Leitsatz (amtlich)
1. Beitragszeiten nach FRG § 15, die ein Angestellter in der Tschechoslowakei bei einem Pensionsinstitut (Ersatzinstitut) zurückgelegt hat, sind selbst dann nicht gemäß FRG § 20 Abs 1 S 1 in einer der knappschaftlichen Rentenversicherung entsprechenden Berufsversicherung zurückgelegt, wenn die bei dem Pensionsinstitut versicherten Angestellten ausnahmslos in einem knappschaftlichen Betrieb iS des RKG § 2 beschäftigt gewesen waren.
2. Ein Berechtigter nach dem FRG, der im Herkunftsland als Angestellter in einem knappschaftlichen Betrieb iS des RKG § 2 beschäftigt gewesen ist, ohne daß Beiträge zu einer der deutschen knappschaftlichen Rentenversicherung entsprechenden Berufsversicherung entrichtet worden sind, kann für die Zeit nach dem 1937-12-31 nicht als der "Versicherungspflicht in der knappschaftlichen Rentenversicherung nach den jeweils geltenden reichs- oder bundesrechtlichen Vorschriften" iS des FRG § 20 Abs 4 S 1 - letzter Teilsatz - unterlegen angesehen werden.
Normenkette
FRG § 15 Fassung: 1960-02-25, § 20 Abs 1 S 1 Fassung: 1960-02-25; RKG § 2 Fassung: 1923-06-23; FRG § 20 Abs 4 S 1 Fassung: 1960-02-25; RVAusbauG § 128 Fassung: 1937-12-21
Tenor
Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Bayerischen Landessozialgerichts vom 5. März 1970 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
Gründe
I
Der 1901 geborene, aus M. stammende Kläger war vom 1. August 1919 bis 30. April 1945 in O. (früher: "M. O.") als Buchhalter bei den W. O. Kohlen- und Kokswerken beschäftigt und beim J. W. Pensionsinstitut in Schlesisch O. pflichtversichert. Nach seiner Aussiedlung im Jahre 1946 nach Bayern leistete er Beiträge zur Angestelltenversicherung (AnV).
Die dem Kläger ab 1. Februar 1951 von der Bundesversicherungsanstalt für Angestellte (BfA) als Ruhegeld aus der AnV gewährte Versichertenrente hat die Süddeutsche Knappschaft - Rechtsvorgängerin der Beklagten - später als Knappschaftsrente wegen Erwerbsunfähigkeit unter Berücksichtigung der Vorschriften des Fremdrenten- und Auslandsrenten-Neuregelungsgesetzes (FANG) vom 25. Februar 1960 zur Weiterzahlung übernommen. Sie berechnete die Rente zuletzt mit den - während des dem angefochtenen Urteil vorangegangenen Berufungsstreitverfahrens vor dem Bayerischen Landessozialgericht (LSG) erlassenen - Bescheiden vom 23. Juli 1968 ab 1. Januar 1959 neu. Dabei ordnete sie von den vom Kläger in seiner Heimat beim J. W. Pensionsinstitut zurückgelegten Versicherungszeiten nur die Beitragszeiten vom 1. Januar 1924 bis 31. Dezember 1937 der knappschaftlichen Rentenversicherung (knRV) zu; die übrigen Zeiten berücksichtigte sie als in der AnV zurückgelegt.
Mit der angefochtenen Entscheidung vom 5. März 1970 hat das LSG unter Bestätigung eines Urteils des Sozialgerichts (SG) München vom 18. Dezember 1967 die Klagen gegen die Bescheide der Süddeutschen Knappschaft vom 23. Juli 1968 abgewiesen. In der Begründung ist ausgeführt: § 20 Abs. 1 des Fremdrentengesetzes (FRG) gestatte es nicht, die vor dem 1. Januar 1924 und die nach dem 31. Dezember 1937 liegenden Beitragszeiten des Klägers beim J. W. Pensionsinstitut der knRV zuzuordnen; dieses Institut sei keine der knRV entsprechende Berufsversicherung, sondern eine Einrichtung der AnV gewesen. Eine Zuordnung der vom Kläger bei diesem Institut zurückgelegten Versicherungszeiten sei nur über § 20 Abs. 4 FRG möglich; diese Bestimmung erlaube die knappschaftliche Einordnung gerade solcher nach Fremdrentenrecht zu berücksichtigender Versicherungszeiten, die nicht bei einer der knRV entsprechenden Berufsversicherung verbracht worden seien. Voraussetzung sei allerdings, daß die versicherungspflichtige Beschäftigung, wäre sie im Bundesgebiet verrichtet worden, nach den jeweils geltenden reichs- und bundesrechtlichen Vorschriften der Versicherungspflicht in der knRV unterlegen hätte. Das treffe für den Kläger nur auf die Versicherungszeit vom 1. Januar 1924 bis 31. Dezember 1937 zu; ab 1. Januar 1938 wäre er nach § 127 des sogenannten Ausbaugesetzes (AusbauG) aus der knRV ausgeschieden. Der Hinweis auf das in § 128 AusbauG normierte Recht der Bergbauangestellten, auf weitere Zugehörigkeit zur knappschaftlichen Pensionsversicherung zu optieren, gehe fehl; der Kläger könne die Erklärung, deren Abgabe nur bis zum 31. Dezember 1938 möglich gewesen sei, heute nicht nachträglich abgeben; sie könne - im Hinblick auf die mit der Zugehörigkeit zur knappschaftlichen Pensionsversicherung verbundene höhere Beitragsbelastung - nicht dadurch ersetzt werden, daß ein entsprechender mutmaßlicher Wille des Klägers angenommen werde.
Die Revision hat das LSG im Urteil zugelassen.
Der Kläger hat die Revision eingelegt. Er bringt vor: Das J. W. Pensionsinstitut habe wie die Knappschaften im Reichsgebiet nur Bergbauangestellte versichert und habe wie die Knappschaften für bessere Leistungen nach Eintritt des Versicherungsfalles höhere Beiträge verlangt. Die Pflichtversicherung der Bergbauangestellten bei dem genannten Institut entspreche daher der knRV. Unter Berücksichtigung des mutmaßlichen Willens eines vertriebenen Versicherten müsse dieser bei Heranziehung des ehemaligen Reichsrechts so behandelt werden, als habe er für die weitere Zugehörigkeit zur knRV über den 31. Dezember 1937 hinaus optiert, zumal er tatsächlich höhere als die allgemeinen Beiträge zur AnV geleistet habe.
Der Kläger beantragt,
die Urteile des Bayerischen Landessozialgerichts vom 5. März 1970 und des Sozialgerichts München vom 18. Dezember 1967 sowie die Bescheide der Beklagten vom 14. April 1967 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihm die gesamte Pflichtversicherungszeit vom 1. August 1919 bis 30. April 1945 in der knappschaftlichen Rentenversicherung anzurechnen,
hilfsweise,
ihm die Beitragszeit über den 31. Dezember 1967 hinaus bis 30. April 1945 in der knappschaftlichen Rentenversicherung anzurechnen.
Die Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend.
Die Beigeladene hat sich nicht geäußert und keinen Antrag gestellt.
II
Die Revision ist zulässig, in der Sache aber nicht begründet.
Die nach § 15 FRG idF des ab 1. Januar 1959 geltenden FANG vom 25. Februar 1960 von dem Vertriebenen bei einem nichtdeutschen Träger der gesetzlichen Rentenversicherung zurückgelegten und Beitragszeiten nach Bundesrecht gleichstehenden Versicherungszeiten werden nach § 20 Abs. 1 FRG der knRV zugeordnet, sofern sie auf Grund einer Pflichtversicherung in einer der knRV entsprechenden Berufsversicherung verbracht worden sind. In übrigen werden diese Beitragszeiten nach Art der Beschäftigung der Rentenversicherung der Arbeiter oder der Rentenversicherung der Angestellten zugeordnet (§ 20 Abs. 1 Satz 2 FEG).
Vorweg ist festzuhalten, daß der Kläger die Versicherungszeiten beim J. W. Pensionsinstitut nicht im Sinne des § 15 Abs. 1 Satz 1 FRG bei einem Träger der gesetzlichen Rentenversicherung zurückgelegt hat. In die Unternehmensversicherung dieses Instituts war der Kläger nicht durch öffentlich-rechtlichen Zwang einbezogen, um ihn und seine Hinterbliebenen für den Fall der Minderung der Erwerbsfähigkeit, des Alters und des Todes durch Gewährung von Renten zu sichern ( § 15 Abs. 2 Satz 1 FRG ). Indessen hat der Kläger durch die Zugehörigkeit zu diesem Pensionsinstitut gemäß § 15 Abs. 2 Satz 2 FRG dem gesetzlichen Erfordernis Genüge geleistet, einem in Satz 1 aaO genannten gesetzlichen System der sozialen Sicherung anzugehören: Nach § 64 Abs. 1 des für Angestellte geltenden österreichischen Pensionsversicherungsgesetzes (PVG) vom 16. Dezember 1906, nach Gründung der Tschechoslowakischen Republik neu gefaßt durch das Gesetz vom 5. Februar 1920, konnte der Versicherungspflicht nach diesem Gesetz durch die Versicherung bei einem Ersatzinstitut Genüge geleistet werden; die Pensionsinstitute sind gemäß § 65 Abs. 1 aaO Ersatzinstitute. Diese "Genügeleistung" ist in § 73 des tschechoslowakischen PVG vom 21. Februar 1929 aufrechterhalten worden.
Ist hiernach die Zugehörigkeit des Klägers zum J. W. Pensionsinstitut fremdrentenrechtlich nur erheblich, weil er hierdurch der in B. und M. für Angestellte geltenden gesetzlichen Rentenversicherungspflicht Genüge geleistet hat, so sind die dort verbrachten Versicherungszeiten nicht in einer Berufsversicherung zurückgelegt, die im Sinne des § 20 Abs. 1 Satz 1 FRG der knRV, also einer für Bergleute geschaffenen Rentenversicherung entspricht. Daran vermag auch der Umstand nichts zu ändern, daß beim J. W. Pensionsinstitut möglicherweise nur Angestellte versichert waren, die im Sinne der §§ 1 und 2 des Reichsknappschaftsgesetzes (RKG) einem "knappschaftlichen Betrieb" angehörten. In der Tschechoslowakei gab es zu keiner Zeit eine der knRV entsprechende Berufsversicherung für "Bergbauangestellte"; für die Ersatzinstitute stellt daher auch § 103 Abs. 1 PVG vom 21. Februar 1929 klar, daß sie "Träger der Pensionsversicherung nach diesem Gesetz" sind. Der tschechoslowakischen Pensionsversicherung entspricht bei Vergleich mit dem Reichs- und Bundesrecht die AnV, nicht aber die knRV.
Daß § 20 Abs. 1 FRG unter einer der knRV entsprechenden Berufsversicherung nicht die Versicherung bei einem tschechoslowakischen Träger der Pensionsversicherung versteht, bestätigen die Motive zu § 20 Abs. 4 Satz 1 FRG: Wenn dort Zeiten, die im Herkunftsland des Versicherten nicht bei einer der knRV entsprechenden Berufsversicherung verbracht worden sind, unter bestimmten Voraussetzungen gleichwohl der knRV zugeordnet werden, so soll nach den Vorstellungen des Gesetzgebers hierdurch "insbesondere eine Überführung der Angestellten des Bergbaus, die in der Tschechoslowakei Beiträge zur AnV entrichtet haben, in die knRV vollzogen werden. Damit wird dem Gedanken der Eingliederung auch hinsichtlich des zuständigen Versicherungszweiges Rechnung getragen" (so die am Referentenentwurf eines FANG beteiligten Jantz/Zweng/Eicher in Das neue Fremdrenten- und Auslandsrentenrecht, 2. Aufl., Anm. 14 zu § 20 FRG). Nach allem kann § 20 Abs. 1 Satz 1 FRG auf die Versicherung des Klägers in seiner Heimat nicht angewendet werden.
Aber auch nach § 20 Abs. 4 Satz 1 FRG können die streitigen Zeiten nicht der knRV zugeordnet werden. Da § 20 Abs. 4 Satz 1 FRG eine Zuordnung von Beitragszeiten zur knRV frühestens "vom 1. Januar 1924 an" gestattet, kann der Kläger mit seinem Begehren nicht durchdringen, soweit es die von ihm in der Tschechoslowakei vom 1. August 1919 bis 31. Dezember 1923 zurückgelegten Versicherungszeiten betrifft.
Dasselbe gilt aber auch für die Versicherungszeiten, die der Kläger nach dem 31. Dezember 1937 bei dem tschechoslowakischen Ersatzinstitut zurückgelegt hat. Diese Zeiten könnten nur dann der knRV zugeordnet werden, wenn die Voraussetzungen des § 20 Abs. 4 Satz 1 FRG erfüllt wären. Nach dieser Vorschrift hängt die vom Kläger erstrebte Zuordnung davon ab, daß die Beitragszeiten in einem knappschaftlichen Betrieb im Sinne des § 2 Abs. 1 und 2 RKG zurückgelegt sind und daß die Beschäftigung, wäre sie im Gebiet der heutigen Bundesrepublik verrichtet worden, nach den jeweils geltenden reichs- oder bundesrechtlichen Vorschriften der Versicherungspflicht in der knRV unterlegen wäre. Letzteres ist in bezug auf eine Beschäftigung zwischen dem 1. Januar 1958 und dem 30. April 1945 für die kaufmännischen Angestellten bergbaulicher Betriebe nicht der Fall. Nach § 82 des Gesetzes über den Ausbau der Rentenversicherung vom 21. Dezember 1937 (AusbauG) waren die nicht mit wesentlich bergmännischen Arbeiten befaßten Angestellten ab 1. Januar 1938 nicht mehr knappschaftlich zwangsversichert; vielmehr unterlagen sie von da ab der AnV (§ 127 AusbauG). Erst § 7 des Knappschaftsversicherungs-Anpassungsgesetzes (KnVAG) vom 30. Juli 1949 stellte vom 1. Juni 1949 an den bis 31. Dezember 1937 gültig gewesenen Rechtszustand wieder her. Zwar konnten die ab 1. Januar 1938 in knappschaftlich versicherten Betrieben beschäftigten und nicht mehr knappschaftlich versicherten Angestellten gemäß § 128 Abs. 1 Nr. 1 i.V.m. Abs. 2 AusbauG bis spätestens zum 31. Dezember 1938 erklären, daß sie weiter knappschaftlich pensionsversicherungspflichtig bleiben wollen. Eine solche Erklärung hat der Kläger innerhalb dieser Frist nicht abgegebene Allerdings konnte er sie auch nicht abgeben, weil er zu dieser Zeit noch in der Tschechoslowakei lebte, dort tätig und versichert war. Es geht aber nicht an, diese Erklärung bei denjenigen, die sie innerhalb dieser Frist nicht abgeben konnten, als abgegeben zu behandeln. An die Abgabe der Erklärung waren weitreichende, nicht nur begünstigende Rechtsfolgen, z.B. die Pflicht, höhere Beiträge zu leisten, geknüpft. Bei Schaffung des FRG im Jahre 1960 waren dem Gesetzgeber daher keine Rückschlüsse möglich, ob die von diesem Gesetz erfaßten Personen die Erklärung nach § 128 AusbauG abgegeben hätten, wenn sie sie hätten abgeben können. Unter einer Versicherungspflicht in der knRV "nach (den jeweils geltenden) reichs- oder bundesrechtlichen Vorschriften" im Sinne des § 20 Abs. 4 Satz 1 FRG kann daher nur eine Versicherungspflicht verstanden werden, die unmittelbar kraft Gesetzes ohne notwendigen Hinzutritt einer Willensentschließung des versicherungspflichtig Beschäftigten entsteht, also nicht die Versicherungspflicht nach § 128 Abs. 1 Nr. 1 AusbauG "kraft Abgabe einer Erklärung". Damit scheidet eine Zuordnung von in der tschechoslowakischen Angestelltenversicherung zwischen dem 1. Januar 1928 und dem 30. April 1945 verbrachten Versicherungszeiten zur knRV auf Grund des § 20 Abs. 4 FRG aus.
Zutreffend hat daher das LSG im angefochtenen Urteil dem Zuordnungsbegehren des Klägers nicht entsprochen. Die Revision gegen dieses Urteil war daher mit der auf § 193 des Sozialgerichtsgesetzes gestützten Kostenentscheidung als unbegründet zurückzuweisen.
Fundstellen