Leitsatz (amtlich)
Hat die Einzugsstelle einen Bescheid über die Versicherungspflicht oder -Freiheit erlassen (RVO § 1399 Abs 3; AVG § 121 Abs 3), so laufen die Anfechtungsfristen für jeden Beteiligten - Arbeitgeber, Arbeitnehmer, Versicherungsträger - gesondert von der Bekanntgabe des Bescheides an ihm.
Die Einzugsstelle ist jedenfalls dann berechtigt, ihren fehlerhaften Bescheid über die Versicherungspflicht oder - Freiheit mit Wirkung für alle Beteiligten zurückzunehmen, wenn ein Anfechtungsberechtigter den Bescheid rechtzeitig angefochten hat.
Leitsatz (redaktionell)
1. Ob ein Verwaltungsakt rechtswidrig ist, hängt nicht davon ab, wie der Versicherungsträger die Sach- und Rechtslage sieht; entscheidend ist vielmehr, wie die Sach- und Rechtslage bei Erlaß des Verwaltungsakts in Wirklichkeit ist.
2. Erläßt die KK als Einzugsstelle einen Bescheid nach RVO § 1399 Abs 3 (AVG § 121 Abs 3), so handelt es sich um einen Verwaltungsakt mit mehreren Betroffenen, der nicht nur in die Rechtssphäre des Versicherten und seines Arbeitgebers eingreift, sondern auch in die des Trägers der RV, der damit ebenfalls zur Anfechtung des Verwaltungsakts berechtigt ist.
3. Die nachträgliche Geltendmachung von Beitragsforderungen zur Rentenversicherung ist nicht durch den auch das öffentliche Recht beherrschenden Grundsatz von Treu und Glauben ausgeschlossen, da in diesem Versicherungszweig das Interesse des Versicherten an der tatsächlichen Beitragsentrichtung das des Arbeitgebers auf Schutz vor nachträglicher Inanspruchnahme überwiegt.
Normenkette
RVO § 1399 Abs. 3 Fassung: 1957-02-23; AVG § 121 Abs. 3 Fassung: 1957-02-23; SGG § 84 Abs. 1 Fassung: 1953-09-03, § 87 Abs. 1 Fassung: 1953-09-03, § 77 Fassung: 1953-09-03
Tenor
Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Hessischen Landessozialgerichts vom 3. Mai 1962 wird zurückgewiesen.
Kosten sind nicht zu erstatten.
Gründe
Der Sohn des Klägers, der Beigeladene zu 2), ist im Betriebe seines Vaters, einem Kunstgewerbehaus, als Angestellter beschäftigt. Die beklagte Allgemeine Ortskrankenkasse (AOK) verneinte mit Bescheid vom 13. Februar 1956 seine Beitragspflicht zur Sozialversicherung, weil er als Meistersohn nach der Rechtsprechung des Reichsversicherungsamts (RVA) versicherungsfrei sei. Bei einer Betriebsprüfung am 18. April 1958 stellte sie jedoch im Hinblick auf die Entscheidung des Bundessozialgerichts (BSG) vom 5. April 1956 - BSG 3, 30 - die Versicherungspflicht des Beigeladenen zu 2) fest. Mit Bescheid vom 23. Juni 1958 forderte sie die Beiträge für die Zeit vom 1. Oktober 1956 bis 30. April 1958 zur Angestelltenversicherung in Höhe von 1.521,- DM und vom 1. Oktober 1956 bis 31. März 1957 zur Arbeitslosenversicherung in Höhe von 85,- DM nach. Der Widerspruch des Klägers wurde mit Bescheid vom 17. November 1958 zurückgewiesen.
Hiergegen erhob der Kläger Klage vor dem Sozialgericht (SG) mit dem Antrage,
den Bescheid der beklagten AOK vom 18. April 1958 idF des Widerspruchsbescheides vom 17. November 1958 aufzuheben und festzustellen, daß der Beigeladene zu 2) sozialversicherungsfrei sei.
Er ist der Auffassung, daß keine Beiträge für den Beigeladenen zu 2) rückwirkend erhoben werden könnten, da der alte Bescheid vom 13. Februar 1956 dies ausschließe. Für die Zeit vom 1. Mai 1958 an liege sein Sohn aber mit seinem Verdienst über der Jahresarbeitsverdienstgrenze.
Das SG hat mit Urteil vom 25. Oktober 1960 die angefochtenen Bescheide aufgehoben und die Versicherungsfreiheit des Beigeladenen zu 2) festgestellt.
Gegen dieses Urteil haben die beigeladene Bundesversicherungsanstalt für Angestellte (BfA) und die AOK Berufung eingelegt mit dem Antrage,
das angefochtene Urteil aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Das als Vertreterin der Bundesanstalt für Arbeitsvermittlung und Arbeitslosenversicherung beigeladene Landesarbeitsamt hatte auf die Nachforderung der Beiträge zur Arbeitslosenversicherung verzichtet.
Das Landessozialgericht (LSG) hat mit Urteil vom 3. Mai 1962 das Urteil des SG aufgehoben und die Klage abgewiesen; die Revision wurde zugelassen. Zur Begründung hat es im wesentlichen ausgeführt: Durch einen Verwaltungsakt der Einzugsstelle nach § 121 Abs. 3 des Angestelltenversicherungsgesetze (AVG) idF des Angestelltenversicherungs-Neuregelungsgesetzes würden zugleich Rechte und Pflichten begründet. Ein solcher sei deshalb nicht ausschließlich begünstigender Natur, sondern trage Mischcharakter. Derartige Verwaltungsakte könnten deshalb im Falle ihrer Fehlerhaftigkeit zurückgenommen werden, es sei denn, daß sie bindend geworden wären (Hinweis auf BSG 15, 252). Der Bescheid vom 13. Februar 1956 sei gegenüber der beigeladenen BfA nicht bindend geworden. Diese sei in dem vorausgegangenen Verwaltungsverfahren überhaupt nicht beteiligt gewesen und habe erst durch die Beiladung Kenntnis von dem genannten Bescheid erlangt. Ihr gegenüber könnten sich der Kläger und der Beigeladene zu 2) nicht auf die Bindungswirkung des Bescheides vom Jahre 1956 berufen, zumal im alten Recht eine dem heutigen § 121 Abs. 3 ArWG entsprechende Vorschrift gefehlt habe. Eine gesetzliche Bestimmung des Inhalts, daß Beiträge in der Rentenversicherung nicht rückwirkend verlangt werden könnten, bestehe ebenfalls nicht. In der Rentenversicherung würde auch das Schutzbedürfnis des Versicherten einem solchen Rechtssatz entgegenstehen. Dessen Interessen erforderten gerade, daß die Beitragspflicht soweit wie nur irgend möglich erfüllt werde, weil hiervon die Rentenhöhe und damit die Sicherstellung des Lebensbedürfnisses im Versicherungsfalle abhängig sei. Auch der Einwand des Verstoßes gegen Treu und Glauben versage hier. Wollte man dem Arbeitgeber in solchen Fällen ein Leistungsverweigerungsrecht unter Bezugnahme auf Treu und Glauben zubilligen, so müßte dies letztlich zu Lasten des Versicherten geschehen dessen Rechte gegenüber dem Rentenversicherungsträger durch die Nichtzahlung von Beiträgen geschmälert würden.
Gegen dieses Urteil hat der Kläger Revision eingelegt mit dem Antrage,
unter Aufhebung des angefochtenen Urteils die Bescheide der beklagten AOK vom 18. April 1958 und 17. November 1958 aufzuheben und festzustellen, daß der Beigeladene Dr. G. S. nicht der Sozialversicherungspflicht unterliegt.
Zur Begründung hat der Kläger ausgeführt: Das Berufungsgericht habe zu Unrecht den Bescheid der AOK vom 13. Februar 1956 als einen Verwaltungsakt aufgefaßt, der Mischcharakter trage. Nur für den Fall, daß durch einen Bescheid der Einzugsstelle die Versicherungspflicht festgestellt werde, habe das BSG (15, 252) erklärt, daß gleichzeitig Rechte und Pflichten begründet würden.
Die Stellung der Krankenkassen sei jetzt in § 121 Abs. 3 AVG so festgelegt, wie sie schon bisher bestanden habe; § 77 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) schirme in Verbindung mit dem Vertrauensgrundsatz damals wie heute die Entscheidungen der AOK auch gegenüber der BfA zugunsten des Bürgers ab. Die AOK sei schon nach altem Recht als Beauftragte der BfA berechtigt gewesen, ohne Einschränkung nach außen über die Versicherungspflicht zu entscheiden.
Dem Urteil des Berufungsgerichts könne auch insoweit nicht gefolgt werden, als es den Vertrauensschutz betreffe. Wenn schon bei Leistungsbescheiden die Änderung eines Verwaltungsakts fehlerhafter Art nur für die Zukunft, nicht aber rückwirkend in Betracht kommen könne, so müsse das in erhöhtem Maße bei einem Freistellungsbescheid der vorliegenden Art gelten. Ein Unterschied in der Frage der Rückwirkung sei im Verhältnis zur Kranken- und Arbeitslosenversicherung nicht zu rechtfertigen.
Der beigeladene Dr. G. S. hat sich dem Revisionsantrage des Klägers angeschlossen.
Die beigeladene BfA hat die Zurückweisung der Revision beantragt. Sie bezweifelt, ob die Erklärung der beklagten AOK vom 13. Februar 1956 einen Verwaltungsakt darstelle. Handle es sich aber um einen solchen, so sei die Bindungswirkung des § 77 SGG ihr gegenüber nicht eingetreten, da sie erst im sozialgerichtlichen Verfahren davon Kenntnis erhalten hatte. Daher sei auch die Nachforderung der Beiträge zur Rentenversicherung zulässig. Auch stehe die Änderung der Rechtsprechung zur Versicherungspflicht von Meistersöhnen einer Rechtsänderung gleich, so daß auch deshalb die Änderung des Bescheides zulässig sei.
Die beklagte AOK hat keinen Antrag gestellt.
Die Revision ist unbegründet. Das LSG hat mit Recht festgestellt, daß die beklagte AOK zur Nachforderung der Beiträge zur Angestelltenversicherung berechtigt war.
Zutreffend ist das LSG davon ausgegangen, daß der die Versicherungsfreiheit des Beigeladenen Dr. S. feststellende Bescheid der beklagten AOK vom 13. Februar 1956 einen Verwaltungsakt darstellt. Nach Form und Inhalt weißt dieser Bescheid alle Merkmale des Verwaltungsakts nur (vgl. BSG 3, 204, 206; 10, 218, 221; 12, 65, 67).
Dieser Bescheid war fehlerhaft, da darin zu Unrecht die Versicherungspflicht des Beigeladenen Dr. S. verneint wurde. Wie der erkennende Senat in seinem Urteil vom 5. April 1956 (BSG 3, 30) entschieden hat, beurteilt sich die Versicherungspflicht von Meistersöhnen nach den gleichen Grundsätzen, die allgemein für das Bestehen der Versicherungspflicht gelten. Daß aber in dem fraglichen Zeitraum zwischen dem Kläger und seinem Sohne ein abhängiges Beschäftigungsverhältnis gegen Entgeltzahlung vorgelegen hat, steht außer Zweifel. Unerheblich ist, daß sich die beklagte AOK bei der Beurteilung der Versicherungspflicht in voller Übereinstimmung mit der Rechtsprechung des RVA befunden hat. Für die Frage, ob ein Verwaltungsakt von Anfang an rechtswidrig ist, kommt es nicht darauf an, wie die Behörde die Sach- und Rechtslage bei Erlaß des Verwaltungsakts gesehen hat, sondern darauf, wie die Sach- und Rechtslage in Wirklichkeit gewesen ist (BSG 10, 72, 75).
Die beklagte AOK durfte ihren rechtswidrigen Bescheid zurücknehmen, wie sie es auch mit ihrem Bescheid vom 18. April 1958 idF des Widerspruchsbescheids getan hat. Die Rücknahme wäre ihr nur dann versagt gewesen, wenn sie an den fehlerhaften Bescheid i.S. des § 77 SGG gebunden gewesen wäre. Das war aber nicht der Fall, wie das LSG mit Recht angenommen hat. Erläßt die Krankenkasse des Einzugsstelle einen Bescheid nach § 121 Abs. 3 AVG (bzw. § 1399 Abs. 3 der Reichsversicherungsordnung - RVO -), so handelt es sich um einen Verwaltungsakt mit mehreren Betroffenen. Nicht nur in die Rechtssphäre des Versicherten und seines Arbeitgebers greift dieser Verwaltungsakt ein, sondern auch der Träger der Rentenversicherung ist, da damit zugleich über seinen Beitragsanspruch entschieden wird, Betroffener und damit zugleich "Beteiligter" i.S. des § 77 SGG (BSG 15, 118, 122). Dementsprechend ist auch der Rentenversicherungsträger zur Anfechtung des Verwaltungsakts berechtigt (BSG aaO S. 125).
Die Anfechtungs- bzw. Klagefrist läuft jedoch erst von der Bekanntgabe des Verwaltungsakts an die Betroffenen (vgl. § 84 Abs. 1 bzw. § 87 Abs. 1 SGG). Hieraus folgt zunächst, daß die Anfechtungsfristen zu verschiedenen Zeiten in Lauf gesetzt werden, sofern die Bekanntgabe zu verschiedenen Zeitpunkten erfolgt. Andererseits kann über den Gegenstand der Regelung der Einzugsstelle - nämlich die Versicherungspflicht des Arbeitnehmers - gegenüber allen Betroffenen (Arbeitnehmer, Arbeitgeber, Rentenversicherungsträger) nur einheitlich entschieden werden, was u.a. die notwendige Beiladung der anderen Beteiligten beim Anfechtungsstreit des einen Beteiligten zur Folge hat (BSG 15, 118, 125). Demnach kann ein fehlerhafter Verwaltungsakt, der einem oder mehreren Beteiligten gegenüber infolge Ablaufs der für diese laufenden Anfechtungsfrist unanfechtbar und damit bindend geworden ist, von einem Beteiligten aber noch angefochten werden kann und rechtzeitig angefochten wird, mit Wirkung für alle Beteiligten aufgehoben werden (vgl. für einen ähnlichen Sachverhalt BSG, Urt. vom 29. September 1965 - 2 RU 202/60 - SozR RVO § 1583 Nr. 2).
Daß ein solcher - sich u.U. jahrelang hinziehender - Schwebezustand gerade in Fragen der Versicherungspflicht, die eine schnelle, endgültige Klärung erheischen, unbefriedigend ist, liegt auf der Hand. Hat jedoch die Einzugsstelle die ihr aufgegebene Verpflichtung verletzt, ihre Entscheidung nach § 121 Abs. 3 AnVG (§ 1399 Abs. 3 RVO) unverzüglich allen Beteiligten gegenüber bekanntzugeben, so besteht nach der derzeitigen Rechtslage grundsätzlich keine Möglichkeit, den Schwebezustand abzukürzen. Die entsprechende Anwendung des § 66 Abs. 2 Satz 1 SGG - Jahresfrist bei unterbliebener oder unrichtig erteilter Rechtsmittelbelehrung -, wie sie vom Verwaltungsgerichtshof München (Urteil vom 17. April 1964 - Nr. 98 IV 62 -, DVBl 1965, 93) für den § 66 Abs. 2 SGG inhaltlich entsprechenden § 58 Abs. 2 Verwaltungsgerichtsordnung eingenommen wurde, scheitert daran, daß die in dieser Vorschrift vorausgesetzte "Zustellung, Eröffnung oder Verkündung" des Verwaltungsakts nicht stattgefunden hat (ebenso Ule, Verwaltungsgerichtsbarkeit, 2. Aufl. Anm. II zu §§ 69-73). Was einem Beteiligten, dem der ihn beschwerende Verwaltungsakt immerhin - wenn auch ohne dem Gesetz genügende Rechtsmittelbelehrung - bekanntgegeben wurde, zugemutet werden kenn - nämlich daß er sich auch ohne hinreichende Rechtsmittelbelehrung binnen Jahresfrist um die Wahrnehmung seiner Rechte kümmert -, kann von einem Beteiligten, der den Verwaltungsakt überhaupt nicht kennt, nicht erwartet werden. Demnach war der fehlerhafte Freistellungsbescheid vom Jahre 1956 zu dem Zeitpunkt, als die beklagte AOK ihren Nachforderungsbescheid vom 23. Juni 1958 erließ, der beigeladenen BfA gegenüber nicht bindend geworden.
Indessen ist fraglich, ob schon der Umstand, daß ein Beteiligter des Verwaltungsakts noch anfechtungsberechtigt ist, den Hoheitsträger zur Rücknahme seines fehlerhaften Verwaltungsakts berechtigt. Bei der Entscheidung der Einzugsstelle über die Versicherungspflicht handelt es sich um einen Verwaltungsakt mit Mischcharakter, durch den für die Betroffenen zugleich Rechte und Pflichten begründet werden (BSG 15, 252, 253). Dieser Verwaltungsakt ist somit teils begünstigender, teils belastender Natur. Geht man nun davon aus, daß bei "auch begünstigenden" Verwaltungsakten die Einzugssteile bereits mit dem Zugang des Verwaltungsakts an einen (Auch-) Begünstigten an diesen gebunden ist (vgl. dazu Bogs, Die Sozialgerichtsbarkeit 1963, 33, 58 Anm. 27), so wäre es für die Frage der Rücknahmebefugnis der Verwaltung unerheblich, ob ein dritter Beteiligter sein Anfechtungsrecht nicht verloren hat.
Der Senat kann jedoch im vorliegenden Fall diese Frage dahinstehen lassen; denn in jedem Falle gewinnt die Verwaltung gegenüber allen Beteiligten die Freiheit zur Änderung ihres Verwaltungsakts zurück, wenn ein Betroffener rechtzeitig von seinem Anfechtungsrecht Gebrauch gemacht hat (so der erkennende Senat in BSG 17, 261, 263 f). Nun hat zwar die beklagte AOK den fehlerhaften Freistellungsbescheid vom Jahre 1956 bereits zu einem Zeitpunkt zurückgenommen, als die beigeladene BfA von ihm noch nichts wußte. Als sie von ihm - durch die Beiladung zum vorliegenden Rechtsstreit - erfuhr, hat sie sich der geänderten Situation entsprechend darauf beschränkt, den neuen Bescheid der beklagten AOK vom 18. April 1958 idF des Widerspruchsbescheids zu verteidigen und Klageabweisung zu beantragen. Dieses Prozeßverhalten ist aber einer ausdrücklichen Anfechtung des ursprünglichen Freistellungsbescheids gleich zu erachten, wie auch das Festhalten der beklagten AOK an ihrem Rücknahmebescheid im Prozeß nicht anders zu beurteilen ist, als wenn sie ihn erst auf Anfechtung der beigeladenen BfA hin erlassen hätte. Demnach war die beklagte AOK berechtigt, über die Versicherungspflicht des Beigeladenen Dr. S. gemäß ihrer geläuterten Rechtsauffassung neu zu befinden.
Unter diesen Umständen war nur noch zu prüfen, ob die nachträgliche Geltendmachung der Beitragsforderung nach dem auch das öffentliche Recht beherrschenden Grundsatz von Treu und Glauben ausgeschlossen war. Das war zu verneinen. Die Abwägung der beteiligten Interessen führt in der Rentenversicherung dazu, die Beitragsnachforderungen grundsätzlich für zulässig zu erachten. Das Interesse des Versicherten an der tatsächlichen Beitragsentrichtung überwiegt das des Arbeitgebers auf Schutz vor nachträglicher Inanspruchnahme (vgl. im einzelnen BSG 17, 173, 176 und 21, 52, 56). Es können daher die Beiträge zur Angestelltenversicherung nachgefordert werden, soweit sie - wie im vorliegenden Fall - nicht verjährt sind (vgl. § 29 Abs. 1 RVO).
Demnach mußte die Revision des Klägers zurückgewiesen werden.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Abs. 1 und 4 SGG.
Fundstellen