Leitsatz (amtlich)
Die Beschränkung einer höheren Einstufung in DV § 30 Abs 3 und 4 BVG § 6 auf den Fall, daß der Beschädigte nachweislich in dem bereits vor der Schädigung ausgeübten Beruf eine Stellung erreicht hat, die durch die Vorschriften der DV §§ 3, 4 und 5 keine ausreichende Berücksichtigung findet, verstößt nicht gegen die der Bundesregierung in BVG § 30 Abs 5 bzw 7 erteilte Ermächtigung zur Ermittlung des Einkommensverlustes für die Berechnung des Berufsschadensausgleichs.
Leitsatz (redaktionell)
Die Bestimmung, daß sich der Einkommensverlust nach dem Durchschnittseinkommen einer bestimmten Berufsgruppe richtet und dabei die Durchschnittsergebnisse des Bundesgebiets maßgebend sind (BVG § 30 Abs 4), macht deutlich, daß - wie bei der Rente - auch beim Berufsschadensausgleich der Gesichtspunkt einer individuellen Entschädigung zugunsten eines generalisierten oder pauschalierten Schadensausgleichs zurücktreten mußte.
Wenn als Vergleichsmaßstab für den voraussichtlichen Einkommensverlust des Selbständigen die Besoldungsgruppen des BBesG maßgebend sein sollen, so bedeutet das, daß ein etwaiger späterer Mehrverdienst des Selbständigen, mag er noch so wahrscheinlich oder sicher sein, außer Betracht zu bleiben hat.
Normenkette
BVG § 30 Abs. 3 Fassung: 1960-06-27, Abs. 4 Fassung: 1960-06-27, Abs. 5 Fassung: 1960-06-27, Abs. 7 Fassung: 1960-06-27, Abs. 3 Fassung: 1964-02-21, Abs. 4 Fassung: 1964-02-21, Abs. 5 Fassung: 1964-02-21, Abs. 7 Fassung: 1964-02-21; BVG § 30 Abs 3 u 4 DV § 6 Fassung: 1961-07-30; BVG § 30 Abs 3 u 4 DV § 6 Fassung: 1964-07-30
Tenor
Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des Landessozialgerichts Rheinland-Pfalz vom 26. August 1965 aufgehoben.
Die Sache wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landessozialgericht zurückverwiesen.
Gründe
Der Kläger erhält als Kriegsblinder nach dem Bundesversorgungsgesetz (BVG) in der Fassung des Ersten Neuordnungsgesetzes vom 27. Juni 1960 - 1. NOG - (BGBl I, 453) - aF - Rente nach einer Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) von 100 v. H. sowie u. a. eine Ausgleichsrente von 200,- DM. Daneben bezieht er eine Angestelltenvergütung von 606,- DM und eine Invalidenrente in Höhe von 218,10 DM. Der 1960 gestellte Antrag auf Gewährung von Berufsschadensausgleich wurde mit Bescheid des Versorgungsamtes (VersorgA) vom 11. September 1962 abgelehnt, da der Kläger ein (anrechenbares) Einkommen von monatlich 1.024,- DM habe, während das voraussichtlich erzielte Einkommen in dem Beruf eines Schornsteinfegers nur 1.000,- DM betragen würde. Nach erfolglosem Widerspruch verpflichtete das Sozialgericht (SG) den Beklagten mit Urteil vom 13. Dezember 1963, dem Kläger ab 1. Juni 1960 Berufsschadensausgleich unter Zugrundelegung der Besoldungsgruppe A 13 zu gewähren, da er Bezirksschornsteinfegermeister mit einem Einkommen von rd. 20.000,- DM netto geworden wäre, was etwa dem Einkommen eines Beamten der Besoldungsgruppe A 13 im Endgehalt entspreche. Auf die Berufung des Beklagten hob das Landessozialgericht (LSG) mit Urteil vom 26. August 1965 das SG-Urteil auf und wies die Klage ab. Der Kläger hätte ohne seine schädigungsbedingte Erblindung die Meisterprüfung abgelegt und wäre etwa seit Oktober 1960 Bezirksschornsteinfegermeister geworden. Deshalb sei sein Durchschnittseinkommen nach § 5 der Verordnung zur Durchführung des § 30 Abs. 3 und 4 BVG vom 30. Juli 1961 (BGBl I, 1115) - DVO aF - zu ermitteln und er hiernach als selbständig Tätiger mit Volksschulbildung und abgeschlossener Berufsausbildung in die Besoldungsgruppe A 6 einzureihen. Deren Bezüge überstiegen das anrechenbare Bruttoeinkommen des Klägers von 1.024,10 DM nicht. Ein besonderer Fall im Sinne des § 6 DVO liege nicht vor. Hiernach müsse der Beschädigte bereits vor Eintritt der Schädigung eine berufliche Position erreicht haben, die in den §§ 3, 4 und 5 DVO nicht gebührend berücksichtigt sei. Mit dieser Regelung habe die Bundesregierung den Rahmen der ihr in § 30 Abs. 5 BVG aF erteilten Ermächtigung überschritten; diese sei insoweit nicht rechtswirksam. Die Bundesregierung habe nur Art und Weise der Berechnung des Einkommensverlustes in besonderen Fällen bestimmen dürfen; wenn die Anwendung des § 6 DVO auf diejenigen Beschädigten beschränkt sei, die bereits vor Eintritt der Schädigung eine besondere berufliche Stellung erreicht hatten, so sei damit eine mit dem Gesetz in Widerspruch stehende Einengung des anspruchsberechtigten Personenkreises vorgenommen worden, da sich aus § 30 Abs. 3 und 4 BVG aF ergebe, daß es für den Anspruch auf Berufsschadensausgleich unerheblich sei, ob der Einkommensverlust unter Zugrundelegung des derzeitigen oder früher ausgeübten, des begonnenen oder angestrebten Berufs eingetreten ist. § 6 DVO habe von diesen gleichwertigen Tatbeständen in unzulässiger Weise nur den einen des früher ausgeübten Berufs herausgegriffen und diesem Personenkreis mehr Rechte eingeräumt. Da § 6 DVO insoweit rechtsunwirksam sei, seien auch solche Fälle nach § 6 DVO zu beurteilen, in denen ein besonderer Fall unter Zugrundelegung des begonnenen oder angestrebten Berufs - hier des eines Bezirksschornsteinfegermeisters - vorliege. Beim Kläger seien jedoch die Voraussetzungen des § 6 DVO nicht erfüllt, weil es an dem vollen Nachweis fehle, daß die vor der Schädigung erreichte berufliche Stellung nicht ausreichend berücksichtigt sei. Hier genüge - anders als in den Fällen der §§ 3, 4 und 5 DVO, für die eine erleichterte Beweisführung zugelassen sei - nicht die Glaubhaftmachung oder Wahrscheinlichkeit. Der Kläger habe bis zur Einberufung zur Wehrmacht höchstens 40,- RM wöchentlich verdient; selbst wenn man einen Wochenlohn von 46,71 RM zugrunde lege, wie ihn das Statistische Bundesamt für 1940 mitgeteilt habe, sei kein besonderer Fall im Sinne des § 6 Abs. 1 DVO gegeben, weil diese Beträge noch unter den Dienstbezügen nach Besoldungsgruppe A 6 des Reichsbesoldungsgesetzes vom 16. Dezember 1927 lägen. Auch als Bezirksschornsteinfegermeister scheide für den Kläger die Annahme eines besonderen Falles nach § 6 Abs. 2 DVO aus, weil es an dem Nachweis eines höheren Einkommens als nach Besoldungsgruppe A 6 des Bundesbesoldungsgesetzes (BBesG) fehle; denn die Ermittlungen des Jahreseinkommens eines Bezirksschornsteinfegermeisters hätten unterschiedliche Ergebnisse erbracht (Jahreseinkommen von 12.000,- DM, 7.200,- DM bis 8.000,- DM, 7.768,- DM und 18.000,- bis 19.000,- DM). Danach bestehe durchaus die Möglichkeit, daß der Kläger nur bis zu 12.000,- oder 13.000,- DM verdienen würde. Das von dem Zeugen S bekundete Einkommen von 18.000,- bis 19.000,- DM stelle auch nur eine Möglichkeit, allenfalls eine Wahrscheinlichkeit dar. Diese könne im Rahmen des § 6 DVO keine Berücksichtigung finden. Ein Jahreseinkommen von 12.000,- bis 13.000,- DM sei durch die Regelung des § 5 DVO ausreichend berücksichtigt. Eine günstigere Entscheidung ergebe sich auch nicht nach § 30 Abs. 3 und 4 BVG in der Fassung des 2. NOG vom 21. Februar 1964 (BGBl I, 85) - nF - und der hierzu ergangenen DVO vom 30. Juli 1964 (BGBl I, 574) - nF -. Zwar sei jetzt die Besoldungsgruppe A 9 zugrunde zu legen, die seit 1. Januar 1964 bezogenen anrechenbaren Einkünfte des Klägers von 1.146,70 DM überschritten jedoch dieses Durchschnittseinkommen. § 6 DVO nF fordere auch weiterhin den Nachweis der in ihm aufgestellten Anspruchsvoraussetzungen.
Mit der zugelassenen Revision rügt der Kläger Verletzung des § 30 Abs. 3 und 4 BVG in Verbindung mit den §§ 5 und 6 der DVO, sowie als Verfahrensmängel Verstöße gegen §§ 103 und 128 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG). Zu Unrecht fordere das LSG auch für die Fälle des nachweislich angestrebten Berufs die nachgewiesene, d. h. nicht nur die wahrscheinliche Höhe des voraussichtlich erzielten Einkommens, Dies sei unlogisch, weil § 6 DVO den vollen Nachweis nur für tatsächliche Einkünfte verlange. Wolle man diese Vorschrift auf die Fälle des § 2 ausdehnen, so könne nur ein wahrscheinlich erzieltes Einkommen ermittelt werden. Demnach sei mit der Auskunft des Zeugen S bereits wahrscheinlich gemacht, daß das Einkommen eines Bezirksschornsteinfegermeisters mindestens dem der Gruppe A 13 BBesG entspreche. Das LSG hätte überdies bereits nach § 5 DVO den Anspruch des Klägers - zumindest teilweise - anerkennen müssen, weil es sich bei der Ausbildung zum Bezirksschornsteinfegermeister um eine qualifizierte, der Mittelschulbildung gleichzustellende Ausbildung handele, so daß mindestens die Besoldungsgruppe A 11 hätte zugrundegelegt werden müssen. Das LSG hätte insoweit durch erneute Anhörung des Sachverständigen S oder eines anderen Innungsmeisters weitere Ermittlungen vornehmen müssen, die ergeben hätten, daß zur Vorbereitung auf die Meisterprüfung eine 1 1/2-jährige Spezialausbildung, die auch allgemein bildende Unterrichtsfächer umfasse, erforderlich sei. Bei zutreffender Würdigung des vorliegenden Beweismaterials (§ 128 SGG) hätte das LSG ferner erkennen müssen, daß es sich bei den niedrigen Einkommensangaben von 7.769,- DM bzw. 7.200,- bis 8.000,- DM offensichtlich um das versteuerte Einkommen handle, zu dem regelmäßig Freibeträge und Absetzungen hinzukämen, so daß mindestens der von dem Zeugen S genannte Betrag erreicht werde. Notfalls hätte das LSG hier weitere Ermittlungen anstellen müssen; dabei hätte sich auch ergeben, daß eine Geschäftsunkostenpauschale von 60 % bei nur einem Gesellen weit übersetzt erscheine. Dies hätte auch eine Anfrage beim Zentralverband Deutscher Schornsteinfeger in Bonn bestätigt. Auch ergebe sich dies aus dem Umstand, daß die Bezirksregierung den Gewinn durch einen Gesellen allein schon mit 19 - 20.000,- DM beziffere. 1964 habe das Bruttoeinkommen bereits ca 41.600,- DM betragen.
Der Kläger beantragt, das angefochtene Urteil abzuändern und die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des SG vom 13. Dezember 1963 zurückzuweisen, hilfsweise, die Sache unter Aufhebung des angefochtenen Urteils zu anderweitiger Verhandlung und Entscheidung an die Vorinstanz zurückzuverweisen. Der Beklagte beantragt, die Revision zurückzuweisen. Das Urteil des LSG sei zwar nicht hinsichtlich der Annahme einer Überschreitung der in § 30 BVG enthaltenen Ermächtigung, jedoch im Ergebnis zutreffend.
Die durch Zulassung statthafte Revision ist form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden und daher zulässig (§§ 162 Abs. 1 Nr. 1, 164, 166 SGG); sie ist im Sinne einer Zurückverweisung der Sache an das LSG begründet.
Das LSG hat festgestellt, daß der Kläger bis zur Einberufung zur Wehrmacht als Schornsteinfegergeselle höchstens 40,- RM wöchentlich verdient habe und ab Juni 1960 ein anrechenbares Bruttoeinkommen von 606,- DM aus seiner Tätigkeit als Angestellter, ferner eine Invalidenrente von 218,10 DM sowie Ausgleichsrente von 200,- DM (= zus. 1024,10 DM) bezog; ferner, daß er ohne seine schädigungsbedingte Erblindung die Meisterprüfung abgelegt hätte und etwa seit Oktober 1960 Bezirksschornsteinfegermeister wäre. Damit hat das LSG - ohne dies ausdrücklich zu sagen - auch ein besonderes berufliches Betroffensein des Klägers, das es als Voraussetzung zur Gewährung von Berufsschadensausgleich bezeichnet hat, festgestellt. Das LSG hat ferner festgestellt, daß nach einer Mitteilung des Statistischen Bundesamts über das Durchschnittseinkommen eines Bezirksschornsteinfegermeisters keine Angaben zur Verfügung stünden. Diese Feststellungen sind von der Revision nicht mit Rügen angegriffen und daher für den erkennenden Senat bindend (§ 163 SGG).
Bei der Prüfung der Frage, ob der Kläger unter diesen Umständen Anspruch auf Berufsschadensausgleich hat, ist zunächst vom Wortlaut des § 30 Abs. 3, 4 und 5 BVG aF auszugehen. Hiernach erhält der Erwerbsunfähige, der durch die Art der Schädigungsfolgen beruflich besonders betroffen ist und deshalb ein um mindestens 100,- DM geringeres Einkommen erzielt, als er ohne die Schädigungsfolgen in seinem derzeitigen oder früher ausgeübten, dem begonnenen oder nachweislich angestrebten Beruf erzielt hätte, einen Berufsschadensausgleich in Höhe von 3/10 des Einkommensverlustes, höchstens 300,- DM monatlich (Abs. 3). Bei der Ermittlung des Einkommensverlustes ist das vom Beschädigten derzeit erzielte Bruttoeinkommen zuzüglich der Ausgleichsrente dem Durchschnittseinkommen der Berufsgruppe gegenüberzustellen, das der Beschädigte ohne die Schädigung nach seinen Lebensverhältnissen, Kenntnissen und Fähigkeiten und dem bisher betätigten Arbeits- und Ausbildungswillen voraussichtlich erhalten würde. Allgemeine Vergleichsgrundlage zur Ermittlung des Durchschnittseinkommens sind die amtlichen Erhebungen des Statistischen Bundesamtes in 2-jährigen Zeitabstand. Maßgebend sind die Durchschnittsergebnisse des Bundesgebietes (Abs. 4). In Abs. 5 wird die Bundesregierung ermächtigt, mit Zustimmung des Bundesrats zur Durchführung dieser Vorschrift eine Rechtsverordnung zu erlassen; hierbei kann sie bestimmen, "wie" der Einkommensverlust ermittelt wird, wenn amtliche Erhebungen des Statistischen Bundesamtes nicht vorliegen oder zum Vergleich nicht herangezogen werden können. Sie kann als Vergleichsmaßstab Besoldungsgruppen nach dem BBesG bestimmen.
Hieraus ergibt sich, daß der Berufsschadensausgleich denjenigen Beschädigten, die besonders starke Einbußen in ihrem Einkommen hinzunehmen hatten, einen Ausgleich gewähren soll, der in größerem Umfang als die Ausgleichsrente dem mutmaßlichen Einkommensverlust des einzelnen Beschädigten Rechnung trägt (vgl. Urteil des erkennenden Senats vom 13. Januar 1966 - 9 RV 790/65 - in BVBl 1966, 109). Wenn in § 30 Abs. 3 BVG dem tatsächlichen Einkommen des Erwerbsunfähigen das Einkommen gegenübergestellt wird, das er ohne die Schädigungsfolgen erzielt hätte, so werden damit nur allgemein Grundlage und Ansatz für den Anspruch auf den Berufsschadensausgleich angegeben. Daß der Einkommensverlust nicht konkret ermittelt werden soll, sondern daß das voraussichtlich erzielte Einkommen nur nach dem Durchschnittseinkommen der jeweils in Betracht kommenden Berufsgruppe zu bemessen ist, ergibt sich aus den die Vorschrift des § 30 Abs. 3 BVG ergänzenden Bestimmungen des § 30 Abs. 4 und 5 BVG. Dabei handelt es sich nicht etwa um verfahrensrechtliche Regelungen, sondern um Vorschriften, durch die der Anspruch gemäß der vorgesehenen Einordnung des Beschädigten in eine bestimmte Berufsgruppe oder Besoldungsstufe sachlich-rechtlich begrenzt wird (BSG-Urteil vom 16. Februar 1967 - 10 RV 1077/65 -). Die Bestimmung, daß sich der Einkommensverlust nach dem Durchschnittseinkommen einer bestimmten Berufsgruppe richtet und dabei die Durchschnittsergebnisse des Bundesgebiets maßgebend sind, macht somit deutlich, daß - wie bei der Rente - auch beim Berufsschadensausgleich der Gesichtspunkt einer individuellen Entschädigung zugunsten eines generalisierten oder pauschalen Schadensausgleichs zurücktreten mußte (vgl. Wilke, Kommentar zum BVG, 2. Aufl., ... Anm. 3 a zu § 30 BVG). Die Bestimmung in § 30 Abs. 4, daß bei der Ermittlung des Einkommensverlustes auf die Lebensverhältnisse des Beschädigten, seine Kenntnisse und Fähigkeiten sowie seinen bisher betätigten Arbeits- und Ausbildungswillen abzustellen sei, bedeutet sonach nicht, daß im Einzelfall etwa vorliegende oder anzunehmende besonders günstige Umstände bereits zur Gewährung eines entsprechend höheren Berufsschadensausgleichs führen könnten; vielmehr soll, wie es auch im Schriftlichen Bericht des Ausschusses für Kriegsopfer- und Heimkehrerfragen (22. Ausschuß) - vgl. Deutscher Bundestag, 3. Wahlperiode, BT-Drucks. Nr. 1825, S. 7 zu § 30 BVG - heißt, bei dem "fiktiv" zu errechnenden Einkommensverlust ein "durchschnittlicher Berufserfolg maßgebend" sein. Auch im übrigen sieht das Gesetz keinen vollen Ausgleich des Einkommensverlustes vor (vgl. Wilke aaO, 1. Aufl., Anm. III Nr. 3 zu § 30 BVG). Denn die Auffassung, daß der Berufsschadensausgleich den Berufsschaden schlechthin ausgleichen soll und daß die Berufsschadensrente 70 % des tatsächlichen Verlustes betragen soll, weil der Beschädigte davon weder Sozialabgaben noch Steuern bezahle (vgl. Ausführungen des Abgeordneten Dr. R in der 84. Sitzung des Deutschen Bundestages 1959, 3. Wahlp., S. 4526 C), ist nicht Gesetz geworden. Auch die Vorschläge, daß man schon bei einem Einkommensverlust von 20,- DM anstatt 100,- DM Berufsschadensausgleich gewähren und diesen nicht auf 300,- DM sondern 500,- DM begrenzen solle (vgl. Vorschlag des Abgeordneten Dr. R in der 114. Sitzung des Deutschen Bundestages 1960, 3. Wahlp., S. 6494 A), sind nicht in das 1. NOG übernommen worden (vgl. aaO S. 6494 B). Wenn die letzteren Vorschläge auch im 3. NOG vom 28. Dezember 1966 (BGBl I, 750) schließlich berücksichtigt worden sind, so blieb es doch dabei, daß der durch die Schädigungsfolgen bedingte Einkommensverlust nur "in einem bestimmten Verhältnis entschädigt" wird (vgl. Amtliche Begründung zum Entwurf des 1. NOG, Deutscher Bundestag, 3. Wahlp., BT-Drucks. 1239 zu § 30 S. 25). Jedoch ist, wie § 2 letzter Satz der DVO zu § 30 Abs. 3 und 4 BVG ausdrücklich klarstellt, ein durch die Schädigung verhinderter Aufstieg im Beruf zu berücksichtigen, somit von dieser Berufsstellung bei der Einordnung des Erwerbsunfähigen in die jeweils für ihn in Betracht kommende Berufsgruppe auszugehen.
Aus der Vorschrift des § 30 Abs. 5 BVG aF ergibt sich ferner, daß in der zu erlassenden Rechtsverordnung für die Fälle, in denen amtliche Erhebungen des Statistischen Bundesamtes nicht vorliegen oder zum Vergleich nicht herangezogen werden können, Besoldungsgruppen nach dem BBesG als Vergleichsmaßstab bestimmt werden können. Diese Vorschrift ist insbesondere für selbständig Tätige, also gerade auch im Falle des Klägers von Bedeutung. Selbständig Tätige können erfahrungsgemäß unter günstigen Umständen ein Vielfaches des Verdienstes eines Beamten erzielen. Wenn trotzdem gemäß § 30 Abs. 5 BVG aF als Vergleichsmaßstab für den voraussichtlichen Einkommensverlust des Selbständigen die Besoldungsgruppen des BBesG maßgebend sein sollen, so bedeutet dies, daß ein etwaiger späterer Mehrverdienst des Selbständigen, mag er noch so wahrscheinlich oder sicher sein, außer Betracht zu bleiben hat. Demgemäß ist auch in § 5 der DVO zu § 30 Abs. 3 und 4 BVG vom 30. Juli 1961 (aF) bestimmt, daß ein höheres Durchschnittseinkommen aus selbständiger Tätigkeit als die dort aufgeführten Endgrundgehälter - und zwar höchstens der Besoldungsgruppe A 14 - zuzüglich des Ortszuschlags A und etwaiger Kinderzuschläge nicht berücksichtigt werden kann. Daß die Bundesregierung mit dieser in § 5 DVO bestimmten Begrenzung des zu berücksichtigenden voraussichtlichen Einkommens von selbständig Tätigen die ihr in § 30 Abs. 5 BVG aF erteilte Ermächtigung überschritten hätte, ist weder von der Revision gerügt, noch ersichtlich. Wie es in der Amtlichen Begründung zum Entwurf des 1. NOG aaO heißt, ist die Ermächtigung zum Erlaß einer Verordnung notwendig, weil es einer allgemein verbindlichen Regelung bedarf, wie zu verfahren ist, wenn sich ein Durchschnittseinkommen der in Betracht kommenden Berufsgruppe nicht ermitteln läßt oder nicht zum Vergleich herangezogen werden kann. Die Bundesregierung konnte dieses Einkommen angesichts des Umstandes, daß das zu ermittelnde Vergleichseinkommen überhaupt nur eine theoretische Annahme darstellt, deren Richtigkeit sich im Einzelfall gar nicht feststellen läßt, nach dem regelmäßigen Ablauf der Dinge im Leben festsetzen (vgl. Urteil des BSG vom 16. Februar 1967 - 10 RV 1077/65 -), d. h. die Höhe des fiktiven Durchschnittseinkommens je nach der Art der Schul- und Berufsausbildung nach den in der DVO genannten unterschiedlichen Besoldungsgruppen bestimmen. Mit dieser Regelung hat die Bundesregierung für alle die selbständig Tätigen, deren voraussichtliches (wahrscheinliches) Einkommen theoretisch ermittelt werden muß, das Vergleichseinkommen im Einklang mit der ihr erteilten Ermächtigung in einer Weise bestimmt, die unter Würdigung des Sinns und Zwecks des in § 30 Abs. 3 bis 5 geregelten Berufsschadensausgleichs jedenfalls grundsätzlich als ausreichend erachtet werden muß. Dieser Regelung konnte aber die Erwägung entgegengehalten werden, es sei unbillig und liege auch nicht im Sinne des Schadensausgleichs, einen Beschädigten mit einem generalisierten theoretischen Einkommensverlust abzufinden, wenn er ausnahmsweise nachweisen könne, daß er bereits vor dem Eintritt der Schädigung oder des besonderen beruflichen Betroffenseins tatsächlich ein höheres Einkommen erzielt hat. Es war daher sinnvoll, wenn die Bundesregierung für diese Beschädigten, und nur für diese, in § 6 Abs. 1 und 2 DVO aF eine Ausnahme für die Fälle zuließ, in denen der Beschädigte nachweislich vor Eintritt der Schädigung oder des besonderen beruflichen Betroffenseins eine Berufsstellung erreicht, bzw. aus eigener Tätigkeit als Selbständiger einen aus dieser Stellung sich ergebenden höheren Gewinn erzielt hat, der in § 3 und 4 bzw. 5 DVO aF nicht ausreichend Berücksichtigung findet. § 6 DVO trifft somit nur für die Fälle eine ergänzende, individuelle Regelung, in denen der Maßstab einer wahrscheinlich erlangten Berufsstellung (§§ 3 - 5 DVO) deshalb nicht angelegt werden soll, weil er nachweislich durch den Erfolg in dem vor der Schädigung ausgeübten Beruf, d. h. durch die in ihm erreichte berufliche Stellung mit ihren Auswirkungen auf die Höhe des Einkommens, als ungeeignet angesehen werden muß und damit als angemessener Schadensausgleich nicht mehr gelten kann. Da § 6 DVO an die nachweislich erlangte, nicht an die wahrscheinlich erreichte Berufsstellung anknüpft, ist auch eine analoge Anwendung dieser Vorschrift auf die Fälle ausgeschlossen, in denen geltend gemacht wird, die Einordnung in eine bestimmte, der Berufsausbildung entsprechende Besoldungsgruppe nach § 5 DVO - dasselbe würde entsprechend für §§ 3 und 4 DVO gelten - werde nicht dem Einkommen gerecht, das der Beschädigte wahrscheinlich erzielt hätte. Die Regelung in der DVO über die Einordnung in eine bestimmte Berufsgruppe aufgrund des wahrscheinlich erzielten Einkommens ist abschließend. Die Bundesregierung hat, wenn sie in § 6 DVO im Rahmen der Besoldungsordnung A zur Vermeidung einer vom Gesetzgeber nicht beabsichtigten Unbilligkeit eine günstigere Regelung für den Fall zugelassen hat, daß der Beschädigte schon vor der Schädigung nachweislich eine Stellung erreicht hat, die durch die Vorschriften der §§ 3-5 keine ausreichende Berücksichtigung findet, die ihr in § 30 Abs. 5 BVG aF erteilte Ermächtigung nicht überschritten. Ob sich die Bundesregierung mit der Bestimmung in § 6 Abs. 2 DVO, daß der Beschädigte als Selbständiger "in den letzten drei Jahren" vor Eintritt der Schädigung oder des besonderen beruflichen Betroffenseins oder vor Beginn des militärischen Dienstes einen höheren Gewinn erzielt haben muß, im Rahmen der ihr erteilten Ermächtigung gehalten hat, war hier nicht zu entscheiden.
Eine andere Beurteilung ergibt sich auch nicht bei Würdigung des § 30 Abs. 3 und 4 BVG in der Fassung des 2. und 3. NOG. Diese haben den anspruchsberechtigten Personenkreis nur auf Schwerbeschädigte ausgedehnt, den Mindestbetrag des Einkommensverlustes von 100,- DM zunächst auf 75,- DM ermäßigt und dann ganz entfallen lassen, den Ausgleich auf 4/10 sowie den Höchstbetrag auf 400,- DM bzw. 500,- DM erhöht, im übrigen aber für den vorliegenden Fall keine wesentlichen Änderungen gebracht. Wenn es in § 30 Abs. 7 BVG nF heißt, daß die Bundesregierung bestimmen kann, welche Vergleichsgrundlage und in welcher Weise sie zur Ermittlung des Einkommensverlustes heranzuziehen ist, so sind damit Inhalt, Zweck und Ausmaß der seitherigen Ermächtigung (vgl. BSG 16, 232) lediglich noch näher umschrieben worden. Die DVO zu § 30 Abs. 3 und 4 BVG nF hat im übrigen die §§ 5 und 6 - abgesehen von der Bestimmung höherer Besoldungsgruppen der Bundesbesoldungsordnung A - im wesentlichen unverändert gelassen.
Da der Kläger nach den Feststellungen des LSG vor der Einberufung zur Wehrmacht nur Schornsteinfegergeselle war und als solcher höchstens 40,- RM wöchentlich, d. h. nur ca. 180,- RM monatlich verdient hat, entfiel im vorliegenden Fall bereits aus den vorgenannten Gründen eine Anwendung des § 6 DVO. Daß sich bei vorschriftsmäßiger Anwendung des § 6 DVO kein höheres Durchschnittseinkommen ergibt, ist im übrigen unstreitig. Unter diesen Umständen erübrigte sich ein Eingehen auf die insoweit von der Revision erhobenen Verfahrensrügen.
Zutreffend rügt die Revision jedoch sinngemäß, daß das LSG hätte prüfen müssen, ob es sich bei der Ausbildung zum Bezirksschornsteinfegermeister um eine qualifizierte, der Mittelschulbildung gleichzustellende Schulbildung handelt. Dabei kann bei der zugelassenen Revision dahinstehen, ob die Revision insoweit einen Mangel im Verfahren des LSG ausreichend substantiiert gerügt hat. Angesichts des Vorbringens der Revision, daß zur Vorbereitung auf die Schornsteinfegermeisterprüfung eine 1 1/2-jährige Spezialausbildung, die auch allgemeinbildende Unterrichtsfächer umfasse, erforderlich sei, bedarf es jedenfalls sachlich-rechtlich zunächst noch der Prüfung, ob es sich bei dieser Ausbildung um eine dem erfolgreichen Besuch einer Mittelschule "gleichwertige Schulbildung" bzw. "Schulausbildung" im Sinne des § 5 der DVO aF und nF handelt. Ohne diese Feststellung, die der Senat nicht selbst treffen kann, vermag der erkennende Senat nicht zu entscheiden, ob bei dem Kläger aus diesem Grunde das Endgehalt der Besoldungsgruppe A 10 bzw. ab 1. Januar 1964 A 11 (vgl. § 15 der DVO nF) als Vergleichseinkommen in Betracht kommt. Daher war das angefochtene Urteil aufzuheben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das LSG zurückzuverweisen.
Die Kostenentscheidung bleibt der das Verfahren abschließenden Entscheidung vorbehalten.
Fundstellen