Leitsatz (redaktionell)
Auslegung und Wirkung eines Vergleichs im Hinblick auf die Rechtsverbindlichkeit einer früheren Entscheidung über die Frage des ursächlichen Zusammenhangs gemäß BVG § 85.
Normenkette
BVG § 85 Fassung: 1950-12-20; BGB § 133; SGG § 101 Abs. 1 Fassung: 1953-09-03
Tenor
Die Revision des Beklagten gegen das Urteil des Landessozialgerichts Baden-Württemberg in Stuttgart vom 26. Februar 1960 wird zurückgewiesen.
Der Beklagte hat dem Kläger die außergerichtlichen Kosten des Rechtsstreits zu erstatten.
Von Rechts wegen.
Gründe
Der ... 1919 geborene Kläger leistete von 1940 bis Kriegsende Wehrdienst und befand sich anschließend bis zum 31. März 1948 in russischer Kriegsgefangenschaft. Auf seinen Antrag vom 19. Mai 1948 erkannte die Landesversicherungsanstalt (LVA) Württemberg durch Bescheid vom 14. Oktober 1949 "Narben am linken Oberschenkel nach Durchschuß und Gasbrandinfektion, Verlust des Endgliedes des rechten Mittelfingers, Herzleistungsschwäche nach Dystrophie", hervorgerufen durch schädigende Einwirkungen im Sinne des § 1 Abs. 1 des Gesetzes über Leistungen an Körperbeschädigte (KBLG), als Leistungsgrund an; eine Rente wurde nicht gewährt, weil die durch den angegebenen Leistungsgrund bedingte Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) den gesetzlichen Mindestgrad von 30 v. H. nicht erreiche; ein Herzmuskelschaden liege nach dem vertrauensärztlichen Gutachten im übrigen nicht vor.
Gegen diesen Bescheid legte der Kläger Berufung (nach altem Recht) bei dem Württembergischen Oberversicherungsamt (OVA) ein. Dieses holte das Gutachten der Ärzte Dr. G und Dr. K (Kreiskrankenhaus Böblingen) vom 18. Januar 1951 ein, nach dem Dystrophiefolgen klinisch nicht mehr feststellbar waren, dagegen aber Herzgeräusche und eine Herzverbreiterung des linken Ventrikels vorlagen, die zusammen mit dem EKG-Befund nach der Auffassung der Gutachter für einen während des Wehrdienstes oder der Kriegsgefangenschaft durchlaufenen entzündlichen Prozeß sprachen; die MdE liege unter 20 v. H. Daraufhin erkannte das OVA mit Vorentscheidung vom 1. Februar 1952 unter Abänderung des Bescheides vom 14. Oktober 1949 als weiteren Leistungsgrund "Herzverbreiterung nach links" an; mit seinen weiter geltend gemachten Ansprüchen wurde der Kläger abgewiesen.
Der Kläger - nicht auch der Beklagte - legte gegen diese Vorentscheidung Rekurs beim Landesversicherungsamt (LVAmt) Württemberg-Baden ein, der nach Inkrafttreten des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) als Berufung auf das Landessozialgericht (LSG) Baden-Württemberg überging. Mit seinem Rechtsmittel machte der Kläger eine nicht näher bezeichnete Nervenkrankheit als weitere Schädigungsfolge geltend und vertrat weiterhin die Ansicht, daß eine MdE von weniger als 30 v. H. seinem Leidenszustand nicht gerecht werde; er beantragte, ihm für die Geltungsdauer des KBLG Rente nach einer MdE um 50 v. H. und für die Zeit nach Inkrafttreten des Bundesversorgungsgesetzes (BVG) eine solche um 30 v. H. zu gewähren. Die vom LSG gutachtlich gehörten Prof. Dr. Sp und Dr. W (Innere Klinik des Katharinen-Hospitals Stuttgart) führten in ihrem Gutachten vom 11. Dezember 1954 aus, die Folgen der Dystrophie seien abgeklungen und eine Herzleistungsschwäche bestehe beim Kläger nicht mehr; die noch bestehenden Herzbeschwerden seien psychisch bedingt und ohne Zusammenhang mit den Einwirkungen des Kriegsdienstes und der Kriegsgefangenschaft. Die MdE betrage weiterhin weniger als 20 v. H. Auf Antrag des Klägers holte das LSG dann noch nach § 109 SGG das Gutachten des Internisten Dr. St vom 8. November 1955 ein, der neurozirkulatorische und vegetative Fehlsteuerungen sowie eine leichte Herzmuskelschädigung vor allem des rechten Herzens feststellte, den ursächlichen Zusammenhang mit Wehrdienst und Kriegsgefangenschaft als in hohem Maße wahrscheinlich bejahte, jedoch für die Zeit vom Januar 1951 an das Vorliegen einer meßbaren MdE wegen dieser Störungen verneinte.
Die Beteiligten schlossen daraufhin am 8. März 1956 vor dem LSG einen Vergleich des Inhalts, daß der Beklagte dem Kläger für die im Bescheid vom 14. Oktober 1949 als Leistungsgrund anerkannten Gesundheitsstörungen unter zusätzlicher Anerkennung einer "Herzverbreiterung nach links" als weiteren Leistungsgrund wie folgt Rente gewährte:
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vom 1. Mai |
bis 31. Aug. 1948 nach einer MdE um 100 v. H., |
vom 1. Sept. |
bis 31. Dez. 1948 nach einer MdE um 50 v. H., |
vom 1. Jan. 1949 |
bis 30. Sept. 1950 nach einer MdE um 30 v. H.. |
Ferner verpflichtete sich der Beklagte, dem Kläger für die Zeit vom 1. Oktober 1950 an einen Umanerkennungsbescheid nach dem BVG zu erteilen. In Ausführung dieses Vergleichs erließ das Versorgungsamt (VersorgA) I Stuttgart den Bescheid vom 14. September 1956 für den zeitlichen Geltungsbereich des KBLG.
Im Umanerkennungsbescheid vom selben Tage erkannte es für die Zeit vom 1. Oktober 1950 an als Schädigungsfolgen lediglich "Narben am linken Oberschenkel nach Durchschuß und Gasbrandinfektion, Verlust des Endgliedes des rechten Mittelfingers" mit einer MdE um weniger als 25 v. H. an. Es führte dabei aus, daß die Herzleistungsschwäche nach Dystrophie und die Herzverbreiterung nach links nicht mehr vorhanden seien. Den gegen diesen Bescheid eingelegten Widerspruch des Klägers wies das Landesversorgungsamt (LVersorgA) Baden-Württemberg mit Bescheid vom 14. Februar 1957 zurück.
Im Klageverfahren hat das Sozialgericht (SG) Stuttgart die Dres. W und B (Medizinische Universitäts-Klinik und Poliklinik Tübingen) gutachtlich gehört; diese haben einen organischen Herzschaden nicht festgestellt und die Beschwerden des Klägers als Symptome einer vegetativen Fehlsteuerung gedeutet, die ebenso wie die von ihnen festgestellte Überfunktion der Schilddrüse psychisch-konstitutionell bedingt sei. Mit Urteil vom 16. Oktober 1958 hat das SG den Beklagten unter Abänderung des Umanerkennungsbescheides vom 14. September 1956 und unter Aufhebung des Widerspruchsbescheides vom 14. Februar 1957 verurteilt, als weitere Schädigungsfolgen "Herzleistungsschwäche nach Dystrophie und Herzverbreiterung nach links" anzuerkennen, und hat festgestellt, daß die MdE vom 1. Oktober 1950 an weniger als 25 v. H. betrage. Der Beklagte habe die "Herzleistungsschwäche und Dystrophie" bereits im Bescheid vom 14. Oktober 1949 und die "Herzverbreiterung nach links" im Vergleich vom 8. März 1956 anerkannt; diese früheren Entscheidungen über den ursächlichen Zusammenhang seien nach § 85 BVG rechtsverbindlich, die spätere, teilweise abweichende ärztliche Beurteilung stehe dem nicht entgegen, da es sich insoweit lediglich um andere ärztliche Beurteilungen der gleichen Erscheinungsformen handele.
Das LSG hat die Berufung des Beklagten mit Urteil vom 26. Februar 1960 zurückgewiesen: Die als "Herzleistungsschwäche nach Dystrophie" bereits 1949 anerkannten Gesundheitsstörungen des Klägers bestünden seit seiner Entlassung aus der Kriegsgefangenschaft im wesentlichen unverändert fort. Welche Befunde mit der bereits 1949 als "Herzleistungsschwäche nach Dystrophie" anerkannten Gesundheitsstörung des Klägers hätten erfaßt werden sollen, ergebe sich weder aus dem Wortlaut der Leidensbezeichnung im Erstanerkennungsbescheid vom 14. Oktober 1949 noch aus den ihm zugrunde liegenden ärztlichen Gutachten. Angesichts der unklaren Leidensbezeichnung, die über die Natur der Herzleistungsschwäche keinen Aufschluß gebe, und der geringen objektiven Befunde könne es sich schon damals um funktionelle Herzbeschwerden gehandelt haben, die auf verschiedenen Ursachen beruhen könnten. Da auch bei späteren Untersuchungen ähnliche Herzfunktionsstörungen zu erheben gewesen, allerdings als Begleiterscheinungen einer Schilddrüsenüberfunktion oder als psychisch-konstitutionell bedingte vegetative Dysregulationen gedeutet worden seien, sei ein hinreichender Nachweis dafür, daß die ursprünglich anerkannte Gesundheitsstörung "Herzleistungsschwäche nach Dystrophie" abgeklungen sei und die bestehenden Beschwerden des Klägers zweifelsfrei auf anderen Ursachen beruhten, nicht erbracht, so daß die Voraussetzungen, unter denen ein früher anerkanntes Versorgungsleiden bei der Umanerkennung als Schädigungsfolge im Sinne des BVG nicht mehr anerkannt zu werden brauche (BSG 2, 113), nicht erfüllt seien. Das gleiche gelte für die "Herzverbreiterung nach links", denn dieser Befund sei bei der Begutachtung durch Dr. St 1955 noch vorhanden gewesen und könne deshalb ebenfalls nicht als behoben angesehen werden. Das LSG hat die Revision zugelassen.
Gegen dieses ihm am 25. April 1960 zugestellte Urteil hat der Beklagte am 24. Mai 1960 Revision eingelegt, mit der er beantragt,
das angefochtene Urteil aufzuheben und die Klage gegen den Bescheid des Versorgungsamtes I Stuttgart vom 14. September 1956 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 14. Februar 1957 unter Aufhebung des Urteils des Sozialgerichts vom 16. Oktober 1958 abzuweisen.
Mit der am 18. Juni 1960 eingegangenen Revisionsbegründung rügt der Beklagte die Verletzung der §§ 101, 103 SGG i. V. m. § 133 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB), des § 128 SGG sowie der §§ 1 und 85 BVG. Er trägt hierzu insbesondere vor, Inhalt des Vergleichs vom 8. März 1956 sei es gewesen, die dort vorgenommene Anerkennung auf den zeitlichen Geltungsbereich des KBLG zu beschränken, ihm (dem Beklagten) aber für den des BVG - unter Ausschluß der Vorschrift des § 85 BVG - volle Entscheidungsfreiheit über den Umfang der Anerkennung von Schädigungsfolgen zu überlassen. Wenn das LSG die Erforschung dieses Willens der Beteiligten im erforderlichen Umfange betrieben und diesen wirklich gewollten Vergleichsinhalt festgestellt hätte, wäre das Urteil wahrscheinlich anders ausgefallen. Sollte das LSG aber der Ansicht gewesen sein, daß die Rechte des Klägers aus § 85 BVG unverzichtbar und daher einem Vergleich nicht zugänglich seien, so hätte es den Vergleich vom 8. März 1956 als unzulässig erklären und entweder auf den Abschluß eines zulässigen Vergleichs hinwirken oder über die Ansprüche nach dem KBLG selbst entscheiden müssen. Aber auch wenn man mit dem LSG die Vorschrift des § 85 BVG entgegen dem Vergleichsinhalt für grundsätzlich anwendbar erachte, beruhe das angefochtene Urteil auf einer Verletzung dieser Rechtsnorm. Denn § 85 BVG verbiete eine nochmalige Entscheidung der Zusammenhangsfrage nur bei gleichbleibendem Tatbestand; im vorliegenden Falle aber habe sich die Grundlage der anerkannten Gesundheitsstörungen verändert, so daß § 85 BVG einer erneuten Beurteilung des nunmehrigen Zustandes nicht entgegenstehe.
Der Kläger beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Er hält die gerügten Gesetzesverletzungen für nicht vorliegend und das angefochtene Urteil für zutreffend.
Auf die Schriftsätze des Beklagten vom 15. Juni 1960 und auf den des Klägers vom 6. Juli 1960 wird verwiesen.
Die durch Zulassung statthafte Revision (§ 162 Abs. 1 Nr. 1 SGG) ist vom Beklagten form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden (§ 164 SGG) und mithin zulässig.
Die Revision ist jedoch nicht begründet.
Das LSG hat die Revision ua "wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtsfrage, ob bei einem Streit der vorliegenden Art die Berufung gemäß § 150 Nr. 3 SGG zulässig ist", zugelassen. Zu dieser Rechtsfrage hätte es jedoch einer ausdrücklichen Zulassung nicht bedurft, nachdem die Zulassung auch noch wegen einer anderen Rechtsfrage - "ob die Versorgungsbehörde im Umanerkennungsbescheid nach dem BVG eine bisher anerkannt gewesene Gesundheitsstörung nicht mehr anzuerkennen braucht, wenn sie diese nicht mehr auf den Wehrdienst, sondern auf andere Ursachen zurückführt" - zugelassen worden war. Denn bei einer zulässigen Revision ist es Aufgabe des Revisionsgerichts, bevor es die Begründetheit der Revision auf Grund der geltend gemachten Revisionsgründe untersucht, von Amts wegen zu prüfen, ob diejenigen Voraussetzungen erfüllt sind, von denen die Rechtswirksamkeit des Verfahrens als Ganzes abhängt. Das Bundessozialgericht (BSG) hat deshalb von Amts wegen zu beachten, ob sich aus dem Fehlen der unverzichtbaren Prozeßvoraussetzungen Mängel solcher Art ergeben, gleichgültig ob der Mangel nur das Revisionsverfahren oder schon das Klage- und Berufungsverfahren betrifft. Zu diesen unverzichtbaren Prozeßvoraussetzungen gehört auch die Zulässigkeit der Berufung, bei deren Fehlen das Revisionsverfahren einer entscheidenden Grundlage entbehrt (vgl. BSG 2, 225 ff). Vorliegend kann dahinstehen, ob sich die Zulässigkeit der Berufung des Beklagten gegen das Urteil des SG, wie vom LSG angenommen, aus § 150 Nr. 3 SGG ergibt. Denn die Berufung war bereits nach den §§ 143 ff SGG zulässig. Allgemeine Berufungsausschließungsgründe im Sinne des § 144 SGG lagen nicht vor, ebensowenig war einer der Tatbestände des § 148 SGG gegeben. Im Hinblick darauf, daß der Umfang der anzuerkennenden Schädigungsfolgen in einem Erstbescheid nach dem BVG (Umanerkennungsbescheid) streitig war, war vielmehr die Berufung des Beklagten ohne weiteres zulässig.
Gegenstand des vorliegenden Rechtsstreits ist der Umanerkennungsbescheid vom 14. September 1956, soweit mit ihm die weitere Anerkennung einer "Herzleistungsschwäche nach Dystrophie" und einer "Herzverbreiterung nach links" als Schädigungsfolgen im Sinne des BVG für die Zeit vom 1. Oktober 1950 an abgelehnt worden ist. Dabei trifft die Begründung im Bescheid für die Aberkennung dieser anerkannt gewesenen Gesundheitsstörungen, sie seien nicht mehr vorhanden, nicht zu. Denn das LSG hat unangegriffen und deshalb für das Revisionsgericht bindend (§ 163 SGG) festgestellt, daß die beim Kläger bestehenden Gesundheitsstörungen, die nach altem Recht unter den Leidensbezeichnungen "Herzleistungsschwäche nach Dystrophie" und "Herzverbreiterung nach links" anerkannt gewesen sind, noch nicht abgeklungen sind; daran ändere nichts, daß eine organische Schädigung des Herzens nicht zu erheben sei, denn es könne jedenfalls kein Beweis dafür erbracht werden, daß die heutigen Beschwerden auf andere Ursachen als die damals bei der Anerkennung angenommenen zurückzuführen seien. Zutreffend hat das Berufungsgericht deshalb ausgeführt, daß bei dieser Sachlage die Voraussetzungen, unter denen ein früher anerkanntes Versorgungsleiden im Rahmen der Umanerkennung als Schädigungsfolge - weil nicht mehr vorhanden - nicht mehr anerkannt zu werden braucht, nicht erfüllt sind (vgl. BSG 2, 113). Die Frage der Rechtmäßigkeit des Umanerkennungsbescheides hinsichtlich der "Herzleistungsschwäche nach Dystrophie" und der "Herzverbreiterung nach links" hängt deshalb davon ab, ob die Versorgungsbehörde trotz der Vorschrift des § 85 BVG berechtigt gewesen ist, die weitere Anerkennung dieser - noch bestehenden - Gesundheitsstörungen als Schädigungsfolgen nach dem BVG für die Zeit vom 1. Oktober 1950 an abzulehnen, nachdem sie bis zum 30. September 1950 als Leistungsgrund im Sinne des KBLG anerkannt gewesen sind und damit über ihren ursächlichen Zusammenhang mit einem schädigenden Vorgang bereits nach bisherigen versorgungsrechtlichen Vorschriften entschieden worden war.
Der Beklagte trägt vor, der Anwendung des § 85 BVG stehe der am 8. März 1956 von den Beteiligten vor dem LSG abgeschlossene Vergleich entgegen, der lediglich den Versorgungsanspruch nach dem KBLG bis zum 30. September 1950 abschließend geregelt, der Versorgungsverwaltung für die Zeit nach Inkrafttreten des BVG aber die volle Entscheidungsfreiheit, d. h. die Entscheidungsfreiheit ohne Rücksicht auf § 85 BVG, überlassen habe. Dies trifft jedoch nicht zu. Dabei bedarf es hier keiner Erörterungen zu der Frage, ob die Vorschrift des § 85 BVG zwingendes Recht ist und deshalb beim Abschluß eines Vergleiches der Disposition der Beteiligten unterliegt oder nicht. Denn selbst für den Fall, daß der Beklagte die rechtliche Möglichkeit, die Rechtsfolgen des § 85 BVG durch Vertrag auszuschließen, als wesentliche Voraussetzung für den Abschluß des Vergleichs angesehen haben sollte (so daß der Vergleich unter Umständen in Anwendung des § 779 BGB als unwirksam angesehen werden könnte), hätte dies für das vorliegende Verfahren keine Bedeutung. Denn der Beklagte übersieht, daß die im Streit stehenden Leiden nicht erst durch den Vergleich vom 8. März 1956 anerkannt worden sind. Die "Herzleistungsschwäche nach Dystrophie" hatte er vielmehr schon selbst mit Bescheid vom 14. Oktober 1949 rechtsverbindlich anerkannt, während die Anerkennung der "Herzverbreiterung nach links" für ihn durch die von ihm nicht angefochtene Vorentscheidung des OVA vom 1. Februar 1952 rechtskräftig geworden war. Der Vergleich vom 8. März 1956 konnte deshalb mit seinem ersten Absatz der Nr. 1 nur die Bedeutung haben, daß hier geregelt werden sollte, nach welcher Höhe der MdE Rente für den zeitlichen Geltungsbereich des KBLG (hier vom 1. Mai 1948 bis 30. September 1950) an den Kläger gezahlt werden sollte. Wenn dabei auch die Gesundheitsstörungen, wegen deren die Rente bis zum 30. September 1950 gezahlt werden sollte, mitangeführt worden sind - "die in dem Bescheid vom 14. Oktober 1949 als Leistungsgrund anerkannten Gesundheitsstörungen unter zusätzlicher Anerkennung einer Herzverbreiterung nach links als weiteren Leistungsgrund" -, so entspricht das nur der allgemeinen und auch notwendigen Übung, daß in Bescheiden, Urteilen, Vergleichen usw. angegeben wird, welcher Leistungsgrund für die Gewährung einer Rente besteht. Hierbei hat es sich aber nicht um eine erneute "Anerkennung" gehandelt; denn diese Gesundheitsstörungen waren bereits als Schädigungsfolgen anerkannt. Aus dem 2. Absatz der Nr. 1 des Vergleichs vom 8. März 1956 - "der Beklagte verpflichtet sich, dem Kläger für die Zeit ab 1. Oktober 1950 einen neuen Umanerkennungsbescheid nach dem BVG zu erteilen" - kann auch nicht eine Vereinbarung entnommen werden, daß der neue Bescheid ohne Berücksichtigung des § 85 BVG erteilt werden könne und solle. Denn dieser Teil des Vergleichs, der § 85 BVG überhaupt nicht erwähnt, beinhaltet lediglich, daß er die Zeit vom Inkrafttreten des BVG an nicht betraf und daß der Beklagte für diese Zeit einen neuen Bescheid nach den Vorschriften des BVG erteilen sollte. Wenn dieser neue Bescheid nach dem Wortlaut des Vergleiches aber einen Bescheid nach den Vorschriften des BVG sein sollte, so ist nicht ersichtlich, inwiefern hierbei § 85 BVG nicht angewandt werden sollte; denn die Versorgungsbehörde muß gerade diese Vorschrift in allen Fällen beachten, in denen sie Erstbescheide nach dem BVG zu erteilen hat und in denen Gesundheitsstörungen vorliegen, über deren Ursachenzusammenhang mit einem schädigenden Vorgang im Sinne des § 1 BVG bereits nach vorausgegangenen versorgungsrechtlichen Vorschriften entschieden worden ist. Solch ein Erstbescheid nach dem BVG ist ein "Umanerkennungsbescheid", d. h. ein Bescheid, zu dessen Erteilung sich der Beklagte im Vergleich mit dem Kläger am 8. März 1956 ausdrücklich verpflichtet hat. Nach allem bietet der Wortlaut des Vergleichs keinen Anlaß zu der Annahme, daß der Beklagte bei dem vorbehaltenen "Umanerkennungsbescheide nach dem BVG" § 85 BVG nicht zu berücksichtigen brauche - falls dies rechtlich überhaupt ausgeschlossen werden konnte. - Bei dem nach Auffassung des erkennenden Senats klaren und unmißverständlichen Wortlaut des Vergleichs brauchte das LSG auch nicht, wie die Revision meint, noch besonders nach dem von den Beteiligten - nach Auffassung des Beklagten angeblich - "Gewollten" bei Abgabe ihrer Willenserklärung beim Vergleichsabschluß zu forschen. Im übrigen ist hier nicht nur der Wille des Beklagten, sondern auch der des Klägers erheblich, von dem nach dem Wortlaut des Vergleichs nicht angenommen werden kann, daß er mit einer vergleichsweisen Regelung seines Versorgungsverhältnisses für die Vergangenheit auf die ihm gesetzlich zustehenden Rechte für die Zukunft so weitgehend wie vom Beklagten geltend gemacht verzichten wollte. Der Kläger hat dies im übrigen durch seine Prozeßbevollmächtigten auf Anfrage des LSG bestätigt (Schriftsatz vom 26. Juni 1959). Die Ausführungen des Beklagten in seinem Schriftsatz vom 30. Juni 1959 - ebenfalls auf Anfrage des LSG vom 18. Juni 1959 - vermögen daran nichts zu ändern, ebenso wie hierbei die im Schreiben des LSG vom 18. Juni 1959 an den Beklagten (und den Kläger) allein vom Berichterstatter angedeutete Rechtsauffassung über den Vergleichsabschluß vom 8. März 1956 unerheblich ist. Wenn schließlich der Beklagte glaubt, sich für seine Rechtsauffassung über den tatsächlichen Inhalt des Vergleichs auf die Tatsache stützen zu können, daß der Kläger in diesem Vergleich nicht auch die ihm aus § 86 Abs. 1 BVG bis zum Empfang des Umanerkennungsbescheides zustehenden Rechte geltend gemacht hat, so geht auch dies fehl. Denn abgesehen davon, daß die Beteiligten bei der vergleichsweisen Regelung der Höhe der Versorgungsbezüge des Klägers bis zum 30. September 1950 sich hinsichtlich der vom 1. Oktober 1950 an gegebenenfalls nach dem BVG zu zahlenden Rente vergleichsweise darüber einigen konnten, daß die Höhe einer etwa bestehenden MdE des Klägers vom 1. Oktober 1950 an in dem nach dem Vergleich zu erteilenden - und anfechtbaren - Umanerkennungsbescheid festgesetzt werden sollte, war der Kläger bei Abschluß des Vergleichs auch gar nicht in der Lage, irgendwelche Rechte aus § 86 Abs. 1 Satz 1 BVG geltend zu machen. Denn § 86 Abs. 1 BVG regelt allein die Fälle, in denen zur Zeit der Verkündung des BVG auf Grund von Bescheiden nach früheren versorgungsrechtlichen Vorschriften Versorgungsbezüge bereits zu zahlen waren. In diesen Fällen sollten die Zahlungen bis zur Bescheiderteilung nach dem BVG weiterlaufen. Damit wollte der Gesetzgeber Härten beseitigen und mildern, die dadurch entstehen konnten, daß das am 20. Dezember 1950 verkündete BVG rückwirkend vom 1. Oktober 1950 an in Kraft getreten ist und vom gleichen Zeitpunkt an die früheren Versorgungsgesetze außer Kraft gesetzt hat. Härten dieser Art können aber nur eintreten, wenn schon auf Grund eines vor der Verkündung des BVG ergangenen Bescheides ein Zahlungsanspruch auf Versorgungsbezüge nach früherem Recht festgestellt war. Ein solcher Härtefall liegt somit dann nicht vor, wenn bis zur Verkündung des BVG Versorgungsbezüge nach altem Recht überhaupt noch nicht zu zahlen waren (vgl. BSG 1, 290, 292). Im Falle des Klägers ist aber zweifelsfrei und unbestritten, daß bis zur Verkündung des BVG am 20. Dezember 1950, ja sogar bis zum Erlaß des Ausführungsbescheides des Versorgungsamtes I Stuttgart vom 14. September 1956 (zum Vergleich vom 8. März 1956) Versorgungsbezüge (nach altem Recht) an ihn nicht gezahlt worden sind.
Nach allem steht der Vergleich vom 8. März 1956 der Anwendung des § 85 BVG nicht entgegen. Dabei kann auch dahinstehen, ob dieser Vergleich, wie der Beklagte meint, gegebenenfalls als unwirksam - "unzulässig" - angesehen werden könnte; denn für das vorliegende Verfahren wäre dies ohne Bedeutung. Zunächst einmal trifft nicht zu, daß in einem solchen Fall das LSG im Rahmen des vorliegenden Rechtsstreits den in einem anderen Verfahren mit einem anderen Streitgegenstand geschlossenen Vergleich für unwirksam hätte erklären können und selbst über den damaligen Streitgegenstand, die Ansprüche des Klägers nach dem KBLG, hätte entscheiden müssen, falls ein neuer Vergleich nicht zustande käme. Vielmehr wäre es Sache des Beklagten, die Feststellung einer etwaigen Unwirksamkeit des Vergleichs vom 8. März 1956 außerhalb des hier zur Entscheidung anstehenden Rechtsstreits zu betreiben, da hier nach § 123 SGG nur über die versorgungsrechtlichen Ansprüche des Klägers für die Zeit nach dem 1. Oktober 1950 entschieden werden kann. Die Wirksamkeit des in einem anderen Verfahren geschlossenen Vergleichs und die Ansprüche des Klägers nach dem KBLG sind aber nicht Gegenstand seiner Ansprüche im vorliegenden Verfahren und damit nicht Streitgegenstand desselben. Weiterhin kommt diesem Vergleich eine rechtliche Bedeutung für den vorliegenden Streitfall gar nicht zu. Die im Streit stehenden Gesundheitsstörungen sind nämlich, wie schon in anderem Zusammenhang ausgeführt, nicht erst durch diesen Vergleich, sondern bereits früher durch den Bescheid vom 14. Oktober 1949 und die Vorentscheidung des OVA vom 1. Februar 1952 anerkannt worden, die beide für den Beklagten aus bereits dargelegten Gründen in der Sache bindend geworden sind. Der Vergleich hat daher, was die Anerkennung dieser Schädigungsfolgen betrifft, nicht etwa die früheren Anerkennungen ersetzt, sondern nur etwas wiederholt, was für die Beteiligten ohnehin bereits bindend geregelt war. Die "frühere Entscheidung" im Sinne des § 85 BVG ist daher nicht - wie die Revision annimmt - der Vergleich vom 8. März 1956, sondern hinsichtlich der "Herzleistungsschwäche nach Dystrophie" der Bescheid vom 14. Oktober 1949 und hinsichtlich der "Herzverbreiterung nach links" die Vorentscheidung des OVA vom 1. Februar 1952. Die Wirksamkeit dieser Entscheidungen würde aber durch eine etwaige Unwirksamkeit des Vergleichs vom 8. März 1956 nicht berührt.
Danach war das LSG nicht gehindert, die Vorschrift des § 85 BVG anzuwenden. Es hat sie auch zutreffend angewandt. Nach § 85 BVG ist, soweit nach bisherigen versorgungsrechtlichen Vorschriften über die Frage des Ursachenzusammenhangs einer Gesundheitsstörung mit einem schädigenden Vorgang im Sinne des § 1 BVG entschieden worden ist, die Entscheidung auch nach dem BVG rechtsverbindlich. Diese zur Wahrung der Rechtssicherheit und gleichmäßigen Rechtsanwendung ausdrücklich festgelegte Rechtsverbindlichkeit früherer Entscheidungen in der Frage des Ursachenzusammenhangs bringt unmißverständlich den Willen des Gesetzes zum Ausdruck, daß durch das Inkrafttreten des BVG eine Schlechterstellung des Versorgungsberechtigten durch eine medizinische Überprüfung des einmal festgestellten ursächlichen Zusammenhanges beim Fortbestehen anerkannter Gesundheitsstörungen vermieden werden soll. Das hindert zwar nicht, eine Änderung der Verhältnisse zuungunsten des Versorgungsberechtigten zu berücksichtigen (vgl. BSG 2, 113, 114), z. B. dann, wenn ein als Schädigungsfolge anerkanntes Leiden vor der Bescheiderteilung nach dem BVG abgeklungen ist oder wenn das Leiden inzwischen ausgeheilt war und später aus anderen Gründen wieder in Erscheinung getreten ist. Es hindert aber an der Verneinung des Ursachenzusammenhanges nach dem BVG, wenn eine nach früheren versorgungsrechtlichen Vorschriften anerkannte Gesundheitsstörung über die Bescheiderteilung nach dem BVG hinaus unverändert und ohne Unterbrechung fortbestanden hat. Dabei ist unerheblich, ob gegebenenfalls die - anerkannte - Gesundheitsstörung richtig erkannt oder bezeichnet worden ist oder nicht. Im vorliegenden Falle hat nun das LSG nicht etwa festgestellt, daß die nach dem KBLG anerkannten Gesundheitsstörungen "Herzleistungsschwäche nach Dystrophie" und "Herzverbreiterung nach links" inzwischen abgeklungen und daß mit ihnen die jetzt noch bestehenden Beschwerden des Klägers nicht mehr identisch sind. Der Hinweis des Beklagten auf das Urteil des erkennenden Senats vom 8. Dezember 1955 (BSG 2, 113) kann deshalb die von ihm vertretene Rechtsauffassung nicht stützen. Das LSG hat vielmehr - bindend (§ 163 SGG) - festgestellt, daß die durch Bescheid vom 14. Oktober 1949 und Vorentscheidung des OVA vom 12. Februar 1952 unter den Leidensbezeichnungen "Herzleistungsschwäche nach Dystrophie" und "Herzverbreiterung nach links" beim Kläger anerkannten Gesundheitsstörungen befundmäßig unverändert und, ohne auch nur vorübergehend abgeklungen gewesen zu sein, fortbestehen. Es hat deshalb die Vorschrift des § 85 BVG zu Recht zugunsten des Klägers angewandt und entschieden, daß der Umanerkennungsbescheid vom 14. September 1956 rechtswidrig und der Beklagte verpflichtet ist, auch für den zeitlichen Geltungsbereich des BVG "Herzleistungsschwäche nach Dystrophie" und "Herzverbreiterung nach links" beim Kläger als Schädigungsfolgen anzuerkennen.
Damit ist die Revision des Beklagten unbegründet und war nach § 170 Abs. 1 Satz 1 SGG zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Abs. 1 SGG.
Fundstellen