Verfahrensgang
Bayerisches LSG (Urteil vom 21.03.1996) |
Tenor
Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Bayerischen Landessozialgerichts vom 21. März 1996 wird zurückgewiesen.
Die Beteiligten haben einander auch für das Revisionsverfahren außergerichtliche Kosten nicht zu erstatten.
Tatbestand
I
Streitig ist die Gewährung von Witwenrente für die Zeit vom 1. bis 16. Dezember 1988 und von Witwenrentenabfindung.
Die am 13. Juli 1956 geborene Klägerin, die polnische Staatsangehörige ist, bezog in Polen eine Unfallhinterbliebenenrente nach ihrem am 2. Dezember 1985 an den Folgen eines Arbeitsunfalls verstorbenen ersten Ehemann, der ebenfalls polnischer Staatsangehöriger war. Zusammen mit ihrer 1983 geborenen Tochter Katharina reiste sie am 17. Dezember 1987 mit einem von der Deutschen Botschaft für die Zeit bis 16. Januar 1988 ausgestellten Sichtvermerk in die Bundesrepublik Deutschland ein, wo sie von ihrem späteren Ehemann (R.) aufgenommen wurde. Am 2. Februar 1988 beantragte sie eine Aufenthaltserlaubnis. Sie gab an, zum Zweck der Eheschließung eingereist zu sein und auf Dauer bleiben zu wollen, und legte die Bescheinigung des örtlichen Standesamts vor, wonach das Aufgebot bestellt, wegen des Ausstehens von beizubringenden Urkunden aber noch nicht angeordnet war. Die Ausländerbehörde stellte der Klägerin eine Bescheinigung nach § 21 Abs 3 AuslG 1965 aus, wonach ihr Aufenthalt vorläufig bis 31. März 1988 als erlaubt galt. Gleichartige Bescheinigungen erhielt sie jeweils für die Zeiträume bis 30. April, 31. August und 31. Dezember 1988. Zum Zwecke der Familienzusammenführung reiste am 23. September 1988 auch die 1977 geborene Tochter Silvia in das Bundesgebiet ein. Nachdem die Klägerin am 16. Dezember 1988 die Ehe mit R. geschlossen hatte, erteilte ihr die Ausländerbehörde im Januar 1989 eine bis zum 29. Oktober 1990 befristete und am 3. Dezember 1990 eine unbefristete Aufenthaltserlaubnis. Einen Asylantrag stellte die Klägerin nicht.
Der polnische Versicherungsträger stellte mit Ablauf November 1988 die nach dem ersten Ehemann gewährte Hinterbliebenenrente ein. Den Antrag der Klägerin und ihrer Kinder vom 1. Dezember 1988 auf Witwen- und Waisenrente aus der deutschen Arbeiterrentenversicherung lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 2. Januar 1990 ab. Die dagegen erhobenen Klagen richteten sich zunächst auf Witwenrentenabfindung für die Klägerin und Waisenrenten für ihre beiden Töchter. Nach Zusage der Beklagten, den Klagantrag der Klägerin als Antrag auf Witwenrentenabfindung zu werten und darüber nach Abschluß des Verfahrens über die Hinterbliebenenrenten zu entscheiden, bezog das SG die nunmehr erhobene Klage auf Zahlung von Witwenrente in das Klageverfahren ein. Die Klägerin nahm ihre Klage auf Witwenrentenabfindung zurück. Mit Urteil vom 11. April 1990 wies das SG die miteinander verbundenen Klagen ab, weil die Klägerin und die Kinder der Klägerin solange noch keinen gewöhnlichen Aufenthalt iS des Abkommens zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Volksrepublik Polen über Renten und Unfallversicherung vom 9. Oktober 1975 (AbkPolenRV/UV) im Bundesgebiet gehabt hätten, als die Klägerin lediglich im Besitz einer befristeten Aufenthaltserlaubnis gewesen sei.
Nach Erteilung der unbefristeten Aufenthaltserlaubnis bewilligte die Beklagte während des anschließenden Berufungsverfahrens den Kindern der Klägerin mit Bescheid vom 11. März 1991 Halbwaisenrente ab 3. Dezember 1990. Im Termin zur mündlichen Verhandlung vor dem LSG am 2. Juni 1992 schlossen die Beteiligten einen Vergleich, in dem sich die Beklagte verpflichtete, den Kindern der Klägerin die Halbwaisenrente auch für die Zeit vom 16. Dezember 1988 bis 2. Dezember 1990 zu gewähren; zugleich einigten sich die Beteiligten über die Kosten und erklärten den Rechtsstreit in vollem Umfang für erledigt.
Mit Schreiben ihres Prozeßbevollmächtigten vom 21. Juli 1992 beantragte die Klägerin unter Bezug auf die Zusage der Beklagten im Verfahren vor dem LSG die Gewährung von Witwenrentenabfindung; ferner beantragte sie erneut die Gewährung von Witwenrente für die Zeit ab Einreise in die Bundesrepublik Deutschland bis zur Eheschließung am 16. Dezember 1988. Mit Bescheid vom 13. November 1992 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 31. März 1993 lehnte die Beklagte beide Anträge mit der Begründung ab, bis zum 16. Dezember 1988 habe kein Anspruch auf Witwenrente nach der Reichsversicherungsordnung bestanden, weil kein gewöhnlicher Aufenthalt im Bundesgebiet vorgelegen habe. Ein gewöhnlicher Aufenthalt sei erst ab 16. Dezember 1988 im Hinblick auf die Heirat mit einem deutschen Ehemann anzuerkennen. Mit der Wiederheirat habe die Klägerin ihren Rechtsstatus als Witwe verloren, mangels eines Witwenrentenanspruchs stehe ihr auch kein Abfindungsanspruch zu.
Die gegen diesen Bescheid erhobene Klage hat das SG mit Urteil vom 8. September 1993 abgewiesen. Die Berufung der Klägerin ist durch Urteil des LSG vom 21. März 1996 zurückgewiesen worden. Zur Begründung hat das LSG im wesentlichen ausgeführt:
Einer erneuten Entscheidung über die Leistungsansprüche der Klägerin stehe der am 2. Juni 1992 vor dem LSG geschlossene Vergleich zwar nicht entgegen. Die Beklagte habe es aber zu Recht abgelehnt, der Klägerin unter teilweiser Rücknahme des Bescheids vom 2. Januar 1990 Witwenrente und Witwenrentenabfindung aus der Versicherung ihres ersten Ehemannes zu bewilligen, weil die Klägerin zu dem für den Leistungsanspruch maßgeblichen Zeitpunkt, nämlich am 1. Dezember 1988, im Gebiet der Bundesrepublik Deutschland nicht iS des Art 4 Abs 4 AbkPolenRV/UV gewohnt bzw ihren „gewöhnlichen Aufenthalt” genommen habe. Dazu sei nach der Rechtsprechung des BSG für den Bereich des AbkPolenRV/UV davon auszugehen, daß ein Pole seinen gewöhnlichen Aufenthalt nur dann im Inland habe, wenn hier faktisch auf Dauer der Schwerpunkt seiner Lebensverhältnisse liege, und daß der Aufenthalt von Dauer nur sein könne, wenn und solange er nicht auf Beendigung angelegt, sondern unter Würdigung aller für die rechtliche Qualität seines Bleiberechts entscheidungserheblicher Tatsachen, die zu Beginn und während der Dauer des streitigen Leistungszeitraums vorgelegen hätten, „zukunftsoffen” sei. Entscheidend sei somit allein der ausländerrechtliche Status im Leistungszeitraum. Danach komme ein „gewöhnlicher Aufenthalt” im Inland generell nur für Ausländer in Betracht, die sich hier berechtigterweise aufhielten. Wenn die Ausländerbehörde den Aufenthalt des Ausländers endgültig befriste und dies bereits im Bescheid zum Ausdruck bringe oder die Aufenthaltserlaubnis nur zu einem bestimmten Zweck erteile, könne die erforderliche Dauerhaftigkeit iS der Zukunftsoffenheit nicht festgestellt werden. Dagegen stehe die bloße Befristung der Aufenthaltserlaubnis, die keine Einzelfallentscheidung über das endgültige Ende des Aufenthalts enthalte, sondern im Gegenteil die Option auf eine Verlängerung und letztlich auf die unbefristete Aufenthaltserlaubnis offen lasse, der Annahme eines dauernden Aufenthalts iS der Zukunftsoffenheit nicht entgegen.
Bei den der Klägerin 1988 mehrfach erteilten Bescheinigungen der Ausländerbehörde habe es sich nicht um kurzfristige Aufenthaltserlaubnisse iS der §§ 2, 5 und 7 AuslG aF gehandelt, sondern lediglich um ein – mehrfach vergebenes – Legitimationspapier, das der Klägerin im Rechtsverkehr den Nachweis habe ermöglichen sollen, daß sie den in ihrem Fall zwingend erforderlichen Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis gestellt gehabt habe und deshalb ihr Aufenthalt im Bundesgebiet aufgrund der Fiktion des § 21 Abs 3 Satz 1 AuslG aF als vorläufig erlaubt gegolten habe. Nach ihrer Schutzfunktion sei diese Regelung nicht darauf ausgerichtet, den Aufenthalt auf längere Zeit zu ermöglichen, sondern sie solle nur das Verweilen des Antragstellers im Bundesgebiet bis zur alsbaldigen Entscheidung der Ausländerbehörde sichern. Wenn die Behörde den Aufenthalt der Klägerin gemäß § 21 Abs 3 AuslG aF bis zur Beschaffung der zur Eheschließung notwendigen Unterlagen lediglich hingenommen habe, könnten die einzelnen das Vorliegen eines Sachverhalts gemäß § 21 Abs 3 AuslG aF bestätigenden Bescheinigungen deshalb unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt den zukunftsoffenen vorläufigen Aufenthaltserlaubnissen nach §§ 2, 7 AuslG aF gleichgestellt werden; ihnen komme vielmehr lediglich die Wirkung einer Duldung iS von § 17 AuslG aF zu.
Der ausschließlich durch eine nur vorläufig auf die Dauer des Antragsverfahrens beschränkte Gestattung des Aufenthalts im Bundesgebiet geprägte Aufenthaltsstatus der Klägerin habe sich erst durch die Heirat mit R. geändert. Die Rechtswirkungen der Ehe und des Schutzes des Art 6 GG träten erst mit der formgültigen Eheschließung ein und könnten weder durch die Bestellung des Aufgebots noch in sonstiger Weise vorweggenommen werden. Auch im übrigen hätten keine besonders schutzwürdigen Bindungen persönlicher, wirtschaftlicher oder sonstiger Art im Bundesgebiet bestanden, die vor Abschluß des Antragsverfahrens nach § 20 Abs 1 AuslG aF eine befristete oder gar unbefristete Aufenthaltserlaubnis hätten erwarten lassen. Aus der Rechtsprechung der Obergerichte zum Bleiberecht von Asylbewerbern könne die Klägerin keine Rechte herleiten, weil sie einen Asylantrag nicht gestellt habe.
Mit der vom LSG zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin ihr Begehren weiter und rügt die Verletzung materiellen Rechts. Der Begriff der Begründung eines gewöhnlichen Aufenthalts sei in ihrem Fall iS der gegenseitigen völkerrechtlichen Verträge zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Volksrepublik Polen auszulegen. Anders als bei Leistungen, die nur der deutsche Staat gewähre, komme es danach wesentlich darauf an, wo der Rentner faktisch wohne und wo er wohnen bzw seinen gewöhnlichen Aufenthalt begründen wolle und nicht auf den Willen der Behörde. Denn die Vertragsparteien gingen auch von der Möglichkeit aus, daß der Rentner nach Polen zurückgehe mit der Folge, daß sich die Ansprüche dann wieder an die polnische Sozialversicherung richteten. Im Rahmen der beabsichtigten Heirat mit R. habe sich aber zumindest auch iS eines Bleiberechtsanspruchs die Begründung des gewöhnlichen Aufenthalts der Klägerin in der Bundesrepublik Deutschland so verfestigt, daß auf jeden Fall schon vor der Eheschließung von einem gewöhnlichen Aufenthalt ausgegangen werden müsse, jedenfalls nach der Übersiedlung der Tochter Silvia am 23. September 1988 und spätestens zum 30. November 1988.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Bayerischen Landessozialgerichts vom 21. März 1996 und das Urteil des Sozialgerichts Nürnberg vom 8. September 1993 sowie die Bescheide der Beklagten vom 2. Januar 1990 und 13. November 1992 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 31. März 1993 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, der Klägerin Witwenrente für die Zeit vom 1. bis 16. Dezember 1988 und Witwenrentenabfindung aus der Versicherung ihres ersten Ehemannes Johann W. … zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Nach ihrer Auffassung hat das Berufungsgericht den Anspruch der Klägerin zu Recht und in Übereinstimmung mit der Rechtsprechung des BSG verneint, weil die Klägerin in dem für die sozialrechtliche Leistung maßgeblichen Zeitraum keinen gewöhnlichen Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland gehabt habe. Da es dafür nur auf Tatsachen ankomme, die während des streitigen Zeitraums objektiv vorgelegen hätten, sei eine spekulative Abwägung bzw Prognose zukünftiger Geschehnisse wie der beabsichtigten Eheschließung unzulässig. Ebenso könne dahingestellt bleiben, aus welchem Grund die Einreise der Tochter Silvia erfolgte, da die Klägerin auch aus dieser Tatsache keinen unbefristet rechtmäßigen Aufenthalt habe herleiten können. Sie habe vielmehr ihren gewöhnlichen Aufenthalt im Gebiet der Bundesrepublik Deutschland frühestens am Tag ihrer Eheschließung begründet, so daß für Dezember 1988 weder ein Witwenrentenanspruch aus der Versicherung ihres ersten Ehemannes nach den §§ 1264, 1268 RVO noch ein Anspruch auf Abfindung einer Witwenrente nach § 1302 RVO entstanden sei.
Entscheidungsgründe
II
Die zulässige Revision ist nicht begründet. Das LSG hat die Berufung der Klägerin gegen das klagabweisende Urteil des SG zu Recht zurückgewiesen; die Beklagte ist nicht verpflichtet, der Klägerin Witwenrente und Witwenrentenabfindung zu zahlen. Der Bescheid der Beklagten vom 13. November 1992 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 31. März 1993 ist rechtmäßig.
Gegenstand des Verfahrens ist der Anspruch der Klägerin auf Witwenrente für die Zeit ab 1. Dezember 1988 bis zu ihrer Wiederheirat am 16. Dezember 1988 und auf Witwenrentenabfindung. Das LSG ist davon ausgegangen, daß die Beklagte in dem Bescheid vom 13. November 1992 auch eine Überprüfung ihrer vorangegangenen ablehnenden Entscheidung über die Gewährung von Witwenrente im Bescheid vom 2. Januar 1990 vorgenommen hatte, und daß sie nicht verpflichtet war, den früheren Bescheid zurückzunehmen. Dem ist zuzustimmen. Eine Rücknahme nach § 44 Abs 1 SGB X kam schon deshalb nicht in Betracht, weil die Beklagte die Gewährung von Witwenrente in diesem Bescheid zu Recht abgelehnt hatte.
Der Anspruch der Klägerin auf Witwenrente aus der gesetzlichen Rentenversicherung richtet sich nach den Vorschriften der RVO, weil er vor dem 1. Januar 1992 geltend gemacht worden ist und sich auch auf die Zeit vor dem 1. Januar 1992 bezieht (§ 300 Abs 2 SGB VI). Einschlägig sind ferner noch die Bestimmungen des AbkPolenRV/UV, in Bundesrecht transformiert durch Zustimmungsgesetz vom 12. März 1976 (BGBl II 1976, 396) und am 1. Mai 1976 in Kraft getreten (BGBl II 1976, 463). Danach entstandene Ansprüche werden von dem deutsch-polnischen Sozialversicherungsabkommen (DPSVA) vom 18. Dezember 1990, welches nach seinem Art 27 Abs 1 Satz 2 für die Ansprüche von Personen gilt, die nach dem 31. Dezember 1990 ihren Wohnort in das Hoheitsgebiet des anderen Vertragsstaates verlegen, dort erneut begründen oder in einem Drittstaat leben, nicht berührt, wenn der Berechtigte nach dem 31. Dezember 1990 seinen Wohnort in der Bundesrepublik Deutschland beibehält (Art 27 Abs 2 Satz 1 DPSVA).
Nach § 1264 Abs 1 RVO erhielt nach dem Tode eines versicherten Ehemannes seine Witwe Witwenrente, wenn dem Verstorbenen zur Zeit seines Todes Versichertenrente zustand. Nach Art 4 Abs 1 AbkPolenRV/UV werden Renten der Rentenversicherung vom Versicherungsträger des Staates, in dessen Gebiet der Berechtigte wohnt, nach den für diesen Träger geltenden Vorschriften gewährt. Dabei berücksichtigt der Versicherungsträger bei der Feststellung der Rente nach den für ihn geltenden Vorschriften die im anderen Staat zurückgelegten Versicherungszeiten, Beschäftigungszeiten und denen gleichgestellte Zeiten so, als ob sie im Gebiet des ersten Staates zurückgelegt worden wären (Art 4 Abs 2 AbkPolenRV/UV). Nach Art 5 Abs 2 AbkPolenRV/UV entscheidet, wenn ein Rentner seinen gewöhnlichen Aufenthalt in das Gebiet des anderen Staates verlegt, der Versicherungsträger dieses Staates nach den für ihn geltenden Vorschriften in entsprechender Anwendung des Art 4 Abs 2 AbkPolenRV/UV über den Rentenanspruch für die Zeit nach Einstellung der Rentenzahlung durch den Versicherungsträger des anderen Staates.
Damit folgt das Abkommen dem Eingliederungsprinzip. Das bedeutet: Wer in einem Vertragsstaat wohnt und Versicherungszeiten in dem anderen Vertragsstaat zurückgelegt hat, wird in das innerstaatliche System der sozialen Sicherheit des Wohnlandes eingegliedert. Er erhält seine Rente von dem Versicherungsträger seines Wohnlandes nach den dort geltenden Vorschriften, und dabei werden die im anderen Vertragsstaat zurückgelegten Zeiten so berücksichtigt, als ob sie im Wohnland zurückgelegt wären. Nach dem Abkommen haben die Versicherungsträger der beiden Vertragsstaaten untereinander keinen Anspruch auf Ersatz irgendwelcher Leistungen, die sie nach dem Abkommen erbringen (Art 10 AbkPolenRV/UV), und es finden auch keine Vorleistungen eines Versicherungsträgers des einen Vertragsstaats für einen Versicherungsträger des anderen Vertragsstaats statt. Im Fall der Übersiedlung entscheidet vielmehr der Versicherungsträger des neuen Wohnlandes unter entsprechender Anwendung des Art 4 Abs 2, ob nach seinen Rechtsvorschriften ein Anspruch auf Rente besteht. Eine automatische Weiterzahlung der Rente gibt es danach nicht (vgl auch Denkschrift zum Abkommen – BT-Drucks 7/4310 – Abschnitt A II Art 5).
Voraussetzung für einen Anspruch der Klägerin aus der deutschen Rentenversicherung ist nach dem AbkPolenRV/UV, daß sie im fraglichen Zeitraum in der Bundesrepublik Deutschland wohnte bzw ihren gewöhnlichen Aufenthalt dorthin verlegt hatte.
Gemäß Art 1 Nr 2 des AbkPolenRV/UV bedeuten für die Anwendung dieses Abkommens die Begriffe „Wohnort” und „wohnen” für die Bundesrepublik Deutschland den Ort des gewöhnlichen Aufenthaltes oder „sich gewöhnlich aufhalten”. Zur Bedeutung des Begriffs des gewöhnlichen Aufenthalts enthält das AbkPolenRV/UV keine näheren Erläuterungen. Nach ständiger Rechtsprechung des BSG ist wegen des ausdrücklichen Bezugs auf die Bundesrepublik Deutschland in Art 1 Nr 2 des Abkommens davon auszugehen, daß auf den Rechtsbegriff des gewöhnlichen Aufenthalts verwiesen werden sollte, wie er in § 30 Abs 3 Satz 2 SGB I umschrieben ist (vgl BSG Urteile vom 30. September 1993 – 4 RA 49/92 – SozR 3-6710 Art 1 Nr 1, vom 27. Januar 1994 – 5 RJ 16/93 – SozR 3-2600 § 56 Nr 7, vom 14. September 1994 – 5 RJ 10/94, vom 9. Mai 1994 – 8 RKn 2/94, 8 RKn 5/94 und 8 RKn 11/94 sowie Urteil vom 9. August 1995 – 13 RJ 59/93 – SozR 3-1200 § 30 Nr 15; Baumeister/Schroeter in GesamtKomm-SGB/RVO, Polen/Abkommen-RV/UV Art 1 Anm 2). Nach dieser Bestimmung hat jemand seinen gewöhnlichen Aufenthalt dort, wo er sich unter Umständen aufhält, die erkennen lassen, daß er an diesem Ort oder in diesem Gebiet nicht nur vorübergehend verweilt.
Wie schon im Urteil vom 14. September 1994 (5 RJ 10/94) geht der erkennende Senat weiterhin davon aus, daß sich daran durch die Einfügung des Art 1a in das AbkPolenRV/UV mit Art 20 Nr 1 RAG 1992 nichts geändert hat (so auch BSG Urteile vom 30. September 1993 – 4 RA 49/92 – SozR 3-6710 Art 1 Nr 1, vom 9. Mai 1995 – 8 RKn 2/94 und vom 9. August 1995 – 13 RJ 59/93 – SozR 3-1200 § 30 Nr 15), erst recht nicht für den hier maßgeblichen vor dem Inkrafttreten dieser Bestimmung am 1. Juli 1990 (Art 85 Abs 2 RAG 1992) liegenden Zeitraum.
Ob jemand nicht nur vorübergehend im Bundesgebiet verweilt, ist unter Würdigung aller Umstände des Einzelfalls zu beantworten. Dabei kommt es auf die Tatsachen an, die bei Beginn des streitigen Zeitraums und während seiner Dauer jeweils objektiv vorlagen. Zutreffend ist das LSG deshalb davon ausgegangen, daß eine spekulative Abwägung zukünftiger Geschehnisse nicht stattfinden kann, um zu beurteilen, ob der Aufenthalt ein „gewöhnlicher” ist. Zu den Umständen, aus denen sich ergibt, daß jemand nicht nur vorübergehend im Bundesgebiet verweilt, gehört bei Ausländern auch, wie sich ihr Aufenthaltsstatus ausländerrechtlich darstellt. Wie der Senat im Urteil vom 18. Februar 1998 (B 5 RJ 12/97 R) entschieden hat, setzt ein vorübergehendes Verweilen iS der Gesetzesvorschrift voraus, daß die Aufenthaltsposition des Ausländers so offen ist, daß sie wie bei einem Inländer einen Aufenthalt auf unbestimmte Dauer ermöglicht. Ist die Aufenthaltsposition dagegen auf Beendigung des Aufenthalts im Inland angelegt, steht dies der Annahme eines gewöhnlichen Aufenthalts trotz faktisch andauerndem Verbleiben und einem entsprechenden Bleibewillen entgegen. In dem zitierten Urteil hat der Senat ferner entschieden, daß ein Aufenthalt im Falle einer befristeten oder zweckgebundenen Aufenthaltsberechtigung nicht erst dann auf Beendigung angelegt ist, wenn zusätzlich besondere ausländerrechtliche Maßnahmen dazu getroffen sind, sondern daß es für die Bestimmung der Aufenthaltsposition auf den Inhalt der von der Ausländerbehörde ausgestellten Bescheinigungen ankommt, wie er sich nach der behördlichen Praxis und der gegebenen Rechtslage darstellt.
Die Klägerin hatte in der Zeit vom 1. bis 16. Dezember 1988 keine Aufenthaltsposition, die ihr ein Verbleiben im Bundesgebiet auf unbestimmte Zeit ermöglichte. Dies läßt sich weder aus den ihr erteilten Bescheinigungen der Ausländerbehörde noch aus sonstigen Umständen folgern. Zutreffend hat das LSG in den der Klägerin erteilten Bescheinigungen keine befristeten Aufenthaltserlaubnisse iS der §§ 2, 5 oder 7 AuslG aF gesehen. Aus § 21 Abs 3 AuslG aF ergibt sich zudem, daß der Aufenthalt bis zur Entscheidung der Ausländerbehörde über die beantragte Aufenthaltserlaubnis vom Zweck der Bestimmung her nur auf ein vorübergehendes Verweilen abgestellt ist, nämlich eine Aufenthaltsgestattung zur Durchführung des Verwaltungsverfahrens über die beantragte Aufenthaltserlaubnis. Eine solche Gestattung ist Spekulationen und Prognosen im Hinblick auf das Verfahrensergebnis nicht zugänglich. Diese bloß vorübergehende Gestattung entsprach auch der materiellen Rechtslage. Denn weder aus der Heiratsabsicht noch aus dem Aufenthalt ihrer Kinder im Bundesgebiet konnte die Klägerin während dieser Zeit ein Bleiberecht für sich beanspruchen. Aufgrund der objektiven Gegebenheiten vor der am 16. Dezember 1988 erfolgten Eheschließung mit einem deutschen Ehemann war somit die Möglichkeit eines dauerhaften Bleibens nicht gegeben.
Hatte die Klägerin aber ihren gewöhnlichen Aufenthalt vor ihrer Wiederheirat noch nicht in das Bundesgebiet verlegt und damit keinen Anspruch auf Witwenrente nach bundesdeutschem Recht, stand ihr nach diesem Recht auch kein Anspruch auf Witwenrentenabfindung bei Wiederheirat zu, wobei dahingestellt bleiben kann, ob dafür § 1302 RVO oder § 107 SGB VI anzuwenden ist.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Abs 1 SGG.
Fundstellen
Haufe-Index 1175660 |
SGb 1998, 406 |