Verfahrensgang
LSG Nordrhein-Westfalen (Urteil vom 20.01.1995) |
Tenor
Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 20. Januar 1995 wird als unzulässig verworfen, soweit diese Entscheidung den Bescheid der Beklagten vom 24. April 1992 und insofern den Widerspruchsbescheid vom 5. Oktober 1992 betrifft.
Im übrigen wird die Revision des Klägers gegen das genannte Urteil zurückgewiesen.
Die Beklagte hat dem Kläger außergerichtliche Kosten auch für das Revisionsverfahren nicht zu erstatten.
Tatbestand
I
Zwischen den Parteien ist streitig, ob die Beklagte zur Aufhebung des (bestandskräftigen) Bescheides vom 28. Juni 1991 (in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 27. September 1991) über die Rückforderung ohne Rechtsgrund erbrachter Rentenleistungen gemäß § 50 Abs 2 des Zehnten Buchs Sozialgesetzbuch (SGB X) verpflichtet und zu einer im Hinblick hierauf erklärten Aufrechnung berechtigt ist.
Der am 21. Juni 1921 geborene Kläger bezieht aufgrund des Bescheides vom 22. August 1986 seit dem 1. Juli 1986 Altersruhegeld wegen Vollendung des 65. Lebensjahres. Mit weiterem Bescheid vom 22. Dezember 1986 teilte ihm die Beklagte mit, daß ab 1. Februar 1987 gegen die monatlichen Rentenzahlungen in Höhe von (netto) 1.162,62 DM monatlich 50,00 DM wegen rückständiger Beitragsforderungen aus der Zeit einer selbständigen Tätigkeit zugunsten der AOK H. … errechnet würden, so daß sich der Zahlbetrag auf 1.112,62 DM monatlich vermindere. Den hiergegen zunächst eingelegten Widerspruch nahm der Kläger am 18. Juli 1988 wieder zurück.
Versehentlich gelangte dann jedoch der Wegfallauftrag zum Ende Januar 1987 für die Rente in früherer Höhe, der am 8. Januar 1987 an die Deutsche Bundespost abgesandt worden war, nicht zur Ausführung, so daß der Kläger in der Folgezeit parallel Leistungen nach dem ursprünglichen wie auch nach dem um 50,00 DM gekürzten Zahlbetrag erhielt. Aufgrund der Rentenanpassung zum 1. Juli 1988 wurde der Verrechnungsbetrag zugunsten der AOK zum 1. September 1988 auf 64,00 DM monatlich erhöht. Der entsprechende Bescheid vom 29. Juli 1988 enthält zu den sich hieraus ergebenden Änderungen ua folgenden ausdrücklichen Hinweis:
„Die laufende Überweisung des derzeitigen Rentenzahlbetrages von 1.183,94 DM wird deshalb zum 31. August 1988 eingestellt. Ab 1. Januar 1989 erhalten Sie 1.169,94 DM.”
Erstmals im März 1991 trat schließlich im Rahmen des Datenabgleichs mit der Deutschen Bundespost der Verdacht auf das Vorliegen einer Doppelzahlung auf und erhärtete sich im Zuge der weiteren Nachforschungen. Die Beklagte forderte daraufhin den für die Zeit vom 1. Februar 1987 bis 30. April 1991 aufgelaufenen Überzahlungsbetrag in Höhe von 63.192,90 DM gestützt auf § 50 Abs 2 SGB X zurück. Der entsprechende Bescheid vom 28. Juni 1991 (in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 27. September 1991) wurde mangels Klageerhebung bestandskräftig.
Mit weiterem Bescheid vom 24. April 1992 rechnete die Beklagte ihre Forderung ab dem 1. Juni 1992 in Höhe von 424,20 DM monatlich mit den laufenden Rentenzahlungen auf und zahlte demgemäß nur noch 944,86 DM aus. Den im Laufe des vorangegangenen Anhörungsverfahrens gestellten Antrag auf Überprüfung des Rückforderungsbescheides gemäß § 44 SGB X lehnte sie unter dem 24. September 1992 ab und bestätigte beide Entscheidungen mit dem Widerspruchsbescheid vom 5. Oktober 1992.
Die hiergegen erhobenen Klagen hat das Sozialgericht (SG) Köln mit Urteil vom 26. November 1993 abgewiesen. Das Landessozialgericht (LSG) Nordrhein-Westfalen hat die Berufung des Klägers gegen diese Entscheidung mit Urteil vom 20. Januar 1995 zurückgewiesen und zur Begründung im wesentlichen folgendes ausgeführt: Die Voraussetzungen des – analog anzuwendenden – § 44 Abs 1 Satz 1 SGB X für die Rücknahme des Rückforderungsbescheides vom 28. Juni 1991 seien nicht erfüllt. Dem Kläger habe der überzahlte Betrag in Höhe von insgesamt 63.192,90 DM nach materiellem Rentenrecht unbestritten nicht zugestanden. Darauf, ob die Beklagte die Voraussetzungen des § 45 SGB X bei der Rückforderung im Bescheid vom 28. Juni 1991 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 27. September 1991 beachtet habe, komme es nicht an, weil jedenfalls bei der Überprüfung dieses Verwaltungsakts gemäß § 44 Abs 1 Satz 1 SGB X derartige Erwägungen keine Rolle spielen dürften. Zutreffend habe die Beklagte auch im Bescheid vom 24. April 1992 die Rückforderung in Höhe von 424,20 DM monatlich gegen laufende Rentenzahlungen aufgerechnet. Der Senat habe die Revision „wegen der grundsätzlichen Bedeutung der zu § 44 SGB X angesprochenen Rechtsfragen” zugelassen.
Mit der hiergegen am 1. März 1995 eingelegten Revision verfolgt der Kläger sein Begehren in vollem Umfang weiter: Der rechtswidrige Bescheid vom 28. Juni 1991 sei gemäß § 44 Abs 1 SGB X aufzuheben. Dabei komme es entgegen der im angefochtenen Urteil vertretenen Auffassung darauf an, ob die Beklagte im Bescheid vom 28. Juni 1991 die Voraussetzungen des § 45 SGB X in vollem Umfang beachtet habe. Zwar werde die Rechtswidrigkeit der Doppelzahlung in der Zeit vom 1. Februar 1987 bis 30. April 1991 nicht angegriffen, doch seien nach Sinn und Zweck des § 44 SGB X gerade für diesen Fall die weiteren Schutzvorschriften des § 45 SGB X zu prüfen und zu beachten. Insofern komme es auf die Einlegung von Rechtsbehelfen gegen die Ausgangsentscheidung von vornherein nicht an. Im übrigen habe der Kläger gegen den Bescheid vom 28. Juni 1991 Widerspruch eingelegt und lediglich aufgrund unzureichender Unterstützung durch den seinerzeitigen Vertreter keine Klage erhoben. Dies könne ihm nicht im Sinne eines Verlustes des Vertrauensschutzes entgegengehalten werden. Das Urteil des LSG sei im übrigen widersprüchlich, wenn es einerseits die Überprüfung nach § 44 Abs 1 SGB X zulasse, im selben Atemzug jedoch die hiermit verbundenen Vorteile abschneide. Die Voraussetzungen der Zurücknahme des Bescheides vom 28. Juni 1991 seien „in den Schriftsätzen an das LSG vom 11. Januar 1994 und 6. Dezember 1994 dargetan”. Auf die entsprechenden Ausführungen mit allen Argumenten werde verwiesen. Bezüglich des Ablaufs der Jahresfrist sei ergänzend darauf hinzuweisen, daß diese nicht etwa erst mit der Anhörung des Klägers beginne. Dieser sei auch – anders als in dem vom Senat am 25. Januar 1994 entschiedenen Rechtsstreit 4 RA 16/92 – nicht bösgläubig gewesen. Bezüglich des Bescheides der Beklagten vom 24. April 1992 führt die Revisionsbegründung anschließend wörtlich aus: „Das LSG hat § 51 Abs 2 SGB I nicht beachtet. Danach sind die Pfändungsfreigrenzen maßgeblich, § 51 Abs 1 iVm § 54 Abs 2 und 3. § 51 Abs 2 SGB I ist nicht Sondervorschrift.” Entgegen der Auffassung des LSG seien schließlich auch die Voraussetzungen von § 97 Abs 1 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) erfüllt.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 20. Januar 1995 und des Sozialgerichts Köln vom 26. November 1993 zu ändern und die Beklagte unter Aufhebung der Bescheide vom 24. April 1992 und vom 24. September 1992 idF des Widerspruchsbescheides vom 5. Oktober 1992 zu verurteilen, den Bescheid vom 28. Juni 1991 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 27. September 1991 zurückzunehmen.
Die Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Sie folgt im wesentlichen dem angefochtenen Urteil. Zutreffend werde dort davon ausgegangen, daß ab Eintritt der Bestandskraft eines Verwaltungsaktes (hier des Bescheides vom 28. Juni 1991 idF des Widerspruchsbescheides vom 27. November 1991) formale Mängel nicht mehr berücksichtigt werden müßten und ein Anspruch auf Korrektur des Rückforderungsbescheides nach § 44 SGB X nur insoweit bestehe, als die Leistungen dem Berechtigten materiell zustünden. Die Revision könne im übrigen auch dann keinen Erfolg haben, wenn man dieser Auffassung nicht folge. Die Frist des § 45 Abs 4 Satz 2 SGB X habe erst in dem Augenblick zu laufen begonnen, als die Beklagte positive Kenntnis sowohl von der Rechtswidrigkeit als auch von der Rücknahmefähigkeit (bzw dem Vorliegen der bescheidlosen Überzahlung) gehabt habe. Eine Prüfung des Vertrauensschutzes habe sich im Hinblick auf das Urteil des erkennenden Senats vom 25. Januar 1994 ohnehin erübrigt. Ebenso erweise sich auch der Aufrechnungsbescheid vom 24. April 1992 als rechtmäßig.
Mit Schriftsatz vom 12. Februar 1996 hat der Kläger nach Ablauf der bis zum 18. Mai 1995 verlängerten Revisionsbegründungsfrist ua darauf hingewiesen, daß ihm auch in der Zeit vom 1. Februar 1987 bis 30. April 1991 laufende Anpassungsmitteilungen zugegangen seien. Diese seien nach der Rechtsprechung des 8. Senats des Bundessozialgerichts (BSG) als Verwaltungsakte anzusehen und müßten vor einer Rückforderung zunächst aufgehoben werden.
Entscheidungsgründe
II
Soweit die Revision den Aufrechnungsbescheid der Beklagten vom 24. April 1992 – und insofern den Widerspruchsbescheid vom 5. Oktober 1992 – betrifft, ist sie bereits deshalb als unzulässig zu verwerfen, weil das Rechtsmittel mangels der erforderlichen Zulassung (§ 160 Abs 1 SGG) nicht statthaft ist (§ 169 Abs 1 Satz 1 und 2 SGG). Zwar legt das LSG durch den Tenor seiner Entscheidung vordergründig die Annahme nahe, die Einlegung („Die Revision wird zugelassen”) des Rechtsmittels sei umfassend möglich; die Einbeziehung der auch insofern zur Auslegung heranzuziehenden Gründe (S 11), aus denen sich im übrigen die Zulassung ggf auch allein ergeben könnte (vgl Meyer-Ladewig, Kommentar zum Sozialgerichtsgesetz, 5. Aufl, RdNr 39 zu § 144 SGG), ergibt jedoch unzweifelhaft, daß die Zulassung nur wegen der „grundsätzlichen Bedeutung der zu § 44 SGB X angesprochenen Rechtsfragen” erfolgte. Eine Überprüfung des angefochtenen Urteils kommt damit allein hinsichtlich des Bescheides vom 24. September 1992 in Betracht.
Das darüber hinausgehende Rechtsmittel ist auch deshalb als unzulässig zu verwerfen, weil es nicht ausreichend begründet ist (§ 169 Satz 1 SGG). Die zwingend vorgeschriebene Begründung (§ 164 Abs 2 Satz 1 und 3 SGG) muß nach ständiger Rechtsprechung sorgfältig, sowie nach Umfang und Zweck zweifelsfrei (BSG Urteil vom 4. Oktober 1988 – 4/11a RA 56/87 = SozSich 1989, 190; Urteil vom 26. Mai 1987, – 4a RJ 61/86 = NZA 1987, 716; SozR 3-5555 § 15 Nr 1; SozR 3-2500 § 106 Nr 12, jeweils mwN) mit rechtlichen Erwägungen und in Auseinandersetzung mit den Gründen der angefochtenen Entscheidung darlegen, weshalb eine Vorschrift des materiellen Rechts vom LSG nicht oder nicht richtig angewandt worden ist (vgl schon BSG SozR 1500 § 164 Nr 12). Die Angabe der verletzten Rechtsnorm ist insofern notwendig (§ 164 Abs 2 Satz 3 SGG), aber nicht hinreichend. Hat das angefochtene Urteil über mehrere selbständige Streitgegenstände zu entscheiden, muß die Begründung im geschilderten Umfang für jeden von ihnen gegeben werden (Meyer-Ladewig, § 164 SGG RdNr 9, mwN). In seiner mit Schriftsatz vom 10. Mai 1995 (Bl 22 ff BSG-Akte) eingereichten Revisionsbegründung hat sich demgegenüber der Kläger hinsichtlich des Bescheides vom 24. April 1992 auf die Erwähnung eines Teils der vom LSG geprüften Rechtsnormen und die bloße Behauptung ihrer Verletzung beschränkt; da eine zusätzliche inhaltliche Auseinandersetzung mit den Argumenten der angefochtenen Entscheidung nicht wenigstens ansatzweise erfolgt, bleibt der entsprechende Vortrag damit deutlich hinter den Mindestanforderungen an eine Revisionsbegründung zurück.
Im übrigen ist die aufgrund Zulassung durch das LSG statthafte Revision vom Kläger zwar zulässig eingelegt worden, erweist sich indessen als sachlich in vollem Umfang unbegründet. Im Ergebnis zutreffend hat das LSG seine Berufung gegen das Urteil des SG, das die kombinierte Anfechtungs- und Verpflichtigungsklage (§ 54 Abs 1 Satz 1 SGG) gegen den Bescheid der Beklagten vom 24. September 1992 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 5. Oktober 1992 abgewiesen hatte, zurückgewiesen.
Die Beklagte hat den Antrag des Klägers, den bestandskräftigen (§ 77 SGG) Bescheid vom 28. Juni 1991 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 27. September 1991 aufzuheben, zutreffend abgelehnt. Im Hinblick auf die Rechtmäßigkeit der damals getroffenen Regelung fehlt es bereits an der in § 44 Abs 1 und 2 SGB X übereinstimmend geforderten Grundvoraussetzung für die Rücknahme eines nicht begünstigenden Verwaltungsakts.
Gemäß § 50 Abs 2 Satz 1 SGB X „sind Leistungen zu erstatten”, soweit sie ohne Verwaltungsakt zu Unrecht erbracht worden sind. Der Senat hat bereits entschieden, daß es für das Behaltendürfen von Doppelzahlungen grundsätzlich keinen Rechtsgrund gibt (SozR 3-1300 § 50 Nr 16 S 41). In Übereinstimmung hiermit gesteht mittlerweile (S 2 der Revisionsbegründung vom 10. Mai 1995) ausdrücklich auch der Kläger selbst zu, daß er die ursprünglich mit Bescheid vom 22. August 1986 festgesetzte Rente im hier fraglichen Zeitraum vom 1. Februar 1987 bis 30. April 1991 rechtswidrig neben dem mit dem weiteren Bescheid vom 22. Dezember 1986 festgesetzten (und nach Verrechnung zugunsten der AOK H. … um 50,00 DM geminderten) monatlichen Zahlbetrag erhalten hat.
Ebenso sind in vollem Umfang die Voraussetzungen des gemäß § 50 Abs 2 Satz 2 SGB X entsprechend anzuwendenden § 45 SGB X eingehalten, so daß dahingestellt bleiben kann, ob und inwiefern § 44 SGB X im Rahmen einer späteren Überprüfung der bestandskräftigen Entscheidung ggf nur die Anwendung eines eingeschränkten Prüfungsmaßstabes gebietet.
Die Beklagte hat insbesondere die Jahresfrist des § 45 Abs 4 Satz 2 SGB X eingehalten: Gemäß § 45 Abs 4 Satz 1 SGB X war sie zu einer – fiktiven – Rücknahme für die Vergangenheit befugt, da sich der Kläger gemäß § 45 Abs 2 Satz 3 Nr 3 SGB X auf Vertrauen nicht berufen kann. Aufgrund der Bescheide vom 22. Dezember 1986 und 29. Juli 1988 – und nicht etwa nur eines allgemeinen Merkblatts – war er nämlich über das Vorgehen der Beklagten und insbesondere den ihm ab 1. Februar 1987 bzw 1. September 1988 jeweils rechtmäßig zustehenden monatlichen Zahlbetrag seines Altersruhegeldes konkret und individuell informiert. Diese vom LSG für den Senat bindend festgestellten (§ 163 SGG) Umstände rechtfertigen, wenn – wie hier – Hinweise auf eine evtl herabgesetzte Schuldfähigkeit vollständig fehlen, die in die Kompetenz des Revisionsgerichts fallende Subsumtion zumindest unter den Rechtsbegriff der groben Fahrlässigkeit. Hierzu ist entgegen der Auffassung des Klägers keinesfalls stets zusätzlich erforderlich, daß der Umstand der Doppelzahlung – wie bei dem der Entscheidung des Senats in SozR 3-1300 § 50 SGB X zugrundeliegenden Sachverhalt – auf Nachfrage des Versicherungsträgers wahrheitswidrig geleugnet wird. Entscheidend für den Schuldvorwurf auch an den damaligen Kläger war vielmehr, daß ein konkret-individueller und ausdrücklicher Hinweis entweder unbeachtet gelassen wurde (grobe Fahrlässigkeit) oder trotz der jedenfalls hierdurch eingetretenen Kenntnis aller maßgeblichen Umstände bewußt und gewollt Leistungen weiterhin parallel vereinnahmt wurden (Vorsatz). Eine identische Hinweisfunktion kommt im vorliegenden Fall – wie ausgeführt – bereits den Bescheiden vom 22. Dezember 1986 und 29. Juli 1988 zu. Die Beklagte, die den Fehler erst aufgrund des im März 1991 durchgeführten Datenabgleichs entdeckte, hat bereits knapp drei Monate später den Rückforderungsbescheid vom 28. Juni 1991 erlassen und demgemäß ohne weiteres die Jahresfrist des § 45 Abs 4 Satz 2 SGB X eingehalten. Daß die Kenntnis der maßgeblichen Umstände früher erlangt worden wäre, hat das LSG, ohne daß der Kläger hiergegen Verfahrensrügen erhoben hätte, nicht festgestellt.
Ebenfalls entgegen der Auffassung des Klägers hatte die Beklagte damals auch keine begründungsbedürftige Ermessensentscheidung zu treffen. Das ihr eingeräumte Ermessen „darf”) war nämlich infolge der Bösgläubigkeit des Klägers beim Empfang der zurückgeforderten Leistungen auf Null reduziert, ohne daß zu irgendeinem Zeitpunkt Hinweise auf das Vorliegen eines Ausnahmetatbestandes vorgelegen hätten, wie er etwa im Fall der Haftung des Bereicherten aufgrund rechtlicher Zurechnung des Verschuldens oder des Einkommens/der Bereicherung Dritter oder möglicherweise bei „existenzvernichtenden Eingriffen” gegeben sein kann (vgl ausführlich Senat, aaO). Auf die Ausführungen des 8. Senats im Urteil vom 24. Januar 1995 (SozR 3-1300 § 50 Nr 17), der sich mit der Rechtsprechung des erkennenden Senats zur Ermessensreduzierung auf Null teilweise kritisch auseinandersetzt, ist hier schon deshalb nicht näher einzugehen, weil der 8. Senat die Frage, ob er sich dieser Auffassung anschließen will, mangels Entscheidungserheblichkeit gerade ausdrücklich offengelassen und das gefundene Ergebnis im übrigen jedenfalls in besonders groben Fällen von Bösgläubigkeit ausdrücklich als möglich in Betracht gezogen hat.
Soweit sich der Klägervertreter zur weiteren Begründung der Revision auf an das LSG gerichtete Schriftsätze beziehen will, ist sein Vorbringen wegen Verstoßes gegen die von § 164 Abs 2 Satz 3 SGG vorgeschriebene Form unbeachtlich. Nach der – eingangs bereits dargestellten – gefestigten obergerichtlichen Rechtsprechung (vgl zusammenfassend die Nachweise bei Meyer-Ladewig, aaO, § 164 SGG RdNr 9) soll die Vorschrift nämlich sicherstellen, daß die Auseinandersetzung des Prozeßbevollmächtigten mit den Gründen der angegriffenen Entscheidung unmittelbar aus der Revisionsbegründung selbst erkennbar wird. Ausführungen, die dem Erlaß des Berufungsurteils zeitlich vorausgehen, können dieser Anforderung jedoch von vornherein nicht Rechnung tragen (SozR § 164 SGG Nr 53).
Ebensowenig kann auch weder der mit Schriftsatz vom 12. Februar 1996 im Revisionsverfahren erstmals vorgetragene Umstand, daß dem Kläger im streitigen Zeitraum vom 1. Februar 1987 bis 30. April 1991 laufende Anpassungsmitteilungen erteilt worden seien, noch die hiermit sinngemäß erhobene Rüge, das LSG habe pflichtwidrig entsprechende Ermittlungen verabsäumt, Berücksichtigung finden. Nach Ablauf der – im vorliegenden Fall bis zum 18. Mai 1995 – verlängerten Begründungsfrist (§ 164 Abs 2 SGG) können nämlich neue Revisionsrügen nicht mehr zulässig in das Verfahren eingeführt werden (BSGE 47 S 194 ff, 199).
Schließlich ist dem Vorbringen des Revisionsklägers zur aufschiebenden Wirkung der Klage nicht zu entnehmen, er habe sich gegen die – bei ordnungsgemäßer Sachbehandlung allein im Wege des (deklaratorischen) Beschlusses mögliche (Meyer-Ladewig, aaO, § 97 SGG RdNr 11) – Feststellung hierzu im Widerspruch zu § 177 SGG mit einem förmlichen Rechtsmittel wenden wollen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Fundstellen