Leitsatz (redaktionell)

Für den Ausschluß des Kindergeldanspruchs ist eine Personenidentität zwischen dem Antragsteller und dem Empfänger der für dasselbe Kind gezahlten Kinderzulagen aus der gesetzlichen Unfallversicherung oder Kinderzuschüssen aus einer der gesetzlichen Rentenversicherung nicht notwendig.

 

Orientierungssatz

Der Ausschluß der Kindergeldgewährung bei Bezug von dem Kindergeld vergleichbaren Leistungen aus öffentlichen Mitteln verstößt auch seit dem Inkrafttreten des EStRG nicht gegen das GG.

 

Normenkette

BKGG § 8 Abs. 1 Nr. 1 Fassung: 1964-04-14; GG Art. 3 Abs. 1 Fassung: 1949-05-23, Art. 6 Abs. 1 Fassung: 1949-05-23; EStRG Fassung: 1974-08-05

 

Verfahrensgang

LSG Baden-Württemberg (Entscheidung vom 27.04.1976; Aktenzeichen L 5 Kg 1638/75)

SG Stuttgart (Entscheidung vom 09.09.1975; Aktenzeichen S 5 Kg 1065/75)

 

Tenor

Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 27. April 1976 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

 

Tatbestand

Streitig ist, ob dem Kläger ab 1. Januar 1975 Kindergeld für seine vier Kinder zusteht, obwohl er Kinderzuschüsse bzw Kinderzulagen aus der gesetzlichen Renten- und Unfallversicherung erhält.

Der Kläger hat vier Kinder. Für zwei dieser Kinder aus erster Ehe bezieht er Kinderzuschüsse von der Bundesversicherungsanstalt für Angestellte (BfA) und für alle vier Kinder Kinderzulagen aus der gesetzlichen Unfallversicherung von der Berufsgenossenschaft für Feinmechanik und Elektrotechnik (BG). Diese wurden vom 1. Januar 1975 bis 30. Juni 1975 in Höhe von monatlich insgesamt 380,10 DM und ab 1. Juli 1975 in Höhe von monatlich 550,80 DM gewährt.

Die Beklagte (Arbeitsamt S) lehnte den Antrag des Klägers vom September 1974, ihm ab 1. Januar 1975 Kindergeld zu gewähren, mit Bescheid vom 14. Oktober 1974 ab. Ebenso wies sie den Widerspruch mit Bescheid vom 22. April 1975 zurück. Das Sozialgericht (SG) hat die Klage abgewiesen (Urteil vom 9. September 1975). Das Landessozialgericht (LSG) hat die Berufung zurückgewiesen (Urteil vom 27. April 1976) und zur Begründung ua ausgeführt: Der Kindergeldanspruch des Klägers sei ausgeschlossen, weil er für seine Kinder Kinderzuschüsse aus der Rentenversicherung bzw Kinderzulagen aus der Unfallversicherung erhalte (§ 8 Abs 1 Nr 1 des Bundeskindergeldgesetzes - BKGG -). Diese Bestimmung sei auch nicht verfassungswidrig. Der allgemeine Gleichheitssatz des Art 3 des Grundgesetzes (GG) sei nur verletzt, wenn der Gesetzgeber versäume, tatsächliche Gleichheiten oder Ungleichheiten der zu ordnenden Lebensverhältnisse zu berücksichtigen, die so bedeutsam seien, daß sie bei einer am Gerechtigkeitsgedanken orientierten Betrachtungsweise beachtet werden müßten. Das sei bei der Regelung des § 8 Abs 1 Nr 1 BKGG nicht der Fall. Mit diesem Ausschlußtatbestand werde die Vermeidung von Doppelleistungen für den Fall bezweckt, daß eine Person, bei der die Anspruchsvoraussetzungen nach dem BKGG dem Grunde nach vorlägen, aufgrund anderer gesetzlicher Bestimmungen dem Kindergeld entsprechende Leistungen erhalte. Die Mittel, aus denen derartige Leistungen der gesetzlichen Rentenversicherungen gezahlt würden, würden nur zum Teil von der Versichertengemeinschaft aufgebracht, zum anderen Teil stammten sie aus Mitteln der öffentlichen Hand. Es handele sich also auch dabei um öffentlich-rechtliche Leistungen. Im übrigen werde der Kläger durch die jetzige gesetzliche Regelung besser gestellt als ein Vater, der keine Renten beziehe. Dieser hätte bei vier Kindern einen monatlichen Kindergeldanspruch von 360,- DM, der Kläger dagegen beziehe allein aus den Kinderzulagen der gesetzlichen Unfallversicherung vom 1. Januar bis 30. Juni 1975 monatlich 380,10 DM und ab 1. Juli 1975 monatlich 550,80 DM. Ein Verstoß gegen den Gleichheitssatz ergebe sich auch nicht daraus, daß der Ortszuschlag für Beamte, Richter und andere Angehörige des öffentlichen Dienstes ab 1. Januar 1975 geringfügig erhöht worden sei. Bei der Durchführung freiwilliger Förderungsmaßnahmen stehe es dem Gesetzgeber weitgehend frei, wie er die eingesetzten Mittel verteilen wolle. Entscheidend sei nur, daß die Leistungen nicht nach unsachlichen Gesichtspunkten und nicht willkürlich gewährt würden. Ein Anlaß, die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts einzuholen, habe nicht bestanden.

Zur Begründung seiner, von dem LSG zugelassenen Revision trägt der Kläger ua vor: Kinderzuschüsse und Kinderzulagen aus der gesetzlichen Renten- bzw. Unfallversicherung seien keine dem Kindergeld entsprechende Leistungen, sondern Bestandteile der Rente selbst. Die Leistungen der Rentenversicherungen würden im wesentlichen aus Mitteln geleistet, die die Versichertengemeinschaft aufgebracht habe. Es handele sich dabei also nicht um eine vom Ursprung der Leistung her dem Kindergeld vergleichbare Leistung der öffentlichen Hand. Ab 1. Januar 1975 seien die steuerlichen Kinderfreibeträge weggefallen. Das Kindergeld habe einen Ausgleich für diesen Wegfall schaffen sollen, was sich auch daraus ergebe, daß im öffentlichen Dienst der Ortszuschlag erhöht worden sei. Der Ausschluß des Kindergeldes nach § 8 Abs 1 Nr 1 BKGG könnte allenfalls insofern gerechtfertigt sein, als er allein auf "Nurrentner" angewendet werde. Der Kläger gehöre aber zur Gruppe der Rentner, die neben ihrer Rente noch ein laufendes Arbeitseinkommen beziehen. Bei dieser Gruppe hätten sich früher die Kinderfreibeträge zumindest hinsichtlich des Einkommens aus bezahlter Tätigkeit sehr erheblich ausgewirkt. Nach dem Wegfall der Freibeträge müßte daher auch diese Gruppe von Rentnern ebenso das Kindergeld beanspruchen können wie alle anderen Erwerbstätigen. Andernfalls würden die erwerbstätigen Rentner gegenüber den nicht rentenberechtigten Erwerbstätigen diskriminiert. Der Anspruch auf Kindergeld beruhe auf einem völlig anderen Tatbestand, als er dem Bezug des Kinderzuschlags zur Rente zugrunde liege. Von einer Doppelleistung könne daher nicht gesprochen werden. Auch gewähre der Staat keine Zuschüsse zur Unfallversicherung. Es sei daher kein sachlich einleuchtender Grund zu erkennen, daß das Kindergeld aus dieser Versicherung das staatliche Kindergeld ausschließe, während Kindergeldleistungen aus anderen berufsständischen Versicherungen das nicht bewirkten. Zu den Rentenversicherungen würden zwar staatliche Zuschüsse gezahlt, diese seien aber im Verhältnis zu den Beiträgen nur sehr gering (im Jahre 1975 bei der BfA ca. 6 %).

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Landessozialgerichts vom 27. April 1976 abzuändern und unter Aufhebung des Bescheides vom 14. Oktober 1974 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 22. April 1975 die Beklagte zu verurteilen, dem Kläger ab 1. Januar 1975 Kindergeld zu gewähren, hilfsweise, das Verfahren gemäß Art 100 GG auszusetzen und eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zur Frage der Verfassungsmäßigkeit des § 8 Abs 1 Nr 1 BKGG einzuholen.

Die Beklagte beantragt,

die Revision zurückzuweisen.

Sie hält § 8 Abs 1 Nr 1 BKGG für verfassungskonform, weil die dort genannten Leistungen aus der Sozialversicherung dem Kindergeld vergleichbar seien. Es handele sich um Leistungen aus öffentlichen Mitteln, und die Kinderzulagen bzw Kinderzuschüsse lägen betragsmäßig stets über dem staatlichen Kindergeld. Eine Aufstockung der Leistungen aus der Sozialversicherung durch Kindergeld sei nach dem Gedanken der Harmonisierung des Kinderlastenausgleichs nicht wünschenswert. Die Verbesserung des Kindergeldes vom 1. Januar 1975 im Rahmen der Neuordnung des Familienlastenausgleichs habe nicht allein die Aufgabe einer Kompensation von Rechtsverschlechterungen auf anderen Gebieten gehabt. Daß der Kläger tatsächlich durch den Wegfall des steuerlichen Kinderfreibetrages schlechter gestellt sei als vorher, bedeute noch keine Verletzung des Gleichheitssatzes.

Beide Beteiligten sind mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung (§ 124 Abs 2 des Sozialgerichtsgesetzes - SGG -) einverstanden.

 

Entscheidungsgründe

Die durch Zulassung statthafte sowie form- und fristgerecht eingelegte und begründete Revision des Klägers konnte keinen Erfolg haben.

Das LSG hat die Voraussetzungen für das von dem Kläger ab 1. Januar 1975 für seine vier Kinder begehrte Kindergeld verneint, weil er für sie zum Teil Kinderzuschüsse aus der gesetzlichen Rentenversicherung und für alle Kinder Kinderzulagen aus der gesetzlichen Unfallversicherung bezieht, wobei sich das LSG darauf beschränkte, betragsmäßig allein auf letztere abzustellen. Nach den nicht angegriffenen Feststellungen des LSG betrugen diese in der Zeit vom 1. Januar bis 30. Juni 1975 monatlich 380,10 DM und ab 1. Juli 1975 monatlich 550,80 DM. Die Kinderzulagen übersteigen also den gesetzlichen Kindergeldanspruch nach § 10 BKGG in der ab 1. Januar 1975 geltenden Fassung (vgl § 8 Abs 2 BKGG). Dieser hätte ab 1. Januar 1975 monatlich 360,- DM betragen und würde sich ab 1. Januar 1978 auf 430,- DM belaufen. Das LSG hat zwar nicht festgestellt, welcher Betrag auf das jeweilige Kind entfällt; aus den Verwaltungsakten ergibt sich jedoch, daß die BG den Durchschnittsbetrag von 95,024 DM zugrundegelegt und ihn mit 4 vervielfacht hat (vgl § 583 Abs 2 Satz 1 RVO idF des Einführungsgesetzes des Einkommensteuerreformgesetzes (EStRG) vom 21. Dezember 1974 - BGBl I 3656, 3668 - Art 28 Nr 3 iVm § 12 Abs 4 BKGG).

Diese Entscheidung ist im Ergebnis nicht zu beanstanden. Nach § 8 Abs 1 Nr 1 BKGG in der ab 1. Januar 1975 geltenden Fassung vom 31. Januar 1975 (BGBl I 412, 413 - vgl auch Art 2 Nr 7 des EStRG vom 5. August 1974 (BGBl I 1769, 1847) wird Kindergeld nicht für ein Kind gewährt, für das einer Person, bei der das Kind nach § 2 Abs 1 berücksichtigt wird, Kinderzulagen aus der gesetzlichen Unfallversicherung oder Kinderzuschüsse aus den gesetzlichen Rentenversicherungen zustehen. Die Revision verkennt offenbar insoweit auch nicht, daß dieser Ausschlußtatbestand erfüllt ist. Sie hält diese Regelung jedoch nicht für verfassungsmäßig. Das trifft aber nicht zu.

Seit der erstmaligen Einführung eines gesetzlichen Kindergeldes mit dem Kindergeldgesetz vom 13. November 1954 - KGG - (BGBl I, 333) war der Kindergeldanspruch ausgeschlossen bzw. betragsmäßig eingeschränkt, wenn für Kinder öffentlich-rechtliche Leistungen bestimmter Art gewährt wurden (vgl § 3 Abs 2 KGG). Dazu gehörten von jeher die Kinderzulagen bzw. -zuschüsse aus der gesetzlichen Unfallversicherung und den gesetzlichen Rentenversicherungen (§ 3 Abs 2 Nr 3 KGG idF vom 13. November 1954 sowie § 3 Abs 2 Nr 7 KGG idF des Kindergeldergänzungsgesetzes vom 23. Dezember 1955 - KGEG - BGBl I, 841 - § 10 Nr 3; § 2 Abs 1 KGEG; § 3 Abs 3 Kindergeldkassengesetz vom 18. Juli 1961 - KGKG - - BGBl I, 1001 -; § 8 Abs 1 Nr 1 des Bundeskindergeldgesetzes vom 14. April 1964 - BKGG aF - BGBl I, 265, der bis heute unverändert fortgilt). Dieser Ausschluß rechtfertigt sich aus dem das gesamte Kindergeldrecht beherrschenden Grundsatz, Doppelleistungen für dasselbe Kind auszuschließen (BSG in SozR Nr 4 zu § 3 KGG). Kindergeld soll danach nicht neben den in anderen Sozialgesetzen vorgesehenen Leistungen gewährt werden. Aus diesem Grunde sah das BKGG aF in den §§ 7 und 8, ähnlich wie bereits in den früheren Kindergeldgesetzen, den Ausschluß von Personenkreisen vor, die Kinderzuschläge nach besoldungsrechtlichen oder versorgungsrechtlichen oder nach anderen sozialrechtlichen Vorschriften erhalten. Für den Gesetzgeber war dabei ausschlaggebend, daß die in den Ausnahmebestimmungen aufgezählten Leistungen mit dem Kindergeld vergleichbar sind (BT-Drucks IV/818 S 15 zu § 7). Ebenso wie die in dem bis zum 31. Dezember 1974 geltenden § 7 BKGG aF aufgeführten Leistungen wurzeln auch die Kinderzulagen bzw -zuschüsse aus der gesetzlichen Unfallversicherung und den gesetzlichen Rentenversicherungen in sozialen und fürsorgerischen Erwägungen, wobei es unerheblich ist, daß jene nach außen als Teil der Dienstbezüge und diese als Teil der Renten in Erscheinung treten. Im übrigen stellt die Kindergeldgesetzgebung nur eine der besonderen Formen von Kinderbeihilfen dar, die sich im Laufe einer langen Entwicklung herausgebildet haben, woraus sich die verschiedenen finanziellen Quellen erklären, aus denen die unterschiedlichen Leistungen fließen (BSGE 26, 160, 163). Die Kindergeldgesetzgebung begründet deshalb - ohne daß der Gleichheitssatz verletzt wäre - auch heute noch kein einheitliches System der Kinderbeihilfe (vgl BVerfGE 11, 105, 115). Das Bundesssozialgericht (BSG) hat demgemäß keinen Verstoß, insbesondere gegen den allgemeinen Gleichheitssatz des Art 3 des Grundgesetzes (GG), gesehen, wenn der Gesetzgeber die Bezieher von Leistungen, die dem Kindergeld vergleichbar sind, von der Kindergeldgewährung ausschließt (BSGE 26, 160, 162, 163 zu § 7 BKGG aF). Was insoweit für die in dem früheren § 7 BKGG aF genannten Leistungen gilt, kann für die Kinderzulagen bzw -zuschüsse des § 8 Abs 1 Nr 1 BKGG nicht abweichend beurteilt werden. So hat der 7. Senat des BSG in der genannten Entscheidung vom 23. März 1971 (SozR Nr 4 zu § 3 KGG) unter Hinweis auf den Beschluß des Bundesverfassungsgerichts vom 11. Juli 1967 (BVerfGE 22, 163 ff = SozR Nr 63 zu Art 3 GG) keinen Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit des dem jetzigen § 8 Abs 1 Nr 1 BKGG entsprechenden § 3 Abs 2 Nr 7 KGG gehabt und dort den Kindergeldanspruch des Vaters verneint, weil der Großvater des Kindes für das Kind einen Kinderzuschuß aus der gesetzlichen Rentenversicherung erhielt. In gleichem Sinne hat das BSG zu § 8 Abs 1 Nr 1 BKGG entschieden (vgl SozR Nr 3 zu § 8 BKGG S Aa 6). Das Bundesverfassungsgericht hat in der Entscheidung in BVerfGE 22, 163 die Verfassungsmäßigkeit des § 3 Abs 1 KGKG grundsätzlich bejaht, weil die Kindergeldgesetze allgemein dem sozialpolitischen Zweck dienten, einen "Familienlastenausgleich" herbeizuführen und der Gesetzgeber gerade diejenigen kinderreichen Familien habe erfassen wollen, die nicht schon auf andere Weise aus öffentlichen Mitteln einen Ausgleich für die durch Kinder bedingten besonderen Lasten erhalten. Unter diesem Gesichtspunkt erscheine es sachgerecht, wenn nach dem Grundgedanken des § 3 Abs 1 KGKG, ebenso wie nach § 3 Abs 2 KGG und § 7 Abs 1 BKGG, das Kindergeld nur subsidiären Charakter habe und entfallen solle, wenn bereits aus anderem Rechtsgrund eine vergleichbare Kinderbeihilfe aus öffentlichen Mitteln gezahlt werde (aaO S 168). Aus diesen von dem Bundesverfassungsgericht wiederholt gebilligten Grundsätzen des Kindergeldrechts (vgl auch BVerfGE 22, 100 ff, 105) vermag auch der erkennende Senat in der Regelung des § 8 Abs 1 Nr 1 BKGG keinen Verstoß gegen Verfassungsnormen zu erkennen. Dabei kann es nicht entscheidend darauf ankommen, ob die Mittel für die Zahlungen der allgemeinen Leistungen der Unfall- oder Rentenversicherung durch Beiträge der Unternehmer, Arbeitgeber oder der Beschäftigten oder auch zum Teil aus Steuermitteln aufgebracht werden. Denn gerade die hier streitigen Kinderzulagen bzw -zuschüsse sind Leistungen, die ihrer Höhe nach nicht von den Beiträgen abhängig sind, die für oder von dem Versicherten oder Beitragspflichtigen aufgebracht werden. Diese Zuschüsse dienen allein der Minderung der durch Kinder erhöhten finanziellen Belastung und hängen - neben der gesetzlich bestimmten Höhe (bzw Mindesthöhe) - in den Rentenversicherungen nur von der Zahl der Kinder, in der Unfallversicherung zusätzlich von der Höhe der Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) bzw. der Rente ab (§ 1262 RVO, § 39 AVG, § 583 RVO). Sie unterscheiden sich daher in ihrer rechtlichen Qualität im Rahmen des Familienlastenausgleichs nicht von den Kinderzulagen, die Arbeitnehmer des öffentlichen Dienstes bis zum 31. Dezember 1974 erhielten und die nach § 7 BKGG aF und den früheren entsprechenden Regelungen den Anspruch auf Kindergeld ausschlossen, wobei die tatsächliche Höhe dieser vergleichbaren Leistungen zB bei dem Zweitkindergeld nach dem KGKG nicht immer von Bedeutung war (vgl dazu BSG, Urteil vom 3. Juni 1965 - 7 RKg 16/63 S 8, 10 - SozR KGKG § 35 Nr 1).

Mit dem EStRG ist der gesetzliche "Familienlastenausgleich" umgestaltet worden. Einerseits ist der Kinderfreibetrag der Einkommensteuer (§ 32 EStG aF) weggefallen (Art 1 Nr 40 EStRG), andererseits wurde die Bezugsberechtigung des Kindergeldes mit der Neufassung der §§ 1 und 10 BKGG (Art 2 Nrn 1 und 9 EStRG) auf das erste Kind ausgedehnt und die Leistungen auf 50,- für das erste, 70,- DM für das zweite und 120,- DM für das dritte und jedes weitere Kind erhöht. Ab 1. Januar 1978 verbessern sich diese Leistungen für das zweite Kind auf 80,- DM und die weiteren Kinder auf je 150,- DM monatlich (Art 2 des Steueränderungsgesetzes 1977 vom 16. August 1977 - BGBl I, 1586 -). Unverändert geblieben ist jedoch weiterhin § 8 Abs 1 Nr 1 BKGG, während dessen § 7 weggefallen ist (Art 2 Nr 6 EStRG), nachdem die dort aufgeführten Leistungen weitgehend nicht mehr gewährt werden. Die Ausschlußtatbestände sind nunmehr in § 8 BKGG zusammengefaßt.

Der Kinderzuschuß aus den gesetzlichen Rentenversicherungen (jährlich ein Zehntel der allgemeinen Bemessungsgrundlage - § 1262 Abs 4 RVO, § 39 Abs 4 AVG -) hat sich von 1957 bis heute von 35,70 DM auf 152,90 DM erhöht und wird nach wie vor unabhängig von der individuellen Rentenhöhe und den früher gezahlten Versicherungsbeiträgen gezahlt. Dies hat auch das BVerfG in drei im wesentlichen gleichgelagerten Fällen - (Beschlüsse vom 9. August 1977 - 1 BvR 274/75; 1 BvR 220/75 und 1 BvR 452/74) betont. Die Kinderzulage aus der gesetzlichen Unfallversicherung für Schwerverletzte beträgt 10 vH der Verletztenrente, wobei gewisse Mindestbeträge gelten (vgl § 583 Abs 1 und 2 RVO). Ab 1. Januar 1975 darf sie das auf das Kind entfallende Kindergeld nicht unterschreiten (§ 583 Abs 2 Satz 1 RVO idF des Art 28 Nr 3 Buchst a) des Einführungsgesetzes zum EStRG vom 21. Dezember 1974 - BGBl I 3656). Die Neuregelung des Familienlastenausgleichs stellt allerdings Rentnerfamilien mit Kindern, die deshalb steuerpflichtig sind, weil sie neben der Rente sonstige steuerpflichtige Einkünfte, sei es durch den Rentner, sei es durch dessen Ehegatten, haben, insoweit gegenüber dem bis zum 31. Dezember 1974 bestehenden Rechtszustand schlechter, als ihnen kein steuerlicher Kinderfreibetrag mehr eingeräumt wird, sie aber weiterhin vom Kindergeldbezug ausgeschlossen bleiben. Rentnerfamilien ohne steuerpflichtiges Einkommen dagegen erfahren keine Verschlechterung, und bei Familien, in denen keiner der Ehegatten Rentner ist, erfolgt je nach der Höhe des Einkommens ein gewisser Ausgleich zB durch die Verbesserung der Kindergeldleistungen.

Dadurch werden die Betroffenen jedoch, wie das BVerfG in den genannten Beschlüssen ausgeführt hat, nicht in ihren durch die Verfassung gewährleisteten Rechten beeinträchtigt; denn niemand hat einen verfassungsrechtlich garantierten Anspruch auf Fortbestand einer steuerlichen Regelung. Das in Art 6 Abs 1 GG enthaltene Gebot, die Familie durch geeignete Maßnahmen zu fördern, geht nicht so weit, daß der Staat gehalten wäre, jegliche die Familie treffende Belastung auszugleichen oder jeden Unterhaltspflichtigen zu entlasten (BVerfGE 28, 104, 113; 40, 121, 132; 43, 108, 121). Die steuerliche Entlastung oder das Kindergeld ist nicht die einzige Leistung, die der Staat für Kinder erbringt und durch die er die Eltern wirtschaftlich entlastet. So trägt er etwa ein Schul-, Bildungs- und Ausbildungssystem zum ganz überwiegenden Teil aus Haushaltsmitteln, das den Eltern von in Schul- oder Berufsausbildung stehenden Kindern zugute kommt. Dazu kommen Leistungen des Staates nach dem Bundesausbildungsförderungsgesetz (BVerfGE 43, 108, 121).

Das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) hat es deshalb grundsätzlich mit Art 3 Abs 1 und Art 6 GG für vereinbar gehalten, daß im Rahmen der Neuregelung des Familienlastenausgleichs die Kinderfreibeträge des früheren § 32 EStG aF fortgefallen sind. Der Gesetzgeber könne nämlich im Rahmen seiner Gestaltungsfreiheit bestimmen, auf welche Weise er den ihm aufgetragenen besonderen Schutz von Ehe und Familie verwirklichen wolle. Ob und gegebenenfalls in welchem Umfang die Förderung gerade mit steuerlichen Mitteln erfolgen solle, sei weitgehend seiner Entscheidung anheimgestellt (BVerfGE 43, 108, 121, 124). Im übrigen hat das BVerfG in den genannten Beschlüssen einerseits darauf abgehoben, daß gleichzeitig mit dem Wegfall des steuerlichen Kinderfreibetrages die Leistungen nach dem BKGG verbessert worden sind. Anderseits hat es für Rentnerfamilien aufgezeigt, in welch erheblichem Umfang der Kinderzuschuß zur gesetzlichen Rentenversicherung seit 1957 erhöht worden ist, nämlich von 35,70 DM auf 152,90 DM. Auch hier ist die Kinderzulage ab 1. Juli 1975 beträchtlich (auf 550,80 DM) erhöht worden. Überdies sieht § 32 EStG in der Fassung des EStRG vor, daß einem Steuerpflichtigen unter gewissen Voraussetzungen ein Haushaltsfreibetrag von 3.000,- DM gewährt wird, wenn er "mindestens ein Kind hat". Ferner hat der Gesetzgeber eine Reihe von weiteren steuerlichen Entlastungen für Kinder vorgesehen, auf die das BVerfG in der Entscheidung vom 23. November 1976 im einzelnen hingewiesen hat (vgl BVerfGE 43, 108, 122 ). Es kann unter diesen Umständen nicht festgestellt werden, daß die familienfördernden Maßnahmen bei Rentnerfamilien mit Kindern völlig unzureichend seien und der Gesetzgeber deshalb gegen das oben genannte Gebot des Art 6 GG verstoßen hätte (so auch BVerfGE 43, 108, 122). Das BVerfG hat unter den gegebenen Umständen in den oben genannten drei Fällen die Verfassungsbeschwerden nicht zur Entscheidung angenommen, weil sie keine hinreichende Aussicht auf Erfolg haben (Beschlüsse vom 9. August 1977 - 1 BvR 274/75; 1 BvR 220/75; 1 BvR 452/74 -). Der Steuergesetzgeber habe die etwaige soziale Schutzbedürftigkeit der Rentnerfamilie mit Kindern gebührend berücksichtigt, und es begegne keinen verfassungsrechtlichen Bedenken, wenn er die Kumulierung von Kindergeld und Kinderzuschuß aus der gesetzlichen Rentenversicherung ausschließe, weil der Kinderzuschuß nicht zu den beitragsorientierten Versicherungsleistungen gehöre, sondern fürsorgerischen Charakter trage. Er bringe das allgemeine sozialpolitische Anliegen des Familienlastenausgleichs im abgegrenzten Bereich des Rentenversicherungsrechts zum Ausdruck. Der BVerfG hat im übrigen darauf hingewiesen, daß auch die besitzstandwahrende Regelung im Beamtenbesoldungsrecht keine andere Beurteilung erlaube, weil die dadurch begünstigte Personengruppe nicht nur den Steuervorteil verloren habe, sondern auch die sie bis dahin begünstigende Regelung über den Kinderzuschlag im öffentlichen Dienst geändert worden sei. Den Rentnern sei hingegen der Anspruch auf Kinderzuschuß in der für sie gegenüber dem Kindergeld günstigeren Höhe erhalten geblieben.

Die gleichen Grundsätze gelten auch für die Kinderzulagen aus der gesetzlichen Unfallversicherung, zumal es dort grundsätzlich keine "Versichertengemeinschaft", auf die die Revision abhebt, in dem Sinne gibt, wie dies bei der gesetzlichen Rentenversicherung der Fall ist. Denn in der gesetzlichen Unfallversicherung werden die Beiträge im Grundsatz allein von den Unternehmern für die bei ihnen beschäftigten Arbeitnehmer aufgebracht (§ 723 RVO). Die Höhe der von den Unternehmern zu entrichtenden Beiträge richtet sich in der Regel nach dem Entgelt der Versicherten und nach dem Grade der Unfallgefahr in dem Unternehmen (§ 725 Abs 1 RVO). Die gesetzliche Unfallversicherung bezweckt sonach ihrem Wesen nach, die Haftpflicht der Unternehmer gegenüber ihren Arbeitern durch eine öffentlich-rechtlich geregelte Unfallversicherung zu ersetzen (vgl Lauterbach, Gesetzliche Unfallversicherung 3. Auflage, Band 1 Stand Juli 1977 S 51). Die Kinderzulagen sind zwar Bestandteil der Rente (Lauterbach aaO Anm 8a zu § 583 RVO), sie werden aber nicht wegen der durch den Arbeitsunfall bedingten MdE, sondern nur wegen des Vorhandenseins von Kindern des Verletzten gezahlt, und zwar von einer höheren MdE an (50 vH). Da ihre Zahlung nicht auf privat-rechtlichen Abmachungen - etwa zwischen Unternehmern und Arbeitnehmern -, sondern auf gesetzlicher, öffentlich-rechtlicher Verpflichtung der Unfallversicherungsträger beruht, stellen sie - soweit sie dem Verletzten tatsächlich zustehen - einen gesetzlichen "Familienlastenausgleich" im obigen Sinne dar und sind sonach mit dem Kindergeld vergleichbar. Da - wie oben erwähnt - das BVerfG in BVerfGE 22, 163, 168 schon betont hat, es erscheine sachgerecht, wenn das Kindergeld nur subsidiären Charakter habe und entfallen solle, wenn bereits aus anderem Rechtsgrund eine vergleichbare Kinderbeihilfe aus öffentlichen Mitteln gezahlt werde, ist auch hinsichtlich der Kinderzulagen aus der Unfallversicherung ein Verstoß gegen Verfassungsnormen nicht ersichtlich.

Nach alledem war die Revision mit der Kostenfolge aus § 193 SGG als unbegründet zurückzuweisen, ohne daß dem Hilfsantrag stattzugeben war.

 

Fundstellen

Dokument-Index HI1654346

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