Leitsatz (redaktionell)

Das bei der Regelausbildung zum Volksschullehrer erforderliche sechssemestrige Studium an einer Pädagogischen Hochschule erfüllt nicht die Voraussetzungen einer förderungsfähigen Maßnahme der beruflichen Fortbildung (AFG §§ 41 ff) oder der beruflichen Umschulung (AFG § 47).

 

Orientierungssatz

Zur Frage der Förderung der Ausbildung einer Hausfrau zur Volksschullehrerin als berufliche Umschulung.

 

Normenkette

AFG § 47 Abs. 1 Fassung: 1969-06-25, § 41 Fassung: 1969-06-25

 

Verfahrensgang

Schleswig-Holsteinisches LSG (Entscheidung vom 21.01.1972; Aktenzeichen L 1 Ar 5/71)

SG Itzehoe (Entscheidung vom 14.12.1970; Aktenzeichen S 4 Ar 32/70)

 

Tenor

Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Schleswig-Holsteinischen Landessozialgerichts vom 21. Januar 1972 wird zurückgewiesen.

Kosten des Revisionsverfahrens sind nicht zu erstatten.

 

Tatbestand

Die Klägerin begehrt von der Beklagten die Förderung ihres Studiums an der Pädagogischen Hochschule (PH).

Die 1935 geborene Klägerin studierte von 1956 bis 1961 Psychologie. 1960 heiratete sie. Als sie 1961 ihr zweites Kind erwartete, brach sie das Studium ab. Nachdem ihr drittes Kind eingeschult worden war, beantragte sie im Mai 1970 bei der Beklagten, ihre Ausbildung zur Volksschullehrerin an der PH in K zu fördern.

Diesen Antrag lehnte die Beklagte ab. Das Sozialgericht (SG) hat die Beklagte verurteilt, das Studium der Klägerin zu fördern (Urteil vom 14. Dezember 1970). Das Landessozialgericht (LSG) hat das Urteil des SG aufgehoben und die Klage abgewiesen (Urteil vom 21. Januar 1972). Es hat ausgeführt:

Nach dem Arbeitsförderungsgesetz (AFG) sei nur die herkömmliche betriebliche oder überbetriebliche Lehrlingsausbildung in anerkannten Ausbildungsberufen zu fördern. Zu ihnen gehöre der Beruf der Volksschullehrerin nicht.

Auch als Fortbildung oder Umschulung könnte die Ausbildung der Klägerin im übrigen nicht gefördert werden. Aus § 2 Abs. 1 Satz 2 der Anordnung des Verwaltungsrates der Beklagten über die individuelle Förderung der beruflichen Fortbildung und Umschulung (Anordnung vom 9. September 1971 - AFuU 1971 - ANBA 1971, S. 797 wie auch vom 18. Dezember 1969 - AFuU 1969 - ANBA 1970, S. 85) ergebe sich, daß der Besuch der PH nicht zu den Maßnahmen der beruflichen Fortbildung zu rechnen sei. Überdies habe § 2 Abs. 6 Satz 3 AFuU 1969 hervorgehoben, daß ein Studium nicht gefördert werden könne, das üblicherweise mit einem Hochschulabschluß ende.

Der Besuch der PH erfülle schließlich auch nicht die Voraussetzungen, die an die Förderung einer Umschulungsmaßnahme zu stellen sei. Die berufliche Umschulung setze begrifflich das Vorhandensein einer voraufgegangenen anderen beruflichen Schulung voraus. Die Klägerin habe jedoch bisher nur den Beruf einer Hausfrau ausgeübt und sich einer Ausbildung zu diesem Beruf nicht unterzogen.

Das LSG hat die Revision zugelassen.

Die Klägerin hat Revision eingelegt. Sie trägt vor:

Ihre zehnjährige Tätigkeit als Hausfrau müsse als berufliche Tätigkeit angesehen werden. Daraus folge, daß sie die Voraussetzung einer dreijährigen Berufstätigkeit erfülle, wie dies § 3 Abs. 2 Satz 2 AFuU 1969 fordere.

Sie beantragt,

das angefochtene Urteil aufzuheben und die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Itzehoe vom 14. Dezember 1970 zurückzuweisen.

Die Beklagte beantragt,

die Revision zurückzuweisen.

Sie hält das angefochtene Urteil im Ergebnis für zutreffend.

Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung (§ 124 Abs. 2 Satz 2 Sozialgerichtsgesetz - SGG -) einverstanden erklärt.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist unbegründet. Die Klägerin hat gegen die Beklagte keinen Anspruch auf Förderung ihres Studiums.

Ein Anspruch auf Förderung nach § 40 AFG besteht nicht. Bei der Ausbildung der Klägerin an der PH handelt es sich nicht um eine berufliche Ausbildung in einem Betrieb oder in einer überbetrieblichen Einrichtung, ebenso nicht um einen Grundausbildungs- oder Förderungslehrgang oder um eine andere berufsvorbereitende Maßnahme dieser Art, wie § 40 AFG voraussetzt.

Als Fortbildung ist der Besuch der PH ebenfalls nicht zu fördern, da die Ausbildung zur Lehrerin nicht, wie § 41 Abs. 1 AFG es fordert, eine abgeschlossene Berufsausbildung oder eine angemessene Berufserfahrung voraussetzt.

Ebenso kann die Ausbildung der Klägerin nicht als berufliche Umschulung (§ 57 AFG) gefördert werden. Die Tätigkeit einer Hausfrau ist zwar als "berufliche Tätigkeit" i.S. der Vorschriften über die individuelle Förderung der beruflichen Bildung nach dem AFG anzusehen (BSG Urteil vom 21. Mai 1974 - 7 RAr 33/72 -; Urteil vom 29. August 1974 - 7 RAr 51/73 -). Von diesem Beruf will die Klägerin in den einer Lehrerin überwechseln, also einen anderen Beruf mit neuem Inhalt ergreifen. Damit stellt sich das Studium der Klägerin inhaltlich als eine Maßnahme der Umschulung i.S. des § 47 Abs. 1 AFG dar. Dennoch kann dieses Studium nach dem AFG nicht gefördert werden.

Der geltend gemachte Anspruch scheitert nämlich daran, daß das Studium an der PH der Klägerin noch nicht den Übergang in eine "andere geeignete berufliche Tätigkeit" i.S. von § 47 Abs. 1 AFG ermöglicht. Aus dem in § 47 Abs. 1 AFG umschriebenen Ziel der Umschulungsmaßnahme, "den Übergang in eine andere geeignete berufliche Tätigkeit zu ermöglichen", geht hervor, daß die Maßnahme nicht zu irgendeiner späteren Tätigkeit führen soll. Vielmehr soll sie die berufliche Mobilität und Qualifikation verbessern und damit den Arbeitsuchenden vor Arbeitslosigkeit schützen. Schließlich soll die Maßnahme der Deckung des Bedarfs an geeigneten Arbeitskräften in der durch technischen Fortschritt und Strukturwandel sich ändernden Wirtschaft sichern (vgl. Begründung zum Regierungsentwurf eines AFG, BT-Drucks. V/2291, Teil A III 4 a, S. 54, 55; Schriftlicher Bericht über den Entwurf zu BT-Drucks. V/4110, I 2, S. 3). Dieses doppelte Ziel, den Arbeitsuchenden zu befähigen, auf dem Arbeitsmarkt besser zu bestehen und der Wirtschaft eine qualifiziertere Arbeitskraft zuzuführen, wird jedoch nur erreicht, wenn die Förderungsmaßnahme selbst schon zu einem beruflichen Abschluß führt, der auf dem Arbeitsmarkt unmittelbar verwertbar ist.

Das ist aber bei dem Studium an einer PH nicht der Fall. In allen Ländern der Bundesrepublik kann die Tätigkeit eines Lehrers mit Abschluß des Studiums an einer PH noch nicht aufgenommen werden. Es wird danach noch eine schulpraktische Tätigkeit verlangt, die mit einer weiteren Prüfung abschließt (vgl. die Nachweise in den Urteilen des Senats vom 21. Mai 1974 - 7 RAr 15/72 - und - 7 RAr 33/72 -). Diese Regelung besteht auch im Land Schleswig-Holstein (Verordnung über die Laufbahnen der Lehrer vom 26. August 1965, GVBl Schleswig-Holstein 1965, 57; Landesverordnung über die Laufbahnen der Lehrer idF vom 11. Juli 1969, GVBl Schleswig-Holstein 1969, 170; Landesverordnung zur vorläufigen Verordnung der 1. Staatsprüfung für das Lehramt an Volksschulen, Grund- und Hauptschulen in Schleswig-Holstein vom 2. April 1970, GVBl S. 109).

Erst nach Beendigung des schulpraktischen Vorbereitungsdienstes ist die Ausbildung zum Lehrer beendet. Das bedeutet, daß die Umschulungsmaßnahme, die den Übergang von einem anderen Beruf in den des Volksschullehrers ermöglicht, sich aus dem Studium und der schulpraktischen Tätigkeit zusammensetzt. Sie nimmt in allen Ländern der Bundesrepublik mehr als drei Jahre in Anspruch (vgl. die obigen Nachweise sowie die zitierten Urteile des Senats).

Nach § 6 Abs. 1 Satz 3 AFuU 1969 kann eine Umschulungsmaßnahme nur gefördert werden, wenn sie nicht länger als drei Jahre dauert. Die Anordnungen der Beklagten enthalten als autonome Satzungen verbindliche Rechtsnormen, soweit sie nicht gegen höherrangiges Recht verstoßen. Die in § 6 Abs. 1 Satz 3 AFuU 1969 getroffene Regelung hält sich im Rahmen der dem Verwaltungsrat der Beklagten nach § 39 AFG eingeräumten Regelungsbefugnis (BSG 36, 1).

Das Überschreiten des Zeitrahmens von drei Jahren nimmt der Umschulung insgesamt den Charakter einer förderungsfähigen Maßnahme.

Da das LSG somit im Ergebnis zutreffend entschieden hat, war die Revision der Klägerin zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.

 

Fundstellen

Dokument-Index HI1654018

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