Beteiligte
Kläger und Revisionskläger |
Beklagte und Revisionsbeklagte |
Tatbestand
I.
Der Kläger begehrt die Gewährung von Versichertenrente wegen Berufsunfähigkeit (BU). Umstritten ist insbesondere, ob er als unselbständig tätiger Bäckermeister Berufsschutz als besonders qualifizierter Facharbeiter genießt, obwohl er keine Lehrlinge ausgebildet hat.
Der 1937 geborene Kläger hat das Bäckerhandwerk erlernt. Er hat 1954 die Gesellen- und 1961 die Meisterprüfung abgelegt. Bis 1975 war er als Bäckermeister im elterlichen Betrieb beschäftigt. Von November 1955 bis Dezember 1975 wurden für ihn Pflichtbeiträge zur Arbeiterrentenversicherung entrichtet. Nach dem Tod seiner Mutter im Jahre 1975 übernahm er den elterlichen Betrieb und entrichtete von 1977 an freiwillige Beiträge an die Beklagte. Lehrlinge bildete er nicht aus. Im Betrieb waren bis zu dessen Übernahme durch den Kläger außer einem Bäckergesellen die Schwiegermutter und die Ehefrau des Klägers (Fachverkäuferin) im Verkauf tätig.
Den im Januar 1986 gestellten Antrag des Klägers auf Gewährung von Rente wegen Berufs- oder Erwerbsunfähigkeit (BU/EU) lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 6. Februar 1986 ab, der hiergegen eingelegte Widerspruch blieb erfolglos (Widerspruchsbescheid vom 2. Dezember 1986). Auf die hiergegen erhobene Klage verurteilte das Sozialgericht Koblenz (SG) die Beklagte mit Urteil vom 26. April 1989, dem Kläger ab Antragstellung Rente wegen BU zu gewähren; er sei als besonders hoch qualifizierter Facharbeiter bzw. Facharbeiter mit Vorgesetztenfunktion einzustufen, zumutbare Verweisungstätigkeiten seien nicht vorhanden.
Auf die Berufung der Beklagten hob das Landessozialgericht Rheinland-Pfalz (LSG) die stattgebende Entscheidung des SG auf und wies die Klage ab (Urteil vom 23. März 1992). Zur Begründung führte es aus, der Kläger habe keinen Anspruch auf Rente wegen BU. "Bisheriger Beruf" des Klägers sei unter Berücksichtigung der bis 1975 ausgeübten versicherungspflichtigen Tätigkeit als Bäckermeister der des Facharbeiters; auf diese, nicht auf die danach ausgeübte Tätigkeit als selbständiger freiwillig weiterversicherter Bäckermeister sei abzustellen. Einen darüber hinausgehenden Berufsschutz als Facharbeiter mit Vorgesetztenfunktion bzw. besonders hoch qualifizierter Facharbeiter könne der Senat dem Kläger nicht zuerkennen, weil er die von der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) hierfür genannten Voraussetzungen nicht erfülle. Hiernach (BSG SozR 2200 § 1246 Nr. 145) sei "besonders qualifizierter Facharbeiter" u.a. der Versicherte, der eine Tätigkeit ausgeübt habe, zu der er sich durch Ablegung der Meisterprüfung in einem Handwerk qualifiziert habe; diese Voraussetzungen erfülle ein in der Arbeiterrentenversicherung versicherungspflichtig beschäftigter Handwerksmeister, der Lehrlinge ausbilde. Der Kläger habe jedoch keine Lehrlinge bzw. Auszubildende ausgebildet, seiner Tätigkeit als selbständiger Bäckermeister fehle von daher die für die Einordnung in die oberste Gruppe des Mehrstufenschemas erforderliche herausgehobene Stellung. Er sei auch kein mehreren anderen Facharbeitern gegenüber weisungsbefugter Vorarbeiter gewesen (BSG SozR 2200 § 1246 Nrn 37, 49).
Seine bisherige Tätigkeit als Bäckermeister könne der Kläger nicht mehr ausüben. Nach der ständigen Rechtsprechung des Senats könnten Facharbeiter aber auf die herausgehobeneren Tätigkeiten des Büro- und Verwaltungsbereichs verwiesen werden, wenn ihnen eine Einarbeitung innerhalb der zulässigen Zeit von längstens drei Monaten möglich sei. In Betracht kämen für den Kläger die in der Vergütungsgruppe VIII des Bundesangestelltentarifvertrages (BAT) genannten Tätigkeiten. Hierfür seien bereits in gewissem Umfang kaufmännische Kenntnisse erforderlich, die dem Kläger zur Ablegung der Meisterprüfung vermittelt worden seien und die ihn in die Lage versetzten, diese Tätigkeiten ohne Überschreitung einer Einarbeitungszeit von drei Monaten zu verrichten. Dies gelte sinngemäß auch für Büroarbeiten im industriellen Bereich; insoweit könne der Kläger auf Tätigkeiten der Gehalts- bzw. Bewertungsgruppen für "Büroarbeiten K 2 und K 3" zumutbar verwiesen werden. Einer solchen Verweisungstätigkeit sei der Kläger auch gesundheitlich gewachsen, da er noch in der Lage sei, leichte Arbeiten vollschichtig mit den in den medizinischen Sachverständigengutachten genannten Einschränkungen zu verrichten.
Mit seiner vom erkennenden Senat zugelassenen Revision macht der Kläger geltend, er sei entgegen der Ansicht des LSG als besonders hoch qualifizierter Facharbeiter bzw. als Facharbeiter mit Vorgesetztenfunktion in das Mehrstufenschema einzuordnen. Abzustellen sei entgegen der Rechtsprechung des BSG, die den besonderen Verhältnissen der Handwerker, die sich später selbständig machten, nicht gerecht werde, auf seine Tätigkeit als selbständiger Bäckermeister und nicht auf seine versicherungspflichtige Beschäftigung. Der selbständige Handwerksmeister überrage den Facharbeiter, weil er nach der Gesellenprüfung noch eine weitere planmäßige Ausbildung absolviert und mit einer Prüfung abgeschlossen habe. Auch in einem kleineren Betrieb müsse er als besonders qualifizierter Facharbeiter in das vom BSG entwickelte Mehrstufenschema eingeordnet werden, weil er durch das Bestehen der Meisterprüfung im Gegensatz zu einem Facharbeiter zum selbständigen Betrieb eines Handwerks berechtigt sei. Das BSG habe in seiner bisherigen Rechtsprechung zwar einen Bäckermeister im Arbeiterverhältnis, der Lehrlinge ausbilde, der höchsten Gruppe der besonders qualifizierten Facharbeiter zugeordnet (BSG SozR 2200 § 1246 Nr. 145), es aber offengelassen, auf welche sonstigen Kriterien abzustellen sei, wenn keine Lehrlingsausbildung erfolge (BSG SozR 2200 § 1246 Nr. 35). Hier müsse berücksichtigt werden, daß er als selbständiger Handwerksmeister eine höhere Verantwortung zu tragen gehabt habe; sein unternehmerisches Risiko und die damit verbundene Notwendigkeit, berufliche und wirtschaftliche Entscheidungen zu treffen, hätten weit über die eines Meisters im Arbeiterverhältnis hinausgereicht. Das Abstellen lediglich auf das Anlernen von Auszubildenden werde den wirtschaftlichen, handwerklichen und unternehmerischen Aufgaben eines selbständigen Meisters nicht gerecht. Da ihm keine zumutbare Verweisungstätigkeit habe genannt werden können, müsse ihm Rente wegen BU gewährt werden. Auch wenn er nur als Facharbeiter anzusehen sei, dürfe er entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts nicht einfach auf Tätigkeiten nach den Gruppen X, IX, VIII BAT verwiesen werden; jedenfalls sei ihm in Abweichung von der Rechtsprechung des BSG (BSG SozR 3-2200 § 1246 RVO Nr. 17) keine konkrete Verweisungstätigkeit benannt worden.
Der Kläger beantragt, das Urteil des LSG Rheinland-Pfalz vom 23. März 1992 aufzuheben und die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des SG Koblenz vom 26. April 1989 zurückzuweisen.
Die Beklagte beantragt, die Revision zurückzuweisen.
Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend und führt ergänzend aus, mit der Aufzählung der dem Kläger als Facharbeiter zumutbaren herausgehobenen Bürotätigkeiten nach BAT VIII sei dem Erfordernis der Benennung mindestens einer konkreten Verweisungstätigkeit Genüge getan, das angefochtene Urteil weiche damit nicht von der Rechtsprechung des BSG ab.
Entscheidungsgründe
II.
Die Revision ist zulässig und begründet. Sie führt zur Zurückverweisung der Sache an das LSG. Die berufungsgerichtlichen Feststellungen reichen für die Beurteilung, ob das LSG die Klage unter Aufhebung des erstinstanzlichen Urteils zu Recht abgewiesen hat, nicht aus. Das LSG wird ergänzende Feststellungen zur Wertigkeit des bisherigen Berufs des Klägers und einer zumutbaren Verweisungstätigkeit treffen müssen.
Der Anspruch des Klägers auf Versichertenrente wegen BU richtet sich noch nach § 1246 Reichsversicherungsordnung (RVO), denn der Rentenantrag ist bereits im Januar 1986 - also bis zum 31. März 1992 - gestellt worden und bezieht sich auch auf die Zeit vor dem 1. Januar 1992 (§ 300 Abs. 2 des Sechsten Buches des Sozialgesetzbuches - Gesetzliche Rentenversicherung - ≪SGB VI≫).
Berufsunfähig (bu) ist nach § 1246 Abs. 2 RVO ein Versicherter, dessen Erwerbsfähigkeit infolge von Krankheit oder anderen Gebrechen oder Schwäche seiner körperlichen oder geistigen Kräfte auf weniger als die Hälfte derjenigen eines körperlich und geistig gesunden Versicherten mit ähnlicher Ausbildung und gleichwertigen Kenntnissen und Fähigkeiten herabgesunken ist. Der Kreis der Tätigkeiten, nach denen die Erwerbsfähigkeit eines Versicherten zu beurteilen ist, umfaßt alle Tätigkeiten, die seinen Kräften und Fähigkeiten entsprechen und ihm unter Berücksichtigung der Dauer und des Umfangs seiner Ausbildung sowie seines bisherigen Berufes und der besonderen Anforderungen seiner bisherigen Berufstätigkeit zugemutet werden können.
Ausgangspunkt für die Prüfung der BU ist nach der ständigen Rechtsprechung des BSG der "bisherige Beruf", den der Versicherte ausgeübt hat (vgl. BSG SozR 2200 § 1246 Nrn 107, 169). In der Regel ist dies die letzte versicherungspflichtige Beschäftigung oder Tätigkeit, von der auch bei nur kurzfristiger Ausübung auszugehen ist, wenn sie zugleich die qualitativ höchste im Berufsleben des Versicherten gewesen ist (vgl. BSG SozR 2200 § 1246 Nrn 130, 164). Dies gilt auch dann, wenn während einer späteren selbständigen Beschäftigung freiwillige Beiträge entrichtet worden sind (vgl. BSGE 7, 66, 69; BSG SozR Nrn 10, 25, 65, 67, 69, 92, 112 zu § 1246 RVO; SozR 3-2200 § 1230 Nr. 1; zur Verfassungsgemäßheit dieser Rspr S. BVerfG SozR 2200 § 1246 Nrn 28, 156). Der Senat hält an dieser gefestigten Rechtsprechung fest. Das versicherte Risiko der BU wird durch den versicherungspflichtig ausgeübten Beruf bestimmt. Eine anschließende freiwillige Weiterversicherung hat keine Beziehung zu einem bestimmten Beruf, sie ist vielmehr von einer Berufsausübung nicht abhängig; aus ihr kann daher nicht auf die qualitative Wertigkeit eines während dieser Zeit ausgeübten Berufes geschlossen werden. Diese Rechtsprechung wird entgegen der vom Kläger vorgetragenen Ansicht jedenfalls für die Zeit von der Einführung der freiwilligen Pflichtversicherung durch Art 1 § 1 Nr. 2 des Rentenreformgesetzes vom 16. Oktober 1972 (BGBl. I S. 1965) an auch den besonderen Verhältnissen der Handwerker, die sich wie er nach dem Erwerb der Anwartschaft auf eine "Sockelrente" nach 216 versicherungspflichtigen Kalendermonaten selbständig machten, gerecht. Nach Entrichtung von Pflichtbeiträgen für einen solchen Zeitraum vor Eintragung in die Handwerksrolle bestand für sie zwar nach § 2 Abs. 1 Nr. 5 Handwerksversicherungsgesetz (HwVG) keine Versicherungspflicht mehr. Sie konnten jedoch nach § 1227 Abs. 1 Satz 1 Nr. 9 RVO innerhalb von zwei Jahren nach Aufnahme der selbständigen Erwerbstätigkeit oder dem Ende der Versicherungspflicht die Versicherung beantragen und gehörten dann zu den versicherungspflichtigen Personen mit allen sich daraus ergebenden rechtlichen Folgen. Auf diese Weise nahm ihr Versicherungsschutz gegen das Risiko der BU in der gesetzlichen Rentenversicherung an ihrem weiteren beruflichen Lebensweg teil und bezog insbesondere eine weitere Erhöhung des qualitativen Wertes des selbständig ausgeübten Berufs ein. Diesen Weg ist der Kläger nicht gegangen, obwohl ihm die Möglichkeit dazu bei Aufnahme seiner selbständigen Tätigkeit im Jahre 1975 im Rahmen des § 1227 Abs. 1 Satz 1 Nr. 9 RVO offengestanden hätte; er hat vielmehr die freiwillige Weiterversicherung gewählt, die diesen Schutz nicht bietet.
Die letzte vom Kläger versicherungspflichtig ausgeübte Tätigkeit und damit "bisheriger Beruf" ist daher die eines unselbständigen Bäckermeisters im Arbeiterverhältnis, der er bis Dezember 1975 im elterlichen Betrieb nachgegangen ist. Diesen Beruf kann der Kläger nach den unangegriffenen tatsächlichen Feststellungen des LSG, an die der Senat gebunden ist (§ 163 Sozialgerichtsgesetz ≪SGG≫), angesichts seiner gesundheitlichen Leistungseinschränkungen nicht mehr ausüben.
Die Zumutbarkeit einer Verweisungstätigkeit beurteilt sich nach der Wertigkeit des bisherigen Berufs. Zur Erleichterung dieser Beurteilung hat die Rechtsprechung des BSG die Berufe der Versicherten in Gruppen eingeteilt. Diese Berufsgruppen sind ausgehend von der Bedeutung, die Dauer und Umfang der Ausbildung für die Qualität eines Berufs haben, gebildet worden. Dementsprechend werden die Gruppen durch den Leitberuf des Vorarbeiters mit Vorgesetztenfunktion bzw. des besonders hoch qualifizierten Facharbeiters, des Facharbeiters (anerkannter Ausbildungsberuf mit einer Ausbildungszeit von mehr als zwei Jahren), des angelernten Arbeiters (sonstiger Ausbildungsberuf mit einer Regelausbildungszeit von bis zu zwei Jahren) und des ungelernten Arbeiters charakterisiert (vgl. z.B. BSG SozR 2200 § 1246 Nrn 138, 140). Die Einordnung eines bestimmten Berufs in dieses Mehrstufenschema erfolgt aber nicht ausschließlich nach der Dauer der absolvierten förmlichen Berufsausbildung. Ausschlaggebend hierfür ist vielmehr allein die Qualität der verrichteten Arbeit, d.h. der aus einer Mehrzahl von Faktoren zu ermittelnde Wert der Arbeit für den Betrieb. Es kommt auf das Gesamtbild an, wie es durch die in § 1246 Abs. 2 S. 2 RVO am Ende genannten Merkmale (Dauer und Umfang der Ausbildung sowie des bisherigen Berufs, besondere Anforderungen der bisherigen Berufstätigkeit) umschrieben wird (vgl. z.B. Senatsurteile vom 8. Oktober 1992 - 13 RJ 41/91 - und vom 17. Juni 1993 - 13 RJ 33/92 -).
Zur Gruppe mit dem Leitbild des Facharbeiters mit Vorgesetztenfunktion bzw. des besonders hoch qualifizierten Facharbeiters gehören Versicherte, die ihre zur Gruppe der Facharbeiter zählenden Arbeitskollegen wegen der qualitativen, insbesondere geistigen und persönlichen Anforderungen ihrer bisherigen, tatsächlich verrichteten Arbeiten deutlich überragt haben und deswegen - soweit eine tarifliche Einstufung erfolgt ist - der Spitzengruppe der Berufsgruppeneinteilung zugeordnet waren. Besonders hoch qualifizierte Facharbeiter sind u.a. Versicherte, die eine Tätigkeit ausgeübt haben, zu der sie sich zusätzlich zu einer vorgeschriebenen, mit einer Facharbeiter- oder Gehilfenprüfung abgeschlossenen Ausbildung in einem anerkannten Ausbildungsberuf durch eine längere planmäßige spezielle weitere Ausbildung mit Prüfungsabschluß qualifiziert haben (vgl. BSG SozR 2200 § 1246 Nrn 37, 103, 144 m.w.N.). Facharbeiter mit Vorgesetztenfunktion müssen Weisungsbefugnis gegenüber mehreren anderen Facharbeitern gehabt haben und dürfen selbst nicht an Weisungen eines anderen Beschäftigten im Arbeiterverhältnis gebunden gewesen sein (vgl. BSG SozR 2200 § 1246 Nrn 44, 145 m.w.N.).
Der Kläger könnte als besonders hoch qualifizierter Facharbeiter versicherungspflichtig tätig gewesen sein. Durch die Absolvierung der mit der Gesellenprüfung abgeschlossenen Bäckerausbildung und der durch Ablegung der Meisterprüfung beendeten zusätzlichen Ausbildung zum Bäckermeister hat er eine Qualifikation erlangt, welche die der übrigen Facharbeiter erheblich übertrifft. Er hat durch die Meisterprüfung seine Fähigkeit nachgewiesen, einen Handwerksbetrieb selbständig zu führen, Lehrlinge ordnungsgemäß auszubilden sowie die in seinem Handwerk gebräuchlichen Arbeiten meisterhaft verrichten zu können, und er hat dargetan, daß er die notwendigen Fachkenntnisse sowie die erforderlichen betriebswirtschaftlichen, kaufmännischen, rechtlichen und berufserzieherischen Kenntnisse besitzt (s §§ 48, 49 Handwerksordnung ≪HwO≫; vgl. BSG SozR 2200 § 1246 Nr. 145 m.w.N.). Auf die abstrakte tarifvertragliche Klassifizierung dieser Tätigkeitsart kommt es - wie etwa bei Facharbeitern mit einer Ausbildung von mehr als zwei Jahren - nicht mehr an. Voraussetzung für den Berufsschutz als besonders hoch qualifizierter Facharbeiter ist jedoch außerdem, daß der Kläger eine entsprechende Tätigkeit auch tatsächlich verrichtet hat. Ein versicherungspflichtig beschäftigter Handwerksmeister, der Lehrlinge ausbildet, erfüllt nach der Rechtsprechung des BSG die Voraussetzungen für die Einstufung in die höchste Gruppe des Mehrstufenschemas immer (vgl. BSG Urteile vom 21. Februar 1985 - 4 RJ 25/84 - und vom 21. Juli 1987 - 4a RJ 71/86 - SozR 2200 § 1246 Nr. 145). Daraus ist jedoch entgegen der Ansicht des LSG nicht der Schluß zu ziehen, die Arbeit eines Handwerksmeisters im Arbeiterverhältnis besitze nur dann die erforderliche besonders hohe Qualität, wenn er mit der Ausbildung von Lehrlingen betraut war. Entscheidend ist vielmehr das Gesamtbild seiner Tätigkeit; hierfür müssen seine meisterlichen Kenntnisse und Fähigkeiten prägend gewesen sein. Das ist der Fall, wenn der Versicherte überwiegend mit Arbeiten befaßt war, welche die durch die Zusatzausbildung zum Meister vermittelten besonderen Kenntnisse und Fähigkeiten auf betriebswirtschaftlichem, kaufmännischem, rechtlichem und berufserzieherischem - aber auch handwerklichem - Gebiet erforderten; insoweit gelten dieselben Grundsätze wie für die Beurteilung der Wertigkeit der Tätigkeit eines selbständigen Handwerksmeisters (vgl. dazu BSG SozR 2200 § 1246 Nr. 35). Diese Voraussetzungen können vorliegen, auch wenn der Versicherte keine Lehrlingsausbildung betrieben hat (vgl. etwa BSG Urteil vom 31. März 1981 - 5b/5 RJ 48/79 -). Ob der Kläger danach tatsächlich eine seiner besonders hohen Qualifikation entsprechende Tätigkeit versicherungspflichtig ausgeübt hat, ist anhand der berufungsgerichtlichen Feststellungen nicht mit hinreichender Zuverlässigkeit zu beurteilen. Das LSG hat sich entsprechend seiner Rechtsansicht mit der Feststellung begnügt, daß er im maßgeblichen Zeitraum keine Lehrlinge ausgebildet hat und in einem Kleinbetrieb tätig war; über die weiteren wertbestimmenden Faktoren seiner Tätigkeit hat es keine Feststellungen getroffen. Die Sache ist daher zu deren Nachholung an das LSG zurückzuverweisen. Dieses wird nunmehr zu ermitteln haben, welche Tätigkeiten der Kläger als Bäckermeister im Arbeiterverhältnis zu verrichten hatte und ob hierfür überwiegend meisterliche Fähigkeiten benötigt wurden. Die Bekundungen der Ehefrau des Klägers bei ihrer Vernehmung als Zeugin, von deren Richtigkeit des LSG offenbar ausgegangen ist, deuten zumindest darauf hin, daß der Kläger jedenfalls zum Ende seiner versicherungspflichtigen Tätigkeit über die Tätigkeit in der Backstube hinaus den väterlichen Betrieb praktisch geleitet und damit wahrscheinlich eine überwiegend meisterliche Qualifikation erfordernde Tätigkeit ausgeübt hat. Nicht maßgeblich ist hingegen, ob er bei tariflicher Entlohnung einer der Spitzengruppen der Berufsgruppeneinteilung zugeordnet war. Bei Familienbetrieben hat die konkrete tarifliche Einstufung eines der Familie des Betriebsinhabers angehörenden Mitarbeiters keine Indizwirkung für die qualitative Wertigkeit der verrichteten Tätigkeit.
Ob die Tätigkeit des Klägers im maßgeblichen Zeitraum außerdem als die eines Facharbeiters mit Vorgesetztenfunktion zu qualifizieren war, kann auf Grund der Feststellungen des LSG ebenfalls nicht mit der erforderlichen Sicherheit beurteilt werden. Es ist nicht geklärt, ob er als unselbständiger Bäckermeister im Arbeiterverhältnis bis zur Übernahme des elterlichen Betriebs im Jahre 1975 gegenüber anderen Facharbeitern weisungsbefugt war. Nach den Bekundungen der Ehefrau des Klägers bei ihrer Vernehmung als Zeugin war im Betrieb des Vaters damals außer dem Kläger ein weiterer Bäckermeister, der aber als Bäckergeselle bezahlt wurde, tätig. Wenn der Kläger gegenüber diesem Mitarbeiter mit mindestens Facharbeiterqualifikation und seiner Ehefrau als ausgebildeter Fachverkäuferin mit erfolgreich abgeschlossener dreijähriger Ausbildung bzw. weiteren Fachkräften weisungsbefugt war, ist er als Facharbeiter mit Vorgesetztenfunktion anzusehen. Es ist nämlich nicht erforderlich, daß der Versicherte durch seine berufliche Ausbildung in der Lage war, allen ihm unterstellten Facharbeitern fachliche Weisungen zu erteilen; maßgeblich ist vielmehr, daß er die ihm unterstellten Mitarbeiter zu beaufsichtigen hatte, ihnen allgemeine Weisungen erteilen und die durchzuführenden Arbeiten festlegen konnte (vgl. BSG Urteil vom 7. Juni 1988 - 8/5a RKn 14/87 -; Niesel, KassKomm, Stand 1. März 1993, § 1246 RVO RdNr 13). Als unterstellte Facharbeiter sind dabei auch Mitarbeiter im Angestelltenverhältnis anzusehen, die der Stufe mit dem Leitberuf des Gelernten (Ausbildung von mehr als zwei Jahren) zuzuordnen sind. Hierzu sind vom LSG noch entsprechende Feststellungen zu treffen, falls es nicht bereits zu dem Ergebnis kommt, daß der Kläger als besonders hoch qualifizierter Facharbeiter einzustufen ist.
Falls die Feststellungen des LSG ergeben, daß der Kläger in die oberste Gruppe des Mehrstufenschemas mit dem Leitberuf des Vorarbeiters mit Vorgesetztenfunktion bzw. des besonders qualifizierten Facharbeiters einzustufen ist, kann er sozial zumutbar nur auf Tätigkeiten dieser und der nächstniedrigen Gruppe des Mehrstufenschemas, also die mit dem Leitberuf des Facharbeiters verwiesen werden (BSG SozR 2200 § 1246 Nrn 31, 37, 49, 70). Bei der Suche nach einer Verweisungstätigkeit ist vorrangig zu versuchen, dem bisherigen Beruf verwandte Tätigkeiten aufzufinden (BSG SozR 2200 § 1246 Nr. 16); erst wenn dies nicht gelingt, kann das weitere Umfeld (etwa Verwaltungstätigkeiten im öffentlichen Dienst) auf geeignete Tätigkeiten hin untersucht werden. Zu prüfen wäre hier daher zunächst etwa eine Bürotätigkeit oder eine aufsichtsführende Tätigkeit, allerdings nicht im eigenen Betrieb (vgl. BSG SozR 2200 § 1246 Nr. 14), sondern etwa in einer größeren Bäckerei, einem Betrieb der Backwarenindustrie oä. Hierzu hat das LSG bisher - von seinem Standpunkt aus zutreffend - keine Ermittlungen angestellt.
Aber auch wenn der Kläger "nur" in die Gruppe mit dem Leitberuf des Facharbeiters einzustufen ist, ihm also Verweisungstätigkeiten sozial zuzumuten sind, die zumindest angelernten Tätigkeiten tarifvertraglich gleichgestellt sind (BSG SozR 2200 § 1246 Nrn 16, 21, 109, 147; SozR 3-2200 § 1246 Nr. 17), reichen die berufungsgerichtlichen Feststellungen für eine abschließende Entscheidung nicht aus. Die Benennung einer zumutbaren Verweisungstätigkeit muß hinreichend konkret sein. Es reicht nicht aus, einzelne Arbeitsvorgänge oder Tätigkeitsmerkmale anzugeben; erforderlich ist vielmehr die Benennung eines typischen Arbeitsplatzes mit der üblichen Berufsbezeichnung (vgl. BSG SozR 2200 § 1246 Nr. 98). Auch bei Facharbeitern ist vorrangig zu versuchen, dem bisherigen Beruf verwandte Tätigkeiten aufzufinden (BSG SozR 2200 § 1246 Nr. 16). Es muß dabei im einzelnen festgestellt werden, welche Anforderungen in gesundheitlicher und fachlicher Hinsicht diese berufliche Tätigkeit stellt und ob der Versicherte diesen Anforderungen nach seinem gesundheitlichen und geistigen Leistungsvermögen sowie seinem beruflichen Können und Wissen gewachsen ist (vgl. BSG SozR 2200 § 1246 Nrn 36, 68, 72, 98; Senatsurteil vom 8. Oktober 1992 - 13/5 RJ 24/90 - SozR 3-2200 § 1246 Nr. 29). Es ist also eine typisierende Arbeitsplatzbeschreibung über den tatsächlichen Umfang der Anforderungen sowie den Arbeitsablauf und typische Belastungssituationen einzuholen (vgl. BSG SozR 3-2200 § 1247 Nr. 8 und SozR 3-2200 § 1246 Nr. 29; Senatsurteil vom 17. Juni 1993 - 13 RJ 33/92 - m.w.N.). Diesen Anforderungen genügen die Ausführungen des LSG nicht. Zwar ist eine Tätigkeit, die in die Vergütungsgruppe VIII BAT eingestuft ist, einem Facharbeiter grundsätzlich zumutbar, weil es sich nach den für diese Vergütungsgruppe aufgestellten Tätigkeitsmerkmalen um Tätigkeiten handelt, die zumindest eine Anlernzeit von mehr als drei Monaten erfordern (vgl. BSG SozR 3-2200 § 1246 Nr. 17). Im Hinblick auf das Gebot der konkreten Benennung einer Verweisungstätigkeit reicht es jedoch nicht aus, einige der in dieser Vergütungsgruppe genannten Arbeitsvorgänge oder Tätigkeitsmerkmale anzugeben (etwa "Bearbeitung laufender und gleichartiger Vorgänge nach Anleitung"). Diese dienen nur als Kriterien für die Bewertung eines konkreten Arbeitsplatzes, an dem verschiedene Arbeitsvorgänge zu erledigen sein und mehrere der genannten Tätigkeitsmerkmale vorliegen können (s § 22 Abs. 2 BAT). Es ist vielmehr ein typischer Arbeitsplatz zu nennen, der im öffentlichen Dienst angeboten wird und der nach seinen qualitativen Merkmalen mindestens in die zumutbare Gruppe VIII BAT einzugruppieren ist. Dessen Anforderungsprofil in fachlicher und gesundheitlicher Hinsicht ist zu ermitteln. Diese Tatsachen sind auch im Bereich der beruflichen Tätigkeiten in der öffentlichen Verwaltung nicht allgemeinkundig und auch dem BAT selbst nicht zu entnehmen. Allerdings steht dem ermittelnden Gericht in der Frage, wie es sich die Kenntnisse über die betreffenden Berufe beschaffen will, ein weites Ermessen zu (BSGE 30, 192, 205). Es kann Beschreibungen aus der Literatur heranziehen (z.B. Arbeitsmedizinische Berufskunde, Sonderbeilage der Zeitschrift "Arbeitsmedizin, Sozialmedizin, Präventivmedizin"), Sachverständigengutachten aus früheren Verfahren einführen oder selbst arbeitswissenschaftliche Institute, die Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Sachverständige von Innungen, Verbänden oder sonstigen fachkundigen Stellen (z.B. Arbeitsverwaltung) hören. Regelmäßig unzulässig ist es jedoch, sogenanntes Alltagswissen zugrunde zu legen, weil der tatsächliche Umfang der Anforderungen und des Ablaufs der dem Versicherten zugemuteten Arbeiten von Außenstehenden nur selten in vollem Umfang erkannt und richtig eingeschätzt werden kann. Auf berufskundliche Ermittlungen darf ein Gericht deshalb nur dann verzichten, wenn es über eigene Sachkunde verfügt und diese den Beteiligten im Laufe des Verfahrens offenbart hat. Es darf nicht von sich aus ungeprüft berufliche Anforderungen annehmen und entscheiden, inwieweit es die ermittelten gesundheitlichen Leistungseinschränkungen dem Versicherten erlauben, diesen Anforderungen in zumutbarer Weise gerecht zu werden (vgl. Senatsurteil vom 8. Oktober 1992 - 13/5 RJ 24/90 -). Insbesondere angesichts der vom LSG festgestellten nicht unerheblichen gesundheitlichen Leistungseinschränkungen (ua Notwendigkeit eines Wechsels zwischen Gehen, Sitzen und Stehen, Unzumutbarkeit von Tätigkeiten in vornübergebeugtem Stehen, im Knien oder im Hocken, mit besonderen Streß- und Anspannungsbelastungen bzw. einer hohen Konzentration) ist es nicht offenkundig, daß der Kläger den Anforderungen der vom LSG für zumutbar gehaltenen Verwaltungsangestelltentätigkeiten, die im übrigen nicht hinreichend konkret bezeichnet sind, gewachsen ist. Auch die Annahme des LSG, dem Kläger seien bei der Ausbildung zum Handwerksmeister "im gewissen Umfang" auch kaufmännische Grundkenntnisse vermittelt worden, die ihn in die Lage versetzten, die in der Vergütungsgruppe VIII BAT genannten Tätigkeiten nach einer Einarbeitungszeit von nicht mehr als drei Monaten zu verrichten, reicht nicht aus, um diese für die Zumutbarkeit erhebliche Frage (vgl. BSG SozR 2200 § 1246 Nrn 23, 38, 86) bejahen zu können. Es steht weder fest, welche kaufmännischen Kenntnisse für die genannten Tätigkeiten vorausgesetzt werden, noch ob die von einem Bäckermeister üblicherweise erworbenen kaufmännischen Kenntnisse diesen entsprechen und allein genügen. Schließlich ist auch nicht festgestellt, ob die gesundheitliche Leistungsfähigkeit des Klägers zur Erlernung ausreicht; angesichts der vom LSG festgestellten fehlenden Fähigkeit, Tätigkeiten mit Anspannungsbelastungen oder hoher Konzentration zu verrichten, bestehen daran erhebliche Zweifel, denen durch weitere berufskundliche und medizinische bzw. psychologische Ermittlungen nachzugehen ist. All dies gilt auch für die vom LSG weiter als zumutbare Verweisungstätigkeiten genannten "Büroarbeiten K 2 und K 3". Auch hierbei handelt es sich nicht um eine konkrete Arbeitsplatzbezeichnung, fehlen Feststellungen über das Anforderungsprofil und die Prüfung, ob der Kläger mit seinen fachlichen Kenntnissen und Fähigkeiten sowie seinem eingeschränkten Leistungsvermögen solche Tätigkeiten nach einer Einarbeitungszeit von höchstens drei Monaten verrichten kann; es ist nicht einmal der Tarifvertrag, dem die Tarifgruppen entnommen sind, bezeichnet worden.
Über die Kosten des Verfahrens wird das LSG zu entscheiden haben.
Fundstellen