Leitsatz (amtlich)

Gewährt eine KK nach ihrer Satzung bei Heilmitteln und Hilfsmitteln gegen Verunstaltung und Verkrüppelung sowie bei Instandsetzungskosten für diese denjenigen Versicherten, die von anderen öffentlichen Kostenträgern, insbesondere von Trägern der Rentenversicherung, aus dem gleichen Anlaß bereits einen Zuschuß erhalten, einen geringeren Zuschuß als den übrigen Versicherten, so verstößt diese Regelung weder gegen den versicherungsmäßigen Grundsatz der Gleichbehandlung der Mitglieder noch gegen den allgemeinen Gleichheitsgrundsatz des GG Art 3 Abs 1 (Ergänzung zu BSG 1964-10-30 3 RK 15/60 = BSGE 22, 67 und SozR Nr 4 zu RAM-Erl vom 1943-11-02).

 

Orientierungssatz

Der sozialversicherungsrechtliche Gleichbehandlungsgrundsatz ist als besondere Ausprägung des allgemeinen Gleichheitsgrundsatzes anzusehen und entspricht deshalb auch den Prinzipien des verfassungsmäßigen Gleichheitssatzes.

 

Normenkette

GG Art. 3 Abs. 1 Fassung: 1949-05-23; RVO § 187 Nr. 3 Fassung: 1911-07-19

 

Tenor

Auf die Revision der Klägerin werden das Urteil des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 12. März 1964, das Urteil des Sozialgerichts Duisburg vom 27. Oktober 1959 sowie die Anordnung des beklagten Oberversicherungsamts vom 11. Mai 1957 aufgehoben.

Kosten sind nicht zu erstatten.

 

Gründe

Der Rechtsstreit betrifft die Frage, ob die klagende Innungskrankenkasse (IKK) berechtigt ist, bei der Gewährung von Zuschüssen für größere Heilmittel und für Hilfsmittel gegen Verunstaltung und Verkrüppelung sowie für die Instandsetzung dieser Heil- und Hilfsmittel für diejenigen Mitglieder, denen kein anderer Kostenträger einen Zuschuß zahlt, einen höheren Betrag festzusetzen als für die Mitglieder, die einen solchen Zuschuß erhalten.

Die Klägerin hat am 6. September 1955 durch einen zweiten Nachtrag zur Kassensatzung den § 18 Abs. 1 ihrer Satzung geändert und im folgende Fassung gegeben:

"a) Zu den Kosten für größere Heilmittel wird ein Zuschuß in Höhe von 33 1/3 v. H. der Kosten, mindestens aber der Höchstbetrag für kleinere Heilmittel, höchstens aber 150,- DM gewährt. Wenn kein anderer Kostenträger einen Zuschuß zahlt, übernimmt die Kasse 66 2/3 v. H. der Kosten, höchstens jedoch 300,- DM.

Zu den Kosten für Hilfsmittel gegen Verunstaltung und Verkrüppelung, die nach beendetem Heilverfahren notwendig sind, um die Arbeitsfähigkeit des Mitgliedes wiederherzustellen oder zu erhalten, wird ein Zuschuß von 33 1/3 v. H. der Kosten, mindestens aber der Höchstbetrag für kleinere Heilmittel, höchstens aber 150,- DM gewährt. Wenn kein anderer Kostenträger einen Zuschuß zahlt, dann übernimmt die Kasse 66 2/3 v. H. der Kosten, höchstens jedoch 300,- DM.

b) Zu den Instandsetzungskosten von Hilfs- und größeren Heilmitteln gewährt die Kasse einen Zuschuß in Höhe von 33 1/3 v. H. der Kosten, höchstens jedoch 100,- DM. Wenn kein anderer Kostenträger einen Zuschuß zahlt, so übernimmt die Kasse 66 2/3 v. H. der Kosten, höchstens jedoch 200,- DM."

Diese Fassung wurde am 17. November 1955 durch das beklagte Oberversicherungsamt (OVA) genehmigt. Mit Anordnung vom 11. Mai 1957 gab das OVA jedoch der Klägerin nach § 326 Abs. 1 der Reichsversicherungsordnung (RVO) auf, durch Beschluß der Vertreterversammlung bis zum 30. Juni 1957 bei § 18 Abs. 1 Buchst. a, b und c der Satzung idF des 2. Nachtrages vom 6. September 1955 jeweils den zweiten Satz mit dem Wortlaut "Wenn kein anderer Kostenträger einen Zuschuß zahlt, übernimmt die Kasse 66 2/3 v. H. der Kosten, höchstens jedoch 300,- DM", bzw. bei aaO "höchstens jedoch 200,- DM" aufzuheben. Zur Begründung führte es aus, eine solche Bestimmung verletze den Grundsatz der gleichmäßigen Behandlung aller Kassenmitglieder, weil einem Teil der Versicherten bei gleichem Sachverhalt ein höherer Anspruch auf Kassenleistungen eingeräumt werde; der Kassenzuschuß dürfe für alle Versicherten nur einheitlich festgesetzt werden.

Die Klägerin hat gegen diese Anordnung Klage erhoben mit dem Antrag, die Anordnung aufzuheben und festzustellen, daß diese zu Unrecht ergangen sei.

Das Sozialgericht (SG) hat die Klage abgewiesen (Urteil vom 27. Oktober 1959). Das Landessozialgericht (LSG) hat mit Urteil vom 12. März 1964 die Berufung der Klägerin zurückgewiesen. Zur Begründung seiner Entscheidung hat es ausgeführt: Die auf §§ 324, 326 Abs. 1 RVO beruhende Aufsichtsanordnung sei rechtmäßig, weil der beanstandete § 18 Abs. 1 der Satzung der Klägerin idF des 2. Nachtrages vom 6. September 1955 mit dem geltenden Recht nicht vereinbar sei. Diese Bestimmung verstoße gegen den in der sozialen Krankenversicherung geltenden Grundsatz der gleichmäßigen Behandlung der Versicherten. Wie die Regelleistungen seien auch die Mehrleistungen grundsätzlich allen Versicherten in gleichem Maße einzuräumen, sofern nicht das Gesetz eine Ausnahme zulasse. Eine solche Ausnahmeregelung sei für den vorliegenden Fall nicht gegeben.

Der einzelne Versicherte stehe der Krankenkasse nicht beziehungslos gegenüber, sondern sei Glied der Versichertengemeinschaft ihrer Kasse. Auf Grund dieser besonderen Rechtsbeziehungen habe die Kasse unter Beachtung des Grundsatzes der gleichmäßigen Behandlung aller Mitglieder ihre Leistungen zu gewähren. Sie dürfe sich bei der Bemessung der Leistungen nicht von Gesichtspunkten leiten lassen, die außerhalb ihrer Rechtsbeziehungen zu den einzelnen Versicherten liegen. Im Recht der sozialen Krankenversicherung gelte nämlich auch der Grundsatz, daß gleichen Beiträgen, die sich nach dem Grundlohn richteten, gleiche Leistungen gegenüberzustehen hätten, wobei dahinstehen könne, ob dieser Grundsatz ohne weiteres für die Familienhilfe zutreffe. Dieser Grundsatz werde durch die beanstandete Satzungsbestimmung verletzt. In der von dem beklagten OVA gerügten Satzungsbestimmung liege nichts anderes als eine Anrechnung von Zuschüssen anderer Versicherungsträger auf die Leistungen der Klägerin. Zwar sei die Anrechnung verschiedener Versicherungsleistungen dem Sozialversicherungsrecht nicht fremd (§§ 189 Abs. 2, 1278 ff RVO). Aus derartigen Ausnahmebestimmungen könne jedoch nicht der allgemeine Rechtsgedanke hergeleitet werden, daß im Verhältnis der Versicherungszweige zueinander die Anrechnung von Leistungen schlechthin statthaft sei oder - negativ ausgedrückt - Doppelleistungen unzulässig seien.

Die betreffende Satzungsbestimmung könne aber auch aus einem anderen Grund keinen Bestand haben. Der in ihr benutzte Begriff "Kostenträger" sei in Bezug auf die von ihm erfaßten Tatbestände zu wenig abgegrenzt, als daß er für eine Satzung, die zur Sicherstellung der gleichmäßigen Behandlung der Kassenmitglieder eindeutige Begriffe verlange, verwendet werden könne. Nach ihrem Vorbringen verstehe die Klägerin unter "Kostenträger" wohl in erster Linie oder möglicherweise ausschließlich die Rentenversicherungsträger. Damit sei aber der Begriff "Kostenträger" noch nicht ausgeschöpft. Unter "Kostenträger" könnten zB alle öffentlich-rechtlichen Versicherungsträger, privatrechtliche Versicherungsgesellschaften, Bund, Länder, Kommunen und - im weitesten Sinne - auch Privatpersonen verstanden werden. Ein so weit auslegungsfähiger Begriff, der eine willkürliche Handhabung der betreffenden Satzungsbestimmung nicht ausschließe, sei aber für eine Satzung ungeeignet.

Das LSG hat die Revision zugelassen.

Die Klägerin hat gegen dieses Urteil Revision eingelegt und beantragt,

unter Aufhebung des Urteils des LSG Nordrhein-Westfalen vom 12. März 1964 und unter Aufhebung des Urteils des SG Duisburg vom 27. Oktober 1959 nach dem Klageantrag zu erkennen.

Zur Begründung hat die Klägerin ausgeführt: Der in Art. 3 des Grundgesetzes (GG) verankerte Gleichheitsgrundsatz sei durch die umstrittene Satzungsbestimmung nicht verletzt. Die unterschiedlichen persönlichen und sachlichen Merkmale ihrer Versicherten berechtige die Klägerin, diese in zwei Gruppen aufzuteilen, und zwar in solche, die nur von der Krankenkasse einen Zuschuß erhalten könnten, und in solche, denen noch ein Zuschuß von einem anderen Kostenträger (zB einem Rentenversicherungsträger) gezahlt werde. Es könne weder als willkürlich noch als sachwidrig angesehen werden, wenn die Klägerin bei der Gewährung von Mehrleistungen Zuschüsse zB der Rentenversicherungsträger berücksichtigt wissen wolle. Die vorgesehene Regelung sei durch soziale Erwägungen durchaus begründet.

Das beklagte OVA beantragt,

die Revision zurückzuweisen.

Die Revision ist begründet.

Nach § 187 Nr. 3 RVO kann die Satzung einer Krankenkasse Hilfsmittel gegen Verunstaltung und Verkrüppelung zubilligen, die nach beendetem Heilverfahren nötig sind, um die Arbeitsfähigkeit herzustellen oder zu erhalten. Gemäß § 193 Abs. 2 RVO kann die Satzung der Krankenkasse bei der Krankenpflege noch andere als kleinere Heilmittel oder einen Zuschuß hierfür zubilligen. Ein Zuschuß zu den Instandsetzungskosten dieser Heil- und Hilfsmittel ist zwar im Gesetz nicht ausdrücklich vorgesehen; dies ist aber als selbstverständlich anzusehen, da diese ein Weniger gegenüber einer Neuanschaffung bedeuten. Im Gegensatz zu den Regelleistungen der Krankenkassen (Krankenhilfe, Wochenhilfe, Sterbegeld und Familienhilfe) beruhen diese Leistungen nicht auf dem Gesetz, sondern werden durch die Satzungen der Krankenkassen geregelt. Die Einführung dieser sog. Mehrleistungen (§ 179 Abs. 3 RVO) ist somit grundsätzlich in das freie Ermessen der Kassen gestellt (Peters, Handbuch der Krankenversicherung, Teil II, 16. Aufl. 4. Nachtr. zu § 179 Anm. 4, S. 17/227).

Für das Gebiet der ehemaligen britischen Zone ergibt sich eine Besonderheit. Hier bestimmte die Sozialversicherungsanordnung (SVA) Nr. 30 vom 5. Dezember 1947 (ArbBl. brit. Zone 1947, 425) zu §§ 182 Abs. 1 Nr. 1, § 187 Nr. 3 und § 193 Abs. 1 und 2 RVO:

"Zu größeren Heil- und Hilfsmitteln wird ein Zuschuß gewährt, der mindestens dem Betrage entspricht, der als Höchstbetrag für kleinere Hilfsmittel festgesetzt ist."

Durch diese Regelung in der SVA Nr. 30, die heute noch gültig ist (vgl. BSG 22, 109, 110), wurde der Zuschuß bis zu dem genannten Höchstbetrag als Regelleistung festgesetzt auf den ein Rechtsanspruch besteht. Einer Satzungsvorschrift bedarf es insoweit nicht mehr, es sei denn, die Kasse billigt einen noch höheren Betrag zu (Peters, aaO, 5. Nachtr. zu § 193 Anm. 2 S. 17/461).

An diese Vorschrift hat sich die Klägerin auch gehalten. Als Zuschuß zu den Hilfsmitteln und größeren Heilmitteln wird ein Beitrag von 33 1/3 v. H. der Kosten, "mindestens aber der Höchstbetrag für kleinere Heilmittel" gewährt, und zwar für alle Mitglieder. Es hätte auch im Ermessen der IKK gestanden, durch die Satzung für alle Mitglieder einen Zuschuß von 66 2/3 v. H. der Kosten festzusetzen. Da sie dieses jedoch nur für diejenigen Personen bestimmt hat, denen "kein anderer Kostenträger" einen Zuschuß zahlt, ist zu prüfen, ob dadurch der sozialversicherungsrechtliche Grundsatz der Gleichbehandlung der Mitglieder oder der allgemeine Gleichheitsgrundsatz der Verfassung (Art. 3 Abs. 1 GG) verletzt worden ist. Dies ist im Gegensatz zu der Meinung des LSG nicht der Fall.

Das Reichsversicherungsamt (RVA) hat in ständiger Rechtsprechung ausgeführt, für das Krankenversicherungsrecht sei der Grundsatz der Gleichberechtigung und Gleichbehandlung aller Kassenmitglieder allgemein maßgebend und zwingende Norm (vgl. RVA GE 2057 vom 17. April 1915, AN 1915, 595; GE 2588 vom 10. Juni 1920, AN 1920, 379; GE 5147 vom 8. September 1937, AN 1937, 351). Dieser Grundsatz war besonders dann bedeutsam, wenn es um die Einführung bestimmter Mehrleistungen ging. Diese durften zwar von allgemein gültigen Bedingungen oder Einschränkungen abhängig gemacht werden, die bei jedem Kassenmitglied eintreten konnten (zB Zahl der Kinder bei der Feststellung von Mehrleistungen in der Familienhilfe, vgl. GE 5147, aaO; Zeihe, ZfS 1962, 268), durften jedoch nicht auf einen Teil der Kassenmitglieder beschränkt werden (vgl. GE 2588, aaO).

Nach dem Inkrafttreten des GG wurde die Festsetzung von Mehrleistungen entweder unter dem Gesichtspunkt der sozialversicherungsrechtlichen Gleichbehandlung der Kassenmitglieder (Bayer. LSG, Breith. 1956, 233; SG München, BKK 1955, Sp. 448; vgl. auch das Urteil des Berufungsgerichts, Breith. 1964, 1020) oder unter Heranziehung des verfassungsmäßigen Gleichheitssatzes in Art. 3 GG (Bayer. LSG, Breith. 1961, 310; LSG Hamburg, Breith. 1960, 959) geprüft. Inhaltliche Unterschiede zwischen diesen beiden Grundsätzen sind nicht ersichtlich. Der Grundsatz der gleichmäßigen Behandlung der Kassenmitglieder ist dahingehend umschrieben worden, daß die Versicherungsträger "keine willkürlichen Differenzierungen, sei es im begünstigenden, sei es im benachteiligenden Sinne, vornehmen dürfen"; Willkür in diesem Sinne liege aber stets dann vor, wenn sich ein sachgerechter Grund für die verschiedene Behandlung nicht erkennen lasse (BSG 9, 232, 236). Damit deckt sich dieser Grundsatz mit dem Gleichheitsgrundsatz des Art. 3 Abs. 1 GG, dessen Inhalt vom Bundesverfassungsgericht (BVerfG) in derselben Weise umschrieben worden ist (BVerfG 1, 264, 275 f; 3, 135 f; 4, 219, 243). Die Träger der sozialen Krankenversicherung sind ebenso wie sonstige Verwaltungen auch an den verfassungsmäßigen Gleichheitsgrundsatz gebunden (Art. 1 Abs. 3 GG). Der sozialversicherungsrechtliche Gleichbehandlungsgrundsatz ist somit nur als besondere Ausprägung des allgemeinen Gleichheitsgrundsatzes anzusehen und entspricht deshalb auch den Prinzipien des verfassungsmäßigen Gleichheitssatzes. Ein Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 GG ist daher immer zugleich ein Verstoß gegen den sozialversicherungsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz, während ein Verstoß gegen letzteren zugleich einen Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 GG bedeutet. Ein solcher Verstoß liegt jedoch nicht vor.

Der erkennende Senat hat bereits bezüglich der Anrechnung des Zuschusses eines Rentenversicherungsträgers auf die Beihilfe einer Krankenkasse zum Zahnersatz entschieden (BSG 22, 67), daß die Festlegung einer Eigenleistung der Krankenkasse bei nicht zugleich rentenversicherten Mitgliedern auf einen Betrag von 66 2/3 v. H. des Vertragssatzes, bei zugleich rentenversicherten Mitgliedern aber auf einen Betrag von nur 46 2/3 v. H. des Vertragssatzes keinen Verstoß gegen den Gleichheitssatz und gegen den sozialversicherungsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz darstellt; dabei ergab sich bei einem Zuschuß von 46 2/3 v. H. unter Berücksichtigung des Zuschusses der Bundesversicherungsanstalt für Angestellte eine Leistung von insgesamt 80 v. H. des Vertragssatzes. Maßgebend für diese Entscheidung waren folgende Erwägungen:

Es bestand weder eine vertragliche Verpflichtung noch ein gesetzliches Gebot für die Krankenkasse, den Zuschuß des Rentenversicherungsträgers nicht anzurechnen.

Eine teilweise Anrechnung trägt dem Umstand des Mehrfachversichertseins Rechnung, mildert aber andererseits im Interesse eines sozialpolitisch erwünschten Ausgleichs die Unterschiedlichkeit der für den gleichen Bedarfsfall aus öffentlichen Mitteln gewährten Leistungen.

Gegenüber diesem Fall weist allerdings der vorliegende einige Unterschiede auf.

Zunächst wird in der umstrittenen Satzungsbestimmung nicht von dem Zuschuß eines "Rentenversicherungsträgers", sondern ganz allgemein vom "Kostenträger" gesprochen. Das Berufungsgericht hat diesen Begriff als für eine Satzungsbestimmung ungeeignet angesehen, da er zu weit auslegungsfähig sei. Wie es aber gleichzeitig festgestellt hat, versteht die Klägerin darunter wohl in erster Linie oder möglicherweise ausschließlich die Rentenversicherungsträger. Nur in diesem Sinne muß die Satzungsbestimmung, die als solche der Auslegung zugänglich ist, ausgelegt werden. In der Tat ist der Zuschuß eines anderen "Kostenträgers" kaum denkbar. So würden Privatversicherungen oder Privatpersonen unter diesen Begriff nicht subsumiert werden können, da sie allenfalls auf Grund privater Beiträge oder aus Gefälligkeit einspringen würden und somit nicht als "Kostenträger" bezeichnet werden könnten. Soweit aber andere öffentliche Versicherungsträger, Bund, Länder oder Gemeinden gemeint sein könnten, würden diese auch nur auf Grund gesetzlicher Vorschriften tätig werden. Für diese Gebiete gibt es jedoch genaue gesetzliche Abgrenzungs- und Erstattungsvorschriften, die im Falle einer Zuständigkeitskollision für einen entsprechenden Ausgleich sorgen (vgl. §§ 20, 14 des Bundesversorgungsgesetzes - BVG -; § 1531 RVO, §§ 565, 1504 RVO; § 276 des Lastenausgleichsgesetzes - LAG -). Da demnach im Rahmen dieser Satzungsbestimmung unter dem Begriff "Kostenträger" praktisch nur die Rentenversicherungsträger oder eventl. auch andere Behörden, die öffentliche Zuschüsse gewähren, nicht aber Privatpersonen oder private Versicherungen fallen können, ist eine willkürliche Handhabung insoweit nicht zu befürchten.

Eine Berücksichtigung solcher Leistungen bei der Festsetzung der der Klägerin zu gewährenden Zuschüsse ist zulässig.

Ein gesetzliches Verbot für die Anrechnung von Leistungen der Rentenversicherungsträger besteht nicht. Wie der Senat (BSG 22, 67, 70) ausgeführt hat, widerspricht der Gedanke der Anrechnung von Leistungen eines Versicherungsträgers auf diejenigen eines anderen Versicherungsträgers nicht dem Grundgedanken der Sozialversicherung, angemessenen Schutz und angemessene Hilfe für den Einzelnen in den Wechselfällen des täglichen Lebens zu gewähren (BSG 9, 232, 276); dies hat im Gesetz wiederholt seinen Niederschlag gefunden (vgl. zB § 183 Abs. 3, § 189 Abs. 2, § 1241 Abs. 3, §§ 1278 ff RVO). Auch nach § 87 Abs. 5 des Gesetzes über Arbeitsvermittlung und Arbeitslosenversicherung (AVAVG) ist die Zeit des Bezuges von Arbeitslosengeld bei Rentenempfängern - praktisch gesehen - kürzer als bei anderen Arbeitslosen, weil sie wegen des Rentenbezugs nicht so sehr auf die Leistungen der Arbeitslosenversicherung angewiesen sind. Ausgehend von dem Gedanken, daß die verschiedenen Versicherungszweige auch zur Abdeckung verschiedener Risiken geschaffen sind und durch ihre Verschiedenheit gerade einen umfassenden Schutz gewährleisten sollen, wird man wenigstens dann, wenn Leistungen verschiedener Versicherungsträger für den gleichen Bedarfsfall vorgesehen sind, grundsätzlich eine Anrechnung für zulässig halten müssen. Da auch die Rentenversicherungsträger für ihre Mitglieder Maßnahmen zur Erhaltung, Besserung und Wiederherstellung der Erwerbsfähigkeit als Regelleistungen (§§ 1236 ff RVO, §§ 13 ff des Angestelltenversicherungsgesetzes - AVG -) oder als zusätzliche Leistungen (§ 1305 RVO; § 84 AVG) durchführen können, überschneidet sich insoweit der Aufgabenbereich der Rentenversicherungsträger mit demjenigen der Krankenversicherungsträger. Der Gesetzgeber hat in diesen Fällen ausdrücklich die Verpflichtung zur Zusammenarbeit zwischen den verschiedenen Zweigen der Sozialversicherung festgelegt (§ 1244 RVO; § 21 AVG). Dem entspricht die Berücksichtigung des Zuschusses des Rentenversicherungsträgers, die im Interesse eines sozialpolitisch erwünschten Ausgleichs die Unterschiedlichkeit der für den gleichen Bedarfsfall aus öffentlichen Mitteln gewährten Leistungen mildert (BSG 22, 67, 70).

Es kann auch in dieser Regelung kein Verstoß gegen den Gleichheitsgrundsatz gesehen werden. Der Gedanke der Sozialversicherung, einen ausreichenden Schutz gegen das versicherte Risiko zu schaffen, kommt auch dann noch zur Geltung, wenn in den genannten Fällen eine teilweise Anrechnung erfolgt. Die Sozialversicherung beruht nicht wie die Privatversicherung auf dem Prinzip, daß die Ansprüche auf Versicherungsleistungen ausschließlich auf Grund eigener Beitragsleistungen erworben werden. Die Berücksichtigung von Leistungen eines anderen Versicherungsträgers trägt dem Gedanken der Einheit der Sozialversicherung Rechnung. Sie verstößt weder gegen den versicherungsmäßigen Grundsatz der Gleichbehandlung der Mitglieder noch gegen den allgemeinen verfassungsmäßigen Gleichheitssatz.

Da somit ein Verstoß dieser Satzungsbestimmungen gegen gesetzliche Vorschriften (§ 324 Abs. 2 RVO) nicht vorliegt, ist die nach § 326 RVO ergangene Aufsichtsanordnung aufzuheben.

Die Kostenentscheidung ergeht nach § 193 des Sozialgerichtsgesetzes.

 

Fundstellen

Dokument-Index HI2380125

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