsamts S., hat angegeben, daß Handwerker auf Veranlassung der Handwerkskammer S durch die Kreishandwerkerschaft S herangezogen worden seien, und der Zeuge P hat erwähnt, daß die selbständigen Handwerker von der Kreishandwerkerschaft in Zusammenarbeit mit der Deutschen Arbeitsfront eingesetzt worden seien, wobei die Notdienstverordnung zugrunde gelegt und der Verpflichtungsbescheid von der Kreishandwerkerschaft oder der Deutschen Arbeitsfront zugestellt worden sei. Das LSG ist in diesem Zusammenhang nur auf die Aussage dieses Zeugen eingegangen und auf diese auch nur insoweit, als es gemeint hat, dieser Zeuge habe die in der Beratung des Landrats bestehende Mitwirkung der Handwerkerschaft mit der dem Landrat vorbehaltenen Ausstellung des Verpflichtungsbescheides verwechselt. Es hat die Frage eines Arbeitseinsatzes durch die Gauhandwerkskammer oder die Kreishandwerkerschaft überhaupt nicht erörtert, obwohl dies insbesondere auf Grund der Angaben der Klägerin und der Zeugin F unumgänglich notwendig gewesen wäre. Das LSG hat somit das Gesamtergebnis des Verfahrens nicht in dem für die Entscheidung wesentlichen Umfange gewürdigt, wozu um so mehr Anlaß bestanden hätte, als bei einer Betrachtung des Gesamtergebnisses des Verfahrens schon der vom LSG gewählte Ausgangspunkt hätte zweifelhaft erscheinen müssen. Die Beweiswürdigung besteht somit im wesentlichen aus Mutmaßungen und Unterstellungen. Die vom Beklagten gerügte Verletzung des § 128 SGG liegt daher vor.
Die Revision ist schon aus diesem Grunde statthaft nach § 162 Abs. 1 Nr. 2 SGG; sie ist auch begründet. Das angefochtene Urteil beruht auf dem gerügten Verfahrensmangel; denn das LSG hätte möglicherweise anders entschieden, wenn es den Ausgangspunkt der Beweiswürdigung nicht verfehlt und die Frage der Einberufung durch die Gauhandwerkskammer oder die Kreishandwerkerschaft im Rahmen der nach § 128 SGG erforderlichen Würdigung des Gesamtergebnisses des Verfahrens auf Grund der oben angeführten Aussagen erörtert hätte. Das angefochtene Urteil war daher mit den ihm zugrunde liegenden Feststellungen aufzuheben.
Da mithin die Feststellungen des LSG mit Erfolg angefochten sind und eine abschließende Beweiswürdigung unter Umständen noch eine Ergänzung der vom LSG erhobenen Beweise erfordert, die dem Revisionsgericht verwehrt ist, konnte der Senat in der Sache selbst nicht entscheiden. Sie war daher zur erneuten Entscheidung an das LSG zurückzuverweisen.
Fundstellen