Leitsatz (amtlich)
Die Anwendung des RVO § 557 Fassung: 1942-12-15 setzt voraus, daß zwischen der strafbaren Handlung und dem Unfall ein ursächlicher Zusammenhang besteht.
Normenkette
RVO § 543 Abs. 1 S. 1 Fassung: 1942-03-09, § 557 Abs. 1 Fassung: 1924-12-15
Tenor
Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des Landessozialgerichts Niedersachsen vom 18. Mai 1965 wird zurückgewiesen.
Die Beklagte hat der Klägerin auch die Kosten des Revisionsverfahrens zu erstatten.
Gründe
I
Die Klägerin ist die Witwe des den Folgen eines Verkehrsunfalls erlegenen Tischlergesellen Gerhard T (T.) aus Schulenburg a. d. Leine. Sie verlangt von der beklagten Norddeutschen Holz-Berufsgenossenschaft Hinterbliebenenrente.
T. wurde von dem Unfall am 25. März 1961 gegen 21 Uhr betroffen. Er befand sich mit seinem Personenkraftwagen (Volkswagen) auf der Heimfahrt nach einem zwölfstündigen Arbeitstag. Er war in einer Tischlerei in Hannover beschäftigt. Die Fahrt zwischen Schulenburg und Hannover legte er regelmäßig in seinem Volkswagen zurück. Mit ihm fuhr meist sein Schwager Willi D, der in derselben Tischlerei arbeitete. T. besaß den Führerschein der Klasse IV. Den Führerschein der Klasse III wollte er erwerben, hatte aber am 3. Januar 1961 die Fahrprüfung dafür nicht bestanden, weil er "in grober Weise die Vorfahrt im Stadtverkehr verletzt" hatte. Mit dem Führerschein der Klasse IV, den er seit Dezember 1951 besaß, hatte er früher ein Goggomobil 250 ccm) gefahren. Am 25. März 1961, einem Sonnabend hatten T. und D von Mittag an bei der Arbeit Schnaps getrunken. T. hatte schätzungsweise 11 Glas genossen. Gegen 19.30 Uhr trat er mit seinem Schwager die Heimfahrt an; sie fuhren zunächst in die D.-straße in Hannover, um einen früheren Arbeitskameraden, der sich am Nachmittag besuchsweise in der Tischlerei aufgehalten und mit ihnen getrunken hatte, nach Hause zu bringen. In dieser Straße kehrten sie in eine Gastwirtschaft ein. T. trank noch zwei, möglicherweise auch drei Glas Schnaps. Gegen 20.15 Uhr setzten sie die Heimfahrt fort. T. saß am Steuer. Hinter dem Ort Pattensen erhöhte er die Geschwindigkeit auf 100 bis 110 km/st. In einer leichten Rechtskurve geriet der Wagen bei dieser Geschwindigkeit auf den linken Grünstreifen, wurde auf den rechten Grünstreifen zurückgeschleudert, streifte zwei Bäume und überschlug sich. T. wurde aus dem Wagen geschleudert und erlitt schwere Kopfverletzungen. D wurde leicht verletzt. Die Auswertung einer um 23.15 Uhr von T. entnommenen Blutprobe durch das Institut für gerichtliche Medizin in Göttingen ergab einen Blutalkoholgehalt von 0,27 0 / 00 , zurückgerechnet auf den Unfallzeitpunkt einen Alkoholwert von mindestens 0,57 0 / 00 . T. erlag seinen Verletzungen um 23.30 Uhr, ohne das Bewußtsein wiedererlangt zu haben. Bei D wurde für die Unfallzeit ein Blutalkoholgehalt von 0,73 0 / 00 errechnet.
Die Beklagte lehnte die Hinterbliebenenansprüche durch Bescheid vom 26. September 1961 mit folgender Begründung ab: Der Unfall könne nach Art und Ausmaß nur durch die Alkoholbeeinflussung T's. verursacht worden sein. Dem Alkoholgenuß sei es zuzuschreiben, daß T. den Wagen gefahren habe, obwohl er nicht im Besitz des erforderlichen Führerscheins gewesen sei. Er sei daher einer Gefahr erlegen, die er durch sein persönliches Verhalten selbst geschaffen habe. Diese Gefahr sei dem versicherten Zurücklegen des Weges von der Arbeitsstätte nicht zuzurechnen.
Mit der Klage gegen diesen Bescheid hat die Klägerin geltend gemacht: Ihr Ehemann sei nicht infolge Alkoholbeeinflussung verunglückt. Es könne lediglich eine Blutalkoholkonzentration von 0,27 0 / 00 als festgestellt angesehen werden, da wegen der schweren Gehirnerschütterung eine Zurückrechnung des Blutalkoholwertes nicht in Betracht komme. Der Begründung versicherungsrechtlicher Ansprüche stehe nicht entgegen, daß ihr Ehemann ohne Führerschein gefahren sei. Er habe lange Zeit schon seinen Volkswagen ohne Führerschein gefahren. Dies habe mit Alkoholgenuß nichts zu tun. Das Sozialgericht Hannover hat der Klage stattgegeben. Es ist der Ansicht, der Versicherungsschutz sei weder durch den Gaststättenaufenthalt beseitigt noch im Zeitpunkt des Unfalls durch den Alkoholgenuß erloschen gewesen; der Unfall sei lediglich auf ein leichtfertiges, den Versicherungsschutz aber nicht ausschließendes Verhalten T's. zurückzuführen.
Während des Berufungsverfahrens hat die Beklagte durch Bescheid vom 7. August 1963 den Entschädigungsanspruch der Klägerin nach § 557 der Reichsversicherungsordnung (RVO) aF versagt und zur Begründung u. a. ausgeführt: Das Fahren ohne Führerschein stelle ein vorsätzliches Vergehen nach § 24 des Straßenverkehrsgesetzes (StrVG) dar. T. habe sich darüber hinweggesetzt und trotz Warnung den Volkswagen selbst gesteuert. Die Umstände, unter denen der Unfall zustande gekommen sei und die zur Gefährdung sowie Verletzung des Mitfahrers D geführt hätten, rechtfertigen die volle Versagung des Schadensersatzes.
Das Landessozialgericht (LSG) hat nach Beweiserhebung über die Fahrfähigkeit und Fahrtüchtigkeit T's. durch Urteil vom 18. Mai 1965 die Berufung zurückgewiesen und den Versagungsbescheid vom 7. August 1963 aufgehoben. Zur Begründung ist u. a. ausgeführt: T. habe zusammen mit seinem Schwager D den Weg nach und von der Arbeitsstätte täglich in seinem Personenkraftwagen zurückgelegt und abwechselnd mit ihm den Wagen gefahren. Das ergebe sich aus den Zeugenbekundungen D. Auf Grund des von Prof. Dr. P zur Frage der Alkoholeinwirkung auf die Fahrtüchtigkeit T's. eingeholten Gutachtens sei von einer Blutalkoholkonzentration von höchstens 0,4 0 / 00 auszugehen. T. sei nach der Aussage des Zeugen D am Unfallabend zunächst unauffällig gefahren, habe insbesondere in einer Gefahrensituation rechtzeitig und richtig reagiert und auch die vorhergehende Kurve vor dem Unfall ohne weiteres geschafft. Zum Unfall beim Durchfahren der nächsten Kurve sei es dann durch menschliches Versagen gekommen. Weder die Straßenbeschaffenheit noch die Witterungsverhältnisse, noch irgendwie von außen her kommende Beeinträchtigungen der Fahrsicherheit hätten den Unfall verursacht. Das menschliche Versagen T's. könne jedoch nicht zum Verlust des Versicherungsschutzes im Zeitpunkt des Unfalls führen. Die durch den Alkoholgenuß bedingte Beeinträchtigung der Fahrtüchtigkeit T's. sei für sich allein betrachtet so geringfügig, daß sie keinesfalls als die rechtlich allein wesentliche Ursache für die Entstehung des Unfalls gewertet werden könne. Es sei nicht festzustellen, daß der Unfall, zu dem Eigensinn, Unbelehrbarkeit und Uneinsichtigkeit geführt hätten, durch den Alkoholgenuß hervorgerufen worden sei. Hierbei könne es sich um die Charaktereigentümlichkeit eines von Natur aus der Belehrung unzugänglichen Mannes gehandelt haben. Darauf deute hin, daß T., obwohl und nachdem er die Fahrprüfung nicht bestanden habe, in vermehrtem Umfang mit seinem Personenkraftwagen selbst gefahren sei. Deshalb habe es den Anschein, daß er eigensinnigerweise seine Fahrfertigkeit erst recht habe unter Beweis stellen wollen. Bei diesem Ergebnis der Beweisaufnahme lasse sich nicht die Schlußfolgerung rechtfertigen, daß die alkoholbedingte Fahrweise als die rechtlich allein wesentliche Unfallursache anzusehen sei. T. habe zwar nicht den erforderlichen Führerschein besessen; er habe aber eine gewisse Fahrpraxis gehabt. Es stehe auf Grund der insoweit glaubhaften Aussage des Zeugen D fest, daß er schon oft selbst gefahren sei. Er habe immerhin seit 1951 den Führerschein der Klasse IV besessen und mit diesem einen Kleinstwagen gefahren. Im übrigen habe sich ihm der Zeuge D als Mitfahrer anvertraut. Das bloße Nichtbesitzen des erforderlichen Führerscheins stelle zwar ein verbotswidriges Verhalten dar, es schließe jedoch den Versicherungsschutz nicht aus. Allerdings habe sich T. leichtsinnig und unvernünftig verhalten und damit eine Gefahr herbeigeführt, der er erlegen sei. Dieses Verhalten könne indessen nicht als eine besondere selbst geschaffene Gefahr gewertet werden, durch die der Versicherungsschutz ausgeschlossen werde (vgl. BSG 6, 164; SozR Nr. 53 zu § 542 RVO aF). So unvernünftig und unsinnig sei T. nicht gefahren, daß sein Verhalten nach der allgemeinen Verkehrsauffassung als die alleinige Ursache des Unfalls in Betracht komme; mindestens seien dadurch die betrieblichen Umstände, die bei der Herbeiführung des Unfalls mitgewirkt hätten, nicht zu bloßen Nebenbedingungen herabgedrückt worden. Der ursächliche Zusammenhang zwischen dem Unfall und der versicherten Tätigkeit (Zurücklegen des Heimweges) sei daher im Zeitpunkt des Unfalls noch gewahrt gewesen. Die Berufung der Beklagten gegen die Aufhebung des Ablehnungsbescheides sei daher unbegründet.
Auch der Versagungsbescheid, der nach § 96 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) Gegenstand des Streitverfahrens geworden sei, bestehe nicht zu Recht. Bei der Ausübung des Ermessens im Sinne des § 557 RVO aF habe der Versicherungsträger zu prüfen, ob die Versagung des Schadensersatzes nach den Umständen des Falles angemessen und billig sei. Dies sei hier nach Lage des Falles zu verneinen. Der Versagungsbescheid beruhe auf einem fehlerhaften Gebrauch des Ermessens und sei daher aufzuheben.
Das LSG hat die Revision zugelassen.
Das Urteil ist der Beklagten am 1. Juli 1965 zugestellt worden. Sie hat gegen das Urteil am 27. Juli 1965 Revision eingelegt und diese am 3. September 1965 folgendermaßen begründet:
Das LSG habe verkannt, daß T. mindestens relativ alkoholbedingt fahruntüchtig gewesen sei. Er habe für sich die Verkehrsgefahr durch Überhöhung der Geschwindigkeit in einem Maße vergrößert, daß dadurch die Lösung vom Unternehmen im Zeitpunkt des Unfalls eingetreten sei. Das LSG habe seine Auffassung maßgeblich auf die Bekundungen des Zeugen D gestützt, dabei aber die Glaubwürdigkeit dieses Zeugen unter Verstoß gegen § 128 Abs. 1 SGG bejaht.
Soweit das LSG die Alkoholbeeinflussung T's. nicht als die allein rechtlich wesentliche Unfallursache gewertet, sie vielmehr lediglich als Mitursache in Betracht gezogen habe, liege ein weiterer Verstoß gegen § 128 Abs. 1 SGG insofern vor, als es das Gutachten des Prof. Dr. P mißverstanden oder übergangen habe. Außer acht gelassen habe das LSG sodann, daß T. die Unfallstrecke wiederholt befahren habe und kein anderer Grund als die Alkoholbeeinflussung für die Entstehung des Unfalls erkennbar sei; weder der Straßenzustand noch die Witterungsverhältnisse, noch auch technische Mängel am Fahrzeug hätten zum Unfall beigetragen. Soweit das LSG die unvernünftige Fahrweise T's. mit dessen Charaktereigentümlichkeit erkläre, seien die Ausführungen unlogisch.
Schließlich habe das LSG die Grundsätze verkannt, die bei der Versagung des Schadensersatzes nach § 557 RVO aF zu beachten seien. Die Gründe, welche das LSG für eine Ermessensüberschreitung bei der Versagung des Schadensersatzes angeführt habe, seien nicht überzeugend.
Die Beklagte beantragt,
unter Aufhebung der Urteile der Vorinstanzen die Klage abzuweisen,
hilfsweise,
den Rechtsstreit zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das LSG zurückzuverweisen.
Die Klägerin beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Sie meint, das angefochtene Urteil lasse keine Mängel bei der Anwendung verfahrensrechtlicher und materiell-rechtlicher Vorschriften erkennen. Den Ausführungen der Entscheidungsgründe des Berufungsurteils sei beizupflichten.
II
Die Revision der Beklagten ist zulässig. Sie hatte jedoch keinen Erfolg.
Ob T. am 25. März 1961 bei einer gegen Arbeitsunfall versicherten Tätigkeit verunglückt ist, richtet sich nach § 543 Abs. 1 Satz 1 RVO in der bis zum Inkrafttreten des Unfallversicherungs-Neuregelungsgesetzes (UVNG) vom 30. April 1963 (BGBl I 241) geltenden Fassung - aF - (Art. 4 § 1 UVNG).
Die Auffassung des LSG, T. habe auf der zum Unfall führenden Fahrt nach § 543 Abs. 1 Satz 1 RVO aF unter Versicherungsschutz gestanden, ist frei von Rechtsirrtum. In dem angefochtenen Urteil ist, wie auch die Revision nicht in Zweifel zieht, zu Recht angenommen worden, daß der Versicherungsschutz auf der von der Arbeitsstätte aus angetretenen Fahrt nach einem kurzen Gasthausaufenthalt, den T. unterwegs eingeschoben hatte, fortbestanden hat. Ebenso zutreffend ist in diesem Urteil dargelegt worden, daß T. diesen Versicherungsschutz nicht durch Alkoholbeeinflussung oder durch unvernünftiges, unsinniges Fahren im Zeitpunkt des Unfalls verloren hatte.
Soweit die Alkoholbeeinflussung T's. für die Beurteilung der Unfallursachen von Bedeutung ist, beruht die angefochtene Entscheidung in tatsächlicher Beziehung auf der Feststellung, daß T. zur Unfallzeit eine Blutalkoholkonzentration von höchstens 0,4 0 / 00 aufgewiesen habe und deshalb nicht alkoholbedingt fahruntüchtig gewesen sei. Diese Feststellung hat das LSG anhand des Gutachtens des Sachverständigen Prof. Dr. P getroffen. Diesem Gutachten ist es aber nur - von der Revision nicht widersprochen - hinsichtlich des Grades der Blutalkoholkonzentration, nicht dagegen in dem Beweisschluß gefolgt, daß T. bei diesem Blutalkoholgehalt relativ fahruntüchtig gewesen sei, weil er damals über eine nur geringe Fahrpraxis verfügt habe. Hierzu ist das LSG entgegen der Ansicht der Revision nicht auf Grund einer verfahrensrechtlich zu beanstandenden Überzeugungsbildung gelangt. Die auf § 128 Abs. 1 SGG gestützte Revisionsrüge, das LSG habe das Gutachten in den zu diesem Punkte in Betracht kommenden Ausführungen mißverstanden und aus den Unterlagen denkgesetzwidrige Schlüsse gezogen, ist nicht berechtigt. In dem Gutachten sind zur Beurteilung der Alkoholeinwirkung auf die Fahrtüchtigkeit T's. Erwägungen angestellt, welche das LSG aus eigener Sachkunde nachvollziehen konnte, wie es überhaupt in der Lage war, sich anhand der von dem Sachverständigen dargelegten Tatumstände ein eigenes Urteil zu bilden. Es ist daher nicht verfahrensfehlerhaft, daß das LSG abweichend von dem Gutachten des Sachverständigen festgestellt hat, T. habe zur Unfallzeit über eine ausreichende Fahrübung verfügt, sei jedenfalls nicht als Anfängerfahrer zu behandeln, der bereits durch den Genuß einer bloß geringen Menge Alkohols fahruntüchtig geworden sei. Soweit das LSG diese Feststellung auf die Bekundung des Mitfahrers und Schwagers D stützt, rügt die Revision zu Unrecht, das LSG habe mit seinem Beweisschluß die gesetzlichen Grenzen seines Rechts auf freie richterliche Beweiswürdigung überschritten und daher auch insoweit gegen § 128 Abs. 1 SGG verstoßen. Die Ansicht der Revision, das LSG hätte den Aussagen des Zeugen D über die Fahrfähigkeit T's. überhaupt nicht glauben dürfen, weil er sich als unglaubwürdiger Zeuge erwiesen habe, ist nicht schlüssig begründet. Zwar trifft es zu, daß der Zeuge D alsbald nach dem Unfall bewußt der Wahrheit zuwider angegeben hatte, daß er und nicht T. den Kraftwagen auf der zum Unfall führenden Fahrt gesteuert habe; da er dies aber nachgewiesenermaßen in der Absicht getan hat, seinen Schwager, den er bei der Aussage nicht für tödlich verletzt hielt, vor der Strafverfolgung zu bewahren, bestand für das LSG bei der Ausübung seines Beweiswürdigungsrechts kein gesetzliches Hindernis, auf Grund der früheren Zeugenaussage D die Frage, ob sein Schwager über eine den geringen Blutalkoholgehalt von höchstens 0,4 0 / 00 wirkungslos machende Fahrpraxis verfügte, zu bejahen. Das LSG ist sonach bei der Prüfung des Entschädigungsanspruchs von den das Revisionsgericht nach § 163 SGG bindenden Feststellungen ausgegangen, daß T. zur Unfallzeit in einem nur geringen Maße unter Alkoholeinwirkung gestanden hat und daher nicht infolge Alkoholgenusses fahruntüchtig gewesen ist.
Bei diesem Sachverhalt ist es nach Auffassung des erkennenden Senats nicht zu beanstanden, daß das LSG in dem Alkoholgenuß jedenfalls nicht die rechtlich allein wesentliche Ursache des Unfalls gesehen hat (vgl. BSG 12, 242 ff), das verhängnisvolle schnelle Fahren des eigensinnigen und unbelehrbaren T. vielmehr auf seine Charaktereigenschaften zurückgeführt hat.
Das LSG hat zutreffend den Versicherungsschutz T's. auch nicht unter dem rechtlichen Gesichtspunkt einer selbst geschaffenen Gefahr verneint. Das leichtfertige Verhalten T's. auf der unfallbringenden Fahrt war, wie das LSG mit nicht zu beanstandenden Ausführungen dargelegt hat, nicht geeignet, seinem Handeln die Bedeutung einer besonderen Gefahrerhöhung beizumessen. Nur wenn dies der Fall gewesen wäre, hätte nach den in der Rechtsprechung des erkennenden Senats (SozR Nr. 53 zu § 542 RVO aF) entwickelten Grundsätzen der Versicherungsschutz wegen unvernünftigen Verhaltens T's. in Frage gestellt werden können. Umstände, welche den Hergang des Unfalls in dieser Weise kennzeichnen, sind nicht vorhanden. Das LSG hat die das menschliche Versagen T's. erklärenden Gründe gewürdigt und sorgfältig unter dem Gesichtspunkt ihrer Zurechenbarkeit zum versicherten Zurücklegen der Heimfahrt T's. gewertet. Es hat dabei den inneren Zusammenhang zwischen der Unglücksfahrt und der vorangegangenen versicherten Tätigkeit T's. nicht unter Rechtsverstoß bejaht.
Das LSG hat zu Recht auch den Bescheid der Beklagten vom 7. August 1963 über die Versagung des Schadensersatzes nach § 557 RVO aF aufgehoben. Es durfte über diesen Bescheid im vorliegenden Verfahren mitentscheiden. Ob die Voraussetzungen des § 96 Abs. 1 SGG für die Einbeziehung des Versagungsbescheides in das schwebende Berufungsverfahren unmittelbar gegeben sind, kann offenbleiben; auf jeden Fall entspricht es dem Grundgedanken - vor allem dem der Prozeßwirtschaftlichkeit - dieser Vorschrift, einen solchen Bescheid, der mit dem gesamten Prozeßstoff in einem inneren Zusammenhang steht, mit zum Gegenstand des anhängigen Verfahrens zu machen (vgl. BSG 5, 158, 162, 163; 15, 239, 241). Der erkennende Senat hat daher in Übereinstimmung mit dem LSG und der erkennbaren Ansicht der Revision keine Bedenken, jedenfalls in entsprechender Anwendung des § 96 SGG die Klage gegen den Ablehnungsbescheid der Beklagten vom 26. September 1961 auch als gegen deren Versagungsbescheid vom 7. August 1963 gerichtet anzusehen.
Das LSG hat den Versagungsbescheid für rechtswidrig gehalten, weil die Beklagte das ihr nach § 557 Abs. 1 RVO aF eingeräumte Ermessen nicht fehlerfrei ausgeübt habe. Es kann jedoch dahingestellt bleiben, ob dies zutrifft. Denn nach Auffassung des erkennenden Senats ist § 557 RVO aF auf den vorliegenden Streitfall von vornherein nicht anwendbar.
Nach dieser Vorschrift kann der Schadensersatz ganz oder teilweise versagt werden, wenn der Verletzte sich den Unfall beim Begehen einer Handlung zugezogen hat, die nach strafgerichtlichem Urteil ein Verbrechen oder vorsätzliches Vergehen ist. Der Versagungsmöglichkeit steht zwar nicht der Umstand entgegen, daß im vorliegenden Falle eine solche Verurteilung nicht ergehen konnte (§ 557 Abs. 4 RVO aF). Die abweichende Regelung des § 554 RVO idF des UVNG, der im übrigen den gleichen Inhalt hat, findet auf Arbeitsunfälle, die vor dem 1. Juli 1963 eingetreten sind, keine Anwendung (Art. 4 UVNG). Es oblag daher dem LSG die Entscheidung darüber, ob hier eine strafbare Handlung im Sinne der Versagungsvorschrift gegeben ist. Das LSG hat diese Frage stillschweigend bejaht, indem es die nach § 557 RVO aF strafbare Handlung in dem nach § 24 Abs. 1 Nr. 1 StrVG als vorsätzliches Vergehen in Betracht kommenden Fahren ohne Führerschein erblickt hat. Hierbei hat das LSG nach Auffassung des erkennenden Senats jedoch verkannt, daß § 557 RVO aF den ursächlichen, d. h. inneren Zusammenhang zwischen der strafbaren Handlung und dem Unfallgeschehen voraussetzt; das strafbare Verhalten des Verunglückten muß also eine wesentliche Ursache für den Eintritt des Schadens gewesen sein. Der Unfall darf daher nicht nur gelegentlich der strafbaren Handlung eintreten und mit ihr lediglich in einem zeitlichen und örtlichen Zusammenhang stehen (Brackmann, Handbuch der Sozialversicherung, 1.-6. Aufl., Band II S. 597; Lauterbach, Unfallversicherung, 2. Aufl., S. 83 Anm. 1 zu § 557 RVO aF, und 3. Aufl., S. 313 Anm. 3 zu § 554 RVO; Schraeder/Strich, Die deutsche Unfallversicherung, S. 581, Anm. 2 zu § 557 RVO aF; Schulte/Holthausen, Unfallversicherung, Anm. 3 zu § 557 RVO aF; Etmer, Komm. z. UVNG, Stand März 1965, Anm. 4 zu § 554 RVO; Haase/Koch, Komm. z. UVNG, 1963, Anm. 2 zu § 554 RVO; Miesbach/Baumer, Komm. z. UVNG, Anm. 4 zu § 554 RVO; a. A. LSG Baden-Württemberg in Breith. 1963, 395, 396; vgl. auch RVA in EuM 23, 275). Diese Auslegung rechtfertigt schon der Wortlaut des § 557 Abs. 1 RVO aF. Es ist weder der Zweckbestimmung noch dem Sinnzusammenhang der Versagungsvorschrift zu entnehmen, daß dem hierfür entscheidenden Wort "beim" eine andere Bedeutung beigemessen werde, als dieses Wort in § 542 Abs. 1 RVO aF hat; dort bedeutet es unzweifelhaft den inneren Zusammenhang des Unfalls mit einer versicherten Tätigkeit. Dieser nach § 557 RVO aF erforderliche ursächliche Zusammenhang ist zwischen dem Unfall T's. und dem Fahren ohne Führerschein nach Auffassung des erkennenden Senats indessen nicht gegeben.
Nach den insoweit nicht angegriffenen tatsächlichen Feststellungen ereignete sich der Unfall dadurch, daß T. die keine Verkehrsschwierigkeiten bietende Landstraße hinter Pattensen in einer leichten Rechtskurve mit überhöhter Geschwindigkeit befuhr. T. war allerdings nicht berechtigt, diese Fahrt am Steuer seines Volkswagens auszuführen, da er die Fahrprüfung für den Erwerb des Führerscheins der Klasse III nicht bestanden hatte. Das Fahren ohne Führerschein erfüllt freilich den Tatbestand des vorsätzlichen Vergehens nach § 24 Abs. 1 Nr. 1 StrVG vom 19. Dezember 1952. Zu den Merkmalen dieses Tatbestandes gehört es jedoch nicht, daß der Fahrer des Kraftfahrzeuges nicht in der Lage ist, dieses ordnungsmäßig zu führen; vielmehr handelt es sich bei dieser Straftat um ein allein an das Nichtbesitzen des Führerscheins geknüpftes Vergehen. Ein ursächlicher Zusammenhang zwischen ihm und den Eintritt des Unfalls besteht nicht. Zu dem Unfall war es nach dem vom LSG festgestellten Sachverhalt nicht dadurch gekommen, daß T. die Fahrprüfung nicht bestanden und demzufolge den Führerschein der Klasse III nicht erhalten hatte, sondern lediglich durch das - keine strafbare Handlung im Sinne des § 557 RVO aF darstellende - schnelle Fahren. Dieses Ergebnis entspricht auch der Regelung des § 542 Abs. 2 RVO aF insofern, als das Fahren ohne Führerschein nicht nur den Tatbestand einer strafbaren Handlung erfüllt, sondern ebenso ein verbotswidriges Verhalten im Sinne dieser Vorschrift ist.
Da nach alledem ein die Entschädigungspflicht der Beklagten begründender Wegeunfall im Sinne des § 543 RVO aF gegeben ist, mußte ihre Revision zurückgewiesen werden (§ 170 Abs. 1 Satz 1 SGG).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Fundstellen