Leitsatz (amtlich)
1. Eine Rechtsmittelbelehrung, die keinen Hinweis enthält, daß sich die Beteiligten, soweit es sich nicht um Behörden oder Körperschaften des öffentlichen Rechts oder Anstalten des öffentlichen Rechts handelt, vor dem Bundessozialgericht durch Prozeßbevollmächtigte vertreten lassen müssen (SGG § 166 Abs 1), erfüllt nicht das in SGG § 66 Abs 1 genannte Erfordernis, das die Beteiligten über den Rechtsbehelf zu belehren sind.
2. Das Gericht verletzt seine Pflicht, von Amts wegen den Sachverhalt zu erforschen (SGG § 103 S 1), wenn es - ohne daß sonstige Gründe dies rechtfertigen - deshalb auf die Vernehmung eines geladenen, aber nicht erschienenen Zeugen verzichtet, weil dieser dem Gericht mitgeteilt hatte, er vermöge über das Beweisthema nichts auszusagen. Ein solches Verfahren leidet an einen wesentlichem Mangel (SGG § 162 Abs 1 Nr 2).
Normenkette
SGG § 66 Abs. 1 Fassung: 1953-09-03, § 103 S. 1 Fassung: 1953-09-03, § 162 Abs. 1 Nr. 2 Fassung: 1953-09-03, § 166 Abs. 1 Fassung: 1953-09-03
Tenor
Das Urteil des Landessozialgerichts ... vom 23. April 1954 wird mit den ihm zugrundeliegenden Feststellungen aufgehoben. Die Sache wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landessozialgericht ... zurückverwiesen.
Von Rechts wegen.
Gründe
Der Kläger, der am 22. Februar 1946 das 65. Lebensjahr vollendet hatte, stellte am 28. Februar 1951 den Antrag auf Zuerkennung der Altersinvalidenrente. Der Antrag wurde von der Beklagten durch rechtsmittelfähigen Bescheid vom 12. Dezember 1951 mit der Begründung abgelehnt, daß die Anwartschaft erloschen sei. Die hiergegen eingelegte Berufung wurde durch Urteil des Oberversicherungsamts Schleswig vom 30. Juni 1952 mit im wesentlichen gleicher Begründung zurückgewiesen. Die gegen dieses Urteil beim Oberverwaltungsgericht in Lüneburg eingelegte Berufung ging nach § 215 Abs. 8 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) auf das Landessozialgericht über.
Das Landessozialgericht hat die Berufung durch Urteil vom 23. April 1954 zurückgewiesen. Es hat im wesentlichen festgestellt, daß der Kläger vom Jahre 1897 bis zum 31. März 1919 - während dieser Zeit hat er eine pflichtversicherte Tätigkeit ausgeübt - pflichtversichert gewesen sei, daß er aber seit seiner am 1. April 1919 erfolgten Übernahme in das Beamtenverhältnis bis zum Jahre 1930 oder 1931 keine freiwilligen Beiträge geleistet habe. Seine diesbezügliche Behauptung sei durch keinerlei Unterlagen bestätigt worden; auch habe er bei Vollendung des 65. Lebensjahres offenbar deshalb keinen Antrag auf Invalidenrente gestellt, weil er von seinem Anspruch selbst nicht überzeugt gewesen sei. Die von ihm im Vorverfahren benannten Zeugen ... und ... hätten ebensowenig wie sein Arbeitgeber Angaben darüber machen können, ob er nach dem 31. März 1919 freiwillige Beiträge entrichtet habe. Seine Angaben seien aber auch deshalb unglaubwürdig, weil sie gewechselt hätten. Zunächst habe er behauptet, bis 1924 freiwillig Beiträge geleistet zu haben, während er jetzt behaupte, dies sei bis 1930 oder 1931 der Fall gewesen. Versicherungsunterlagen konnten - wie sich aus den Akten ergibt - weder für Pflichtbeiträge noch für freiwillige Beiträge festgestellt werden.
In dem Verfahren vor dem Landessozialgericht hatte der Kläger als weitere Zeugen seine geschiedene Ehefrau und seine Tochter benannt. Der Vorsitzende des Landessozialgerichts ordnete die Vernehmung beider Zeuginnen an und verfügte ihre Ladung zur nächsten mündlichen Verhandlung. Beide teilten dem Gericht schriftlich mit, daß sie keine Angaben darüber machen könnten, ob der Kläger nach dem 1. April 1919 freiwillige Beiträge geleistet habe. Die zweite Zeugin wies auch noch darauf hin, daß sie zur Zeit der Übernahme ihres Vaters in das Beamtenverhältnis erst acht Jahre alt gewesen sei und sich deshalb nicht an diese Vorgänge erinnern könne. Sie erschienen beide nicht zur mündlichen Verhandlung. Das Landessozialgericht verzichtete auf ihre Vernehmung und begründete dies in dem angefochtenen Urteil wie folgt:
"Da mithin diese beiden Zeuginnen nicht in der Lage waren, zur Aufklärung des Sachverhalts zugunsten des Klägers beizutragen, hat das Gericht auf ihre mündliche Vernehmung verzichtet. Das um so mehr, als angesichts der völligen Vertrauensunwürdigkeit der Angaben des Klägers - der sich nicht scheute, wiederholt selbst innerhalb der mündlichen Verhandlung seine eigene dem Senat soeben erst gegebene Sachdarstellung abzustreiten oder zu widerrufen, wenn ihm eine andere Darstellung nachträglich zweckdienlicher erschien - eine dem Kläger günstige Aussage die Überzeugung des Senats nicht hätte erschüttern können."
Das Urteil wurde dem Kläger am 14. Mai 1954 zugestellt. Es enthielt folgende Rechtsmittelbelehrung:
"Im übrigen kann die Revision nur wegen eines wesentlichen Verfahrensmangels nach § 162 Abs. 1 Ziff. 2 SGG innerhalb eines Monats nach Zustellung des Urteils schriftlich beim Bundessozialgericht in Kassel eingelegt werden."
Das Landessozialgericht hat die Revision nicht zugelassen.
Nachdem der Kläger zunächst persönlich Revision eingelegt und diese begründet hatte, legte am 2. März 1955 Dr. ... von der Revisionsabteilung des Verbands der Kriegsbeschädigten, Kriegshinterbliebenen und Sozialrentner Deutschlands e. V. (VdK) in Kassel Revision gegen dieses Urteil ein.
Der Kläger steht auf dem Standpunkt, daß die Rechtsmittelbelehrung des Landessozialgerichts nicht den Erfordernissen des § 66 Abs. 1 SGG entspreche und daher die Jahresfrist des § 66 Abs. 2 SGG für die Einlegung der Revision maßgebend sei.
Er rügt als wesentlichen Verfahrensmangel, daß das Landessozialgericht die beiden Zeuginnen nicht vernommen habe, obwohl es ihre Vernehmung zunächst angeordnet habe.
Er stellt den Antrag,
1) das angefochtene Urteil aufzuheben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an die Vorinstanz zurückzuverweisen,
2) die außergerichtlichen Kosten des Revisionsklägers der Revisionsbeklagten aufzuerlegen.
Für den Fall, daß die Revisionseinlegung und -begründung als verspätet angesehen werden sollte, stellt er den Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand.
Die Beklagte beantragt, die Revision als unzulässig zu verwerfen.
Sie schließt sich der Begründung des angefochtenen Urteils an und ist der Auffassung, daß ein wesentlicher Verfahrensmangel nicht vorliege.
Die Revision ist form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden. Zwar kann die vom Kläger persönlich eingelegte und begründete Revision nicht als formgerecht angesehen werden, da sie nicht von einem vor dem erkennenden Gericht zugelassenen Prozeßbevollmächtigten eingelegt ist und somit den Erfordernissen des § 166 Abs. 1 SGG nicht genügt; dagegen ist die von dem Prozeßbevollmächtigten des Klägers, Dr. ..., am 2. März 1955 eingelegte und begründete Revision als formgerecht anzusehen. Sie ist allerdings erst nach Ablauf der in § 164 SGG vorgeschriebenen Fristen eingelegt und begründet worden. Trotzdem ist sie aber nicht als verspätet anzusehen, weil die Rechtsmittelbelehrung in dem angefochtenen Urteil nicht die in § 66 Abs. 1 SGG angeführten Erfordernisse erfüllt und somit für die Revisionseinlegung nicht die Monatsfrist des § 164 Abs. 1 SGG, sondern die Jahresfrist des § 66 Abs. 2 SGG maßgebend ist.
§ 66 Abs. 1 SGG bestimmt, daß die Frist für ein Rechtsmittel oder einen anderen Rechtsbehelf nur dann zu laufen beginnt, wenn die Beteiligten "über den Rechtsbehelf, die Verwaltungsstelle oder das Gericht, bei dem der Rechtsbehelf anzubringen ist, den Sitz und die einzuhaltende Frist schriftlich belehrt worden sind". Die Rechtsmittelbelehrung in dem angefochtenen Urteil erfüllt zwar die letzteren Erfordernisse, beschränkt aber die "Belehrung über den Rechtsbehelf" auf den Hinweis, daß "die Revision nur wegen eines wesentlichen Verfahrensmangels nach § 162 Abs. 1 Ziff. 2 SGG ... schriftlich ... eingelegt werden kann". Diese Belehrung kann nicht als ausreichend angesehen werden. "Belehrung über den Rechtsbehelf" bedeutet rein sprachlich mehr als "Bezeichnung des Rechtsbehelfs" und erfordert daher, daß die Beteiligten über die für sie wesentlichen Einzelheiten des Rechtsmittels unterrichtet werden. Nur diese Auslegung wird dem Zweck der Vorschrift, auch Rechtsunkundige ohne weiteres in die Lage zu versetzen, die für die Wahrnehmung ihrer Rechte erforderlichen Schritte zu unternehmen, gerecht. Die Rechtsmittelbelehrung in dem angefochtenen Urteil kann somit schon deshalb nicht als ausreichend angesehen werden, weil sie nicht den Vermerk enthält, daß sich die Beteiligten, soweit es sich nicht um Behörden oder Körperschaften des öffentlichen Rechts oder Anstalten des öffentlichen Rechts handelt, durch Prozeßbevollmächtigte vertreten lassen müssen. Es bedarf keiner Untersuchung, ob und welche weiteren Erfordernisse an die "Belehrung über den Rechtsbehelf" zu stellen sind, da schon durch das Fehlen dieses Hinweises die Rechtsmittelbelehrung nicht vollständig ist.
Da die Belehrung nicht als ordnungsgemäß anzusehen ist, sind nicht die Fristen des § 164 Abs. 1 SGG, sondern die Jahresfrist des § 66 Abs. 2 SGG maßgebend.
Zweifelhaft könnte sein, ob für den Beginn der Jahresfrist nach § 66 Abs. 2 SGG in vorliegendem Falle die "Verkündung" oder die "Zustellung" des Urteils entscheidend ist, da hier beide Alternativen gegeben sind; denn das angefochtene Urteil ist sowohl verkündet als auch zugestellt. Aus § 64 Abs. 1 SGG ist zu schließen, daß in den Fällen, in denen eine "Zustellung" vorgeschrieben ist, diese maßgebend und die "Eröffnung" oder "Verkündung" nur subsidiär von Bedeutung sein soll. Urteile müssen nach § 135 SGG grundsätzlich zugestellt werden. Daher ist für den Lauf der Jahresfrist zur Einlegung der Revision in vorliegendem Falle die Zustellung des Urteils maßgebend. Die Frist beginnt nach § 64 Abs. 1 SGG mit dem Tage nach der Zustellung, also mit dem 15. Mai 1954, so daß die am 2. März 1955 eingelegte und begründete Revision als fristgerecht anzusehen ist.
Die Revision ist nach § 162 Abs. 1 Nr. 2 SGG statthaft.
Der Kläger rügt, daß das Berufungsgericht es deshalb unterlassen habe, seine ehemalige Ehefrau und seine Tochter als Zeugen zu vernehmen, weil sie dem Gericht vor der Beweisaufnahme schriftlich mitgeteilt hätten, daß sie über das Beweisthema nichts auszusagen vermöchten.
Der vom Kläger schlüssig gerügte wesentliche Verfahrensmangel liegt vor.
Der Gesetzgeber hat die Stellung des Gerichts im sozialgerichtlichen Verfahren in wesentlichen Punkten freier gestaltet als im Zivilprozeß. Dies gilt auch hinsichtlich der Frage, in welchem Umfang die Beweisaufnahme erforderlich ist. In § 103 Satz 2 SGG ist festgelegt, daß das Gericht an das Vorbringen und die Beweisanträge der Parteien nicht gebunden ist. Das Gericht kann hiernach grundsätzlich sowohl über die Parteianträge hinaus weitere Beweise erheben, als auch von der Durchführung von Beweisaufnahmen, die die Parteien beantragt haben, absehen. Der Antrag auf Erhebung eines Beweises stellt also nur eine Anregung dar. Dieser Grundsatz gilt uneingeschränkt für den Zeugenbeweis. Ob und inwieweit bei anderen Beweismitteln Ausnahmen gelten, bedarf hier keiner Untersuchung. Er unterliegt allerdings einer Einschränkung durch die in § 103 Satz 1 SGG ausgesprochene Verpflichtung des Gerichts, den Sachverhalt von Amts wegen zu erforschen. Das Gericht wird daher trotz des in § 103 Satz 2 SGG aufgestellten Grundsatzes in jedem Einzelfall sorgfältig zu prüfen haben, ob es noch von weiteren Beweismitteln Gebrauch machen muß, wobei es unerheblich ist, ob es diese Möglichkeiten von Amts wegen kennt oder sie ihm von den Beteiligten benannt worden sind.
Sicherlich gibt es eine Reihe von allgemeinen Gründen, bei deren Vorliegen die Gerichte der Sozialgerichtsbarkeit ebenso wie die Gerichte anderer Gerichtszweige stets von einer Beweisaufnahme absehen können, wenn zum Beispiel die Beweiserhebung unzulässig ist, wenn sie wegen Offenkundigkeit überflüssig ist, wenn die Tatsache, die bewiesen werden soll, für die Entscheidung ohne Bedeutung oder schon bewiesen ist oder das Beweismittel unerreichbar oder völlig ungeeignet ist, oder wenn die Anregung zum Zwecke der Prozeßverschleppung erfolgt.
Abgesehen hiervon wird das Gericht, wenn es selbst noch Zweifel hinsichtlich eines festzustellenden Sachverhalts hat, von allen ihm zur Verfügung stehenden geeigneten weiteren Beweismitteln Gebrauch zu machen haben, da es andernfalls gegen seine Amtsermittlungspflicht verstoßen würde.
Wenn sich aber das Gericht eine feste Überzeugung gebildet hat, kann es gemäß dem in § 128 Abs. 1 SGG ausgesprochenen Grundsatz nach seiner freien, aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens gewonnenen Überzeugung entscheiden. Dieser Grundsatz wirkt also sowohl auf die Frage der Beweiswürdigung als auch auf die hier bedeutungsvolle Frage des erforderlichen Umfangs der Beweisaufnahme ein. Das Gericht ist aber in seiner Entscheidungsfreiheit insofern eingeschränkt, als es trotz dieses Grundsatzes nicht von der Pflicht zu sachlicher, pflichtgemäßer Prüfung aller Umstände und der Beachtung der Denkgesetze und allgemeinen Erfahrungssätze entbunden ist.
In dem zur Entscheidung stehenden Fall hat das Gericht auf die Zeugenvernehmung aus zwei verschiedenen Gründen verzichtet. In erster Linie stützt es sich darauf, daß die Zeuginnen nichts auszusagen vermöchten, in zweiter Linie, daß seine feststehende Überzeugung selbst durch eine für den Kläger günstige Aussage nicht erschüttert werden könnte, da die Angaben des Klägers unglaubwürdig seien.
Gegen beide Begründungen bestehen unter Berücksichtigung der angeführten Grundsätze entscheidende Bedenken.
Nach allgemeiner Erfahrung sind Zeugen häufig erst bei der Vernehmung durch den Richter, insbesondere wegen der Möglichkeit, vereidigt zu werden, zu einer Aussage bereit. Gerade wegen des Umstandes, daß es sich bei der einen Zeugin um die geschiedene Ehefrau des Klägers handelt und damit erfahrungsgemäß besondere Vorsicht am Platze war, hätte das Gericht sich nicht auf die einfache Mitteilung der Zeugin, sie vermöge nichts auszusagen, verlassen dürfen. Auch die Begründung, die die andere Zeugin, die Tochter des Klägers, gab, sie vermöge nichts auszusagen, zumal sie damals erst acht Jahre alt gewesen sei, mußte, auch ohne daß das jetzige Verhältnis der Zeugin zu ihrem Vater bekannt ist, zur Vorsicht mahnen, da die Zeugin zwar 1919 erst acht Jahre alt war, aber 1930/31 - oder, wenn sie den Haushalt des Klägers früher verlassen haben sollte, zu diesem Zeitpunkt - nicht unerheblich älter war, so daß die Möglichkeit eigener Kenntnis der aufzuklärenden Umstände nicht ausgeschlossen erscheint. Das Landessozialgericht hat gegen allgemeine Erfahrungsgrundsätze verstoßen, wenn es unterstellt, daß die Zeuginnen tatsächlich nichts auszusagen vermöchten. Es hat also die entgegen seiner Ansicht dennoch vorhandene Möglichkeit, den Sachverhalt weiter aufklären zu können, außer acht gelassen und somit gegen seine Amtsermittlungspflicht verstoßen. In der zweiten Begründung führt das Landessozialgericht aus, daß es auf die Vernehmung der Zeuginnen auch deshalb verzichtet habe, weil angesichts der völligen Vertrauensunwürdigkeit der Angaben des Klägers selbst eine dem Kläger günstige Aussage die Überzeugung des Senats nicht hätte erschüttern können. Wenn auch der Kläger häufig mit seinen Angaben gewechselt hat und dem Landessozialgericht daher darin zugestimmt werden muß, daß es die Angaben des Klägers als unglaubwürdig ansieht, so geht es doch nicht an, hieraus noch den weiteren Schluß zu ziehen, daß auch eine etwa für ihn günstige Zeugenaussage ohne Bedeutung sei. Dies liefe darauf hinaus, auch die Zeuginnen als unglaubwürdig anzusehen; denn anders würde ja eine klare positive Aussage dieser Zeuginnen überhaupt nicht abgetan werden können. Es kann aber nicht als richtig anerkannt werden, daß von der Unglaubwürdigkeit einer Person auf die Unglaubwürdigkeit einer anderen geschlossen wird, wenn nicht besondere Verbindungstatbestände dies rechtfertigen. Davon aber kann hier keine Rede sein. Besonders bei der geschiedenen Ehefrau des Klägers wird man kaum davon ausgehen können, daß sie etwas Falsches zugunsten des Klägers ausgesagt hätte. Das Landessozialgericht hat auch hiermit die Grenzen des Rechts, nach seiner freien Überzeugung entscheiden zu dürfen, sichtlich überschritten. Mit den angeführten Gründen kann der Verzicht auf die Vernehmung der Zeuginnen jedenfalls nicht wirksam begründet werden. Sie hätten vernommen werden müssen. Das Landessozialgericht hat somit von einer zur Verfügung stehenden Aufklärungsmöglichkeit ohne überzeugenden Grund keinen Gebrauch gemacht. Dadurch hat es gegen seine Amtsermittlungspflicht verstoßen. Das Verfahren leidet somit an einem Mangel; denn der Verstoß gegen § 103 Satz 1 SGG ist ein Verstoß gegen eine das Verfahren betreffende Vorschrift. Dieser Verfahrensverstoß ist wesentlich, weil das Urteil bei einer Vernehmung der Zeuginnen anders hätte ausfallen können.
Die Revision ist somit statthaft.
Aus dem zuletzt angeführten Grunde beruht das Urteil auch auf dieser Gesetzesverletzung. Die Revision ist somit auch begründet. Da eine eigene Entscheidung des erkennenden Senats nicht tunlich war, weil ohne die Zeugenvernehmung eine Entscheidung nicht möglich ist, mußte das angefochtene Urteil mit den ihn zugrundeliegenden Feststellungen aufgehoben und zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landessozialgericht zurückverwiesen werden.
Das Landessozialgericht wird nunmehr die beiden Zeuginnen zu vernehmen haben. Sollte sich herausstellen, daß der Kläger, wie er behauptet, von 1919 bis 1930/31 freiwillige Beiträge geleistet hat, würde unter Zugrundelegung der sonstigen Feststellungen des Landessozialgerichts die Halbdeckung erhalten und damit der Anspruch des Klägers begründet sein. Sollte sich bei der Zeugenvernehmung herausstellen, daß zwar Beiträge nicht für die ganze Zeit, wenigstens aber ein Beitrag für die Zeit nach dem 31. Dezember 1923 entrichtet worden ist, müßte das Landessozialgericht prüfen, ob nicht die Voraussetzungen des § 4 des Sozialversicherungsanpassungsgesetzes vom 17. Juni 1949 (WiGBl. S. 99) erfüllt sind.
Die Kostenentscheidung ist dem abschließenden Urteil vorbehalten.
Fundstellen