Entscheidungsstichwort (Thema)

Ausländische Kindergeldleistungen sind nicht anrechnungsfrei

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Grundsätzlich schließt eine dem deutschen Recht auf Kindergeld - BKGG - vergleichbare und auf gesetzlicher Grundlage beruhende im Ausland zur Auszahlung kommende solche Leistung die Anspruchsberechtigung auf deutsches Kindergeld aus.

2. In der Schweiz gewährte Kinderzulagen, die auf gesetzlicher Grundlage beruhen, sind dem deutschen Kindergeld vergleichbare Leistungen iS von BKGG § 8 Abs 1 Nr 2.

Solche Kinderzulagen verlieren auch dann nicht ihren Charakter als vergleichbare Leistungen, wenn sie zur Befreiung von einer gesetzlichen Verpflichtung einem deutschen Arbeitnehmer von einem schweizerischen Arbeitgeber aufgrund eines anerkannten Gesamtarbeitsvertrages (Tarifvertrages) gezahlt werden. Freiwillige kindbezogene Leistungen, die von schweizerischen Arbeitgebern gezahlt werden und jederzeit wieder gestrichen werden können, sind keine Ausschlußleistungen in diesem Sinne.

3. Für den Ausschluß des Kindergeldanspruchs ist eine Personenidentität zwischen dem Antragsteller und dem Empfänger der für dasselbe Kind gezahlten vergleichbaren ausländischen Leistung nicht notwendig.

4. Die Kinderzulagen in der Schweiz haben familienpolitischen Charakter. Kinderzulagen, die von einem privaten schweizer Arbeitgeber und nicht von einer staatlichen Stelle gezahlt werden, sind jedenfalls dann vergleichbare Leistungen iS des BKGG § 8 Abs 1 Nr 2, wenn die Zahlung aufgrund einer gesetzlichen Vorschrift erfolgt.

 

Orientierungssatz

BKGG § 8 Abs 1 Nr 2 verstößt nicht gegen GG Art 3.

Die in BKGG § 8 Abs 1 Nr 2 vorgenommene Differenzierung ist sachlich einleuchtend. Der in dieser Bestimmung genannte Personenkreis unterscheidet sich von demjenigen, der Anspruch auf Kindergeld nach dem BKGG hat, durch den Empfang ausländischer vergleichbarer Leistungen. Bei diesen Personen besteht deshalb kein Anlaß auf Kosten der Allgemeinheit Familienlasten zusätzlich teilweise auszugleichen.

 

Normenkette

BKGG § 8 Abs. 1 Nr. 2 Fassung: 1974-08-05; GG Art. 3 Abs. 1 Fassung: 1949-05-23

 

Verfahrensgang

LSG Baden-Württemberg (Entscheidung vom 07.09.1976; Aktenzeichen L 5 Kg 1499/75)

SG Freiburg i. Br. (Entscheidung vom 11.09.1975; Aktenzeichen S S 7c Kg 573/75)

 

Tenor

Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 7. September 1976 aufgehoben.

Der Rechtsstreit wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an dieses Gericht zurückverwiesen.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten darüber, ob die in der Schweiz an den Kläger von seinem Arbeitgeber gezahlten Kinderzulagen dem deutschen Kindergeld vergleichbare Leistungen sind und deshalb einen Anspruch auf Kindergeld - zumindest teilweise - ausschließen.

Der Kläger ist der Vater der vier Kinder C, geboren 1968, S, geboren 1970, C, geboren 1973 und F, geboren 1974. Die Familie lebt im gemeinsamen Haushalt im Bundesgebiet. Der Kläger arbeitet als Grenzgänger bei der Firma H in B. Er erhält (oder erhielt) von seinem Arbeitgeber 1975 für das erste Kind 90 Schweizer Franken (SFR) für das zweite Kind 70 SFR und für das dritte und vierte Kind je 50 SFR monatliche Kinderzulage.

Im November 1974 beantragte der Kläger beim Arbeitsamt L Kindergeld ab 1. Januar 1975. Mit Bescheid vom 16. Januar 1975 wurde ihm das halbe Kindergeld nur für das dritte und vierte Kind in Höhe von je 60,- DM im Monat gewährt. Zur Begründung führte das Arbeitsamt unter anderem aus, da für die Kinder Kinderzulagen in der Schweiz gezahlt würden, die dem Kindergeld nach dem Bundeskindergeldgesetz (BKGG) vergleichbar seien, bestehe ein Anspruch allenfalls auf die Hälfte des Kindergeldes und das nur dann, wenn die Kinderzulagen 75 vH des Kindergeldes nicht erreichten. Diese Voraussetzungen seien nur für das dritte und vierte Kind erfüllt.

Widerspruch, Klage und Berufung hatten keinen Erfolg. Das Landessozialgericht (LSG) hat im Urteil vom 7. September 1976 unter anderem ausgeführt, die an den Kläger gezahlten Kinderzulagen schlössen einen Anspruch auf Kindergeld aus, weil sie keine freiwilligen Zuwendungen eines privaten ausländischen Unternehmers seien. Sie beruhten auf gesetzlicher Verpflichtung des Unternehmers gegenüber seinen Arbeitnehmern, denn in der Schweiz hätten alle Arbeitnehmer einen gesetzlichen Anspruch auf Kinderzulage, der entweder von Familienausgleichskassen oder von den Arbeitgebern aufgrund eines Gesamtarbeitsvertrags erfüllt werde. Diese dienten auch dem gleichen Zweck wie das Kindergeld, nämlich dem Familienlastenausgleich. Auch die über den gesetzlichen Mindestbetrag hinausgehenden Kinderzulagen seien gesetzliche Leistungen, so daß alle Zahlungen in ihrer vollen Höhe mit dem Kindergeld vergleichbar seien. Der Gleichheitsgrundsatz des Art 3 des Grundgesetzes (GG) sei nicht verletzt, zumal der Kläger 260 SFR und 120,- DM an Kindergeld erhalte, während einem deutschen Arbeitnehmer nur 360,- DM zustünden.

Der Kläger hat nach Bewilligung des Armenrechts die vom LSG zugelassene Revision eingelegt. Er meint, die über den gesetzlichen Mindestsatz hinausgehenden Teile der Kinderzulagen müßten unberücksichtigt bleiben. Bei der Qualifikation einer Leistung als gesetzliche könne nicht lediglich auf die tatsächliche Gewährung, gleich aus welchem Rechtsgrund, abgestellt werden. Der Arbeitgeber erbringe diese überschießenden Leistungen freiwillig, er könne diesen Teil der Zulage, der aufgrund eines Einzelarbeitsvertrages gezahlt werde, ohne Begründung - wenn auch nur für die Gesamtheit der Arbeitnehmer - wieder streichen.

Der Kläger beantragt entsprechend den Anträgen in der Vorinstanz sinngemäß,

die Urteile des LSG Baden-Württemberg vom 7. September 1976 und des Sozialgerichts Freiburg vom 11. September 1975 sowie den Bescheid der Beklagten vom 16. Januar 1975 idF des Widerspruchsbescheides vom 27. Februar 1975 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihm ab 1. Januar 1975 für seine vier Kinder das volle Kindergeld,

hilfsweise,

für das Kind S das halbe Kindergeld, zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Revision zurückzuweisen.

Sie hält das angefochtene Urteil des LSG für zutreffend. Der kantonale Gesetzgeber habe mit dem Wort "mindestens" zum Ausdruck gebracht, daß er bewußt nur eine Untergrenze festlegen wollte. Eine in einem Gesamtarbeitsvertrag vereinbarte höhere Zulage könne nicht als freiwillige Leistung angesehen werden.

 

Entscheidungsgründe

Dem Kläger war nach Bewilligung des Armenrechts und rechtzeitiger Nachholung der Revisionseinlegung und -begründung die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren. Die sonach zulässige Revision ist im Sinne der Aufhebung des angefochtenen Urteils und Zurückverweisung der Sache an das LSG begründet. Die vom Berufungsgericht getroffenen Feststellungen reichen zu einer abschließenden Entscheidung des Senats nicht aus (§ 170 Abs 2 Satz 2 Sozialgerichtsgesetz - SGG -).

Zutreffend ist das LSG davon ausgegangen, daß nach § 8 Abs 1 Nr 2 BKGG in der hier maßgebenden ab 1. Januar 1975 geltenden Fassung vom 31. Januar 1975 (BGBl I 412, 413) Kindergeld nicht für ein Kind gewährt wird, für das eine Person, bei der das Kind nach § 2 Abs 1 BKGG berücksichtigt wird, außerhalb der Bundesrepublik und West-Berlins dem Kindergeld vergleichbare Leistungen erhält.

Vergleichbare Leistungen iS von § 8 Abs 1 Nr 2 BKGG sind solche, die ihrem Zweck nach dem deutschen Kindergeld entsprechen, und die auf Grund gesetzlicher Regelungen gezahlt werden. Das ergibt sich aus dem den Gesetzesmaterialien zu entnehmenden Sinn dieser Vorschrift; sie ist § 3 Abs 2 Nr 9 des Kindergeldgesetzes (KGG) vom 13. November 1954 in der durch das Kindergeldänderungsgesetz vom 27. Juli 1957 (BGBl I S 1061) - KGÄndG - eingefügten Fassung nachgebildet. In der Begründung zum Entwurf der Bundesregierung zum KGÄndG heißt es hierzu (Bundestags-Drucksache II/3490 S 10/11): "Für die Kinder von Personen, die die Voraussetzungen für einen Anspruch auf Kindergeld nach dem Kindergeldgesetz erfüllen, werden - insbesondere auf Grund der mit verschiedenen Nachbarstaaten getroffenen Regelungen für Grenzgänger - unter Umständen gleichzeitig Leistungen auf Grund der Gesetzgebung der Nachbarstaaten gewährt. Es entspricht dem Grundsatz des § 3 Abs 1 Satz 1 des Kindergeldgesetzes, wonach Kindergeld nur einmal zu gewähren ist, wenn der Entwurf den Anspruch auf Kindergeld in diesen Fällen ausschließt". Durch den Hinweis auf § 3 Abs 1 KGG kommt zum Ausdruck, daß der Gesetzentwurf dann eine ausländische Leistung als ausreichend für den Anspruchsausschluß nach dem KGG ansah, wenn sie nach ihrem Zweck "Kindergeld" darstellte, da anderenfalls mehr als einmal Kindergeld gewährt würde. Daß die Zahlungen im Ausland auf Grund gesetzlicher Regelungen erfolgen mußten, dh nicht allein auf vertraglicher Vereinbarung oder freiwilliger Verpflichtung beruhen durften, um anspruchsausschließend zu wirken, ist zwar im Gesetz nicht ausdrücklich gesagt; jedoch ergibt sich dies einmal aus dem Wort "vergleichbar", und zum anderen ist es in der oben zitierten Entwurfsbegründung durch die Bezugnahme auf die "Gesetzgebung der Nachbarstaaten" klargestellt. In der Begründung des Entwurfs zum BKGG (BT-Drucks IV/818) ist allerdings zu § 8 Abs 1 Nr 4 (jetzt Nr 2) BKGG lediglich ausgeführt, daß diese Vorschrift § 3 Abs 2 Nr 9 KGG entspreche (aaO S 16). Zu § 7 BKGG heißt es aber dann eindeutig, ein Anspruch auf Kindergeld solle ausgeschlossen sein "wenn für das Kind bereits auf Grund anderer gesetzlicher Vorschriften Leistungen gewährt werden, die dem Kindergeld vergleichbar sind (vgl § 8)" (aaO S 15). Hier wurde somit nochmals als Voraussetzung für die Vergleichbarkeit darauf abgestellt, daß die ausländischen Zahlungen auf Grund der Gesetzgebung der ausländischen Staaten gewährt werden müssen, woraus sich ergibt, daß freiwillige Leistungen der Unternehmer nicht darunter fallen (so zutreffend auch Wickenhagen/Krebs, Bundeskindergeldgesetz, Stand November 1976, RdNr 5 zu § 8).

Von ihrem Zweck her sind die hier streitigen Leistungen vergleichbar. Das deutsche Kindergeld dient dazu, den durch Kinder bedingten erhöhten finanziellen Mehraufwand einer Familie zumindest teilweise auszugleichen (BSGE 26, 160, 162; 30, 239, 240). Die Kindergeldgesetze verfolgen den sozialpolitischen Zweck eines "Familienlastenausgleichs" (Bundesverfassungsgericht - BVerfG - in SozR Nr 63 zu Art 3 GG). Dasselbe gilt für die Zahlungen der Kinderzulagen in der Schweiz. Sie haben den Zweck, die Erfüllung der Unterhaltspflichten zu erleichtern (Vasella, Schweizerische Zeitschrift für Sozialversicherung, 1961, 14,30), also die mit dem Unterhalt der Kinder verbundenen finanziellen Lasten zu vermindern, sie haben somit ebenfalls familienpolitischen Charakter (Vasella aaO S 29; vgl auch Lüthi, Arbeitsrecht und Sozialversicherung, Bern 1974, S 103). Dies wird verdeutlicht durch das an dem Beschäftigungsort des Klägers geltende Gesetz von Basel-Stadt über Kinderzulagen für Arbeitnehmer vom 12. April 1962 idF vom 13. November 1975 (KZLG). Hierin heißt es eingangs: "Der Große Rat, in der Absicht, die Familienlasten teilweise auszugleichen, ohne daß dadurch der Leistungslohn beeinträchtigt wird, erläßt auf den Antrag des Regierungsrates folgendes Gesetz:".

Die an den Kläger gezahlten Kinderzulagen verlieren auch dadurch nicht ihren Charakter als vergleichbare Leistungen iS von § 8 Abs 1 Nr 2 BKGG, weil er sie von seinem Arbeitgeber und nicht von einer staatlichen Stelle erhält. Der im Gesetz verwendete Begriff "gewähren" bedeutet nicht, daß nur staatliche Leistungen den Anspruch auf deutsches Kindergeld ausschließen. Zwar ist es richtig, daß nach allgemeinem Sprachgebrauch "gewähren" hauptsächlich im Zusammenhang mit hoheitlichen Leistungen verwendet wird. Der Gesetzgeber hat diese Wortwahl offenbar in Anlehnung an die derzeitige deutsche Kindergeldregelung getroffen. Nach dem Zweck des § 8 Abs 1 Nr 2 BKGG liegt aber der Schwerpunkt der Regelung nicht auf dem Wort "gewähren", sondern auf dem Begriff "vergleichbar", denn die Regelung soll verhindern, daß Kindergeld für ein Kind aufgewendet wird, für das entsprechende Leistungen bereits gezahlt werden, eine Notwendigkeit für eine Minderung der finanziellen Familienlast deshalb nicht besteht. Da es in erster Linie auf die Tatsache der Zuwendung anderweitiger Geldbeträge zu demselben Zweck ankommt, ist in dieser Vorschrift die Rechtsnatur der auszahlenden Stelle von untergeordneter Bedeutung. Auch eine nicht von einem staatlichen ausländischen Organ zu diesem Zweck gezahlte Leistung ist deshalb vergleichbar iS von § 8 Abs 1 Nr 2 BKGG, wenn sie auf einer gesetzlichen Vorschrift beruht.

An diesem Ergebnis ändert sich nichts durch die sich vom deutschen Rechtszustand unterscheidende Schweizer Regelung über die Aufbringung der Mittel für die Kinderzulagen und die Modalitäten der Auszahlung. Durch die Zahlungsweise - Auszahlung durch die Arbeitgeber, sei es für die Familienausgleichskasse des Kantons (vgl § 4 Abs 2 des Reglements über die Familienausgleichkasse des Kantons Basel-Stadt vom 22. Dezember 1956), sei es für eine andere anerkannte Sozialeinrichtung (§ 12 KZLG) oder schließlich auf Grund eines Gesamtarbeitsvertrages - werden die Kinderzulagen nicht zu leistungsunabhängigen Gehaltsbestandteilen. Die Arbeitgeber erfüllen vielmehr Pflichten, die ihnen der Gesetzgeber des Kantons zur Verwirklichung seiner im Eingang des KZLG genannten Absicht, Familienlasten auszugleichen, auferlegt hat.

Daß die Aufbringung der Mittel in der Schweiz allein durch die Arbeitgeber erfolgt (§ 15 KZLG), während das Kindergeld in der Bundesrepublik aus Steuermitteln gezahlt wird, ändert an der Vergleichbarkeit ebenfalls nichts. Die Art der Finanzierung beeinflußt nicht den Zweck der Kinderzulagen. Dem Gesetzgeber bleibt es bis zu einem gewissen Grade selbst überlassen zu entscheiden, wie er die Aufbringung der Mittel, für gesetzlich festgelegte Leistungen regelt. Auch in der Bundesrepublik hat sich die Finanzierung des Kindergeldes im Laufe der Zeit geändert. Unter der Geltung des KGG vom 13. November 1954 wurde das vom dritten Kind an zu zahlende Kindergeld - ähnlich wie heute in der Schweiz - in der Hauptsache von den Unternehmern (Arbeitgebern) aufgebracht (§ 10 Abs 1 KGG). Das durch das Kindergeldkassengesetz (KGKG) vom 18. Juli 1961 - BGBl I S 1001 - eingeführte Kindergeld für das zweite Kind trug der Bund (§ 20 KGKG), so daß es eine Zeitlang nebeneinander unterschiedliche Finanzierungssysteme für das Kindergeld gab. Erst seit Inkrafttreten des BKGG vom 14. April 1964 (BGBl I S 265) wird das Kindergeld einheitlich aus Steuermitteln gezahlt (§ 16). Der Zweck der Zahlungen (Familienlastenausgleich) hat sich aber während der gesamten Zeit nicht geändert.

§ 8 Abs 1 Nr 2 BKGG verstößt auch nicht gegen Art 3 GG. Wie ausgeführt, soll das BKGG die durch den Unterhalt der Kinder anfallenden finanziellen Familienlasten auf Kosten der allgemeinen Steuermittel in gewissem Umfang ausgleichen (BVerfG in SozR Nr 61 zu Art 3 GG, Ab 51). Schließt der Gesetzgeber einen Personenkreis von der Kindergeldzahlung aus, so ist im Rahmen des Art 3 GG lediglich zu prüfen, ob es für diese Differenzierung einen sachlich einleuchtenden Grund gibt, wobei die dem Gesetzgeber zustehende große Gestaltungsfreiheit zu beachten ist (BVerfG in SozR aaO Ab 51 Rs; vgl auch BVerfG in Deutsches Steuerrecht 1977, 51, 54). Ob eine andere Regelung sozialpolitisch sinnvoller und zweckmäßiger wäre, hat das Gericht im Rahmen des Art 3 GG nicht zu beurteilen (BVerfG in SozR Nr 89 zu Art 3 GG Ab 87). Die in § 8 Abs 1 Nr 2 BKGG vorgenommene Differenzierung ist sachlich einleuchtend. Der in dieser Bestimmung genannte Personenkreis unterscheidet sich von demjenigen, der Anspruch auf Kindergeld nach dem BKGG hat, durch den Empfang ausländischer vergleichbarer Leistungen. Bei diesen Personen besteht deshalb kein Anlaß, auf Kosten der Allgemeinheit Familienlasten zusätzlich teilweise auszugleichen. Der Gesetzgeber will nur die Familien mit Kindern erfassen, die nicht schon auf andere Weise einen gesetzlich abgesicherten Ausgleich für die durch die Kinder bedingten besonderen finanziellen Lasten erhalten. Werden entsprechende Zahlungen durch ausländische Stellen gewährt, ist ein Bedürfnis für einen Ausgleich in dem durch das BKGG festgelegten Umfang nicht vorhanden. Deshalb hat das Kindergeld zu Recht nur subsidiären Charakter (BVerfG in SozR Nr 63 zu Art 3 GG Ab 55 Rs). Die Revision beruft sich für ihre Ansicht nicht auf die Bestimmungen des deutsch-schweizerischen Sozialversicherungsabkommens vom 25. Februar 1964. Daß diese dem gewonnenen Ergebnis nicht entgegenstehen, hat der erkennende Senat im Urteil vom gleichen Tag - Az.: 8/12 RKg 6/76 - im einzelnen dargelegt. Hierauf sowie auf die dort erörterten weiteren Zweifelsfragen wird verwiesen.

Ob die Auffassung des LSG, auch der Anspruch auf das halbe Kindergeld sei hier ausgeschlossen, weil der über den gesetzlichen Mindestbetrag hinausgehende Teil der dem Kläger gewähnten Kinderzulage eine vergleichbare Leistung iS von § 8 Abs 1 Nr 2 BKGG sei, zutrifft, kann auf Grund der bisher getroffenen Feststellungen nicht abschließend entschieden werden. Wie bereits ausgeführt wurde, reicht es für die Vergleichbarkeit nicht aus, daß die ausländische Zahlung denselben Zweck verfolgt wie das deutsche Kindergeld. Sie muß vielmehr auch auf gesetzlicher Grundlage beruhen.

Nach dem kantonalen KZLG ist zwar nur der in § 5 genannte Mindestbetrag der Kinderzulage gesetzlich garantiert. Die Verwendung des Wortes "mindestens" in dieser Vorschrift bedeutet aber, daß auch höhere Beträge als Kinderzulage gewährt werden können. Dieses Wort legt die Annahme nahe, daß der Mindestsatz mit Rücksicht auf finanzschwache Unternehmen verhältnismäßig niedrig festgesetzt werden sollte, daß man aber erwartete, daß von leistungsstärkeren Unternehmen eine höhere Kinderzulage - aufgrund der allgemeinen gesetzlichen Regelung - gewährt würde. Darauf deuten auch die vom LSG angestellten Ermittlungen hin. Eine Entscheidung dieser Frage war jedoch dem Senat verwehrt. Denn das LSG hat dazu unter Bezugnahme auf die Auskunft des schweizerischen Bundesamts für Sozialversicherung vom 2. Juli 1975 folgendes festgestellt: "Liegt ... der Betrag der Kinderzulage über dem vorgeschriebenen Mindestsatz, sei es durch Feststellung der Familienausgleichskasse, sei es durch Regelung im Gesamtarbeitsvertrag oder sei es, daß der einzelne Arbeitgeber eine höhere Kinderzulage freiwillig gewährt, so gilt auch dies stets als eine gesetzliche, nicht aber als eine freiwillige Leistung (Urt S 8). Damit und mit weiteren entsprechenden Ausführungen hat das LSG ausländisches Recht ausgelegt, dessen Nachprüfung dem Revisionsgericht grundsätzlich entzogen ist (§ 162 SGG). Der Senat ist allerdings an die Feststellungen des LSG insoweit nicht gebunden, als zu prüfen ist, ob die vom LSG festgestellte ausländische Leistung dem Kindergeld iS der bundesgesetzlichen Vorschrift des § 8 Abs 1 Nr 2 BKGG "vergleichbar" ist. Diese Frage ist vom Revisionsgericht uneingeschränkt zu prüfen. Nach den obigen Ausführungen müßte aber die "Vergleichbarkeit" verneint werden, wenn es sich bei der Kinderzulage bzw bei dem überschießenden Teil der Kinderzulage um eine auf einem Einzelarbeitsvertrag beruhende freiwillige Leistung handelte, die der Arbeitgeber - wie die Revision vorträgt - jederzeit wieder streichen könnte.

Das Berufungsgericht spricht auf S 8 seines Urteils von einem "Einzelarbeitsvertrag" des Klägers. Es wird - ggf nach Beiziehung des Einzelarbeits- sowie des Gesamtarbeitsvertrages - zu prüfen und festzustellen haben, ob es sich bei den den gesetzlichen Mindestsatz überschreitenden Zahlungen des Schweizer Arbeitgebers um einzelvertraglich vereinbarte freiwillige Leistungen handelt, die womöglich jederzeit eingestellt werden können, oder ob dabei Ansprüche erfüllt werden, die dem Kläger auf Grund eines anerkannten Gesamtarbeitsvertrages zustehen und deshalb auf gesetzlicher Grundlage beruhen. Die Ausführungen des Berufungsgerichts hierzu, der Sachverständige Dr. Z habe das Vorliegen gesetzlicher Ansprüche auch insoweit ausdrücklich mit dem Hinweis auf die Einklagbarkeit dieser Zahlungen bestätigt, reichen nicht aus. Abgesehen davon, daß das LSG anhand der einschlägigen Rechtsvorschriften über die Rechtsnatur der streitigen Leistungen selbst zu entscheiden hat, ist die Einklagbarkeit der Kinderzulagen keine Begründung für ihren Charakter als gesetzliche Leistungen, denn neben jedem gesetzlichen ist auch jeder lediglich vertragliche Anspruch einklagbar. Das LSG wird hierbei insbesondere zu beachten haben, daß der Sachverständige Dr. Z nur die Zahlungen für eine anerkannte Familienausgleichskasse und diejenigen auf Grund eines anerkannten Gesamtarbeitsvertrages als gesetzliche Leistungen bezeichnet hat (Bl 21 SG-Akte).

Andererseits ist die Erfüllung gesetzlicher Ansprüche des Klägers durch die Zahlung der Kinderzulagen nicht deshalb von vornherein zu verneinen, weil das Arbeitsverhältnis in einem "Einzelarbeitsvertrag" geregelt worden ist. Einmal ist das Bestehen eines Gesamtarbeitsvertrages iS der §§ 9, 10 KZLG hierdurch nicht ausgeschlossen, denn auch dann wird das jeweilige Arbeitsverhältnis einzelvertraglicher Ausgestaltung bedürfen. Ferner besteht die Möglichkeit, daß der Arbeitgeber des Klägers einer Familienausgleichskasse angehört und daß er deswegen die ihm obliegende Pflicht zur Auszahlung der - gesetzlichen - Kinderzulage in die mit den Arbeitnehmern geschlossenen Arbeitsverträge aufgenommen hat. Und drittens kann der in § 11 KZLG genannte Rechtszustand in Betracht kommen; in dieser Vorschrift heißt es: "Wird in einem Betrieb die Mehrheit des Personals von einem oder mehreren anerkannten Gesamtarbeitsverträgen erfaßt, so befreit auf Gesuch hin das Departement des Innern den ganzen Betrieb von der Beitrittspflicht zu einer Familienausgleichskasse, sofern auch den keinem anerkannten Gesamtarbeitsvertrag unterstehenden Arbeitnehmern die gesetzlichen Leistungen zukommen". Das LSG wird zu prüfen haben, ob ähnliches für alle anerkannten Gesamtarbeitsverträge gilt und ob insbesondere im letzteren Falle die Kinderzulagen eindeutig als vom Departement des Innern genehmigte, auf gesetzlicher Grundlage beruhende Leistungen anzusehen sind mit der Maßgabe, daß dies auch für die die Mindestsätze übersteigenden Beträge gilt. Im übrigen können offenbar auch die Familienausgleichskassen über die vorgeschriebenen Mindestsätze hinausgehen (vgl Auskunft vom 2. Juli 1975); dadurch würde sich an der "Vergleichbarkeit" der ganzen Leistung mit dem Kindergeld nichts ändern.

In Bezug auf die Höhe der dem Kläger gewährten einzelnen Kinderzulagen wird das LSG auch zu ermitteln haben, ob sich diese nicht inzwischen geändert haben. Die vom Arbeitgeber des Klägers ausgestellte "Bestätigung" stammt vom 5. September 1975. Bereits geraume Zeit vor dem Erlaß der angefochtenen Entscheidung des LSG am 7. September 1976 betrug die gesetzliche Kinderzulage in B nicht - wie in der Bestätigung aufgeführt - 50 SFR, sondern mindestens 80 SFR (§ 5 KZLG - zuletzt geändert durch Gesetz vom 13. November 1975 -). Es ist deshalb nicht ausgeschlossen, daß sich auch die entsprechenden Zahlungen an den Kläger verändert haben oder daß gar keine überschießende Leistung mehr gewährt wird. Soweit die vergleichbaren Kinderzulagen geringer als das Kindergeld sind, ist dies für einen etwaigen Anspruch auf das halbe Kindergeld nach § 8 Abs 2 BKGG von Bedeutung. Danach kann das Kindergeld zur Hälfte geleistet werden, wenn die andere - dh die in § 8 Abs 1 Nr 2 BKGG genannte vergleichbare - Leistung 75 vH des Kindergeldes nicht erreicht. Für die Kinder C und F ist ein solcher Anspruch allerdings nicht im Streit, da die Beklagte für sie bereits das halbe Kindergeld gewährt. Für das erste Kind C erscheint eine solche Zahlung ausgeschlossen, da die Schweizer Mindest-Kinderzulage 75 vH des in Deutschland sonst zu beanspruchenden Kindergeldes in Höhe von 50,- DM (§ 10 BKGG) ohnehin übersteigt. Die Revision weist aber zutreffend darauf hin, daß eine entsprechende Zahlung für das zweite Kind S - bei einem entsprechenden Stand des Devisenkurses - in Betracht kommt, jedenfalls sofern der überschießende Betrag eine rein freiwillige Zusatzleistung sein sollte und solange die in B zu gewährende Mindest-Kinderzulage 50 SFR betrug. Das deutsche Kindergeld würde für Stefanie derzeit 70,- DM ausmachen (§ 10 BKGG). Das LSG wird nun die hiernach erforderlichen Feststellungen nachzuholen haben.

Nach alledem war, wie geschehen, zu erkennen.

Das LSG wird auch über die Kosten des Verfahrens zu entscheiden haben.

 

Fundstellen

Dokument-Index HI1654289

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