Entscheidungsstichwort (Thema)

Kosten der selbst gewählten 2. Klasse

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Wenn auch in den BVG §§ 11 und 18 die "Heilbehandlung" und "Krankenhausbehandlung" schlechthin ohne Unterscheidung zwischen den verschiedenen Pflegeklassen geregelt ist, so ist doch darunter die in der allgemeinen - also der dritten - Pflegeklasse zu verstehen (vgl BVG § 18c Abs 3 S 2).

Nimmt der Versorgungsberechtigte die ihm als Sachleistung angebotene Krankenhausbehandlung der dritten Pflegeklasse nicht in Anspruch, sondern wählt die zweite Pflegeklasse, so hat er, wenn er die Behandlung in dieser Pflegeklasse als die ihm zu gewährende Sachleistung begehrt, dies der Krankenkasse oder der Verwaltungsbehörde mitzuteilen. Unterläßt er das ohne verständigen Grund, so besteht kein Anspruch auf Erstattung der Kosten der zweiten Pflegeklasse.

2. Als Gewährung eines Zuschusses iS des BVG § 18 Abs 5 ist es anzusehen, wenn die Verwaltungsbehörde die Kosten für die Behandlung in der allgemeinen Pflegeklasse übernommen hat.

Ein Anspruch auf Ersatz der Kosten der stationären Behandlung in der 2. Pflegeklasse (vgl BVG § 18c Abs 3 S 3) ist jedenfalls nicht begründet, wenn der Beschädigte die 2. Pflegeklasse selbst gewählt und ohne verständigen Grund die Verwaltungsbehörde hiervon nicht unterrichtet hat. Er hat dadurch die Verwaltungsbehörde gehindert, rechtzeitig die ihr allein obliegende Entscheidung über die Notwendigkeit der 2. Pflegeklasse zu treffen, und er hat ihr gegebenenfalls auch die Möglichkeit genommen, die grundsätzlich gebotene Sachleistung hierfür anzubieten.

 

Orientierungssatz

Die Voraussetzungen eines Erstattungsanspruchs nach BVG § 18 Abs 2 sind nicht erfüllt, wenn der Beschädigte - entgegen dem in der Kriegsopferversorgung geltenden Sachleistungsprinzip - die Behandlung in der 2. Pflegeklasse selbst gewählt hat und keine unvermeidbaren Umstände vorgelegen haben, die es ihm unmöglich machten, insoweit die Krankenkasse oder die Verwaltungsbehörde in Anspruch zu nehmen.

 

Normenkette

BVG § 18 Abs. 2, 5, § 18c Abs. 3 Sätze 2-3

 

Tenor

Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Landessozialgerichts Rheinland-Pfalz vom 30. März 1973 wird als unbegründet zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten des Revisionsverfahrens sind nicht zu erstatten.

 

Tatbestand

Der Kläger begehrt die Erstattung der Kosten, welche ihm bei einer stationären Krankenhausbehandlung von Schädigungsfolgen in der 2. Pflegeklasse während der Zeit vom 22. September bis 30. Oktober 1969 entstanden sind. Er bezieht Versorgung nach einer Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) um 70 v. H. u. a. wegen Verlustes des rechten Unterschenkels. Im Juli 1969 wandte er sich unter Inanspruchnahme eines Bundesbehandlungsscheines an die für ihn örtlich zuständige Allgemeine Ortskrankenkasse (AOK) B und bat um Auskunft wegen einer Stumpfkorrektur im S-Krankenhaus in B. Die AOK erklärte, daß sie die Kosten übernehmen werde, "jedoch höchstens mit einem Pflegesatz, den wir zahlen, wenn Sie im hiesigen Krankenhaus aufgenommen werden." Bei der Aufnahme in das Krankenhaus hat sich der Kläger nach dem Unterschied zwischen den Kosten in der 2. und der 3. Pflegeklasse erkundigt und dann erklärt, er wolle in die 2. Pflegeklasse aufgenommen werden. Daraufhin wurde in den Krankenblatt vermerkt: "Kostenträger: Eigene II. Klasse".

Nachdem der Kläger die Rechnung des behandelnden Arztes bekommen hatte, bat er das Versorgungsamt am 23. Februar 1970, die aus Anlaß der Unterbringung in der 2. Pflegeklasse entstandenen Kosten zu übernehmen. Dieses lehnte den Antrag mit Bescheid vom 27. Februar 1970 ab, weil die Behandlungskosten in der 2. Pflegeklasse nur übernommen werden könnten, wenn die Behandlung von der Versorgungsverwaltung selbst durchgeführt werde und der Beschädigte die Unterbringung in der 2. Pflegeklasse vor dem Beginn der Behandlung beantragt habe. Dies habe der Kläger nicht getan. Die Kosten der Behandlung nach den Sätzen der 3. Pflegeklasse wurden auf den Versorgungshaushalt übernommen. Der Widerspruch war erfolglos (Bescheid des Landesversorgungsamtes - LVersorgA - vom 9. September 1970).

Das Sozialgericht (SG) hat durch Urteil vom 15. Oktober 1971 die angefochtenen Bescheide aufgehoben und den Beklagten verurteilt, den Antrag des Klägers neu zu bescheiden, ohne ihn wegen verspäteter Antragstellung ablehnen zu dürfen. Die Krankenhausbehandlung im Sinne des § 11 Abs. 1 Nr. 4 des Bundesversorgungsgesetzes (BVG), deren Gewährung der Kläger beantragt habe, könne nicht aufgespalten werden in Behandlung in der 3. und in der 2. Pflegeklasse. Krankenhausbehandlung in der nächsthöheren Pflegeklasse könne "in besonderen Fällen" gewährt werden; von einem Beschädigten könne nicht verlangt werden, er solle den Antrag stellen, ihm Krankenhausbehandlung für einen besonderen Fall zu gewähren. Vielmehr habe die Verwaltung zu prüfen, ob ein besonderer Fall vorliege, wenn die Gewährung von Krankenhausbehandlung beantragt werde.

Das Landessozialgericht (LSG) hat durch Urteil vom 30. März 1973 die Entscheidung des SG aufgehoben und die Klage abgewiesen. Die Krankenhausbehandlung in der 2. Pflegeklasse unterscheide sich ihrer Art nach grundlegend von der in der 3. Pflegeklasse. Das BVG kenne, vom Fall des § 18 c Abs. 3 Satz 3 BVG abgesehen, als Sachleistung nur die stationäre Behandlung in der allgemeinen Pflegeklasse. Für die 2. Klasse sei daher ein besonderer Antrag erforderlich. Da sich der Kläger in eine höhere Pflegeklasse habe aufnehmen lassen, ohne sich mit der Krankenkasse oder der Versorgungsverwaltung in Verbindung zu setzen, liege hierin die Durchführung einer Heilbehandlung durch den Berechtigten selbst im Sinne des § 18 Abs. 2 BVG. Eine Erstattung von Kosten in angemessenem Umfang komme nach dieser Vorschrift nicht in Betracht, weil der Kläger vor der Aufnahme die Krankenhausbehandlung in der 2. Pflegeklasse bei der Krankenkasse oder der Verwaltungsbehörde hätte beantragen können; dies sei ihm auf alle Fälle noch während des Krankenhausaufenthaltes möglich gewesen. Auch ein Zuschuß nach § 18 Abs. 5 BVG stehe nicht zu, weil die Sachleistung der Krankenhausbehandlung im Augenblick der Geltendmachung des Zuschusses nicht mehr gewährt werden könne; denn die vom Kläger selbst durchgeführte Krankenhausbehandlung sei beendet. Der Anspruch des Klägers könne auch nicht auf § 18 a Abs. 2 Satz 1 BVG gestützt werden, weil diese Vorschrift nur den Beginn der Leistung bestimme. Ob ein Anspruch bestehe, richte sich nach anderen Vorschriften, deren Voraussetzungen nicht erfüllt seien. Das LSG hat die Revision zugelassen.

Der Kläger hat Revision eingelegt und beantragt,

das Urteil des Landessozialgerichts aufzuheben und die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts zurückzuweisen.

Er rügt mit näherer Begründung, das LSG habe die §§ 9 Nr. 1, 10 Abs. 1, 11 Abs. 1 Nr. 4, 18 Abs. 2 und 5, 18 a Abs. 1 und 2, 18 c Abs. 3 BVG und § 128 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) verletzt. Ein Antrag auf Krankenhausbehandlung im Sinne des § 11 Abs. 1 Nr. 4 BVG reiche auch für die Erstattung der Kosten in der 2. Pflegeklasse aus. Dem Kläger sei die Anrufung der Krankenkasse oder der Versorgungsbehörde vor der Aufnahme in das Krankenhaus nicht möglich gewesen, weil sich die Erforderlichkeit der Aufnahme in die 2. Pflegeklasse laut ärztlicher Bescheinigung des Dr. D erst am 22. September 1969 ergeben habe. Außerdem hätte ein nach Unterbringung in der 2. Pflegeklasse gestellter Antrag die Entscheidungsfreiheit der Versorgungsbehörde oder der Krankenkasse nicht mehr berührt als der jetzt vom Kläger gestellte. Aus § 18 Abs. 5 BVG ergebe sich nicht, daß die Sachleistung der Krankenhausbehandlung im Augenblick der Geltendmachung des Zuschusses noch müsse gewährt werden können.

Der Beklagte beantragt,

die Revision des Klägers gegen das Urteil des Landessozialgerichts vom 30. März 1973 als unbegründet zurückzuweisen.

Bei der Art der Operation hätte die Frage der Notwendigkeit der Behandlung in der 2. Pflegeklasse vor der Krankenhausaufnahme ohne weiteres geklärt werden können. Die gesundheitliche Situation des Klägers in den 5 Wochen der stationären Behandlung sei auch nicht derart gewesen, daß er oder seine Angehörigen nicht in der Lage gewesen wären, einen entsprechenden Antrag zu stellen.

Die Beigeladene weist darauf hin, daß der Antrag des Klägers dadurch, daß die AOK B die Behandlung in der 3. Pflegeklasse genehmigt habe, verbraucht worden sei, so daß er sich, wenn er mit dieser Leistungsgewährung nicht einverstanden war, erneut an die Krankenkasse hätte wenden müssen. Ein erhöhtes Pflegebedürfnis, dem nur in der 2. Pflegeklasse hätte Rechnung getragen werden können, habe nicht vorgelegen. Der Kläger habe durch seinen eigenen Vertragsabschluß mit dem behandelnden Arzt und dem Krankenhaus der Versorgungsverwaltung die Möglichkeit genommen, eine Sachleistung zu gewähren und damit die Stumpfkorrektur zu einer selbst durchgeführten Heilbehandlung gemacht. Ob dem Kläger eine Leistung nach § 18 Abs. 5 BVG zustehe, könne dahingestellt bleiben, denn den Betrag, den der Kläger nach dieser Vorschrift hätte erhalten können, habe die AOK B bereits dem St.-Petrus-Krankenhaus zugunsten des Klägers überwiesen.

 

Entscheidungsgründe

Der Kläger hat die vom LSG zugelassene Revision (§ 162 Abs. 1 Nr. 1 SGG) form- und fristgerecht eingelegt und begründet (§§ 164, 166 SGG). Sein zulässiges Rechtsmittel konnte keinen Erfolg haben.

Das LSG hat zunächst zu Recht die Berufung für zulässig erachtet, weil das SG sie gemäß § 150 Nr. 1 SGG- wenn auch nicht im Urteilstenor, so doch unmißverständlich am Ende der Urteilsgründe - zugelassen hat.

In der Sache ist das Berufungsgericht zutreffend davon ausgegangen, daß nach der Systematik des BVG die Krankenhausbehandlung eine Sachleistung ist. Sie ist eine der in § 11 BVG aufgeführten Maßnahmen der Heilbehandlung und tritt an die Stelle der ambulanten ärztlichen und zahnärztlichen Behandlung sowie der Versorgung mit Arznei, Verbands- und Heilmitteln. Ihrem Wesen nach wird sie als Sachleistung in Natur gewährt. Dieses Prinzip der Naturalleistung ist im BVG ebenso wie in der Sozialversicherung - und zwar der Kranken-, Unfall- und Invalidenversicherung - gleichmäßig durchgeführt. Es ist regelmäßig nicht vorgesehen, daß eine Geldleistung an die Stelle der Sachleistung tritt. Dementsprechend ist auch die Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) dahingegangen, daß zu Unrecht gewährte Sachleistungen nicht mit dem Geldbetrag zurückgefordert werden können, welchen ein Versicherungsträger aufgewendet hat, sondern allenfalls nur aus dem rechtlichen Gesichtspunkt der ungerechtfertigten Bereicherung mit dem Betrage, welchen ein Versicherter durch die Leistungen der Krankenhauspflege erspart hat (vgl. BSG Bd. 22 S. 136 ff). Der Grundsatz der Sachleistung wird für das Gebiet der Kriegsopferversorgung (KOV) durch die Fürsorgepflicht des Versorgungsträgers dahin besonderes geprägt, daß er alles Geeignete zu unternehmen hat, um die Schädigungsfolgen für den Beschädigten zu mildern oder gar zu beheben. Dem entspricht die Pflicht des Beschädigten, bei derartigen Maßnahmen der Heilbehandlung mitzuwirken. Der Grundsatz der Sachleistung bei der Gewährung der Krankenhauspflege wird insbesondere noch durch § 18 c Abs. 3 Satz 2 BVG belegt.

Wenn auch in §§ 11 und 18 BVG die "Heilbehandlung" und "Krankenhausbehandlung" schlechthin ohne Unterscheidung zwischen den verschiedenen Pflegeklassen geregelt ist, so ist doch darunter die in der allgemeinen - also der dritten - Pflegeklasse zu verstehen. Dies wird insbesondere durch die neu eingeführte Möglichkeit deutlich, "in besonderen Fällen die Kosten der stationären Behandlung eines Beschädigten in der nächsthöheren Pflegeklasse" zu übernehmen (§ 18 c Abs. 3 S. 2 BVG). Im vorliegenden Fall hatte die AOK dem Kläger als Sachleistung die Krankenhausbehandlung in der dritten Pflegeklasse angeboten. Sie hat er nicht in Anspruch genommen, sondern die zweite Pflegeklasse gewählt. Krankenhausbehandlung in der zweiten Pflegeklasse aber ist eine andere Sachleistung als die in der dritten, wie das LSG zutreffend entschieden hat. Zu Unrecht ist der Kläger der Ansicht, die Unterscheidung zwischen den beiden Pflegeklassen sei nicht wesentlich und berühre den gemeinsamen Oberbegriff "Krankenhausbehandlung" nicht. Vielmehr handelt es sich um zwei verschiedene, selbständig nebeneinander stehende Sachleistungen. Da der Kläger die von der AOK angebotene Sachleistung nicht angenommen hat, mußte er sich, wenn er die von ihm gewählte Behandlung in der zweiten Pflegeklasse als die ihm zu gewährende Sachleistung begehrte, an die Verwaltung wenden. Dies hat er unterlassen. Infolgedessen hat hier eine vom Versorgungsberechtigten selbst durchgeführte Heilbehandlung vorgelegen. Es hat sich auch nicht etwa um einen sog. Eilfall gehandelt, daß nämlich unvermeidbare Umstände die Inanspruchnahme der Krankenkasse oder der Verwaltungsbehörde unmöglich gemacht hätten (§ 18 Abs. 2 BVG). Die Revision greift diese Feststellung des LSG ohne Erfolg an. Soweit das LSG zu dem Ergebnis gekommen ist, es bestehe kein Anhalt dafür, daß der Kläger vor der Aufnahme in das Krankenhaus gehindert gewesen sei, sich wegen der Behandlung in der zweiten Pflegeklasse an die Krankenkasse oder Verwaltungsbehörde zu wenden, sind durchgreifende Verfahrensrügen nicht erhoben. Aufgrund der öffentlich-rechtlichen Beziehungen des Klägers zum Beklagten und dem Grundsatz der Sachleistungen ist daran festzuhalten, daß der Versorgungsberechtigte auch die beabsichtigte Inanspruchnahme der nächsthöheren Pflegeklasse der Krankenkasse oder der Verwaltungsbehörde mitzuteilen hat. Nur auf diese Weise kann die Regelung des § 18 c Abs. 3 Satz 2 und 3 BVG in der Praxis angewendet werden und die Verwaltung die ihr obliegende Entscheidung unter Berücksichtigung der Wirtschaftlichkeit der Heilbehandlung und der besonderen Umstände des Einzelfalls treffen. Diese Möglichkeit hat der Kläger durch sein Verhalten dem Beklagten genommen. Eine Kostenerstattung nach § 18 Abs. 2 BVG ist also zu Recht abgelehnt worden.

Aber auch einen Zuschuß zur Krankenhausbehandlung in der zweiten Pflegeklasse kann der Kläger nicht beanspruchen. Unstreitig ist bereits ein Zuschuß in Höhe der Kosten der Behandlung in der dritten Pflegeklasse geleistet worden. Für weitergehende Ansprüche des Klägers aber ist hier schon deshalb kein Raum, weil er ohne verständigen Grund der Verwaltung die Möglichkeit genommen hat, vor Durchführung der Heilbehandlung die ihr allein obliegende Entscheidung über das Vorliegen eines "besonderen Falles" im Sinne des § 18 c Abs. 3 Satz 3 BVG zu treffen und gegebenenfalls die grundsätzlich gebotene Sachleistung hierfür anzubieten. Der Hinweis der Revision auf eine Schlechterstellung gegenüber dem Personenkreis des § 18 Abs. 1 BVG geht fehl. Denn in diesen Fällen bestehen die öffentlich-rechtlichen Beziehungen eines Beschädigten zur Versorgungsverwaltung noch nicht und können noch keine Pflichten für ihn begründen. Infolgedessen ist auch der aus § 18 Abs. 5 BVG hergeleitete Anspruch des Klägers nicht begründet.

Da sonach die angefochtene Entscheidung im Ergebnis richtig ist, mußte die Revision zurückgewiesen werden.

Die Entscheidung über die Kosten beruht auf § 193 Abs. 1 SGG.

 

Fundstellen

Dokument-Index HI1647142

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