Leitsatz (amtlich)
1. Zur Rückforderung von Leistungen, die der Versicherungsträger vor rechtskräftiger Entscheidung gemäß SGG § 154 Abs 2 zahlen mußte.
2. Zur Aufrechnung des Versicherungsträgers mit seinem Anspruch auf Erstattung von Kosten des Verfahrens (Mutwillenskosten) gegen Rente.
Normenkette
RVO § 1301 S. 2 Fassung: 1965-06-09; SGG § 154 Abs. 2 Fassung: 1953-09-03, § 192 Fassung: 1953-09-03, § 193 Abs. 1 Fassung: 1953-09-03; RVO § 1299 Alt. 4 Fassung: 1959-07-23
Tenor
1) Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 8. Mai 1968 aufgehoben.
2) Soweit das Urteil die Aufrechnung mit dem Kostenerstattungsanspruch in Höhe von 46,30 DM betrifft, wird die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landessozialgericht zurückverwiesen.
3) Im übrigen wird die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Aachen vom 10. Juli 1967 zurückgewiesen.
4) Die Entscheidung darüber, inwieweit die Beteiligten einander außergerichtliche Kosten des Verfahrens zu erstatten haben, bleibt der das Verfahren abschließenden Entscheidung vorbehalten.
Gründe
I
Zu entscheiden ist, ob die Beklagte Leistungen, die sie dem Kläger auf Grund eines später aufgehobenen Urteils gezahlt hat, gemäß § 1301 der Reichsversicherungsordnung (RVO) zurückfordern und gemäß § 1299 RVO gegen seine Rente aufrechnen darf, sowie darüber, ob sie vom Kläger die Zahlung von Mutwillenskosten (§ 192 des Sozialgerichtsgesetzes -SGG-) fordern und diese Forderung ebenfalls gegen die Rente aufrechnen darf.
Nachdem die Beklagte dem Kläger Invalidenrente bewilligt hatte, wurde sie auf dessen späteren Antrag hin durch Urteil des Sozialgerichts (SG) vom 30. September 1963 verpflichtet, weitere Beschäftigungszeiten zu berücksichtigen. Sie legte gegen das Urteil Berufung ein und führte das Urteil gemäß § 154 Abs. 2 SGG aus, behielt sich aber in dem Ausführungsbescheid vor, "daß bei Aufhebung des Urteils die gezahlten Rentenbeträge zurückgefordert werden". Durch rechtskräftiges Urteil vom 27. Oktober 1965 hob das Landessozialgericht (LSG) das Urteil des SG auf und wies die Klage ab.
Die Beklagte zahlte die höheren Rentenbeträge bis Januar 1966. Mit dem hier angefochtenen Bescheid vom 5. Oktober 1966 errechnete sie eine durch die Ausführung des Urteils des SG bewirkte Überzahlung an Rente für die Zeit vom 30. September 1963 bis zum 31. Januar 1966 in Höhe von 539,30 DM; sie forderte diesen Betrag vom Kläger zurück; gleichzeitig forderte sie vom Kläger die Zahlung ihr zu erstattender Mutwillenskosten, die sie mit 46,30 DM bezifferte. Das LSG hatte den Kläger in einer anderen Streitsache ebenfalls durch ein Urteil vom 27. Oktober 1965 rechtskräftig verurteilt, "die dem Gericht und der Beklagten in dieser Sache entstandenen Kosten als Mutwillenskosten zu tragen". Der Widerspruch des Klägers gegen den Bescheid vom 5. Oktober 1966 wurde mit Widerspruchsbescheid vom 21. Dezember 1966 zurückgewiesen. Vom 1. Oktober 1967 an hat die Beklagte von der laufenden Rente des Klägers monatlich 15,-- DM einbehalten.
Mit der Klage wendet sich der Kläger gegen die Einbehaltung von Rentenbeträgen. Das SG hat die Klage abgewiesen. Das LSG hat dagegen die Beklagte verurteilt, die einbehaltenen Beträge an den Kläger auszuzahlen. Es hat die Revision zugelassen. Das LSG hat angenommen, die Forderung der Beklagten auf Erstattung der Mutwillenskosten sei noch nicht fällig, weil der Kostenbeamte den Betrag der zu erstattenden Kosten noch nicht nach § 197 SGG festgesetzt habe; die Forderung sei daher auch nicht aufrechenbar.
Eine Verpflichtung des Klägers zur Rückzahlung der auf Grund des aufgehobenen Urteils des SG gezahlten Leistungen ließe sich entgegen der vom Bundessozialgericht -BSG- (BSG 27, 102) vertretenen Ansicht nicht aus § 717 Abs. 2 der Zivilprozeßordnung (ZPO) begründen. Die Rückforderung richte sich vielmehr nach § 1301 RVO. An der Überzahlung der Rente für die Monate Dezember 1965 und Januar 1966 treffe die Beklagte ein Verschulden; denn die Zeit zwischen der Verkündung des Urteils des LSG und der Auszahlung der Rente für Dezember 1965 und Januar 1966 hätte ausgereicht, um die Zahlung der zu hohen Rente auszuschließen. Bei den bis November 1965 auf Grund des Urteils des SG gezahlten höheren Leistungen könne nicht festgestellt werden, daß der Kläger i.S. des § 1301 Satz 2 RVO bei Empfang dieser Leistungen gewußt habe oder hätte wissen müssen, daß sie ihm nicht zustanden. Das Wissen oder Wissenmüssen von der bloßen Möglichkeit einer späteren Abänderung des zusprechenden Urteils könne nicht dem Wissen oder Wissenmüssen von dem Nichtzustehen der Leistung z.Zt. des Empfangs gleichgesetzt werden.
Gegen das Urteil hat die Beklagte Revision eingelegt, mit der sie Verletzung der §§ 154 Abs. 2, 199 Abs. 1 Nr. 1 SGG und des § 1301 RVO rügt. Sie meint, ihre Forderung auf Zahlung der ihr zu erstattenden Mutwillenskosten bedürfe für ihre Fälligkeit keiner Festsetzung, da es sich um Pauschbeträge handele, die der Höhe nach feststünden. Im Rahmen des § 1301 RVO könne von einem Schutz des guten Glaubens nur gesprochen werden, soweit ein Versicherter auf die richtige Leistungsberechnung des Versicherungsträgers vertraut habe und habe vertrauen dürfen. Ein solcher Schutz des guten Glaubens könne aber bei der Gewährung von Leistungen auf Grund eines Urteils vor rechtskräftiger Entscheidung logischerweise nicht eingreifen; denn in einem solchen Falle könne der Versicherte weder wissen noch nicht wissen müssen, ob ihm die gezahlte Leistung nicht zustehe; er wisse lediglich, daß sein Anspruch auf die Leistung umstritten sei. Hinsichtlich der Zahlung der höheren Rentenbeträge für Dezember 1965 und Januar 1966 habe das LSG zu Unrecht angenommen, daß sie - die Beklagte - an der Überzahlung ein Verschulden treffe. Eine Berichtigung der Rente auf Grund des Urteils des LSG vom 27. Oktober 1965 habe sie im Hinblick auf die vom LSG benötigten Rentenunterlagen nicht früher durchführen können. Die Beklagte beantragt, das Urteil des LSG aufzuheben und die Berufung des Klägers gegen das Urteil des SG zurückzuweisen.
Der Kläger beantragt, die Revision zurückzuweisen.
Beide Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung durch Urteil ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.
II
Die Revision der Beklagten ist im wesentlichen begründet. Entgegen der Auffassung des LSG verlangt die Beklagte mit Recht vom Kläger die Rückzahlung der Leistungen, die sie ihm vor rechtskräftiger Entscheidung auf Grund des Urteils des SG vom 30. September 1963 gemäß § 154 Abs. 2 SGG in Höhe von 539,30 DM zahlen mußte. Sie ist auch berechtigt, diese zu Unrecht gezahlten Leistungen gemäß § 1299 RVO gegen die Rente des Klägers in monatlichen Teilbeträgen von 15,-- DM aufzurechnen. Insoweit ist das angefochtene Urteil aufzuheben und die Berufung des Klägers gegen das Urteil des SG zurückzuweisen.
Soweit das LSG Einwendungen gegen die Rechtsprechung des BSG erhoben hat, daß ein Kläger zur Rückerstattung der Leistungen entsprechend der Vorschrift des § 717 Abs. 2 ZPO verpflichtet ist, wenn er auf Grund eines noch nicht rechtskräftigen Urteils des SG gemäß § 154 Abs. 2 SGG Versorgungsleistungen nach dem Bundesversorgungsgesetz (BVG) erlangt und wenn dieses Urteil vom LSG aufgehoben oder abgeändert wird (BSG 27, 102), bedarf es für die hier zu treffende Entscheidung keiner Prüfung, ob diese Einwendungen begründet sind. Für die Verpflichtung zur Rückzahlung von Leistungen, die ein Träger der Rentenversicherung der Arbeiter vor rechtskräftiger Entscheidung gezahlt hat, braucht auf die Vorschrift des § 717 Abs. 2 ZPO nicht eingegangen zu werden, weil für das Recht der Arbeiterrentenversicherung (ArV) § 1301 Satz 1 RVO diese Fälle ausdrücklich und unmittelbar regelt.
Mit dem angefochtenen Bescheid vom 5. Oktober 1966 hat die Beklagte die Leistungen zurückgefordert, die sie für die Zeit nach Erlaß des Urteils des SG vom 30. September 1963 bis zur rechtskräftigen Aufhebung dieser Entscheidung durch das Urteil des LSG vom 27. Oktober 1965 an den Kläger leisten mußte, weil ihre Berufung gegen das Urteil des SG nach § 154 Abs. 2 SGG einen Aufschub nur insoweit bewirkt hat, als es sich um Beträge gehandelt hat, die für die Zeit vor Erlaß des angefochtenen Urteils nachzuzahlen waren. Die Rückforderung solcher vorläufig gezahlten Leistungen regelt die Vorschrift des § 1301 RVO, in der bestimmt ist, daß der Träger der ArV eine Leistung nicht zurückzufordern braucht, die er vor rechtskräftiger Entscheidung zahlen mußte oder zu Unrecht gezahlt hat (§ 1301 Satz 1 RVO). Das Gesetz geht bei dieser Regelung davon aus, daß dem Versicherungsträger gegen den Versicherten ein Anspruch auf Rückzahlung der vor rechtskräftiger Entscheidung oder zu Unrecht gezahlten Leistungen zusteht; denn nur auf Grund eines solchen bestehenden Rückforderungsanspruchs kann der Versicherungsträger die in sein pflichtgemäßes Ermessen gestellte Entscheidung treffen, ob er die Leistung zurückfordert oder nicht. Zu Unrecht meint jedoch das LSG, die Beklagte habe mit dem angefochtenen Bescheid die auf Grund des Urteils des SG überzahlten Rentenbeträge im Hinblick auf die Vorschrift des § 1301 Satz 2 RVO nicht zurückfordern dürfen, weil die Voraussetzungen dieser Vorschrift nicht erfüllt seien.
Es trifft zwar zu, daß der Bescheid, mit dem der Versicherungsträger die vor rechtskräftiger Entscheidung gezahlten Leistungen zurückfordert, nur rechtmäßig ist, wenn die Voraussetzungen des § 1301 Satz 2 RVO erfüllt sind. Jedoch kann der Ansicht des LSG nicht gefolgt werden, daß es an diesen Voraussetzungen fehlt.
Nach § 1301 Satz 2 RVO darf der Träger der ArV eine Leistung nur zurückfordern, wenn ihn für die Überzahlung keine Schuld trifft und nur soweit der Leistungsempfänger beim Empfang wußte oder wissen mußte, daß ihm die Leistung nicht oder nicht in der gewährten Höhe zustand, und soweit die Rückforderung wegen der wirtschaftlichen Verhältnisse des Empfängers vertretbar ist. Die Beklagte trifft an der Überzahlung der Rente durch Gewährung der höheren Rentenbeträge für die Zeit vom 30. September 1963 bis zum 31. Januar 1966 in Höhe von 539,30 DM kein Verschulden. Sie hat diese Leistungen nicht auf Grund freier Willensentschließung im Rahmen einer in ihren Verantwortungsbereich fallenden Entscheidungszuständigkeit gezahlt, sondern weil sie durch das SG zu diesen Leistungen verurteilt worden war und weil sie nach der besonderen Vorschrift des § 154 Abs. 2 SGG verpflichtet war, das noch nicht rechtskräftige Urteil des SG für die Zeit nach seinem Erlaß auszuführen, obschon sie - wie die Einlegung ihrer Berufung zeigt - sich zu einer solchen Zahlungspflicht selbst nicht bekannt hat. Wenn die Beklagte demnach mit der Zahlung der höheren Rentenbeträge gegen ihren Willen gehandelt und nur der ihr obliegenden gesetzlichen Pflicht genügt hat, so scheidet schon von vornherein aus, daß die Überzahlung durch ein Vorgehen der Beklagten verursacht sein kann, das ihr als ein fehlerhaftes Verhalten zum Vorwurf gemacht werden könnte, wie es für ein Verschulden erforderlich wäre. Dies gilt nicht nur für die Zahlungen bis zum 30. November 1965, sondern entgegen der Ansicht des LSG auch für die Zahlungen für Dezember 1965 und Januar 1966. Die Verpflichtung zur Gewährung der höheren Rentenbeträge endete für die Beklagte zwar mit Abänderung des Urteils des SG durch das Urteil des LSG am 27. Oktober 1965. Mag diese Abänderung ihr auch schon seit diesem Tage bekannt gewesen sein, so war sie doch vor Rückgabe der Rentenakte durch das LSG nicht in der Lage, festzustellen, welcher Rentenbetrag dem Kläger nunmehr zustand. Sie war auch nicht berechtigt, durch eine vorläufige Maßnahme die Rente auf den früheren Rentenbetrag festzusetzen oder die laufende Rentenzahlung zu unterlassen. Sie war vielmehr gehalten, für die Neuberechnung der zu zahlenden laufenden Rente alle Unterlagen, wie insbesondere das Urteil des LSG und die Rentenakte zu berücksichtigen.
Trifft die Beklagte für die Überzahlung mithin kein Verschulden, so kann desweiteren auch die Ansicht des LSG nicht gebilligt werden, für die Überzahlung bis November 1965 sei die Vorschrift des § 1301 Satz 2 RVO jedenfalls insoweit nicht erfüllt, als sie verlange, daß der Kläger bei Empfang der höheren Rentenbeträge wußte oder wissen mußte, daß sie ihm nicht zustanden. Zu Unrecht meint das LSG, die bis November 1965 zuviel gezahlten Rentenbeträge dürfte die Beklagte wegen des guten Glaubens des Klägers nicht zurückfordern.
Zutreffend weist die Revision darauf hin, daß die hier im Gesetz aufgestellten Tatbestandsmerkmale für Leistungen, die ein Versicherungsträger auf Grund eines nicht rechtskräftigen Urteils gemäß § 154 Abs. 2 SGG zahlt, schon an sich nicht erfüllt sein können. Das Gesetz will mit diesen besonderen Tatbestandsmerkmalen das Vertrauen des Empfängers einer Leistung aus der ArV darauf schützen, daß die für ihn festgestellten und ihm tatsächlich gezahlten Leistungen ihm auch zustehen. Gegenstand des Schutzes ist, worin dem LSG zuzustimmen ist, der gute Glaube des Versicherten in sein Recht auf die Leistung und in die Leistungsverpflichtung des Versicherungsträgers. Es sollen die berechtigten Interessen des Versicherten gewahrt und das in ihm geweckte Vertrauen darauf geschützt werden, daß er auf die ihm gewährte Leistung einen materiellen Anspruch hat. Ein solcher Vertrauensschutz kann sich aber nur auf solche materiell-rechtlichen Ansprüche erstrecken, die für den Versicherungsträger durch eine von ihm selbst getroffene Entscheidung bindend oder durch ein Gericht rechtskräftig festgestellt sind. Solange es jedoch an einer solchen den Versicherungsträger bindenden oder rechtskräftigen Feststellung des materiellen Leistungsanspruchs fehlt, eine solche Feststellung also überhaupt noch nicht getroffen sondern in der Schwebe ist, weil der materiell-rechtliche Leistungsanspruch umstritten und Gegenstand eines weiteren gerichtlichen Verfahrens ist, ist schon kein Raum dafür, daß sich ein Vertrauen darauf bilden könnte und durfte, dem Versicherten stehe die ihm tatsächlich gezahlte Leistung auch zu. Denn es fehlt bei einer solchen Sachlage schon an dem äußeren Tatbestand, der die Annahme rechtfertigen könnte, der Versicherte selbst habe im guten Glauben an den Bestand seines Rechts und an die Leistungspflicht des Versicherungsträgers die höheren Zahlungen entgegengenommen, er habe auch nicht wissen können, daß ihm die gezahlten höheren Rentenbeträge im Zeitpunkt der Zahlung nicht zustanden und er habe sich auf die höhere Rente einstellen dürfen. Bei Zahlung von höheren Rentenbeträgen, die der Versicherungsträger allein auf Grund eines nicht rechtskräftigen Urteils gemäß § 154 Abs. 2 SGG, also nachdem er gegen das Urteil das Rechtsmittel der Berufung eingelegt hat, leistet, hat weder der Versicherungsträger noch das Gericht ein Verhalten gezeigt, das bei dem Versicherten nach dem Grundsatz von Treu und Glauben im Rechtsverkehr ein schutzwürdiges Vertrauen auf das Zustehen dieser höheren Leistungen hätte rechtfertigen und begründen können.
Nachdem das Urteil des SG vom 30. September 1963 durch das Urteil des LSG vom 27. Oktober 1965 rechtskräftig aufgehoben und die Klage abgewiesen worden ist, sind die auf Grund des Urteils des SG dem Kläger gezahlten höheren Rentenbeträge zu Unrecht geleistet. Der Kläger mußte bei Empfang dieser Mehrbeträge wissen, daß ihm die Leistung nicht zustand, wenn das Urteil des SG rechtskräftig aufgehoben und die Klage abgewiesen wird.
Schließlich ist die Rückforderung der überzahlten Rentenbeträge in Teilzahlungen in Höhe von monatlich 15,- DM wegen der wirtschaftlichen Verhältnisse des Klägers auch vertretbar, wie sich aus den von der Revision nicht angegriffenen und somit für das Revisionsgericht bindenden Feststellungen in dem angefochtenen Urteil (§ 163 SGG) ergibt. Entscheidend kommt es auf die wirtschaftlichen Verhältnisse an, die seit dem Widerspruchsbescheid vom 21. Dezember 1966 bestehen (BSG in SozR Nr. 8 zu § 1301 RVO). Zu berücksichtigen sind die gesamten wirtschaftlichen Verhältnisse des Klägers, seine wirtschaftlichen Vorteile in Geld und Geldeswert sowie seine besonderen Aufwendungen für seinen und seiner Familie notwendigen Lebensunterhalt; die Rückzahlung darf den Kläger nicht in wirtschaftliche Schwierigkeiten bringen (vgl. BSG in SozR Nr. 8, 15, 22, 24 zu § 47 VerwVG, der ähnlich wie §§ 628, 1301 RVO, § 93 RKG lautet). Der Kläger hat keine Kinder zu unterhalten. In seinem Haushalt befindet sich nur seine Ehefrau. Seit 1966 hat er eine Rente von etwa 112,- DM monatlich und seine Ehefrau aus Arbeit ein Einkommen von etwa 450,- DM monatlich. Für seine persönlichen Bedürfnisse ist dem Kläger eine gewisse Einschränkung zuzumuten, um seiner Rückerstattungspflicht von monatlich 15,- DM nachkommen zu können. Er wird dadurch nicht hilfsbedürftig und auch nicht außerstande gesetzt, seinen Beitrag zum Familienunterhalt (§ 1360 des Bürgerlichen Gesetzbuches -BGB-) zu leisten. Da er selbst nicht erwerbstätig und sein Renteneinkommen wesentlich geringer als das Arbeitseinkommen seiner Ehefrau ist, besteht sein Beitrag zum Familienunterhalt ohnehin vornehmlich in persönlicher Betätigung im Haushalt. Ein Umstand, der die Entscheidung der Beklagten über die Rückforderung als ermessensfehlerhaft erscheinen ließe, ist sonach nicht zu erkennen.
Das LSG hat aus diesen Gründen insoweit zu Unrecht das Urteil des SG geändert und den Rückforderungsbescheid vom 5. Oktober 1966 aufgehoben.
Die Beklagte durfte auch ihre Forderung auf Rückzahlung gegen den Rentenanspruch des Klägers aufrechnen. Nach § 1299 RVO dürfen gegen Leistungsansprüche vom Träger der Rentenversicherung zu Unrecht gezahlte Leistungen aufgerechnet werden. Die Voraussetzungen einer Aufrechnung (§ 387 BGB) wie Gegenseitigkeit, Gleichartigkeit und Fälligkeit der Forderungen sind hier gegeben (vgl. BSG 15, 36).
§ 394 BGB, wonach die Aufrechnung gegen eine Forderung nicht stattfindet, soweit eine Forderung der Pfändung nicht unterworfen ist, kann bei § 1299 RVO nicht angewendet werden. Die RVO regelt die Pfändung und Aufrechnung bei Leistungsansprüchen in einer besonderen, den Bedürfnissen der Praxis angepaßten Weise. Diese Sondervorschriften gehen anderen allgemeinen Vorschriften vor (§§ 119, 223 Abs. 2, 629, 1299 RVO; vgl. Reichsversicherungsamt in AN 1918, 467, 469). Die in § 1299 RVO dem Versicherungsträger gegebene Aufrechnungsmöglichkeit wäre nicht sinnvoll, wenn der Versicherte dagegen eine Unpfändbarkeit seiner Rentenforderung nach § 119 RVO geltend machen könnte mit der Folge des § 394 BGB, daß nicht aufgerechnet werden dürfte. In § 1299 RVO ist die Aufrechnung auch nicht auf bestimmte Teile der Rente beschränkt wie in § 223 Abs. 3 RVO (BSG in SozR Nr. 1 zu § 223 RVO). Somit steht der Aufrechnung durch die Beklagte kein rechtlicher Hinderungsgrund entgegen; sie ist rechtmäßig.
Soweit es sich in dem angefochtenen Bescheid um die Forderung der Beklagten auf Erstattung von Mutwillenskosten und um die Aufrechnung dieser Forderung gegen die Rente des Klägers handelt, führt die Revision zwar auch zur Aufhebung des angefochtenen Urteils, jedoch nur zur Zurückverweisung der Sache an das LSG. Es kann offenbleiben, ob die von der Rente des Klägers seit dem 1. Oktober 1967 monatlich einbehaltenen 15,- DM bisher nur zur Rückzahlung der überzahlten Rente oder teilweise auch zur Tilgung des Kostenerstattungsanspruchs dienten. Auch wenn die Beklagte bisher die Aufrechnung mit dem Kostenerstattungsanspruch lediglich angekündigt, aber noch nicht durchgeführt hat, besteht schon jetzt ein Rechtsschutzbedürfnis des Klägers für die Entscheidung über die Rechtmäßigkeit der Aufrechnung; denn die Durchführung der Aufrechnung hängt nicht vom Eintritt weiterer noch ungewisser Ereignisse ab, sondern ist von der Beklagten uneingeschränkt ausgesprochen und jederzeit durchführbar.
Nach § 1299 RVO darf der Versicherungsträger grundsätzlich auch einen Kostenerstattungsanspruch gegen Leistungsansprüche des Versicherten aufrechnen. Allerdings darf, wie der Bundesgerichtshof (BGH) entschieden hat (MDR 1963, 388) die Aufrechnung mit einem prozessualen Kostenerstattungsanspruch in einem Rechtsstreit nur dann berücksichtigt werden, wenn dieser nicht nur dem Grunde sondern auch seiner Höhe nach unumstritten ist oder wenn er im Kostenfestsetzungsverfahren rechtskräftig festgestellt worden ist (vgl. RG in DR 1940, 1949). Eine im Prozeß erklärte Aufrechnung setzt demnach u.a. voraus, daß die beiderseitigen Forderungen auch der Höhe nach bestimmt oder doch bestimmbar sind. Mit einer auch nur der Höhe nach umstrittenen Forderung kann deshalb nur dann aufgerechnet werden, wenn das Prozeßgericht den Rechtsstreit über die Höhe entscheiden kann. Steht indessen dem Prozeßgericht diese Entscheidung nicht zu, so kann auch die Aufrechnung nicht erfolgen, weil sie ohne eine endgültige Feststellung von Grund und Höhe der zur Aufrechnung gestellten Forderung nicht möglich ist. Indessen hat über die Höhe des prozessualen Kostenerstattungsanspruchs nicht der Prozeßrichter zu befinden, sondern über sie ist ausschließlich in dem gegenüber dem Streitverfahren völlig selbständigen Kostenfestsetzungsverfahren zu entscheiden.
Die in der Rechtsprechung des BGH entwickelten Grundsätze haben auch für die Vorschriften der §§ 192, 193 Abs. 1 SGG zu gelten. Es ist kein Grund ersichtlich, weshalb vor Aufrechnung eines prozessualen Kostenerstattungsanspruchs ein besonderer Kostenfestsetzungsbeschluß erforderlich sein sollte, wenn der zur Erstattung der Kosten Verpflichtete die Höhe der vom Berechtigten errechneten und geforderten Kosten nicht beanstandet. Das LSG hat es in dem angefochtenen Urteil nur darauf abgestellt, daß noch kein Kostenfestsetzungsbeschluß ergangen ist. Es hat indessen nicht festgestellt, ob der Kläger gerade die Höhe der Kosten beanstandet oder ob er sich nur gegen die Geltendmachung des Kostenerstattungsanspruchs überhaupt und insbesondere dessen Durchsetzung im Wege der Aufrechnung wendet. Hierüber sind aber Feststellungen erforderlich, um entscheiden zu können, ob das LSG zu Recht eine Aufrechnung mit dem Kostenerstattungsanspruch für rechtswidrig angesehen hat. Zur Durchführung der hiernach noch notwendigen Feststellungen ist die Sache an das LSG zurückzuverweisen.
Sollte das LSG zu der Feststellung gelangen, daß der Kläger die von der Beklagten errechnete Höhe der zu erstattenden Kosten beanstandet, so wird es vor seiner Entscheidung der Beklagten Gelegenheit geben müssen, das Kostenfestsetzungsverfahren gemäß § 197 SGG durchführen zu lassen.
Die Entscheidung über die Erstattung von außergerichtlichen Kosten des Verfahrens in allen Rechtszügen wird der das Verfahren abschließenden Entscheidung vorbehalten. Bei dieser Entscheidung über die Kosten des Verfahrens wird zu berücksichtigen sein, daß bereits nach dem hier ergangenen Urteil die Rechtsbehelfe des Klägers, soweit sie die Rückforderung und Aufrechnung der überzahlten Rente betreffen, erfolglos geblieben sind.
Fundstellen