Verfahrensgang
Nachgehend
Tenor
Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des Hessischen Landessozialgerichts vom 24. Mai 1996 – L 10 Ar 845/95 – aufgehoben und die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Marburg vom 20. Juni 1995 – S 5 Ar 330/94 – zurückgewiesen.
Kosten des Rechtsstreits sind nicht zu erstatten.
Tatbestand
I
Der Kläger begehrt die Gewährung von Arbeitslosenhilfe (Alhi) über den 31. März 1994 hinaus.
Der 1943 geborene Kläger bezog im Anschluß an seine zuletzt vom 1. April bis 31. August 1986 ausgeübte beitragspflichtige Beschäftigung originäre Alhi; zuletzt wurde ihm für die Zeit vom 1. September 1993 bis 31. August 1994 Alhi bewilligt (Bescheid vom 22. September 1993). Mit Bescheid vom 2. März 1994 befristete die Beklagte diese Bewilligung auf die Zeit bis 31. März 1994 und verwies zur Begründung auf § 135a iVm § 242q Abs 5 Arbeitsförderungsgesetz (AFG). Durch das Erste Gesetz zur Umsetzung des Spar-, Konsolidierungs- und Wachstumsprogramms (1. SKWPG) sei die Dauer des Anspruchs auf originäre Alhi auf längstens 312 Tage begrenzt worden. Diese Anspruchsdauer habe der Kläger ausgeschöpft. Ein Anspruch auf Alhi bestehe nach dem 31. März 1994 nicht mehr. Der Widerspruch des Klägers war erfolglos (Widerspruchsbescheid vom 18. Mai 1994).
Das Sozialgericht (SG) hat mit Urteil vom 20. Juni 1995 die Klage abgewiesen. Das Landessozialgericht (LSG) hat mit Urteil vom 24. Mai 1996 das Urteil des SG sowie den Bescheid der Beklagten vom 2. März 1994 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 18. Mai 1994 aufgehoben: Die Übergangsvorschrift des § 242q Abs 10 Nr 2 AFG sei verfassungskonform dahingehend auszulegen, daß der Verbrauch des durch § 135a AFG auf 312 Tage begrenzten Anspruchs auf originäre Alhi gemäß § 110 Satz 1 Nr 1 AFG erst nach dem 31. März 1994 beginne.
Mit der Revision rügt die Beklagte eine Verletzung der §§ 110, 135a und 242q AFG: Durch § 135a AFG idF des 1. SKWPG sei der Anspruch auf originäre Alhi auf 312 Tage begrenzt worden. Nach der Übergangsregelung in § 242q Abs 10 Nr 2 AFG entfalle der Anspruch auf Alhi ab dem 1. April 1994, wenn vorher – wie im Fall des Klägers – 312 Tage Alhi bezogen worden sei. Die neue Anspruchsbegrenzung wirke sich also erst nach einer Übergangszeit von drei Monaten aus. Die anders lautende Interpretation des LSG sei mit dem Sinn und Zweck der Vorschrift nicht vereinbar und auch aus verfassungsrechtlichen Gründen nicht geboten.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des LSG vom 24. Mai 1996 aufzuheben und die Berufung des Klägers gegen das Urteil des SG vom 20. Juni 1995 zurückzuweisen.
Der Kläger beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Er hält das Urteil des LSG sachlich für zutreffend.
Entscheidungsgründe
II
Die Revision der Beklagten ist begründet.
Rechtsgrundlage für die streitige Aufhebung der Bewilligung von Alhi ab 1. April 1994 ist § 48 Abs 1 Satz 1 Sozialgesetzbuch – Verwaltungsverfahren – (SGB X). Danach ist, soweit in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen, die beim Erlaß eines Verwaltungsakts mit Dauerwirkung vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung eintritt, der Verwaltungsakt mit Wirkung für die Zukunft aufzuheben.
Die Bewilligung von Alhi ab 1. September 1993 bis 31. August 1994 mit Bescheid vom 22. September 1993 enthält einen Verwaltungsakt mit Dauerwirkung (vgl BSGE 78, 109, 111 = SozR 3-1300 § 48 Nr 48). Eine wesentliche Änderung iS des § 48 Abs 1 Satz 1 SGB X ist dadurch eingetreten, daß der Kläger über den 31. März 1994 hinaus keinen Anspruch auf Alhi mehr hatte. Dies ergibt sich aus den §§ 135a, 110 Satz 1 Nr 1 Halbsatz 1, 134 Abs 4 Satz 1 Halbsatz 1 und 242q Abs 10 Nr 2 AFG (idF des 1. SKWPG vom 21. Dezember 1993 – BGBl I 2353).
Gemäß § 135a AFG, der am 1. Januar 1994 in Kraft getreten ist (Art 14 des 1. SKWPG), beträgt die Dauer des Anspruchs auf originäre Alhi (§ 134 Abs 1 Satz 1 Nr 4 Buchst b AFG) 312 Tage. Nach § 110 Satz 1 Nr 1 Halbsatz 1 AFG mindert sich die Dauer des Anspruchs auf Arbeitslosengeld (Alg) um Tage, für die der Anspruch auf Alg erfüllt worden ist. Diese Regelung ist gemäß § 134 Abs 1 Halbsatz 1 AFG auf die zeitlich begrenzte Alhi nach § 135a AFG entsprechend anzuwenden (vgl BSG-Urteile vom 29. Januar 1997 – 11 RAr 43/96 – und vom 23. April 1997 – 7 RAr 16/97 –, beide zur Veröffentlichung vorgesehen).
Auf den vorliegenden Fall bezogen bedeutet dies: Der hier umstrittene Anspruch ist – abgesehen von der Übergangsvorschrift des § 242q Abs 10 Nr 2 AFG – am 31. Dezember 1993 durch Erfüllung untergegangen. Denn der Kläger hatte – nach einer vorausgegangenen beitragspflichtigen Beschäftigung von weniger als 360 Kalendertagen (§§ 104 Abs 1 Satz 1 AFG), jedoch mindestens 150 Kalendertagen (§ 134 Abs 1 Satz 1 Nr 4 Buchst b AFG) – schon seit Jahren (ab 1. September 1986) – mit Unterbrechungen – originäre Alhi für mehr als 312 Tage bezogen.
Die Berücksichtigung eines Erfüllungstatbestands iS des § 110 Satz 1 Nr 1 AFG, der schon in der Zeit vor dem 1. Januar bzw 1. April 1994 eingetreten war, wird auch nicht durch die durch das 1. SKWPG eingefügte Übergangsregelung in § 242q Abs 10 Nr 2 AFG ausgeschlossen. Nach § 242q Abs 10 Nr 2 AFG sind § 135a iVm §§ 134 Abs 4 Satz 1, 110 AFG bis zum 31. März 1994 nicht anzuwenden, wenn die Voraussetzungen des Anspruchs auf Alhi für einen Zeitraum zwischen dem 1. Oktober und dem 31. Dezember 1993 vorgelegen haben. Letzteres ist hier der Fall, so daß dem Kläger ein Anspruch auf originäre Alhi bis zum 31. März 1994 zustand und die Beklagte zu Recht die Alhi-Bewilligung ab 1. April 1994 aufgehoben hat.
Wie sowohl der erkennende Senat als auch der 7. Senat des Bundessozialgerichts (BSG) bereits entschieden haben, ist entgegen der Meinung des LSG die Übergangsregelung des § 242q Abs 10 Nr 2 AFG nicht so zu verstehen, daß die Minderung der Dauer des Anspruchs auf originäre Alhi in den Fällen des § 135a AFG erst am 1. April 1994 einsetzen sollte mit der Folge, daß Arbeitslose, die zwischen dem 1. Oktober und dem 31. Dezember 1993 originäre Alhi bezogen haben, die Leistung – ungeachtet der bisherigen Bezugsdauer – über den 31. März 1994 hinaus noch für 312 Tage in Anspruch nehmen könnten. Eine solche Interpretation, die – worauf sich das LSG bezogen hat – teilweise in der Rechtsprechung und Literatur vertreten wird (vgl SG Berlin, info also 1996, 21; LSG Rheinland-Pfalz, E-LSG AR-094; Kärcher in Niesel, Komm zum AFG, 1995, § 135a RdNr 6), widerspricht nicht nur der allgemeinen Zielsetzung des 1. SKWPG, sondern auch dem Willen des Gesetzgebers, wie er in Gesetzesmaterialien zu § 242q Abs 10 AFG zum Ausdruck gekommen ist (vgl BSG-Urteile vom 29. Januar 1997 – 11 RAr 43/96 – und vom 23. April 1997 – 7 RAr 16/97 –).
Der Gesetzgeber verfolgte mit dem 1. SKWPG das allgemeine Ziel, einer deutlich verschlechterten Wirtschaftsentwicklung und den damit verbundenen Mehrbelastungen der öffentlichen Haushalte möglichst umgehend Rechnung zu tragen. Er sah sich zu sofortigen Sparmaßnahmen veranlaßt, in die auch solche Rechtspositionen und Ansprüche einbezogen werden sollten, die bereits vor Inkrafttreten des Gesetzes entstanden waren (BT-Drucks 12/5502 S 1, 19, 22; vgl BSG-Urteile vom 29. Januar 1997 – 11 RAr 43/96 – und vom 23. April 1997 – 7 RAr 16/97 – sowie BSG-Urteil vom 6. März 1997 – 7 RAr 42/96 –, jeweils zur Veröffentlichung vorgesehen). Schon mit dieser allgemeinen Zielsetzung des 1. SKWPG wäre eine Auslegung des § 135a iVm § 242q Abs 10 Nr 2 AFG in dem Sinne, daß eine Minderung der Dauer des Anspruchs auf originäre Alhi erst am 1. April 1994 einsetzen sollte, nicht zu vereinbaren.
Die Gesetzesmaterialien zu der Übergangsregelung des § 242q Abs 10 AFG erhärten diese Auffassung. Danach sollte Arbeitslosen, die bereits vor Inkrafttreten des Gesetzes einen Alhi-Anspruch erworben und während eines bestimmten Zeitraums vor Inkrafttreten des Gesetzes mindestens für einen Tag die Anspruchsvoraussetzungen für die Alhi erfüllt hatten, die Leistung aus Gründen des Vertrauensschutzes für eine dreimonatige Übergangszeit weiter gezahlt werden oder wieder bewilligt werden können, um den Betroffenen zu ermöglichen, sich auf die neue Rechtslage einzustellen und den Sozialhilfeträgern die erforderliche Zeit für die Bearbeitung von Anträgen zu geben (BT-Drucks 12/5502 S 41 zu Nr 61 Abs 10). Obwohl statt der ursprünglich beabsichtigten völligen Abschaffung der originären Alhi letztlich nur deren zeitliche Befristung Gesetz geworden ist und die Übergangsregelung des § 242q Abs 10 AFG aufgrund einer Beschlußempfehlung des Haushaltsausschusses sprachlich neu gefaßt wurde (BT-Drucks 12/5902 S 27 zu Nr 61 Abs 10), sind, wie das BSG bereits ausgeführt hat, keine Anhaltspunkte ersichtlich, daß der dem Gesetzentwurf der Bundesregierung zugrunde liegende Gedanke eines lediglich dreimonatigen Vertrauensschutzes eine Änderung erfahren sollte. Arbeitslose, deren Anspruch auf originäre Alhi nach Maßgabe des § 110 Satz 1 Nr 1 Halbsatz 1 iVm § 134 Abs 4 Satz 1 Halbsatz 1 AFG bereits vor dem 31. März 1994 erschöpft war, sollten ihres Anspruchs bis einschließlich 31. März 1994 nicht verlustig gehen (vgl BSG-Urteile vom 29. Januar 1997 – 11 RAr 43/96 – und vom 23. April 1997 – 7 RAr 16/97 –; ebenso Hennig/Kühl/Heuer/Henke, AFG, Stand April 1997, § 135a RdNr 4).
Wie das BSG ferner schon ausgeführt hat, ist eine anderweitige Auslegung des § 242q Abs 10 Nr 2 AFG auch nicht von Verfassungs wegen geboten (vgl BSG, aaO). Unabhängig von der Frage, ob der Anspruch auf Alhi überhaupt der Eigentumsgarantie des Art 14 Grundgesetz (GG) unterliegt, sind die Vorschriften unter dem Blickwinkel des rechtsstaatlichen Rückwirkungsverbots verfassungsrechtlich an den materiell gleichen bzw jedenfalls keinen strengeren Anforderungen zu messen. Die Befristung des Anspruchs auf originäre Alhi in Verbindung mit der Übergangsregelung in § 242q Abs 10 AFG verstößt nicht gegen das rechtsstaatliche Rückwirkungsverbot. Eine sog echte Rückwirkung (Rückbewirkung von Rechtsfolgen) sieht die Neuregelung nicht vor. Eine echte Rückwirkung liegt nur dann vor, wenn ein Gesetz nachträglich ändernd in bereits abgewickelte, der Vergangenheit angehörende Tatbestände eingreift (BVerfGE 11, 139, 145 f; 23, 12, 32; Maunz/Dürig/Herzog/Scholz, GG, Stand 1996, Art 20 RdNr 68; Jarass/Pieroth, GG, 3. Aufl 1995, Art 20 RdNr 48 mwN). Von einer echten Rückwirkung ist dann auszugehen, wenn der von der Rückwirkung betroffene Tatbestand in der Vergangenheit (dh vor der Verkündung des Gesetzes) nicht nur begonnen hat, sondern bereits abgeschlossen ist. Hier knüpfen die Vorschriften zur Dauer des nunmehr befristeten Anspruchs infolge Erfüllung (§§ 134 Abs 4 Satz 1, 110 AFG) zwar auch an Zeiten vor dem Inkrafttreten des 1. SKWPG an. Auf der Rechtsfolgenseite ist hingegen keine Rückwirkung vorgesehen, weil durch die Übergangsregelung sichergestellt ist, daß sich die Anspruchsdauer sowie deren Minderung auf laufende Leistungsfälle bis zum 31. März 1994 nicht auswirkt und erst nach einer Übergangszeit von drei Monaten seit dem Inkrafttreten des Gesetzes Rechtsfolgen auslöst.
Wie in den genannten Entscheidungen des BSG ferner ausgeführt worden ist, bringt die Neuregelung in §§ 135a, 242q Abs 10 AFG iVm den §§ 134 Abs 4 Satz 1, 110 AFG für laufende Leistungsfälle allerdings eine sog unechte Rückwirkung (tatbestandliche Rückanknüpfung). Eine solche liegt vor, wenn eine Norm auf gegenwärtige, noch nicht abgeschlossene Sachverhalte für die Zukunft einwirkt und damit die betroffene Rechtsposition nachträglich entwertet (BVerfGE 43, 291, 391; 79, 29, 45 f; BFHE 148, 272, 276 f; Jarass/Pieroth, aaO, Art 20 RdNr 49; Maunz/Dürig/Herzog/Scholz, aaO, Art 20 VII RdNr 70). Ein absolutes Verbot unechter Rückwirkung ist dem Rechtsstaatsgrundsatz nicht zu entnehmen. Vielmehr kommt es auf eine Abwägung zwischen dem öffentlichen Interesse an dem Erlaß der Regelung und dem Schutz des Vertrauens des Betroffenen auf den Fortbestand des geltenden Rechts an (BVerfGE 43, 291, 391; 72, 141, 154 f; BSG SozR 3-4100 § 111 Nr 12). Ähnlich wie im Rahmen des Schutzes der eigentumsrechtlich geschützten Rechtspositionen ist danach entscheidend, ob der Eingriff im öffentlichen Interesse unter Berücksichtigung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit gerechtfertigt ist. Dies ist der Fall, wenn der Eingriff zur Erreichung des angestrebten im öffentlichen Interesse liegenden Ziels geeignet und erforderlich ist und die Betroffenen dadurch nicht übermäßig und in für sie unzumutbarer Weise belastet werden (vgl BSG-Urteile vom 29. Januar 1997 – 11 RAr 43/96 – und vom 23. April 1997 – 7 RAr 16/97 – mwN).
Diesen Anforderungen genügt die hier maßgebende Neuregelung. Daran, daß die zeitliche Begrenzung der Dauer des Anspruchs auf originäre Alhi – wie bei der Absenkung der Nettolohnersatzquote beim Unterhaltsgeld (vgl dazu BSGE 76, 162, 173 f = SozR 3-4100 § 112 Nr 22), beim Übergangsgeld (BSG-Urteil vom 27. Juni 1996 – 11 RAr 97/95 –, zur Veröffentlichung vorgesehen), beim Alg (BSG SozR 3-4100 § 111 Nr 12; BSGE 78, 201, 203 ff = SozR 3-4100 § 111 Nr 13) und bei der Alhi (BSG-Urteil vom 31. Oktober 1996 – 11 RAr 27/96 –, unveröffentlicht) – geeignet und erforderlich war, durch entsprechende Ausgabenverminderung zur Konsolidierung der prekären finanziellen Situation der öffentlichen Haushalte beizutragen, kann kein Zweifel bestehen. Sie führt aber auch nicht zu einer für die Betroffenen übermäßigen und unzumutbaren Belastung. Insbesondere ist, was schon im Gesetzgebungsverfahren hervorgehoben wurde, der Lebensunterhalt der Betroffenen trotz der Neuregelung weiterhin gesichert, wenn auch nur noch durch (gegebenenfalls niedrigere) Leistungen nach dem Bundessozialhilfegesetz (BT-Drucks 12/5502 S 40 zu Nr 61). Insoweit ist die Neuregelung zwar mit einem Wechsel in ein anderes Sozialleistungssystem verbunden; doch wurde keinem Betroffenen das Existenzminimum entzogen. Dabei ist außerdem zusätzlich zu berücksichtigen, daß die Betroffenen sich aufgrund der dreimonatigen Übergangsregelung auf die geänderte Rechtslage in ausreichendem Maße einstellen, insbesondere Sozialhilfe beantragen konnten und sich nicht mit einer sofortigen Entwertung ihrer bisherigen Rechtsposition konfrontiert sahen (BSG-Urteile vom 29. Januar 1997 – 11 RAr 43/96 – und vom 23. April 1997 – 7 RAr 16/97 – mwN; vgl auch BSG SozR 3-5870 § 1 Nrn 6 und 11 mwN).
Schließlich enthalten die durch das 1. SKWPG eingefügten Neuregelungen keinen Verstoß gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz (Art 3 Abs 1 GG). Auch wenn man bei dessen Prüfung mit der neueren Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zwischen einer großzügigen und einer strengen Prüfung unterscheidet und den strengeren Maßstab anlegt, wenn verschiedene Personengruppen und nicht nur verschiedene Sachverhalte unterschiedlich behandelt werden (vgl BVerfGE 55, 72, 88; 89, 365, 375; 92, 53, 71 = SozR 3-2200 § 385 Nr 6), läßt sich hier kein entsprechender Verstoß feststellen. Zwar stehen die Bezieher von originärer Alhi schlechter da als die Bezieher von Anschluß-Alhi, weil deren Anspruch – abgesehen von der Altersgrenze (§ 134 Abs 4 Satz 1 Halbsatz 1 iVm § 100 Abs 2 AFG) – keiner zeitlichen Begrenzung unterliegt. Die Bevorzugung der Empfänger von Anschluß-Alhi ist jedoch sachlich gerechtfertigt, weil ihr Anspruch an eine Versicherungsleistung anschließt (vgl die Überschrift des Ersten Unterabschnitts des Vierten Abschnitts des AFG), die eine beitragspflichtige Beschäftigung von mindestens 360 Kalendertagen voraussetzt (§§ 100 Abs 1, 104 Abs 1 Satz 1 AFG). Demgegenüber knüpft der Anspruch auf originäre Alhi an Beschäftigungszeiten an, die für einen Anspruch auf Alg nicht ausreichen. Dieser fehlende Bezug zur eigentlichen Arbeitslosenversicherung rechtfertigt es, den Anspruch auf originäre Alhi mit einer dreimonatigen Übergangsregelung für „Altfälle” im Sinn einer für die Ordnung von Massenerscheinungen erlaubten Typisierung (vgl BVerfGE 90, 226, 239 = SozR 3-4100 § 111 Nr 6 mwN; BVerfG in SozR 3-4100 § 136 Nr 5) auf 312 Tage zu befristen.
Der Einwand des Klägers, das bei der Bundesanstalt für Arbeit zu erwartende Defizit resultiere weitestgehend aus sog Fremdlasten, die durch Steuern oder allgemeine Abgaben, jedoch keinesfalls durch eine Befristung der originären Alhi, hätten finanziert werden müssen, geht schon deshalb fehl, weil die Kosten der Alhi gemäß § 188 AFG ausschließlich vom Bund getragen, dh aus Steuermitteln finanziert werden. Im übrigen hat das BSG bereits mehrfach entschieden, daß der Gesetzgeber angesichts der historisch einmaligen Aufgabe der Wiederherstellung der Einheit Deutschlands bei der Suche nach Problemlösungen einen weiten Gestaltungsspielraum besaß und seine Kompetenzen insoweit nicht überschritten hat (vgl BSGE 78, 201, 203 ff = SozR 3-4100 § 111 Nr 13). Insoweit gilt hier nichts anderes (ebenso BSG-Urteil vom 23. April 1997 – 7 RAr 16/97 – mwN).
Eine Verfassungswidrigkeit kann der Kläger auch nicht mit Erfolg darauf stützen, daß der Gesetzgeber für die Neuregelung die Zustimmung des Bundesrates benötigt hätte. Denn es bedarf keiner Zustimmung des Bundesrates. Die öffentliche Fürsorge und die Sozialversicherung einschließlich der Arbeitslosenversicherung gehören gemäß Art 74 Abs 1 Nr 7 bzw Nr 12 GG zum Bereich der konkurrierenden Gesetzgebung, in dem der Bund das Gesetzgebungsrecht hat (vgl Art 72 Abs 2 GG) und grundsätzlich keine Zustimmungsbedürftigkeit gegeben ist (vgl im übrigen zur Aufgabenverteilung im Finanzwesen Art 104a GG). Auch die weiteren verfassungsrechtlichen Bedenken des Klägers, wonach der Gesetzgeber unzulässigerweise mit der Befristung eines originären Alhi-Anspruchs die entsprechenden Kosten auf den kommunalen Sozialhilfeträger verlagert habe, greifen nicht durch. Die in Art 28 Abs 2, 3 GG gewährleistete kommunale Selbstverwaltung und finanzielle Eigenverantwortung der Gemeinden wird durch die Neuregelung nicht verletzt. Es handelt sich insoweit allenfalls um Fragen der Finanzausstattung, wobei die in Art 28 Abs 2 Satz 3 GG bestimmte finanzielle Eigenverantwortlichkeit der Gemeinden nicht als eine Finanzausstattungsgarantie des Bundes zugunsten der Gemeinden zu verstehen ist. Es kann deshalb offenbleiben, ob Art 28 Abs 3 GG überhaupt ein subjektives Forderungsrecht des einzelnen Bürgers entnommen werden kann (vgl Maunz/Dürig/Herzog/Scholz, GG, Stand 1996, Art 28 RdNr 84b, 88; Löwe in von Münch, Komm zum GG, 3. Aufl, Bd 2, Art 28 RdNrn 101 ff mwN; BSG SozR 3-5870 § 1 Nrn 6 und 11). Im übrigen ist die aus der Leistungskürzung folgende Mehrbelastung für die Gemeinden als Sozialhilfeträger vom Gesetzgeber, wie sich aus den Gesetzesmaterialien ergibt, ausdrücklich angesprochen und gesehen worden (BT-Drucks 12/5502 S 21 zu I 3).
Als Prüfungsmaßstab kommt schließlich auch nicht die vom Kläger zitierte Regelung des Art 120 Abs 1 Satz 4 GG in Betracht. Wenn Art 120 Abs 1 GG neben den Kriegsfolgelasten in Satz 4 die Zuschüsse zu den Lasten der Sozialversicherung als gesonderten, vom Bund zu übernehmenden Ausgabenblock aufzählt, so handelt es sich hier um eine Vorschrift, die nur im Verhältnis von Bund und Ländern gilt (vgl BVerfGE 14, 221, 235; Maunz/Düring/Herzog/Scholz, aaO, Art 120 RdNr 24). Abgesehen davon, daß diese Regelung keinen Anspruch des Bürgers begründet, besagt diese Regelung nichts darüber, in welchem Umfang und für welche Leistungen die Sozialversicherungsträger Zuschüsse verlangen können. Solche Ansprüche können nicht aus Art 120 Abs 1 GG, sondern nur aus den Gesetzen über die Sozialversicherung hergeleitet werden (vgl BVerfGE 14, 221, 235; BSGE 47, 184, 156 ff = SozR 2200 § 389 Nr 1). Nach dem maßgeblichen materiellen Recht leistet der Bund keine „Zuschüsse” zu den Kosten der Alhi, sondern trägt er allein die Kosten der Alhi (§ 188 AFG).
Da der angefochtene Bescheid nach alledem mit der Rechtslage in Einklang steht, war auf die Revision der Beklagten das Urteil des LSG aufzuheben und die Berufung des Klägers gegen das Urteil des SG zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Sozialgerichtsgesetz.
Fundstellen
Haufe-Index 1172893 |
SozSi 1997, 439 |