Orientierungssatz

Seit der Verkündung des FANG dürfen Renten, auf die das RVÜblG BE anzuwenden war, nicht mehr nach Art 3 § 6 Abs 3 ArVNG berechnet werden (Anschluß an BSG 1965-02-04 11 RA 232/64 = SozR Nr 2 zu Art 3 § 6 ArVNG).

 

Normenkette

ArVNG Art. 3 § 6 Abs. 3; FANG Art. 6 § 17; ArVNG Art. 2 §§ 31, 56

 

Verfahrensgang

LSG Berlin (Entscheidung vom 31.01.1964)

SG Berlin (Entscheidung vom 07.05.1963)

 

Tenor

Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des Landessozialgerichts Berlin vom 31. Januar 1964 aufgehoben. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 7. Mai 1963 mit der Maßgabe aufgehoben, daß die Klage in vollem Umfang abgewiesen wird.

Außergerichtliche Kosten des gesamten Verfahrens sind nicht zu erstatten.

 

Gründe

I

Es ist darüber zu entscheiden, ob das Altersruhegeld des Klägers nach altem Recht zu berechnen und mit Faktoren umzustellen ist, und ob der Kläger Anspruch auf höhere Rente hat.

Für den Kläger, geboren am 13. Dezember 1894, sind insgesamt 405 Monatsbeiträge zur Arbeiterrentenversicherung (ArV) einschließlich der Beiträge zur Sozialversicherung in Berlin nach 1945 entrichtet. Für Januar und Februar 1919 sind Beiträge zur knappschaftlichen Rentenversicherung (KnV) geleistet.

Der Kläger beantragte im Oktober 1959 das Altersruhegeld. Die Beklagte gewährte es ihm mit Bescheid vom 3. Mai 1960 für die Zeit vom 1. Dezember 1959 an. Sie berechnete es aus den Beiträgen zur ArV und KnV nach neuem Recht auf 299,20 DM monatlich; die Vergleichsberechnung nach Art. 2 § 42 des Arbeiterrentenversicherungs-Neuregelungsgesetzes (ArVNG) ergab 167,10 DM monatlich einschließlich eines Sonderzuschusses von 21,- DM.

Der Kläger beanstandet mit seiner Klage, daß die Beklagte das Altersruhegeld wegen der Beiträge zur KnV nach neuem Recht berechnet hat. Er meint, die Beklagte hätte das Altersruhegeld nach altem Recht berechnen und mit Faktoren gemäß Art. 2 §§ 31 ff ArVNG umstellen müssen, weil er von 1945 bis 1950 Beiträge zur Versicherungsanstalt Berlin (VAB) entrichtet habe (Art. 3 § 6 Abs. 3 ArVNG). Die Beklagte ist der Ansicht, das Altersruhegeld sei gemäß § 102 des Reichsknappschaftsgesetzes (RKG) nF, Art. 2 § 24 Abs. 4 des Knappschaftsversicherungs-Neuregelungsgesetzes (KnVNG) trotz der Beiträge zur VAB nach neuem Recht zu berechnen. Im Klageverfahren hat der Kläger erklärt, er verzichte auf Ansprüche aus den Beiträgen zur KnV; er meint, da infolgedessen nur noch Beiträge zur ArV zu berücksichtigen seien, sei das Altersruhegeld nach Art. 2 §§ 31 ff iVm Art. 3 § 6 Abs. 3 ArVNG nach altem Recht zu berechnen und umzustellen. Demgegenüber ist die Beklagte der Auffassung, dieser Verzicht sei verspätet und nicht wirksam; er hätte bereits im Rentenantrag unzweideutig ausgedrückt werden müssen (§ 1310 Abs. 1 Satz 2 der Reichsversicherungsordnung - RVO -).

Der Kläger hat vor dem Sozialgericht (SG) beantragt, festzustellen, daß er auf die Anrechnung der zwei Beiträge, die er zur KnV geleistet habe, auch nach Erteilung des Rentenbescheides verzichten könne, wenn durch die Anrechnung dieser zwei Beiträge Rentenberechnungsvorschriften zur Anwendung kämen, die sich nachteilig auf die Rentenhöhe auswirkten, und ferner, die Beklagte zur Berechnung des Altersruhegeldes nach Art. 2 §§ 31 ff ArVNG zu verurteilen.

Das SG Berlin hat die Beklagte zur Berechnung des Altersruhegeldes nach dem Klageantrag verurteilt. Im übrigen hat es die Klage abgewiesen (Urteil vom 7. Mai 1963). Das Landessozialgericht (LSG) Berlin hat die Berufung der Beklagten zurückgewiesen und die Revision zugelassen (Urteil vom 31. Januar 1964).

Die Beklagte hat Revision eingelegt und beantragt, das Urteil des LSG Berlin und das Urteil des SG aufzuheben und die Klage in vollem Umfang abzuweisen.

Sie führt aus, der Wille des Versicherten, seinen Leistungsantrag auf einen bestimmten Versicherungszweig zu beschränken (§ 1310 Abs. 1 Satz 2 RVO) müsse bereits im Rentenantrag unzweideutig zum Ausdruck kommen. Deshalb sei die erst im Klageverfahren abgegebene Erklärung des Klägers unwirksam. Die Rente sei zutreffend nach den Vorschriften des ArVNG und des KnVNG über die Neufeststellung der Renten festgesetzt worden.

Der Kläger beantragt, die Revision zurückzuweisen. Er hält das angefochtene Urteil für zutreffend.

Beide Beteiligte haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt (§ 124 Abs. 2 des Sozialgerichtsgesetzes - SGG -).

II

Die Revision ist begründet. Der Kläger hat keinen Anspruch auf ein höheres Altersruhegeld. Die Beklagte hat es zu Recht nach neuem Recht berechnet.

Es kommt nicht darauf an, ob der Kläger seinen Leistungsantrag wirksam auf die ArV beschränkt hat (§ 1310 Abs. 1 Satz 2 RVO); denn das Altersruhegeld wäre auch dann nicht nach altem Recht zu berechnen und mit Faktoren umzustellen, wenn nur die Beiträge zur ArV zu berücksichtigen wären. Da der Versicherungsfall des Alters beim Kläger im Dezember 1959 eingetreten ist, ist das Altersruhegeld grundsätzlich nach dem seit dem 1. Januar 1957 geltenden neuen Recht zu berechnen.

Die Berechnung nach altem Recht gemäß Art. 2 § 42 ArVNG scheidet aus, weil das so berechnete Altersruhegeld nicht günstiger als die Berechnung nach neuem Recht ist.

Art. 3 § 6 Abs. 3 ArVNG ermöglicht entgegen der Auffassung des Klägers keine Berechnung seiner Rente nach altem Recht mit Faktorenumstellung. Nach dieser Vorschrift waren "bis zur Anpassung des RVÜG an die Vorschriften des ArVNG" Renten, auf die das RVÜG anzuwenden ist, nach altem Recht zu berechnen und mit den Faktoren des Art. 2 §§ 31 ff ArVNG umzustellen. Das RVÜG wurde, wie das LSG zutreffend ausgeführt hat, durch Art. 2 Nr. 10 FANG mit der Einfügung der §§ 56 bis 61 in Art. 2 des ArVNG angepaßt. Seit erfolgter Anpassung können demnach Renten, auf die das RVÜG anzuwenden ist, nicht mehr nach Art. 3 § 6 Abs. 3 ArVNG nach altem Recht berechnet und umgestellt werden; denn diese Berechnungsart galt nach dem Wortlaut dieser Vorschrift nur "bis zur Anpassung des RVÜG ". Seit der Anpassung sind demnach solche Renten nach neuem Recht unter Berücksichtigung des Art. 2 §§ 56 ff ArVNG zu berechnen.

Aus den Übergangsvorschriften für die Anpassung der Berliner Rentenversicherung in Art. 6 § 17 FANG ergibt sich nichts anderes. Es trifft zu, daß die Übergangsvorschriften die Anwendung des Art. 2 §§ 56 ff ArVNG auf schon eingetretene Versicherungsfälle anders regeln als Art. 6 §§ 5 ff FANG für Renten, bei denen das neue Fremdrentenrecht zu berücksichtigen ist. Bei den ins einzelne gehenden Regelungen des Übergangsrechts in Art. 6 FANG besteht kein Anhalt dafür, daß der Gesetzgeber bei den Berliner Renten, die auf Versicherungsfällen beruhen, die zwischen dem Inkrafttreten und der Verkündung des FANG eingetreten sind, eine dem Art. 6 § 7 Satz 2 FANG ähnliche Vorschrift in Art. 6 § 17 FANG "vergessen" hätte. Nur soweit Renten bei der Verkündung des FANG schon nach Art. 3 § 6 Abs. 3 ArVNG berechnet waren und nun nach Art. 6 § 17 FANG unter Berücksichtigung des Art. 2 §§ 56 ff ArVNG nach neuem Recht neu zu berechnen sind, ist ein Besitzstandsschutz gegeben. Der 11. Senat des Bundessozialgerichts (BSG) hat in der Entscheidung vom 4. Februar 1965 (SozR Art. 3 § 6 ArVNG Nr. 2) dargelegt, daß die "Fremdrenten" und die "Berliner Renten" auch in anderer Hinsicht unterschiedlich behandelt werden: Während bei Fremdrenten die Verbesserungen durch das FANG frühestens ab Inkrafttreten - 1. Januar 1959 - gewährt werden, sollen sie bei den Berliner Renten bereits frühestens ab 1. Januar 1957 zum Zuge kommen, soweit sie auf Art. 2 §§ 56 ff ArVNG beruhen (Art. 6 § 24 FANG). Der Senat schließt sich der Auslegung des Art. 6 § 17 FANG, Art. 3 § 6 Abs. 3 ArVNG durch den 11. Senat an.

Die Rentenberechnung der Beklagten ist somit nicht rechtswidrig. Die dem entgegenstehenden Urteile des LSG und des SG sind auf die Revision und Berufung der Beklagten aufzuheben. Die Klage gegen den angegriffenen Bescheid ist in vollem Umfang abzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

 

Fundstellen

Dokument-Index HI2297093

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