Entscheidungsstichwort (Thema)
Minderung des Zuschusses zu Vorruhestandsaufwendungen
Leitsatz (amtlich)
§ 3 Abs 5 VRG (Minderung des Zuschusses zu Vorruhestandsaufwendungen) findet auf nicht konkursfähige Arbeitgeber keine Anwendung.
Orientierungssatz
Dem inneren Zusammenhang der Vorschriften der §§ 3 Abs 5 und 9 Abs 1 VRG läßt sich entnehmen, daß der einprozentige Abschlag dann nicht eingreifen soll, wenn feststeht, daß sich das durch die Bundesanstalt für Arbeit abzusichernde Risiko nicht realisieren wird.
Normenkette
VRG § 3 Abs 1, § 3 Abs 5, § 9 Abs 1
Verfahrensgang
Bayerisches LSG (Entscheidung vom 28.07.1988; Aktenzeichen L 9 Al 115/87) |
SG München (Entscheidung vom 16.01.1987; Aktenzeichen S 5 Al 689/85) |
Tatbestand
Der Kläger erstrebt einen höheren Zuschuß zu den Aufwendungen für Vorruhestandsleistungen.
Er betreibt das St. H. in M. als einen nach kaufmännischen Grundsätzen geführten Wirtschaftsbetrieb ohne eigene Rechtspersönlichkeit. Er zahlte aufgrund Tarifvertrages zur Einführung einer Vorruhestandsregelung für die Brauwirtschaft ua in Bayern zwischen dem Deutschen Brauer-Bund e.V. einerseits und der Gewerkschaft Nahrung-Genuß-Gaststätten andererseits vom 14. Juni 1984, der keine sog Insolvenzsicherung enthält, einem ausgeschiedenen Arbeitnehmer Vorruhestandsgeld (Vog). Die Beklagte gewährte dem Kläger zu seinen Aufwendungen für die Zeit vom 1. Oktober 1984 bis 31. Januar 1985 einen Zuschuß in Höhe von 34 vH (Bescheid vom 27. Februar 1985). Der Widerspruch, mit dem der Kläger einen Zuschuß in Höhe von 35 vH verlangte, blieb ohne Erfolg (Widerspruchsbescheid vom 9. Mai 1985). Das Sozialgericht (SG) hat die Beklagte unter Zulassung der Berufung zur Zahlung eines Zuschusses in Höhe von 35 vH der Vorruhestandsleistungen des Klägers verurteilt (Urteil vom 16. Januar 1987). Das Landessozialgericht (LSG) hat die Berufung der Beklagten zurückgewiesen (Urteil vom 28. Juli 1988).
Zur Begründung seiner Entscheidung hat das LSG ausgeführt: Der Zuschuß betrage grundsätzlich 35 vH der Aufwendungen für den Vorruhestand (§ 3 Abs 1 Vorruhestandsgesetz - VRG). Er ermäßige sich im Einzelfall auf 34 vH, wenn der Anspruch auf Vorruhestandsleistungen für den Fall der Zahlungseinstellung durch den Arbeitgeber nicht auf Grund tarifvertraglicher Vereinbarung gesichert sei (§ 3 Abs 5 VRG). Die letztgenannte Vorschrift sei hier nach Sinn und Zweck nicht anwendbar. Diese Bestimmung solle den Arbeitgeber zu einer freiwilligen Absicherung für den Fall seiner Zahlungsunfähigkeit veranlassen, damit das schutzwürdige Interesse des ausgeschiedenen Arbeitnehmers durch Leistungen der Rückversicherung (§ 8 VRG) gewährleistet bleibe. Zugleich solle sie, sofern der Arbeitgeber eine solche Ausfallbürgschaft nicht vereinbart habe, die Beklagte, die bei Zahlungseinstellung des unversicherten Arbeitgebers die Vorruhestandsleistungen zu übernehmen habe (§ 9 VRG), finanziell unterstützen. Auch die Gesetzesmaterialien äußerten sich in dem Sinne, daß in den Fällen, in denen eine tarifvertragliche Insolvenzsicherung fehle, die Aufwendungen der Bundesanstalt für Arbeit (BA) durch einen Abschlag in Höhe von einem Prozentpunkt beim Zuschuß finanziert würden (BT-Drucks 10/880 S 16 zu § 3).
Indes entbehre das doppelte Abstützungssystem seiner begrifflichen Tatbestandsmäßigkeit, wenn eine Zahlungseinstellung des Arbeitgebers von vornherein nicht in Betracht komme. Das sei nicht schon dann möglich, wenn der Arbeitgeber sich in guten wirtschaftlichen Verhältnissen befinde; diese seien auf Dauer unkalkulierbar. Doch sei die rechtliche Eigenschaft, nicht zahlungsunfähig werden zu können, immer dann anzunehmen, wenn die Rechtsordnung selbst einen Konkurs von vornherein ausschließe und ein Konkursverfahren verbiete; das gelte auch für die Fälle, in denen eine Teilnahme am privaten Wirtschaftsverkehr stattfinde. Für den Kläger ergebe sich ein solches Verbot aus Art 25 des bayerischen Ausführungsgesetzes zum Gerichtsverfassungsgesetz (AGGVG). Ihm sei eine Rückversicherung für den Fall der Zahlungseinstellung sogar verschlossen. Eine wörtliche Befreiung von der Regelung des § 3 Abs 5 VRG wäre folglich systemwidrig; es habe ihrer somit nicht bedurft.
Bestätigt werde das Ergebnis durch § 186c Abs 2 Satz 2 Arbeitsförderungsgesetz (AFG), wonach eine Beteiligung ua der Länder an der Umlage für das Konkursausfallgeld (Kaug) ausgeschlossen sei. Das könne nur den Sinn haben, daß der Gesetzgeber einen solidarischen Beitrag der genannten Arbeitgeber des öffentlichen Rechts zur Finanzierung des Kaug deswegen für unangebracht halte, weil diese Arbeitgeber nicht dem Kreis der von Zahlungsunfähigkeit möglicherweise Betroffenen zuzurechnen seien.
Die Beklagte rügt mit der Revision eine Verletzung des § 3 Abs 5 VRG. Zur Begründung macht sie geltend: Diese Vorschrift finde im vorliegenden Fall uneingeschränkt Anwendung. Der Kläger sei in seiner Eigenschaft als Betreiber des St. H. Mitglied des Deutschen Brauer-Bundes e.V. Der von diesem mit der Gewerkschaft Nahrung-Genuß-Gaststätten abgeschlossene Tarifvertrag, der für allgemeinverbindlich erklärt worden sei, stelle die Gewährung von Vog für den Fall der Zahlungseinstellung durch den Arbeitgeber nicht sicher. Darauf, daß der Eintritt der Zahlungseinstellung bei einzelnen Arbeitgebern unwahrscheinlich oder gar ausgeschlossen sei, komme es nicht an. Das Tatbestandsmerkmal "für den Fall der Zahlungseinstellung durch den Arbeitgeber" sei einer weiteren Konkretisierung und Individualisierung nicht zugänglich.
Eine allein am Wortlaut des § 3 Abs 5 VRG orientierte Auslegung, die nicht nach dem tatsächlichen Insolvenzrisiko differenziere, werde auch dem Normzweck gerecht. Den Gesetzesmaterialien, nach denen die Aufwendungen der BA in Vorruhestandsfällen ohne Insolvenzregelung durch einen Abschlag in Höhe von einem Prozentpunkt beim Zuschuß finanziert werden sollten, lasse sich keine Ausnahme von der Ausnahme entnehmen. Der vom Gesetzgeber für den Fall fehlender tarifvertraglicher Insolvenzsicherung gewollte Finanzierungsbeitrag zur nachrangigen Insolvenzsicherung gemäß § 9 VRG sei auch sachgerecht. Insoweit führe der vom LSG in anderem Zusammenhang herangezogene Gedanke eines solidarischen Beitrages derjenigen Arbeitgeber weiter, die nicht insolvenzgefährdet erschienen bzw nicht konkursfähig seien.
Durch die ihrem Wortlaut nach eindeutige Regelung des § 3 Abs 5 VRG würden diejenigen Arbeitgeber privilegiert, die in kollektiver Weise für eine tarifvertragliche Absicherung der Ansprüche auf Vorruhestandsleistungen gesorgt und dadurch der Vorstellung des Gesetzgebers von der Nachrangigkeit der Insolvenzsicherung nach § 9 VRG entsprochen hätten. Das sei gerechtfertigt, weil die tarifvertragliche Insolvenzsicherung einen angemessenen Beitrag der tarifgebundenen Arbeitgeber erfordere. Mit einem derartigen Beitrag seien die an einer tariflichen Insolvenzsicherung nicht beteiligten Arbeitgeber nicht belastet. Ihnen könne deshalb auch unter dem Gesichtspunkt der Gleichbehandlung zugemutet werden, bei der Zuschußhöhe einen Abschlag von einem Prozentpunkt hinzunehmen.
Der Hinweis des LSG auf § 186c AFG gehe fehl. Zum einen liege hier kein Fall der Erhebung einer Umlage vor. Zum anderen enthalte § 3 VRG gerade keine Bestimmung iS von § 186c Abs 2 Satz 2 AFG. Aus dem Schweigen des Gesetzgebers müsse vielmehr unter Berücksichtigung des Normzwecks des § 3 Abs 5 VRG, die ausnahmsweise Gewährung von Vorruhestandsleistungen nach § 9 VRG finanziell abzusichern, der allein zutreffende Schluß gezogen werden, daß eine individuelle Betroffenheit einzelner Arbeitgeber für die Anwendung des § 3 Abs 5 VRG unerheblich sei. Dafür spreche auch die Überlegung, daß der Kläger, falls die Tarifvertragsparteien des Braugewerbes eine Insolvenzregelung vereinbart hätten, zur Entrichtung eines Beitrages verpflichtet wäre. Folge man dagegen der Auffassung der Vorinstanzen, erlange der Kläger im Fall des Fehlens einer Insolvenzsicherung nicht berechtigte Wettbewerbsvorteile.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des LSG und das Urteil des SG aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Er hält das zweitinstanzliche Urteil für zutreffend und erwidert: Die Bestimmung des § 3 Abs 5 VRG setze als weiteres Tatbestandsmerkmal die "konkrete und rechtliche Möglichkeit eines Falles der Zahlungseinstellung durch den Arbeitgeber und die anschließende Durchführung eines Konkursverfahrens" voraus. Das leite sich aus Sinn und Zweck dieser Norm ab. Sie gingen dahin, das Risiko der BA in Fällen, in denen die Voraussetzungen des § 9 VRG vorlägen, abzumildern. Dieses Risiko sei hier nicht gegeben. Die Beklagte könne sich nämlich darauf berufen, daß die Voraussetzungen des § 9 VRG wegen der Unzulässigkeit des Konkursverfahrens über das Vermögen des Klägers (Art 25 AGGVG) nicht erfüllt seien.
Ein Risiko der Beklagten sei ferner deswegen nicht gegeben, weil eine Zahlungseinstellung des Klägers in der Praxis nicht relevant und nur theoretisch denkbar sei. Mit einer Zahlungseinstellung des Klägers sei allenfalls bei einer grundlegenden Krise der Volkswirtschaft zu rechnen. Dann aber sei auch eine Zahlungsunfähigkeit der Beklagten zu erwarten, da diese ihre Haushaltsmittel aus Beiträgen der Arbeitgeber, der Arbeitnehmer sowie aus Zuschüssen des Bundes erziele. Damit laufe die Auffassung der Beklagten, daß der Zuschuß in Höhe von lediglich 34 vH zu gewähren sei, dem vom Gesetzgeber beabsichtigten Risikoausgleich zuwider, weil der Kläger in diesem Fall durch den Abschlag von 1 vH ein nicht bestehendes Risiko der Beklagten finanziere. Das sei vom Gesetzgeber jedoch nicht gewollt.
Die wörtliche Auslegung des § 3 Abs 5 VRG werde auch nicht dem Normzweck gerecht. Den Gesetzesmaterialien ließen sich keine Hinweise des Inhalts entnehmen, daß die Nichtberücksichtigung weiterer Kriterien wie etwa der wirtschaftlichen Verhältnisse oder der rechtlichen Struktur des Betriebes in die Gesetzgebungsmotive Eingang gefunden hätten. Auszugehen sei vielmehr davon, daß der Gesetzgeber an Fälle der vorliegenden Art nicht gedacht habe. Das ergebe sich insbesondere aus den Formulierungen in § 9 Abs 1 Satz 1 Nrn 1 bis 4 VRG. Die dort geregelten Fälle der "Eröffnung des Konkursverfahrens" und der "Abweisung des Antrages auf Eröffnung des Konkursverfahrens mangels Masse" ließen lediglich den Schluß zu, daß dem Gesetzgeber die Vorschrift des Art 25 AGGVG und die Unzulässigkeit eines Konkursverfahrens über das Vermögen eines Staates nicht bekannt gewesen seien; andernfalls hätte er diesen Fall geregelt. Es liege mithin eine Gesetzeslücke vor, so daß eine logische Auslegung zur Ermittlung von Sinn und Zweck des § 3 Abs 5 VRG möglich sei.
Entscheidungsgründe
Die Revision der Beklagten ist nicht begründet.
Der Kläger hat, wie die Vorinstanzen zu Recht entschieden haben, Anspruch darauf, daß die Beklagte ihm zu den von ihm für die Zeit vom 1. Oktober 1984 bis 31. Januar 1985 erbrachten Aufwendungen für Vorruhestandsleistungen einen Zuschuß in Höhe von 35 vH gewährt.
Gemäß § 1 Abs 1 VRG vom 13. April 1984 (BGBl I 601) gewährt die BA Arbeitgebern Zuschüsse zu den Aufwendungen für Vorruhestandsleistungen an Arbeitnehmer, die das 58. Lebensjahr vollendet und ihre Erwerbstätigkeit beendet haben. Die Anspruchsvoraussetzungen sind vom Gesetzgeber in § 2 VRG konkretisiert worden und im vorliegenden Fall erfüllt; auch die Beklagte stellt dies nicht in Abrede. Umstritten ist allein die Höhe des Zuschusses, den die Beklagte dem Kläger zuzubilligen hat.
Gemäß § 3 Abs 1 VRG beträgt der Zuschuß grundsätzlich 35 vH der Aufwendungen für (1.) das dem ausgeschiedenen Arbeitnehmer in Höhe von 65 vH des Bruttoarbeitsentgelts gezahlte Vog, (2.) den Beitragsanteil des Arbeitgebers zur Pflichtversicherung des ausgeschiedenen Arbeitnehmers in der gesetzlichen Krankenversicherung und in der gesetzlichen Rentenversicherung, höchstens jedoch den Beitragsanteil, den der Arbeitgeber bei Zahlung eines Vog in Höhe von 65 vH des Bruttoarbeitsentgelts entrichten müßte. Etwas anderes gilt, wenn der Anspruch auf Vorruhestandsleistungen für den Fall der Zahlungseinstellung durch den Arbeitgeber nicht auf Grund tarifvertraglicher Vereinbarung gesichert ist. In einem solchen Fall beläuft sich der Zuschuß, wie § 3 Abs 5 VRG zu entnehmen ist, abweichend von Absatz 1 nicht auf 35, sondern auf 34 vH.
Seinem Wortlaut nach ist § 3 Abs 5 VRG hier insoweit erfüllt, als es an einer tarifvertraglich vereinbarten Insolvenzsicherung mangelt. Das St. H. in M. , ein nach kaufmännischen Grundsätzen geführter Wirtschaftsbetrieb iS von Art 26 Haushaltsordnung des Freistaates Bayern (Bayerische Haushaltsordnung), weist keine eigene Rechtspersönlichkeit auf. Der Freistaat Bayern als sein Betreiber ist Mitglied der Tarifvertragspartei "Deutscher Brauer-Bund e.V.". Zwischen diesem und der Gewerkschaft Nahrung-Genuß-Gaststätten ist der Tarifvertrag vom 14. Juni 1984 zur Einführung einer Vorruhestandsregelung für die Brauwirtschaft ua in Bayern - gültig ab 1. Juli 1984 - abgeschlossen worden. Auf Grund dieses Tarifvertrages ist die Zahlung des Vog an den ausgeschiedenen Arbeitnehmer erfolgt. Indessen beinhaltet der genannte Tarifvertrag keine Insolvenzschutzregelung. Ob damit bereits nach dem Wortlaut des § 3 Abs 5 VRG die Rechtsfolge des herabgesetzten Zuschusses verwirklicht ist (so Dienstblatt-Runderlaß der BA 114/84 vom 25. Juli 1984), ist jedoch fraglich. Die Vorschrift des § 3 Abs 5 VRG ordnet nach der Tatbestandsformulierung diese Rechtsfolge beim Fehlen einer tarifvertraglichen Insolvenzsicherung ausdrücklich nur "für den Fall der Zahlungseinstellung durch den Arbeitgeber" an. Diese Formulierung ließe auch die Wortinterpretation zu, daß die Vorschrift lediglich solche Arbeitgeber erfaßt, bei denen von Rechts wegen überhaupt der Fall einer Zahlungseinstellung eintreten kann. Dies hätte zur Folge, daß die Ausnahmeregelung des § 3 Abs 5 VRG sich hinsichtlich ihrer Reichweite auf die übrigen Arbeitgeber beschränkte, was im übrigen mit anderen Regelungen, auf die noch einzugehen ist, übereinstimmte, wonach nicht konkursfähige Arbeitgeber von bestimmten Rechtsfolgen ausgenommen sind, die andere Arbeitgeber treffen. Ob § 3 Abs 5 VRG schon seinem Wortlaut nach nur so zu verstehen ist, bedarf indessen keiner abschließenden Entscheidung. Angesichts seiner Fraglichkeit gewinnen jedenfalls Sinn und Zweck der Bestimmung maßgeblich Bedeutung. Sie ergeben, daß § 3 Abs 5 VRG im vorliegenden Fall nicht zum Tragen kommt.
Der Normzweck des § 3 Abs 5 VRG erschließt sich aus der subsidiären Einstandspflicht, die der Beklagten in § 9 Abs 1 VRG auferlegt ist. Hiernach gewährt die BA, soweit der Arbeitgeber seine Verpflichtung zur Zahlung von Vog nicht erfüllt und der Arbeitnehmer auf Grund tarifvertraglicher Vereinbarungen für den Fall der Zahlungseinstellung durch den Arbeitgeber nicht geschützt ist, Vog wie ein Arbeitgeber, wenn (1.) über das Vermögen des Arbeitgebers oder über seinen Nachlaß das Konkursverfahren eröffnet worden ist, oder (2.) der Antrag auf Eröffnung des Konkursverfahrens über das Vermögen des Arbeitgebers oder über seinen Nachlaß mangels Masse abgewiesen worden ist, oder (3.) das gerichtliche Vergleichsverfahren zur Abwendung des Konkursverfahrens über das Vermögen des Arbeitgebers oder über seinen Nachlaß eröffnet worden ist, oder (4.) der Arbeitgeber mit seinen Gläubigern nach vorausgegangener Zahlungseinstellung iS der Konkursordnung (KO) einen außergerichtlichen Vergleich schließt und die BA dem Vergleich zustimmt (Satz 1). Vog nach Satz 1 ist ferner zu gewähren, soweit die Durchsetzung des Anspruchs gegen den Arbeitgeber für den Arbeitnehmer unzumutbar ist (Satz 2). Die Durchsetzung des Anspruchs ist insbesondere dann unzumutbar, wenn der Arbeitgeber die Zahlung des Vog wegen wirtschaftlicher Notlage eingestellt hat (Satz 3). Der Zusammenhang zwischen § 3 Abs 5 VRG auf der einen und § 9 Abs 1 VRG auf der anderen Seite läßt unschwer die Absicht des Gesetzgebers erkennen, daß mit der Ersparnis des einen Prozentpunktes die gegenüber der tarifvertraglichen Insolvenzschutzregelung nachrangige gesetzliche Insolvenzschutzregelung finanziert werden soll, die der BA obliegt (Faude/Schüren, VRG, 1985, § 3 Rz 2; Grüner/Dalichau, VRG - SGB, Stand 1. April 1989, § 3 Anm VI; Kunisch, VRG und 59er-Regelung, 1984, S 29 zu § 3 Abs 5; Pröbsting, VRG, 1984, S 45; Siegers/Reichling/Müller, Vorruhestand und 59er-Regelung, 2. Aufl, S 41). Die amtliche Begründung zu § 3 Abs 5 VRG erhärtet dies. Es heißt dort: "Nach Absatz 5 werden in den Fällen, in denen eine tarifvertragliche Insolvenzsicherung fehlt, die Aufwendungen der Bundesanstalt durch einen Abschlag in Höhe von einem Prozentpunkt beim Zuschuß finanziert" (BT-Drucks 10/880 S 16 zu § 3 Abs 5). Sinn und Zweck des § 3 Abs 5 VRG gehen somit dahin, das Risiko der BA für die Fälle, in denen die Voraussetzungen des § 9 Abs 1 VRG eintreten können, aufzufangen.
Ein solches Risiko ist im vorliegenden Fall für die Beklagte nicht gegeben. Für diese Beurteilung ist nicht die wirtschaftliche Betrachtungsweise maßgebend. Wirtschaftliche Verhältnisse unterliegen dauerndem Wandel. Nicht völlig von der Hand zu weisen ist zwar das Argument des Klägers, ein Risiko der Beklagten scheide deswegen aus, weil eine Zahlungseinstellung des Klägers in der Praxis nicht relevant und nur theoretisch denkbar sei. Jedoch kommt es darauf nicht an. Ausschlaggebend ist nämlich der Umstand, daß die in § 9 Abs 1 VRG für die subsidiäre Einstandspflicht der Beklagten normierten Voraussetzungen - nämlich die Eröffnung des Konkursverfahrens über das Vermögen des Arbeitgebers oder über seinen Nachlaß, die Abweisung des Antrages auf Eröffnung des Konkursverfahrens über das Vermögen des Arbeitgebers oder über seinen Nachlaß, die Eröffnung des gerichtlichen Vergleichsverfahrens zur Abwendung des Konkursverfahrens über das Vermögen des Arbeitgebers oder über seinen Nachlaß oder der Abschluß eines außergerichtlichen Vergleiches durch den Arbeitgeber mit seinen Gläubigern nach vorausgegangener Zahlungseinstellung iS der KO - hier deswegen nicht eintreten können, weil der Kläger nicht konkursfähig ist. Dabei kann offenbleiben, ob der Kläger, wie die Beklagte vorträgt, zur Entrichtung eines Beitrages verpflichtet wäre, falls die Tarifvertragsparteien des Braugewerbes eine Insolvenzsicherung vereinbart hätten, oder ob ihm, wie er vorbringt, eine Rückversicherung für den Fall der Zahlungseinstellung schlechthin versagt wäre. Die Konkursunfähigkeit des Freistaates Bayern folgt bereits aus allgemeinen rechtlichen Erwägungen, nämlich dem Fehlen einer übergeordneten Zwangsgewalt sowie dem Widerstreit zwischen einer Konkursdurchführung und den öffentlich-rechtlichen Aufgaben des Staates (Böhle-Stamschräder/Kilger, Konkursordnung, 14. Aufl, § 213 Anm 1; Jaeger, Konkursordnung, 8. Aufl, II. Bd 2. Halbb., § 213 Anm 2b; Kropshofer in Hess/Kropshofer, Komm zur KO, 1982, § 213 Anm 3; Kuhn/Uhlenbruck, Konkursordnung, 10. Aufl, Vorbem H zu § 207 sowie § 213 Anm 2; vgl auch BVerfGE 15, 126, 135 f; BVerfGE 66, 18 f = SozR 4100 § 186c Nr 6; BSGE 64, 240, 241 = SozR 4100 § 186c Nr 7). Im übrigen ergibt sich der Ausschluß der Konkursfähigkeit des Freistaates Bayern aus Art 25 des Gesetzes zur Ausführung des Gerichtsverfassungsgesetzes und von Verfahrensgesetzen des Bundes vom 23. Juni 1981 (Bay GVBl 1981, 181), wonach (im Freistaat Bayern) ein Konkursverfahren über das Vermögen einer Körperschaft, Stiftung oder Anstalt des öffentlichen Rechts nicht stattfindet; von dieser Ausschlußklausel wird, worauf die Vorinstanzen mit Recht hinweisen, auch der Kläger als Gebietskörperschaft des öffentlichen Rechts erfaßt. Das bedeutet, daß der in § 3 Abs 5 VRG vorgesehene einprozentige Abschlag nach Sinn und Zweck der Regelung nicht Platz greift, da andernfalls mit ihm ein in Wirklichkeit nicht existierendes Risiko der Beklagten finanziert würde.
Der von der Beklagten herangezogene Gedanke eines solidarischen Beitrages derjenigen Arbeitgeber, die nicht insolvenzgefährdet erscheinen bzw nicht konkursfähig sind, vermag zu keinem anderen Ergebnis zu führen. Richtig ist, daß nach der Rechtsprechung sowohl des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) wie des erkennenden Senats zwischen Beitrags- und Versicherungsleistung keine Äquivalenz zu bestehen braucht (BVerfGE 53, 313, 328 = SozR 4100 § 168 Nr 12; BVerfG, Beschluß vom 3. Juli 1989 - 1 BvR 1487/88 -; BSG SozR 4100 § 112 Nrn 3 und 25; BSGE 43, 255, 266 = SozR 4100 § 80 Nr 1; BSG vom 20. März 1989 - 7 RAr 104/87 -). Jedoch geht es hier nicht um die Frage der Ausgewogenheit zwischen Beitrags- und Versicherungsleistung, sondern um die Rechtmäßigkeit eines Abschlags von einem Zuschuß, für den Beiträge nicht zu erheben sind.
Das Ergebnis ist entgegen der Auffassung der Beklagten nicht unbillig. Zutreffend ist, daß eine tarifvertragliche Insolvenzsicherung entsprechende Aufwendungen der tarifgebundenen Arbeitgeber erfordert. Fraglich ist aber schon, ob die an einer tarifvertraglichen Insolvenzsicherung nicht beteiligten Arbeitgeber nicht auch mit Aufwendungen vergleichbarer Art belastet sind; denn sie müssen ebenfalls finanzielle Vorsorge für den Fall wirtschaftlicher Schwierigkeiten in den von ihnen unterhaltenen Bereichen treffen. Aus diesem Grunde ist nicht ohne weiteres der Schluß gerechtfertigt, diesen Arbeitgebern müsse unter dem Gesichtspunkt der Gleichbehandlung (Art 3 Abs 1 Grundgesetz - GG) zugemutet werden, bei der Zuschußhöhe einen Abschlag von einem Prozentpunkt hinzunehmen. Jedenfalls hat der Hinweis der Beklagten seine Berechtigung nur für den Normalfall des § 3 Abs 5 VRG. Er entbehrt der Grundlage, wenn die in § 3 Abs 5 VRG vorausgesetzte Einstandspflicht der Beklagten ausgeschlossen ist. In einem solchen Fall erscheint gerade unter dem Aspekt des Gleichbehandlungsgrundsatzes die Gewährung des vollen Zuschusses sachgerecht.
Der Kläger erlangt durch das Fehlen einer Insolvenzsicherung, anders als die Beklagte meint, auch keinen ungerechtfertigten Wettbewerbsvorteil. Er hat, zB durch Rücklagen, Vorsorge dafür zu treffen, daß die tarifvertraglichen Ansprüche der ausgeschiedenen Arbeitnehmer langfristig gesichert bleiben. Diese kann wirtschaftlich kaum von geringerer Art sein als die Aufwendungen privater Arbeitgeber für eine Insolvenzschutzregelung.
Schließlich läßt sich entgegen der Ansicht der Beklagten weder aus § 186c Abs 2 Satz 2 AFG noch aus § 17 Abs 2 des Gesetzes zur Verbesserung der betrieblichen Altersversorgung vom 19. Dezember 1974 (BGBl I 3610) eine Folgerung in dem Sinne ziehen, daß eine individuelle Betroffenheit einzelner Arbeitgeber im Rahmen des § 3 Abs 5 VRG unerheblich sei. Nach der erstgenannten Vorschrift bleiben bei der Frage der Umlage für das Kaug die Lohnsummen der "konkursunfähigen" Betriebe unberücksichtigt, da sie nicht zahlungsunfähig werden können und ihre Arbeitnehmer deshalb durch die Kaug-Versicherung nicht geschützt zu werden brauchen (BT-Drucks 7/1750 S 15 zu § 186c Abs 2; vgl hierzu auch BVerfGE 65, 359 = SozR 4100 § 186c Nr 5; 66, 1 = SozR 4100 § 186c Nr 6; BSGE 64, 240 = SozR 4100 § 186c Nr 7). Mit der zweitgenannten Bestimmung hat der Gesetzgeber dem Umstand Rechnung getragen, daß die juristischen Personen des öffentlichen Rechts, bei denen ein Konkurs nicht möglich ist, von der Zwangsversicherung hinsichtlich ihrer Betriebsrenten und Anwartschaften befreit werden. Es kann offenbleiben, ob der Gesetzgeber bei Schaffung des § 3 Abs 5 VRG trotz ähnlich gelagertem Lebenssachverhalt die Aufnahme einer entsprechenden Ausnahmeregelung übersehen oder ob er dies nicht doch durch die Fassung des § 3 Abs 5 VRG beachtet hat. Jedenfalls ist der von der Beklagten aus den oben aufgezeigten Bestimmungen gezogene Schluß, daß eine individuelle Betroffenheit einzelner Arbeitgeber für die Anwendung des § 3 Abs 5 VRG unerheblich sei, schon deswegen nicht gerechtfertigt, weil sich dem inneren Zusammenhang der Vorschriften der §§ 3 Abs 5 und 9 Abs 1 VRG entnehmen läßt, daß der einprozentige Abschlag dann nicht eingreifen soll, wenn - wie hier - feststeht, daß sich das durch die BA abzusichernde Risiko nicht realisieren wird.
Bei dieser Auslegung des § 3 Abs 5 VRG stellt sich nicht die Frage der Verfassungsmäßigkeit der Bestimmung. Der erkennende Senat sieht sich daher, anders als das SG Wiesbaden, das die Vorschrift des § 3 Abs 5 VRG mangels Auslegungsfähigkeit als unvereinbar sowohl mit dem Gleichbehandlungsgrundsatz (Art 3 Abs 1 GG) als auch mit dem Rechtsstaatsprinzip (Art 20 Abs 3 GG) angesehen hat (Beschluß vom 11. November 1988 - 11/Ar 87/85 -; vgl dazu auch Grüner/Dalichau, aaO, § 3 Anm VI), nicht veranlaßt, gemäß Art 100 GG die Entscheidung des BVerfG über die Frage der Vereinbarkeit des § 3 Abs 5 VRG mit dem Grundgesetz einzuholen.
Hiernach hat das LSG die Entscheidung des SG zu Recht bestätigt, daß die Beklagte dem Kläger zu dessen Vorruhestandsleistungen einen Zuschuß in Höhe von 35 vH zu gewähren hat.
Die Revision der Beklagten mußte deshalb zurückgewiesen werden.
Die Kostenentscheidung leitet sich aus § 193 Abs 4 SGG ab.
Fundstellen