Leitsatz (redaktionell)
1. Die Berufung ist nach SGG § 150 Nr 1 zugelassen, wenn die Zulassung im Urteil eindeutig ausgesprochen worden ist. Ein allgemeiner Hinweis in der Rechtsmittelbelehrung, die Entscheidung könne mit der Berufung angefochten werden, ist hierfür nicht ausreichend. Hat das SG in dem die Rechtsmittelbelehrung einleitenden Satz ausdrücklich SGG § 150 Nr 1 zitiert und hervorgehoben, die Berufung werde nach dieser Vorschrift zugelassen, dann liegt jedoch eine rechtswirksame Zulassung vor.
2. Im Verfahren vor dem BSG kann sich der Revisionsbeklagte bis zum Ablauf der verlängerten Revisionsbegründungsfrist (SGG § 164 Abs 1 S 2) der Revision anschließen. Die Anschließung setzt eine Beschwer voraus.
3. Die Fortführung einer Arbeit auf der Baustelle ist dann als "technisch unmöglich" im Sinne des AVAVG § 143e Abs 2 anzusehen, wenn der Betrieb mit den ihm zur Verfügung stehenden oder für ihn erreichbaren technischen Hilfsmitteln nicht in der Lage ist, die Weiterführung der begonnenen Arbeit oder die unmittelbare Aufnahme der Arbeit zu ermöglichen. Der mit dem Einsatz von technischen Hilfsmitteln verbundene finanzielle Aufwand muß zumutbar sein. Die Frage der Zumutbarkeit richtet sich nach dem Verhältnis zwischen den Mehrkosten und den nach allgemeinen Durchschnittssätzen zu beurteilenden normalen Kosten der Bauleistung.
4. Ein Arbeitsunfall aus witterungsbedingten Gründen kann nur vorliegen, wenn der Betrieb die notwendigen technischen und organisatorischen Vorbereitungen getroffen hat, um unmittelbar im Anschluß daran mit der Ausführung der Arbeiten auf der Baustelle zu beginnen.
5. Die Frage der Zumutbarkeit der finanziellen Mehrbelastung richtet sich nach dem Verhältnis zwischen den Mehrkosten und den normalen Kosten (Preis) der Bauleistung, die der Betrieb in der Ausfallzeit voraussichtlich erbracht hätte.
Normenkette
SGG § 150 Nr. 1 Fassung: 1953-09-03, § 164 Abs. 1 S. 2 Fassung: 1953-09-03; AVAVG § 143e Abs. 2
Tenor
Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des Landessozialgerichts Rheinland-Pfalz vom 13. November 1964 aufgehoben.
Der Rechtsstreit wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung an dieses Gericht zurückverwiesen.
Die Anschlußrevisionen der Klägerin sowie der Beigeladenen werden als unzulässig verworfen.
Gründe
I
Die Klägerin, ein Bauunternehmen, zeigte am 12., 13., 14. und 15. März 1963 dem zuständigen Arbeitsamt an, daß sie aus witterungsbedingten Gründen die Estrich-Arbeiten auf ihrer Baustelle I, Wohnblock H.-straße ... nicht ausführen könne. Betroffen davon waren die zum Verfahren beigeladenen Arbeitnehmer. Die Beklagte lehnte die Anerkennung des Arbeitsausfalles für diese Tage ab, weil bei den vorherrschenden Witterungsverhältnissen Innenarbeiten verrichtet werden könnten; der Verwaltungsangestellte K, der am 14. März 1963 die Baustelle überprüfte, habe festgestellt, daß die Heizungsanlagen in Betrieb gewesen seien und Baumaterial hätte angefahren werden können.
Gegen die Bescheide der Beklagten legte die Klägerin erfolglos Widerspruch ein. Auf ihre Klage hin verurteilte das Sozialgericht (SG) die Beklagte, Schlechtwettergeld für die Zeit vom 12. bis 15. März 1963 zu zahlen (Urteil vom 20 März 1964). Es stützte seine Entscheidung im wesentlichen auf die Zeugenaussagen des technischen Leiters der Obersteiner-Baugenossenschaft H und des Bautechnikers B, die bekundeten, daß der auf der Baustelle lagernde Sand gefroren und damit für Estrich-Arbeiten unbrauchbar gewesen sei. Anderer Sand aber hätte nicht zur Baustelle transportiert werden können, weil die Zufahrt verschlammt gewesen wäre. Am 15. oder 16. März sei ein Lastzug mit Material zwischen der Baustelle und der etwa 30 bis 35 m entfernten Asphaltstraße steckengeblieben. Unerheblich sei deshalb, daß die für die Arbeiten erforderliche Mischmaschine noch nicht auf der Baustelle gewesen sei, sondern sich in Reparatur befunden habe. Der Klägerin sei in der strittigen Zeit die Ausführung von Estrich-Arbeiten infolge atmosphärischer Einwirkungen und deren Folgeerscheinung nicht möglich gewesen.
Die Rechtsmittelbelehrung des SG war wie folgt eingeleitet:
"Die Berufung wird gemäß § 150 Abs. 1 des Sozialgerichtsgesetzes wegen grundsätzlicher Bedeutung der Streitsache zugelassen."
Die von der beklagten Bundesanstalt eingelegte Berufung wies das Landessozialgericht (LSG) zurück (Urteil vom 13. November 1964). Es hielt die Berufung kraft ausdrücklicher Zulassung nach § 150 Nr. 1 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) für statthaft und zulässig. Sachlich war das LSG der Auffassung, daß der Anspruch auf Schlechtwettergeld zu Recht bestehe, weil der Arbeitsausfall an den bezeichneten Tagen witterungsbedingt gewesen sei. Unbedenklich könne die Entscheidung über den strittigen Anspruch auf die Aussagen der Zeugen H und B, die Fachleute seien und die Baustelle kannten, gestützt werden. Unerheblich sei, daß die Klägerin nicht alle technisch irgendwie möglichen Vorkehrungen zur Winterfestmachung der Baustelle getroffen habe. Eine Abdeckung des an der Baustelle lagernden Sandes hätte bei den im Bereich von Idar-Oberstein herrschenden Frosttiefen im Winter 1962/1963 zu keinem Erfolg geführt. Das Lagern des Sandes in dem Wohnblock oder innerhalb eines Schuppens sei der Klägerin nicht zuzumuten gewesen. Eine Anfuhr des Sandes vor dem 12. März 1963 sei wegen des herrschenden Frostes ebenfalls nicht durchführbar gewesen. Die zwar technisch mögliche Beförderung des Sandes von der Asphaltstraße zur Baustelle durch Handkarren sei der Klägerin aber nicht zumutbar gewesen, weil diese Maßnahme die Bauleistung um 0,25 bis 0,30 DM je qm verteuert hätte. Im übrigen könne der Klägerin geglaubt werden, daß sie jederzeit einen Reservemischer hätte aufstellen können.
Revision wurde zugelassen.
Die Beklagte hat Revision eingelegt und beantragt,
unter Aufhebung des angefochtenen Urteils und des Urteils des SG Koblenz vom 20. März 1964 die Klage abzuweisen,
hilfsweise,
den Rechtsstreit zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das LSG zurückzuverweisen.
Nach ihrer Auffassung ist die Berufung zulässig. Sie sei vom SG eindeutig getrennt von der Rechtsmittelbelehrung unter Hinweis auf § 150 Nr. 1 SGG ausgesprochen worden; das müsse genügen, weil das SGG nicht vorschreibe, an welcher Stelle des Urteils die Zulassung auszusprechen sei. Zur Sache selbst trägt die Beklagte vor, ohne zuverlässige Feststellungen darüber, wieviel Sand überhaupt für die Estrich-Arbeiten notwendig war, hätte das LSG nicht entscheiden dürfen, daß eine Lagerung im nahegelegenen Wohnblock nicht in Betracht gekommen wäre und daß der Klägerin deshalb auch nicht vorgeworfen werden könne, sie habe es unterlassen, vor Beginn des Frostes Sand heranzufahren. Die Ausführungen über eine etwa eintretende Verteuerung der Bauleistung um 0,25 bis 0,30 DM je qm seien allein nicht geeignet, die Zumutbarkeit der Anfuhr auszuschließen. Mindestens hätte der veranschlagte Quadratmeterpreis oder der Gesamtkostenpreis der Estrich-Arbeiten festgestellt und beurteilt werden müssen, auch in bezug auf die Höhe des Unternehmerreingewinns insgesamt. Ferner hätte sich das LSG hinsichtlich der Verfügbarkeit eines Reservemischers nicht mit dem Vorbringen der Klägerin begnügen dürfen, sondern selbst entsprechende Feststellungen treffen müssen. Schließlich wäre zu prüfen gewesen, ob es zumutbar gewesen wäre, den aufgeweichten oder verschlammten Weg zur Baustelle behelfsmäßig herzurichten.
Die Klägerin hat am 10. März 1965 Anschlußrevision eingelegt. Die Beigeladenen zu Ziffer 1 bis 4 legten sie am 23. April 1965 ein.
Sie beantragen sämtlich,
das Urteil des LSG Rheinland-Pfalz vom 13. November 1964 aufzuheben und die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des SG Koblenz als unzulässig zu verwerfen,
hilfsweise,
die Revision der Beklagten gegen das Urteil des LSG zurückzuweisen.
Sie halten die Zulassung der Berufung in der Rechtsmittelbelehrung des erstinstanzlichen Urteils für keine Zulassung im Sinne des § 150 Nr. 1 SGG. In der Sache selbst schließen sie sich den Entscheidungsgründen des Berufungsgerichts an. Die Klägerin sei im übrigen nicht gehalten gewesen, den Sand mit Handkarren zu transportieren, weil dies nicht dem gewerbe- und betriebsüblichen Arbeitsverfahren entspreche. Auch könne es nicht auf die Zumutbarkeit einer Verteuerung der Bauleistung ankommen. Ansonsten müsse der Unternehmer alle Unterlagen über Baupreis, Unternehmergewinn, Mehrkosten ua dem Arbeitsamt vorlegen. Dies führe letztlich zu unterschiedlichen Ergebnissen für den Bezug von Schlechtwettergeld je nach den Preisen, die der Unternehmer fallweise für seine Leistungen erziele. Nach dem Zweck der Schlechtwettergeld-Regelung könne nur darauf abgestellt werden, ob bei der gegebenen Witterung die Weiterarbeit in der gewerbeüblichen Arbeitsweise möglich sei. Eine Entscheidung, die auf den Gewinn des Unternehmers und auf die Vertragsverhältnisse zwischen Bauherrn und Baufirma abhebe, beruhe nicht auf einem objektiven Maßstab.
Sämtliche Beteiligten haben ihr Einverständnis zur Entscheidung ohne mündliche Verhandlung erklärt.
II
Die nach § 162 Abs. 1 Nr. 1 SGG zugelassene Revision der Beklagten ist begründet.
Das LSG hat zutreffend angenommen, daß eine rechtswirksame Zulassung der Berufung vorliegt. Zwar hat das Bundessozialgericht (BSG) schon mehrfach entschieden, es genüge für die Eröffnung der Berufungsmöglichkeit nach § 150 SGG nicht, wenn das SG, ohne eine Entscheidung über die Zulassung zu treffen, in der Rechtsmittelbelehrung nur allgemein darauf hingewiesen hat, daß "die Entscheidung mit der Berufung angefochten werden kann" (BSG 2, 121, 125; 4, 261, 263; 8, 135, 137). Im vorliegenden Fall hat das SG jedoch in dem die Rechtsmittelbelehrung einleitenden Satz ausdrücklich § 150 Abs. 1 SGG (gemeint ist offenbar § 150 Nr. 1) zitiert und hervorgehoben, die Berufung werde nach dieser Vorschrift zugelassen. Es hat damit im Urteil erkennbar zum Ausdruck gebracht, daß es die - an sich nach § 144 Abs. 1 SGG ausgeschlossene - Berufung wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache zulassen will. Das SGG schreibt nicht vor, in welcher Form und an welcher Stelle im Urteil die Zulassung einer an sich nach den §§ 144 bis 149 SGG ausgeschlossenen Berufung auszusprechen ist. Entscheidend ist, daß eine klare und eindeutige Entscheidung des SG vorliegt, die den Voraussetzungen des § 150 Nr. 1 SGG genügt. Das ist hier der Fall.
Die Anschlußrevision der Klägerin ist auch im Verfahren vor dem BSG zulässig (BSG 2, 229, 231; 8, 24, 29; Peters/Sautter/Wolff, Komm. z. SGb, § 160 Anm. 3; Brackmann, Handbuch der SozVers., Bd. I 253 dd). Da sie hier erst nach Ablauf der Revisionsfrist eingelegt wurde, handelt es sich um eine unselbständige Anschlußrevision. Das SGG kennt keine Bestimmungen, die das Verfahren dafür eigens regeln. Nach § 202 SGG ist deshalb auf die Vorschriften der Zivilprozeßordnung (ZPO) zurückzugreifen. Gemäß § 556 ZPO kann sich der Revisionsbeklagte bis zum Ablauf der Revisionsbegründungsfrist der Revision anschließen. Die grundsätzlichen Unterschiede der beiden Verfahrensarten schließen eine entsprechende Anwendung der Anschlußvorschriften der ZPO nicht aus (BSG 2, 233, 234). Die Revisionsbegründungsfrist lief, da das Urteil des LSG der Beklagten am 15. Dezember 1964 zugestellt worden ist, nach § 164 Abs. 1 SGG am 15. Februar 1965 ab. Die Anschlußrevision der Klägerin ist zwar erst am 10. März 1965 - innerhalb der bis zum 15. März 1965 verlängerten Begründungsfrist - beim BSG eingegangen. Nach der Rechtsprechung des BSG (BSG 8, 24, 30) kommt indessen die Verlängerung der Revisionsbegründungsfrist auch dem Revisionsbeklagten (Klägerin) zugute. Dies entspricht zudem der im Zivilprozeßverfahren fast einhellig vertretenen Meinung (Rosenberg, Lehrbuch des Deutschen Zivilprozeßrechts, 9. Aufl. 1961 S. 708; Stein/Jonas/Schönke, Komm. z. ZPO, Anm. I, 3 zu § 556; Wieczorek, Komm. z. ZPO, Bd. III, 1957, Anm. B III a 1 zu § 556). Die Anschlußrevision der Klägerin ist also fristgerecht eingelegt. Voraussetzung ihrer Statthaftigkeit ist aber ferner ein Rechtsschutzbedürfnis, das in dem Erfordernis der Beschwer zum Ausdruck kommt (Rosenberg, aaO, S. 659). Im vorliegenden Fall steht jedoch der Klägerin für ihre Anschlußrevision ein Rechtsschutzbedürfnis nicht zur Seite. Die Klägerin ist weder formell beschwert, weil das Berufungsgericht keine von ihrem Antrag abweichende Entscheidung getroffen hat ("Zurückweisung der Berufung", vgl. Bl. 88 R der LSG-Akten), noch ist sie materiell beschwert, da die Entscheidung des Berufungsgerichts selbst ihrem Inhalt nach für sie sachlich nicht nachteilig ist. Die bereits vom SG zuerkannten Ansprüche der Klägerin wurden vielmehr durch die Zurückweisung der Berufung der Beklagten bestätigt. Folglich erweist sich die Anschlußrevision der Klägerin als unstatthaft.
Die Anschlußrevisionen der Beigeladenen sind aus denselben Gründen unzulässig, so daß dahinstehen kann, ob sie nicht auch deshalb hätten verworfen werden müssen, weil sie erst am 23. April 1965, also nach Ablauf der bis zum 15. März 1965 verlängerten Revisionsbegründungsfrist, beim BSG eingelegt worden sind.
Die Revision der Beklagten führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils.
Die Gewährung von Schlechtwettergeld hängt von der Erfüllung bestimmter allgemeiner (§ 143 d des Gesetzes über Arbeitsvermittlung und Arbeitslosenversicherung - AVAVG -), betrieblicher (§ 143 e AVAVG) und persönlicher Voraussetzungen (§ 143 f AVAVG) ab.
Die Beteiligten streiten im vorliegenden Fall darüber, ob die betrieblichen Voraussetzungen des § 143 e AVAVG vorliegen. Nach § 143 e Abs. 1 Nr. 1 AVAVG wird Schlechtwettergeld nur gewährt, wenn der Arbeitsausfall ausschließlich durch witterungsbedingte Gründe verursacht ist. Zwingende witterungsbedingte Gründe liegen nach Abs. 2 dieser Vorschrift dann vor, "wenn atmosphärische Einwirkungen (Regen, Schnee, Frost usw.) oder deren Folgewirkungen so stark und nachhaltig sind, daß die Fortführung der Arbeit technisch unmöglich ist oder den Arbeitnehmern nicht zugemutet werden kann". Wie der erkennende Senat bereits in seiner Entscheidung vom 27. Oktober 1965 (BSG 24, 58) ausgeführt hat, ergibt sich sowohl aus der Vorschrift des § 143 e Abs. 2 AVAVG als auch aus § 143 f AVAVG, daß der Begriff des Arbeitsausfalls den Beginn der Arbeit auf der Baustelle voraussetzt. Das Gesetz spricht davon, daß die "Fortführung" der Arbeit unmöglich sein muß. Danach kann nur dann ein Arbeitsausfall aus witterungsbedingten Gründen im Sinne des § 143 e AVAVG vorliegen, wenn der Betrieb die notwendigen technischen und organisatorischen Vorbereitungen getroffen hat, um unmittelbar im Anschluß daran mit der Ausführung der Arbeiten auf der Baustelle zu beginnen. Ist mit diesen vorbereitenden Tätigkeiten und Maßnahmen, die Voraussetzung für eine Aufnahme der Arbeit sind, noch nicht begonnen worden oder sind sie noch nicht abgeschlossen und wird ihre Durch- oder Weiterführung aus witterungsbedingten Gründen verhindert, dann fehlt es schon an dem nach § 143 e AVAVG für die Annahme eines Arbeitsausfalls vorausgesetzten Beginn der Arbeit.
Im vorliegenden Fall ist aus den tatsächlichen Feststellungen des LSG nicht mit hinreichender Sicherheit zu entnehmen, ob die Klägerin in diesem Sinne schon mit den Arbeiten auf der Baustelle begonnen hatte. Hatte die Klägerin etwa schon vor Beginn der Frostperiode mit der Ausführung der Estricharbeiten begonnen und mußte sie deren Weiterführung durch das Schlechtwetter unterbrechen, so hätten Feststellungen darüber getroffen werden müssen, wie lange der auf der Baustelle tatsächlich lagernde Sand zur Fortsetzung der Arbeiten ausgereicht hätte (nach der Aussage des Zeugen K wäre dies nur für mehrere Stunden der Fall gewesen). Hätte er nicht für Arbeiten im streitigen Zeitraum ausgereicht, so könnte der weitere Ausfall der Estricharbeiten nur dann als witterungsbedingt angesehen werden, wenn die Klägerin den etwa zusätzlich erforderlichen Sand jederzeit hätte herbeischaffen können. Bei den vom LSG festgestellten niedrigen Temperaturen in der näheren Umgebung des Baugeländes ist es nicht unwahrscheinlich, daß der etwa an anderer Stelle lagernde Sand ebenfalls gefroren und damit für die Ausführung der Arbeit unbrauchbar war.
Hätte der Klägerin am 12. März 1963 der benötigte ungefrorene Sand tatsächlich zur Verfügung gestanden, dann kommt es darauf an, ob die Fortführung der Arbeit im Sinne des § 143 e Abs. 2 AVAVG "technisch unmöglich" war. Die Durchführung der Estrich-Arbeiten auf dem Baugelände selbst war, wie unstreitig ist, möglich. Nach den Feststellungen des LSG war nur der Transport des Sandes mit Lastwagen zu der Baustelle infolge Verschlammung des Zufahrtsweges (Strecke von 30 bis 35 Metern) ausgeschlossen. Die Fortführung einer Arbeit auf der Baustelle ist dann als "technisch unmöglich" anzusehen, wenn der Betrieb mit den ihm zur Verfügung stehenden technischen Hilfsmitteln nicht in der Lage ist, die Weiterführung der begonnenen Arbeit oder die unmittelbare Aufnahme der Arbeit zu ermöglichen (Krebs, Komm. z. AVAVG, 2. Aufl. 1964, Anm. 10 zu § 143 e; Draeger/Buchwitz/Schönefelder, Anm. 5 zu § 143 e). Soweit ein Betrieb mit den erforderlichen Maschinen und Geräten ausgestattet ist, wird jedoch die Fortführung von Innenarbeiten in einem bereits fertiggestellten Rohbau, zumindest unter entsprechendem finanziellen Aufwand, regelmäßig technisch möglich sein. Aus diesem Grunde bedarf es einer weiteren Einschränkung des Begriffes "technisch unmöglich". Ob der Einsatz von technischen Hilfsmitteln die Fortführung einer Arbeit im Sinne des § 143 e AVAVG ermöglicht, hängt deshalb auch davon ab, ob der damit verbundene finanzielle Aufwand dem Bauunternehmer zugemutet werden kann (Kranz/Hubbert, Schlechtwettergeld und Förderung der Bautätigkeit im Winter, 1961 S. 109; Kranz, BABl 1965, 687). Die Frage der Zumutbarkeit der finanziellen Mehrbelastung richtet sich nach dem Verhältnis zwischen den Mehrkosten und den normalen Kosten (Preis) der Bauleistung, die der Betrieb in der Ausfallzeit voraussichtlich erbracht hätte. Um eine Gleichbehandlung aller Baubetriebe zu erreichen, ist bei der Ermittlung der Mehrkosten von den besonderen Bedingungen und Verhältnissen auf der Baustelle und dem erforderlichen Einsatz der technischen Hilfsmittel auszugehen, während sich die Feststellung des Preises der Bauleistung nicht nach der besonderen betrieblichen Kalkulation, sondern nach allgemeinen Durchschnittssätzen zu richten hat.
Im vorliegenden Fall wäre es der Klägerin nach den Feststellungen des Berufungsgerichts möglich gewesen, den angefahrenen Sand von der Asphaltstraße zu der etwa 30 bis 35 Meter weit entfernten Baustelle mit Hand- oder Schubkarren zu transportieren. Insoweit wäre die Heranschaffung des Baumaterials "technisch möglich" gewesen. Fraglich ist aber, ob der damit verbundene finanzielle Aufwand der Klägerin zumutbar war. Das LSG hat das verneint, weil nach seiner Ansicht die dadurch bedingte Verteuerung der Bauleistung um 0,25 bis 0,30 DM je Quadratmeter ganz erheblich sei. Dieser Auffassung kann in der vom Vordergericht vertretenen Allgemeinheit nicht gefolgt werden. Das LSG verkennt offenbar, daß es hier nur auf die Verteuerung des Quadratmeterpreises in dem vom Arbeitsausfall voraussichtlich betroffenen Zeitabschnitt ankommt. Da es sich um Folgewirkungen einer in den Monat März hineinreichenden Frostperiode handelt, erscheint es nicht ohne weiteres angebracht, davon auszugehen, daß sich die gesamten Estrich-Arbeiten, die die Klägerin in dem Häuserblock H.-straße ... auszuführen hatte, durch die besonderen Maßnahmen, die zum Heranschaffen des Sandes an die Arbeitsplätze erforderlich gewesen wären, wesentlich verteuert hätten. Die Entscheidung darüber, ob der Klägerin die mit dem besonderen Transport des Sandes zur Baustelle verbundenen Mehrkosten zuzumuten waren, hängt also nur davon ab, wieviel Sand die auf der Baustelle angesetzten vier Arbeitnehmer in dem Zeitabschnitt hätten verarbeiten können, in dem wegen des aufgeweichten Bodens voraussichtlich besondere Maßnahmen zur Heranschaffung ungefrorenen Sandes an den Arbeitsplatz erforderlich gewesen wären. Es fehlt insoweit an den notwendigen Feststellungen des LSG. Die Berufungsinstanz hätte ferner ermitteln müssen, ob die Klägerin ihrer maschinellen und technischen Ausrüstung entsprechend nicht auf andere Weise den Sand zur Baustelle hätte befördern können. Nach den Erfahrungen des Senats ist es z. B. durchaus denkbar, daß der aufgeweichte oder verschlammte Anfuhrweg von 30 bis 35 Metern für eine kurze Übergangszeit bereits mit verhältnismäßig einfachen Behelfsmaßnahmen (Bretter- oder Balkenbelag, Abdeckung) vorübergehend für die Sandzufuhr hätte benutzbar gemacht werden können.
Bei der Frage, ob die Fortführung der Arbeit durch technische Hilfsmittel möglich ist, wie auch, ob einem Betrieb der finanzielle Aufwand zuzumuten ist, sind die fachüblichen Maßstäbe anzulegen. Die Baubetriebe haben auch in der Schlechtwetterzeit ein gewisses Betriebsrisiko zu tragen. Soweit der Einsatz von technischen Hilfsmitteln, die dem Betrieb zur Verfügung stehen oder für ihn erreichbar sind und deren Anwendung keine unzumutbare finanzielle Belastung bedeuten, möglich ist, müssen diese auch eingesetzt werden.
Schließlich hätte das LSG darüber Feststellungen treffen müssen, ob vom 12. März 1963 an auf der Baustelle H.-straße ... tatsächlich eine Mischmaschine für die Estrich-Arbeiten verfügbar war. Die Beklagte hatte einer solchen Behauptung der Klägerin von Anfang an widersprochen.
Insgesamt reichen also die Feststellungen des LSG zu einer abschließenden Entscheidung über die Revision nicht aus. Das Urteil des Berufungsgerichts muß demnach aufgehoben und der Rechtsstreit zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das LSG zurückverwiesen werden (§ 170 Abs. 2 Satz 2 und Abs. 4 SGG).
Die Anschlußrevisionen der Klägerin sowie der Beigeladenen sind als unzulässig zu verwerfen.
Die Kostenentscheidung bleibt dem abschließenden Urteil vorbehalten.
Fundstellen