Leitsatz (redaktionell)
Es gibt keinen Gesichtspunkt, der es rechtfertigt, den Begriff der besonderen Härte und damit die Brautversorgung gemäß BVG § 89 allein auf die mit einem Kind des Gefallenen hinterbliebene Braut zu beschränken.
Im Einzelfalle ist immer durch die Verwaltung zu prüfen, ob durch den Kriegstod des Verlobten die Braut in persönlicher und wirtschaftlicher Beziehung in eine Lage ähnlich einer Ehefrau, die ihren Mann durch schädigende Einwirkungen iS des BVG § 1 verloren hat, geraten ist.
Normenkette
BVG § 1 Abs. 5 Fassung: 1950-12-20, § 89 Fassung: 1950-12-20
Tenor
Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des Bayerischen Landessozialgerichts vom 27. Januar 1967 aufgehoben.
Die Sache wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an dieses Gericht zurückverwiesen.
Gründe
Im Dezember 1958 wies die Klägerin nach, daß ihr Bräutigam der ehemalige Gefreite P, vor der in die Wege geleiteten Ferntrauung vermißt sei, und beantragte, ihr im Wege des Härteausgleichs Versorgung zu gewähren. Durch Bescheid vom 17. Februar 1959 lehnte das Versorgungsamt den Antrag ab, weil aus dem Verlöbnis mit P ein Kind nicht hervorgegangen sei, für das die Klägerin sorge oder gesorgt habe. Der Widerspruch blieb aus dem gleichen Grunde erfolglos.
Mit der Klage hat die Klägerin vorgetragen, sie habe während des Verlöbnisses mit P ihr im Jahre 1933 geborenes uneheliches Kind von X S unterhalten; P habe für dieses Kind nach der Verheiratung sorgen wollen. Durch Urteil vom 13. November 1962 hat das Sozialgericht (SG) die Verwaltungsbescheide aufgehoben und ausgeführt, der Beklagte habe die Grenzen seines Ermessens deshalb überschritten, weil er neben dem Nachweis der ernsthaften Absicht zur Eheschließung noch verlangt habe, daß aus dem Verlöbnis ein Kind hervorgegangen sein müsse.
Auf die Berufung des Beklagten hat das Landessozialgericht (LSG) durch Urteil vom 27. Januar 1967 das Urteil des SG aufgehoben und die Klage gegen die Verwaltungsbescheide abgewiesen. Es hat ausgeführt, der Begriff der besonderen Härte in § 89 Abs. 1 des Bundesversorgungsgesetzes (BVG) sei aus dem Gesetz selbst auszulegen. Richtlinien oder Erlasse des Bundesministers für Arbeit und Sozialordnung (BMA) könnten ihn nicht einschränken oder ausdehnen, sondern nur erläutern. Es sei nicht zu beanstanden, wenn der BMA nach seinen Rundschreiben eine besondere Härte im Sinne des § 89 Abs. 1 BVG offenbar dann nicht annehme, wenn eine kinderlose Verlobte durch Kriegsereignisse den Bräutigam verloren habe. Zwar könne ein uneheliches Kind eines gefallenen Soldaten Waisenrente erhalten; dadurch werde aber die Verschlechterung der wirtschaftlichen Stellung einer Soldatenbraut, die nach der Geburt des Kindes im Regelfalle keiner Erwerbstätigkeit mehr nachgehen könne und sich der Pflege des Kindes widmen müsse, auch nicht annähernd ausgeglichen. Insofern sei eine bevorzugte Behandlung einer Verlobten mit Kind gerechtfertigt. Demgegenüber sei das Vorbringen der Klägerin, J P hätte im Fall der Verehelichung auch für ihr voreheliches Kind gesorgt, unbeachtlich, weil die Unterhaltsverpflichtung des Kindesvaters, Xaver S durch den Vollzug der Ferntrauung nicht berührt worden wäre. Das LSG hat die Revision zugelassen.
Die Klägerin hat Revision eingelegt und beantragt,
das angefochtene Urteil aufzuheben und die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des SG München vom 13. November 1962 zurückzuweisen.
Sie rügt mit näherer Begründung eine Verletzung des § 89 BVG. Ihres Erachtens könne diese Vorschrift nicht durch Erlasse des Ministeriums dahin eingeengt werden, daß das Vorhandensein eines gemeinsamen vorehelichen Kindes der Brautleute generell und unabdingbar Voraussetzung für die Gewährung von Brautversorgung sei. Dies könne für den Einzelfall vielleicht zutreffen, sei aber generell kein Grund zum Ausschluß von Ansprüchen.
Der Beklagte beantragt,
die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Bayerischen LSG vom 27. Januar 1967 als unbegründet zurückzuweisen.
Er hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend.
Die Klägerin hat die vom LSG zugelassene Revision form- und fristgerecht eingelegt und begründet. Ihr Rechtsmittel ist zulässig und auch begründet.
Nach dem BVG hat die Klägerin keinen Rechtsanspruch auf Versorgung; denn sie ist mit dem gefallenen P nicht verheiratet gewesen. Hinterbliebenenrente aber steht nach § 38 Abs. 1 Satz 1 BVG nur der Witwe, den Waisen und den Verwandten der aufsteigenden Linie zu, nicht aber auch einer Braut, und sei es auch nach dem Aufgebot der Ehe. Streitig ist hier die Gewährung von Versorgung als Härteausgleich. Nach § 89 Abs. 1 BVG kann mit Zustimmung des BMA ein Ausgleich gewährt werden, wenn sich in einzelnen Fällen aus den Vorschriften dieses Gesetzes besondere Härten ergeben. Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts - BSG - (BSG SozR BVG § 89 Nr. 1) ist die "besondere Härte" im Sinne des § 89 Abs. 1 BVG ein unbestimmter Rechtsbegriff, der aus dem Gesetz selbst auszulegen und der gerichtlichen Nachprüfung zugänglich ist. Sind die Voraussetzungen dieses unbestimmten Rechtsbegriffs nicht erfüllt, kann die Ablehnung des Härteausgleichs nicht rechtswidrig sein, weil in diesem Fall die in § 89 Abs. 1 BVG enthaltene Ermächtigung eine Ermessensentscheidung nicht zuläßt.
Das LSG hat u a eine Beeinträchtigung der Klägerin nicht darin erblickt, daß J P durch den Soldatentod daran gehindert worden ist, für ihr uneheliches Kind von X S zu sorgen. Zu Recht hat es ausgeführt, daß die Unterhaltsverpflichtung des S durch die Trauung nicht berührt worden wäre. Dies ist im Ergebnis richtig. Denn dieses Kind und die Sorge für es steht mit dem Verlöbnis in keinerlei Zusammenhang.
Die Klägerin ist der Ansicht, eine besondere Härte sei darin zu erblicken, daß es wegen des kriegsbedingten Todes nicht mehr zur Eheschließung gekommen ist und sie dadurch des ihr sonst sicheren Status der Witwe mit dem sich hieraus ergebenden Rechtsanspruch auf Versorgung verlustig gegangen ist. In dieser Allgemeinheit kann der Klägerin nicht gefolgt werden. Ihre Auffassung würde dazu führen, daß über die Vorschrift des § 89 Abs. 1 BVG der Kreis der anspruchsberechtigten Hinterbliebenen (§§ 9 Nr. 5, 38 Abs. 1 Satz 1 BVG) in unzulässiger Weise erweitert würde. Denn die Vereitelung der Eheschließung durch den Soldatentod würde in jedem Fall zutreffen, und die Bräute würden bei nachgewiesener ernsthafter Absicht der Eheschließung allgemein den im Gesetz bezeichneten anspruchsberechtigten Hinterbliebenen gleichzustellen sein. Dies kann im Hinblick auf die eindeutige Regelung im BVG nicht Rechtens sein, zumal in unserer gesamten Rechtsordnung eine Verlobte nicht rechtlich einer Ehefrau ganz oder auch nur annähernd gleichgestellt ist.
Nach dem Urteil des 10. Senats vom 1. Februar 1968 (SozR BVG § 89 Nr. 2), dem sich der erkennende Senat anschließt, muß zu dem Nachweis des Verlöbnisses und der ernsthaften Absicht der Eheschließung noch hinzutreten, daß die Klägerin durch das Verlöbnis in eine Lage geraten ist, welche der einer Kriegerwitwe gleicht. Im Hinblick auf diese Entscheidung kann weder der Auffassung der Revision mit ihrer zu weitgehenden Auslegung des § 89 Abs. 1 BVG, noch dem angefochtenen Urteil gefolgt werden, wenn es ausführt, es sei nicht zu beanstanden, wenn der BMA eine "besondere Härte" im Sinne des § 89 Abs. 1 BVG offenbar dann nicht annimmt, wenn eine kinderlose Verlobte durch Kriegsereignisse den Bräutigam verloren hat.
Das LSG hat sich nicht hinreichend mit dem unbestimmten Rechtsbegriff der besonderen Härte und den Tatbeständen auseinandergesetzt, welche möglicherweise geeignet gewesen sein können, diesen unbestimmten Rechtsbegriff auszufüllen. Nach der bereits erwähnten Entscheidung des 10. Senats muß bei der sog. Bräuteversorgung zunächst durch den Kriegstod des Verlobten der hinterbliebenen Braut ein wirtschaftlicher Schaden entstanden sein. Dies ist nicht nur anzunehmen, wenn sie ein Kind ihres Verlobten zu versorgen hat. Vielmehr sind auch andere Tatsachen denkbar und möglich, durch die eine Kriegerbraut nach dem Tode ihres Verlobten in eine ähnliche Lage wie eine Witwe gekommen ist und wirtschaftliche Nachteile zu tragen hat. Hierzu hat der 10. Senat zwei Beispiele gebildet. Der erkennende Senat schließt sich dieser Entscheidung auch insoweit an, zumal sich die Beispiele noch erheblich vermehren lassen. Statt anderer soll nur der Fall erwähnt werden, daß eine Verlobte im Hinblick auf die beabsichtigte Eheschließung und die eheliche Versorgung von einer Berufsausbildung abgesehen hat.
Das LSG hat nun den Fall erörtert, daß aus dem Verlöbnis kein Kind hervorgegangen ist, und hat nicht geprüft, ob im vorliegenden Fall bei der Klägerin in anderer Beziehung ein besondere Härte vorliegt, welche die Gewährung eines Härteausgleichs gemäß § 89 BVG an sie zuließe. Der Senat konnte daher in der Sache nicht entscheiden, sondern mußte den Rechtsstreit an das Berufungsgericht zurückverweisen, damit es entsprechende Feststellungen treffen kann.
Die Entscheidung über die Kosten - auch der Revisionsinstanz - bleiben dem Urteil vorbehalten, welches das Verfahren abschließt.
Fundstellen