Leitsatz (amtlich)
Die Städtische Versicherungsanstalt für Arbeitsunfähigkeit und Alter in Reichenberg (Sudetenland) war jedenfalls für die Zeit vom 1926-07-01 bis zum 1938-09-30 ein Träger der gesetzlichen Rentenversicherung im Sinne des FAG SV (Vergleiche BSG 1958-01-15 1 RA 136/57 = BSGE 6, 263).
Normenkette
SVFAG § 1
Tenor
Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des Bayerischen Landessozialgerichts vom 21. Februar 1957 aufgehoben und die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Augsburg vom 17. Dezember 1954 zurückgewiesen.
Die Beklagte hat der Klägerin die außergerichtlichen Kosten des Verfahrens zu erstatten.
Von Rechts wegen.
Gründe
Der im Oktober 1953 verstorbene Ehemann der Klägerin war von Oktober 1915 bis zu seiner Vertreibung aus der Tschechoslowakei im März 1946 als Heiser bei den Stadtwerken Reichenberg (Sudetenland) und in den Jahren 1946 und 1947 neun Monate lang als Hilfsarbeiter in Bayern beschäftigt, bis er infolge von Krankheit einer beruflichen Tätigkeit nicht mehr nachgehen konnte. Während seiner Tätigkeit bei den Stadtwerken Reichenberg leistete er Beiträge zu der von der Stadt Reichenberg gegründeten Städtischen Versicherungsanstalt für Arbeitsunfähigkeit und Alter, deren im Jahre 1932 beschlossene Satzung mit Wirkung vom 1, Juli 1926 in Kraft gesetzt und in Jahre 1932 durch Erlaß des Ministeriums für soziale Fürsorge in Prag genehmigt worden ist. Nach seiner Vertreibung war er bei der Beklagten pflichtversichert. Die Beklagte zahlte ihm vom 1. August 1949 an eine Invalidenrente, bei der auch die Versicherungsseiten bei der Städtischen Versicherungsanstalt Reichenberg nach dem Bayerischen Flüchtlingsrentengesetz berücksichtigt waren.
Den im Oktober 1953 von der Klägerin gestellten Antrag auf Witwenrente lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 22. Januar 1954 ab, weil bei Eintritt des Versicherungsfalles die Wartezeit von 60 Beitragsmonaten mit den bei ihr zurückgelegten neun Beitragsmonaten nicht erfüllt gewesen sei. Die an die Städtische Versicherungsanstalt Reichenberg entrichteten Beiträge könnten nach dem am 1. April 1952 in Kraft getretenen Fremdrenten- und Auslandsrentengesetz (FAG) vom 7. August 1953 (BGBl I, 848) nicht mehr berücksichtigt werden; diese Versicherungsanstalt sei keine Rentenversicherung, deren Versicherungszeiten nach dem FAG anzurechnen seien.
Auf die Klage hat das Sozialgericht (SG) die Beklagte verurteilt, der Klägerin vom 1. November 1953 an Witwenrente in zustehender Höhe zu gewähren. Es hat ausgeführt, die Städtische Versicherungsanstalt Reichenberg sei nach ihrer Satzung zumindest als eine gesetzliche Rentenversicherung "im weiteren Sinne" anzusehen. Nach der Eingliederung des Sudetenlandes in das Deutsche Reich sei die Städtische Versicherungsanstalt auch als Träger der Reichsversicherung aufgefaßt und behandelt worden; sie sei demnach als deutscher Versicherungsträger im Sinne des FAG anzuerkennen.
Auf die Berufung der Beklagten hat das Landessozialgericht (LSG) das Urteil des SG aufgehoben und die Klage abgewiesen, nachdem es Auskünfte über die Rechtsverhältnisse der Städtischen Versicherungsanstalt Reichenberg und die Versicherungsverhältnisse der bei ihr versicherten Personen eingeholt hatte. Das LSG ist davon ausgegangen, daß die Städtische Versicherungsanstalt Reichenberg weder ein nicht deutscher noch ein deutscher Versicherungsträger gewesen sei, dessen Versicherungszeiten nach den Vorschriften des FAG zu berücksichtigen seien. Als Mitglieder dieser Versicherungsanstalt seien die Bediensteten der Stadt Reichenberg nach tschechoslowakischem Recht von der allgemeinen gesetzlichen Versicherungspflicht ausgenommen gewesen. Nach dem Anschluß des Sudentenlandes an das Deutsche Reich hätte der Ehemann der Klägerin zwar nach den gesetzlichen Vorschriften vom 1. Oktober 1938 an bei einem deutschen Versicherungsträger versichert und für die vorhergehende Zeit nachversichert werden müssen. Das sei aber nicht geschehen. Demnach seien die aus dem Versicherungsverhältnis bei der Städtischen Versicherungsanstalt Reichenberg entstandenen Verpflichtungen nicht nach Reichsrecht auf einen deutschen Versicherungsträger übergegangen. Der Ehemann der Klägerin sei daher auch nicht bei einem deutschen Versicherungsträger versichert gewesen. Schließlich gelte der Ehemann der Klägerin auch nicht als nachversichert gemäß § 72 Abs. 1 des Gesetzes zu Art. 131 des Grundgesetzes (G 131). Die Klägerin könne daher wegen Nichterfüllung der Wartezeit eine Witwenrente aus der Invalidenversicherung ihres verstorbenen Ehemannes nicht beanspruchen.
Das LSG hat die Revision zugelassen.
Mit der Revision hat die Klägerin beantragt,
das angefochtene Urteil aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihr Witwenrente vom 1. November 1953 an in gesetzlicher Höhe zu zahlen.
Sie rügt die Verletzung des im FAG enthaltenen materiellen Rechts. Entgegen der Ansicht des LSG seien die von ihrem Ehemann bei der Städtischen Versicherungsanstalt Reichenberg zurückgelegten Versicherungszeiten wie die bei Rentenversicherungen im Bundesgebiet zurückgelegten anzurechnen, weil es sich bei dieser Versicherungsanstalt um eine gesetzliche Rentenversicherung im Sinne des FAG handle. Wenn nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) sogar das Versicherungssystem der Sowjetunion als gesetzliche Rentenversicherung im Sinne des FAG gelte (BSG 6, 263) und die Ersatzkasse der Skoda-Werke sogar die Voraussetzungen einer Versicherung nach Reichsrecht erfülle (BSG 10, 118), so müsse das erst recht für die Städtische Versicherungsanstalt Reichenberg gelten. Auch diese müsse zumindest als Ersatzinstitut der Reichsversicherung angesehen werden, weil sie nach der Eingliederung des Sudetenlandes in das Deutsche Reich zwar möglicherweise ohne gesetzliche Grundlage, aber doch unter Billigung aller maßgeblichen Stellen weiterbestanden und weitergearbeitet habe. Im übrigen sei nicht zu verstehen, daß ihr wegen der Neuregelung des Fremdrentenrechts ein Rentenanspruch aus den Versicherungszeiten ihres Ehemannes bei der Städtischen Versicherungsanstalt Reichenberg versagt werden könne, nachdem ihrem Ehemann selbst nach früheren Vorschriften dieser Anspruch zuerkannt gewesen sei und auch nach dem FAG zuerkannt geblieben wäre.
Die Beklagte beantragt,
die Revision als unbegründet zurückzuweisen.
Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend und meint, auch aus der amtlichen Begründung zum Entwurf des jetzt geltenden Fremdrentengesetzes gehe hervor, daß die bei einer städtischen Versicherungsanstalt des Sudetenlandes zurückgelegten Versicherungszeiten nach dem FAG noch nicht hätten angerechnet werden können.
Durch Bescheid vom 19. Dezember 1960 hat die Beklagte der Klägerin vom 1. Januar 1959 an nach Inkrafttreten des Fremdrenten- und Auslandsrenten-Neuregelungsgesetzes (FANG) vom 25- Februar 1960 (BGBl I 93) Witwenrente bewilligt.
Die durch Zulassung statthafte Revision (§ 162 Abs. 1 Nr. 1 des Sozialgerichtsgesetzes -SGG-) ist form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden (§§ 164, 166 SGG). Bedenken gegen die Zulässigkeit dieses Rechtsmittels, die durchgreifen könnten, ergeben sich nicht daraus, daß die Beklagte der Klägerin während des Revisionsverfahrens vom 1. Januar 1959 an die begehrte Witwenrente aus der Versicherung ihres verstorbenen Mannes gewährt hat und zwischen den Beteiligten nur noch Streit darüber besteht, ob die Klägerin auch für die Zeit vom 1. November 1953 bis zum 31 Dezember 1958 einen Anspruch auf Witwenrente hat. Durch die Gewährung der Witwenrente ist die für die Revision erforderliche Beschwer nur teilweise entfallen.
Die hiernach zulässige Revision ist auch begründet.
Die Klägerin hat in der mündlichen Verhandlung vom 25. Januar 1962 den Antrag gestellt, das Urteil des SG aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihr vom 1. November 1953 an Witwenrente in gesetzlicher Höhe zu zahlen. Danach will die Klägerin mit dem Rechtsstreit nur erreichen, daß die Beklagte dem Grunde nach verurteilt wird, ihr eine Witwenrente aus den Versicherungen ihres verstorbenen Ehemannes bei der Städtischen Versicherungsanstalt Reichenberg und bei der Beklagten bereits vom 1. November 1953 an zu zahlen. Da die Beklagte bereits durch das SG dem Grunde nach verurteilt worden war, der Klägerin von dem genannten Zeitpunkt an Witwenrente zu zahlen, erstrebt die Klägerin mit der Revision nur noch die Zurückweisung der von der Beklagten gegen das Urteil des SG eingelegten zulässigen Berufung. Mit diesem Begehren hätte sie Erfolg.
Nach §§ 1256 Abs. l, 1255 Abs. 2 der Reichsversicherungsordnung (RVO) i.d.F., die im Zeitpunkt der Antragstellung und der Bescheiderteilung gültig war und daher hier anzuwenden ist, war einer Witwe eine Witwenrente aus der Rentenversicherung ihres verstorbenen Ehemannes zu gewähren, wenn für den Verstorbenen zur Zeit seines Todes die Wartezeit erfüllt und die Anwartschaft erhalten war. Entgegen der Ansicht der Beklagten und des LSG hatte der verstorbene Ehemann der Klägerin im Zeitpunkt seines Todes die Wartezeit von 60 Beitragsmonaten (§ 1262 Abs. 1 RVO aF) jedenfalls durch die von ihm vom Juli 1926 bis zum Ende September 1938 bei der Städtischen Versicherungsanstalt Reichenberg zurückgelegten Beitragszeiten und die in den Jahren 1946/47 bei der Beklagten zurückgelegten 9 Beitragsmonate erfüllt.
Nach den §§ 1 Abs. 2, 4 Abs. 1 FAG sind nämlich die vorgenannten Versicherungszeiten bei der Städtischen Versicherungsanstalt Reichenberg wie die in den Rentenversicherungen im Bundesgebiet zurückgelegten Versicherungszeiten auf die Wartezeit anzurechnen. § 1 Abs. 2 FAG schreibt vor, daß Träger der gesetzlichen Rentenversicherung - deren Versicherungszeiten bei Vertriebenen nach § 4 Abs. 1 FAG wie die in den Rentenversicherungen im Bundesgebiet zurückgelegten zu behandeln sind - nicht mehr bestehende, stillgelegte oder außerhalb der Bundesrepublik und des Landes Berlin befindliche deutsche Versicherungsträger sowie nicht deutsche Versicherungsträger sind, bei denen eine gesetzliche Rentenversicherung bestand oder deren Verpflichtungen aus einem bei ihnen bestehenden Versicherungsverhältnis nach Reichsrecht auf einen deutschen Versicherungsträger übergegangen sind. Jedenfalls in der Zeit vom 1. Juli 1926 bis zur Eingliederung des Sudetenlandes in das Deutsche Reich gemäß Erlaß vom 1. Oktober 1938 (RGBl I, 1331) war die Städtische Versicherungsanstalt Reichenberg ein Versicherungsträger, bei dem eine gesetzliche Rentenversicherung des verstorbenen Ehemannes der Klägerin bestand.
Durch § 148 Abs. 3 des tschechoslowakischen Gesetzes vom 10. Juni. 1925 betr. die Versicherung der selbständig wirtschaftenden Personen für den Fall der Invalidität und des Alters wurden die Vorschriften des Gesetzes vom 9. Oktober 1924 betr. die Versicherung der Arbeitnehmer für den Fall der Krankheit, der Invalidität und des Alters (SVG) vom 1. Juli 1926 an in Kraft gesetzt. Damit war von diesem Zeitpunkt an in der Tschechoslowakei die gesetzliche Rentenversicherung der Arbeiter eingeführt. Zwar war der verstorbene Ehemann der Klägerin gemäß §§ 6 Buchst, a, 5 Buchst. a SVG in der ursprünglichen Fassung, §§ 6 Buchst. a, 5 Buchst. b SVG i.d.F. der Kundmachung des Ministers für soziale Fürsorge vom 25. Juli 1934 von der allgemeinen Invaliditäts- und Altersversicherungspflicht bei der Zentralversicherungsanstalt in Prag ausgeschlossen bzw. (spätere Fassung) ausgenommen, weil er als Bediensteter einer Gemeinde durch seine Zugehörigkeit zur Städtischen Versicherungsanstalt Reichenberg für den Fall der Invalidität und des Alters Ansprüche hatte, die den vom SVG vorgesehenen Leistungen mindestens gleichwertig und vom Ministerium für soziale Fürsorge in Prag auch als mindestens gleichwertig anerkannt waren. Gesetzliche Rentenversicherung im Sinne des FAG ist jedoch, wie das BSG bereits entschieden hat (BSG 6, 263), jedes soziale Sicherungssystem, das im wesentlichen auf einer öffentlich-rechtlich geregelten Pflichtzugehörigkeit für einen bestimmten Personenkreis mit einem irgendwie gestalteten Beitragsaufkommen aufgebaut ist und das gesetzlich oder satzungsmäßig Renten für den Fall einer vorzeitigen Minderung der Erwerbsfähigkeit, des Alters und des Todes vorsieht. Von dieser Rechtsprechung abzuweichen, besteht kein Anlaß, zumal der Gesetzgeber sich bei der Neufassung des Fremdrentenrechts durch das FANG vom 25. Februar 1960 (BGBl I 93) in § 15 Abo. 2 des Fremdrentengesetzes (FRG) an den vom BSG herausgearbeiteten Begriff der gesetzlichen Rentenversicherung angelehnt und damit den im FAG enthaltenen Begriff der Rentenversicherung im wesentlichen so wie das BSG ausgelegt hat (vgl. Amtl. Begründung zu § 15 FRG in BT-Drucks. - 3. Wahlper. - Nr. 1109, 39). Im Sinne dieser Auslegung war auch die Versicherung des Ehemannes der Klägerin bei der Städtischen Versicherungsanstalt in Reichenberg eine gesetzliche Rentensicherung. Auch sie erfüllte die in der genannten Entscheidung gestellten Bedingungen. Das ergibt sich aus der Satzung der Städtischen Versicherungsanstalt.
Nach den §§ 2 und 4 der Satzung unterlagen alle ständigen Bediensteten der städtischen Industriewerke der Stadt Reichenberg für die Dauer ihres Dienstverhältnisses, frühestens jedoch vom 1. Juli 1926 an, der Versicherungspflicht bei dieser Anstalt, soweit nicht die Bestimmungen über die Ruhe- und Versorgungsgenüsse der Reichenberger Straßenbahnbediensteten und ihrer Witwen und Waisen auf sie zutrafen. Diese die Versicherungspflicht anordnende Satzung war durch die Stadtvertretung am 27. Juni 1932 beschlossen und mit Erlaß des für die Durchführung der gesetzlichen Rentenversicherung zuständigen Ministeriums für soziale Fürsorge vom 26. September 1932 genehmigt worden. Danach handelte es sich um ein soziales Sicherungssystem. das auf einer öffentlich-rechtlich geregelten Pflichtzugehörigkeit für einen bestimmten Personenkreis aufgebaut war.
Das Beitragsaufkommen der Städtischen Versicherungsanstalt war durch die Satzung dahin geregelt, daß nach den §§ 9 ff dieser Satzung die Beitragsleistungen zu dieser Versicherungsanstalt die Beitragsleistungen nach § 158 SVG in der höchsten Klasse zur Zentralversicherungsanstalt in Prag noch bedeutend überstiegen und daß entsprechend der gesetzlichen Regelung Beitragsleistungen von den Arbeitnehmern und dem Arbeitgeber und von freiwillig Weiterversicherten erbracht wurden und die Stadtgemeinde die auf ohne Entgelt beschäftigte Versicherte entfallenden Beiträge übernahm.
Schließlich sah die Satzung in ihren §§ 14 ff als Leistung der Städtischen Versicherungsanstalt Reichenberg die Gewährung von Renten vor, nämlich Arbeitsunfähigkeits- und Altersrenten, zu denen unter bestimmten Voraussetzungen ein "Erziehungsbeitrag" genannter Kinderzuschuß zu gewähren war, sowie Witwen-, Witwer- und Waisenrenten. Der Gesetzgeber des FANG war allerdings, wie die die Beklagte zutreffend vorträgt, der Ansicht, daß es sich bei den "Pensionsfonds" der Sudetendeutschen Städte, zu denen auch die Städtische Versicherungsanstalt Reichenberg gehörte, um ein Versorgungssystem handelte, dessen Mitglieder weder unter das FAG noch unter das G 131 gefallen seien (vgl. Amtl. Begründung zu § 16 FRG, BT-Drucks. - 3. Wahlper. - 1109, 40 und, wenn auch mit gewissen Zweifeln, Jantz/Zweng/Eicher, Das neue Fremdrenten- und Auslandsrentenrecht, 1960, Anm. 9, 13 zu § 15, Anm. 6 zu § 16 FRG). Dieser Ansicht vermochte der Senat sich aber nicht anzuschließen. Das BSG hat in seinem bereits genannten Urteil vom 15. Januar 1958 (BSG 6, 263, 265) ausgesprochen, daß ein Versorgungssystem nicht als gesetzliche Rentenversicherung im Sinne des FAG anzusprechen ist, durch das vom Dienstherrn eine Leistung auf Grund des Arbeits- oder Dienstverhältnisses etwa für Staatsbedienstete gewährt wurde. Um eine solche Versorgung handelte es sich jedoch bei der Städtischen Versicherungsanstalt Reichenberg nicht. Bei der Städtischen Versicherungsanstalt Reichenberg handelte es sich vielmehr um eine Sondereinrichtung der allgemeinen tschechoslowakischen Invaliditäts- und Altersversicherung, die der Sicherung aller Arbeitnehmer, also nicht vorwiegend der Sicherung der im öffentlichen Dienst Beschäftigten diente. Das BSG hat bereits entschieden, daß es sieh bei den Leistungen dieser Versicherungsanstalt nicht um ein Versorgungs- oder Pensionssystem für Beschäftigte im öffentlichen Dienst, sondern um die Zahlung von Rente durch eine nichtstaatliche Versicherungsanstalt handelte, so daß auf ihre Mitglieder die Vorschriften des G 131 nicht anzuwenden sind (SozR G 131 § 72 Bl. Aa 2 Nr. 2). Das geht insbesondere aus dem bereits hier zusammengefaßten Inhalt des § 2 der Satzung hervor, in dem zwischen der Gewährleistung von Ruhe- und Versorgungsgenüssen (= Versorgungsbezügen) und der Versicherung und Versicherungspflicht bei der Städtischen Versicherungsanstalt unterschieden wird. Abgesehen von der Beitrags- und Leistungshöhe waren die satzungsmäßigen Beitragspflichten und Leistungsansprüche der Mitglieder der Städtischen Versicherungsanstalt den Rechten und Pflichten der gesetzlichen Invaliditäts- und Altersversicherung bei der Zentralversicherungsanstalt in Prag voll gleichgestaltet. Die Ausschließung oder Ausnahme von der gesetzlichen Invaliditäts- und Altersversicherung stellt sich als eine zeitweilige Befreiung von der Pflicht dar, Beiträge an die Zentralversicherungsanstalt in Prag zu leisten. Das geht aus den §§ 240 ff SVG, § 36 der Satzung der Städtischen Versicherungsanstalt Reichenberg hervor, wonach die gegenseitige Übertragung der von den Versicherten bereits erbrachten Beitragsleistungen zwischen der Zentralversicherungsanstalt in Prag, dem zuständigen Träger der Pensionsversicherung der Angestellten und der Städtischen Versicherungsanstalt Reichenberg zwingend vorgeschrieben war, wenn ein Versicherter in ein bei der jeweils anderen Versicherungsanstalt beitragspflichtiges Dienst- oder Arbeitsverhältnis überwechselte. Eine in den Grundzügen entsprechende Regelung enthielt auch das frühere deutsche Sozialversicherungsrecht. Nach § 1360 Abs. 1 RVO in der bis zum Gesetz über den Ausbau der Rentenversicherung vom 21. Dezember 1937 (RGBl I 1393) gültigen Fassung konnten auch im Deutschen Reich auf Antrag Anstalten eines Gemeindeverbandes als Sonderanstalten der Rentenversicherung der Arbeiter zugelassen werden. Diese Sonderanstalten waren nach § 1367 der damaligen Fassung der RVO kein System zur Sicherung der im öffentlichen Dienst der Gemeinden Beschäftigten, sondern gehörten im Gegensatz zu den im § 1234 RVO aF genannten Versorgungssystemen, bei denen Versicherungsfreiheit bestand, zur Rentenversicherung der Arbeiter. Wie das BSG ausgesprochen hat, ist es mit Sinn und Zweck des FAG unvereinbar, als Rentenversicherung nur solche Sicherungssysteme anzusehen, die nach ihrem materiellen Recht, ihrem Organisationsrecht und nach der Gestaltung des Rechtsschutzes mit dem Sozialversicherungssystem in der Bundesrepublik übereinstimmen. Erst recht ist es daher ausgeschlossen, ein Sicherungssystem nicht als Rentenversicherung im Sinne des FAG anzusprechen, das in seinen Grundzügen einer früheren deutschen Regelung entspricht. Für die Zeit vom 1. Juli 1926 bis zum 30. September 1938 war der verstorbene Ehemann der Klägerin daher durch seine Zugehörigkeit zur Städtischen Versicherungsanstalt Reichenberg bei einem Träger der gesetzlichen Rentenversicherung im Sinne des FAG versichert.
Die Anwartschaft aus dieser Versicherungszeit ist nach § 4 Abs. 3 FAG erhalten. Der Klägerin steht somit der geltend gemachte Anspruch auf Witwenrente zu, so daß das SG mit Recht ihrer Klage auf Aufhebung des die Rente versagenden Bescheides der Beklagten stattgegeben und die Beklagte dem Grunde nach zur Zahlung der Witwenrente vom 1. November 1953 an verurteilt hat. Gemäß § 170 Abs. 2 Satz 1 SGG war daher auf die Revision das die Klage abweisende Urteil des LSG aufzuheben und die Berufung der Beklagten zurückzuweisen, ohne daß darüber zu entscheiden war, ob etwa noch weitere Versicherungszeiten des verstorbenen Ehemannes der Klägerin nach dem FAG auf die Wartezeit anzurechnen sind.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Fundstellen