Entscheidungsstichwort (Thema)
Anwendung des Art 2 § 42 Arbeiterrentenversicherungsneuregelungsgesetz
Orientierungssatz
Die günstigere Vergleichsberechnung nach altem Recht gemäß ArVNG Art 2 § 42 ist ausgeschlossen, wenn die Wartezeit bei Eintritt des Versicherungsfalles nur unter Anrechnung solcher vor dem 1. Januar 1957 entrichteten Beiträge erfüllt ist, aus denen zum 31. Dezember 1956 die Anwartschaft nicht erhalten war (Anschluß BSG 1961-11-23 12/4 RJ 102/61 = BSGE 15, 271, 279).
Normenkette
ArVNG Art. 2 § 42
Verfahrensgang
Bayerisches LSG (Entscheidung vom 25.11.1960) |
SG München (Entscheidung vom 03.12.1958) |
Tenor
Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des Bayerischen Landessozialgerichts vom 25. November 1960 aufgehoben.
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts München vom 3. Dezember 1958 wird zurückgewiesen.
Kosten sind nicht zu erstatten.
Von Rechts wegen.
Tatbestand
Die Klägerin, der von der Beklagten seit dem 1. Mai 1957 die Rente wegen Berufsunfähigkeit gewährt wird, begehrt die Berechnung dieser Rente nach den für sie günstigeren Vorschriften des Art. 2 § 42 des Arbeiterrentenversicherungs-Neuregelungsgesetzes (ArVNG). Die Klägerin war von 1913 bis 1926 arbeiterrentenpflichtversichert tätig gewesen; sie hatte dann erst seit dem Jahre 1949 wieder freiwillig Beiträge entrichtet, und zwar jährlich genau 26 Wochenbeiträge; durch die in ihrer am 29. August 1955 aufgerechneten Quittungskarte Nr. 15 enthaltenen Beiträge war ihre Anwartschaft bis zum Ende des Jahres 1954 erhalten. In der am gleichen Tage ausgestellten Quittungskarte Nr. 16, die am 9. Februar 1957 aufgerechnet wurde, befinden sich 3 Beitragsmarken mit dem Aufdruck "55", 3 mit dem Aufdruck "56" und 46 mit dem Aufdruck "57"; von diesen Marken waren diejenigen mit dem Aufdruck "55" und "56" sowie zwanzig mit dem Aufdruck "57" handschriftlich mit Daten des Jahres 1955, die restlichen für 1956 entwertet; in der folgenden Quittungskarte Nr. 17 sind noch weitere 4 Wochenbeiträge enthalten.
Das Landessozialgericht (LSG) hat in seinem Urteil vom 25. November 1960 entgegen der von der Beklagten und dem Sozialgericht (SG) München (Urteil vom 3.12.1958) vertretenen Ansicht die Frage bejaht, daß jene in der Zeit vom 1. Januar bis 9. Februar 1957 entrichteten Beiträge zur Erhaltung der Anwartschaft "zum 1. Januar 1957 im Sinne des Art. 2 § 42 ArVNG angerechnet werden" könnten und die Beklagte daher zur Vornahme der begehrten Verrechnung verurteilt. Das LSG kommt zu diesem Ergebnis, weil es meint, eine sinngemäße Auslegung des § 42 aaO sei nur in dem Sinne möglich, daß man die im Rahmen des § 1442 Reichsversicherungsordnung (RVO) aF bzw. § 1418 RVO nF nachentrichteten Beiträge, jedenfalls soweit sie bis zum 23. Februar 1957 (Verkündung des ArVNG) entrichtet worden seien, für die Erhaltung der Anwartschaft mit berücksichtigen müsse. Entgegen der Auffassung des erkennenden Senats des Bundessozialgerichts - BSG - (Urteil vom 1. Juli 1959, BSG 10, 139 ff), für die allerdings der reine Wortlaut des Gesetzes sprechen könnte, sollten die Begünstigungen des § 42 nur denen nicht zugute kommen, welche die Anwartschaftsvorschriften des alten Rechts nicht beachtet hätten. Die Klägerin habe jedoch jene Vorschriften beachtet und regelmäßig, wenn auch oft nachträglich, so doch stets rechtswirksam, die zur Anwartschaftserhaltung notwendigen Beiträge entrichtet. Anders als im Falle des § 4 Abs. 2 des Sozialversicherungsanpassungsgesetzes (SVAG) handle es sich hier nicht um das Wiederaufleben einer bereits endgültig erloschenen Anwartschaft, die der Versicherte von sich aus nicht wieder habe aufleben lassen können.
Gegen das am 1. März 1961 zugestellte Urteil vom 25. November 1960 hat die Beklagte die vom LSG zugelassene Revision unter Antragstellung am 17. März 1961 eingelegt und sie gleichzeitig begründet.
Sie hält das vom LSG bekämpfte Urteil des BSG vom 1. Juli 1959 für richtig; die weitüberwiegende Meinung in Rechtsprechung und Literatur sei jenem Urteil gefolgt. Die Anwartschaft sei demnach 1955 erloschen.
Die Beklagte beantragt,
unter Aufhebung des angefochtenen Urteils die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt demgegenüber,
kostenpflichtige Zurückweisung der Revision.
Sie beruft sich auf das angefochtene Urteil. Beide Parteien haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist frist- und formgerecht unter Antragstellung eingelegt und begründet worden; sie ist vom LSG zugelassen und daher statthaft.
Die Revision ist begründet.
Die von der Klägerin begehrte günstigere Vergleichsberechnung kommt nur in Frage, falls die Voraussetzungen des Art. 2 § 42 ArVNG gegeben sind.
Das LSG stellt seine Entscheidung insoweit allein darauf ab, ob die Anwartschaft der Klägerin zum 31. Dezember 1956 erhalten gewesen ist und bejaht diese Frage mit ausführlicher Begründung, wobei es die gesamten, auf der Quittungskarte Nr. 16 entrichteten Beiträge für die Erhaltung der Anwartschaft anrechnet.
Auf diese Frage kommt es hier jedoch nicht entscheidend an. Es handelt sich nämlich um einen Fall, in dem - gleichgültig, wie man die für die Zeit vor dem 9. Februar 1957 entrichteten Beiträge verrechnen will - jedenfalls stets die Anwartschaft aus den für die Zeit vor 1945 entrichteten Beiträgen nicht mehr erhalten ist. Mit den seit 1945 bis zum Eintritt des Versicherungsfalls entrichteten Beiträgen allein ist die Wartezeit nicht erfüllt. Der 12. Senat des BSG hat in seinem Urteil vom 23. November 1961 (BSG 15, 271, 279) ausführlich dargelegt, daß die günstigere Vergleichsberechnung nach altem Recht gemäß § 42 aaO nicht in Frage kommt, wenn die Wartezeit bei Eintritt des Versicherungsfalles nur unter Anrechnung solcher vor dem 1. Januar 1957 entrichteten Beiträge erfüllt ist, aus denen zum 31. Dezember 1956 die Anwartschaft nicht erhalten war. Der erkennende Senat hält diese Auffassung für zutreffend, zumal nur sie dem Sinn des § 42 aaO entspricht, der zwar den bereits vorhandenen Besitzstand im weitesten Umfang wahren, jedoch nicht eine unberechtigte Besserstellung eines kleinen Kreises von Versicherten herbeiführen sollte.
Das angefochtene Urteil war daher aufzuheben und die Berufung gegen das Urteil des SG zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Fundstellen