Leitsatz (amtlich)

Es ist grundsätzlich nicht unbillig hart (RVO § 568 Abs 3 S 1 Nr 3), der Bemessung des Übergangsgeldes während einer Berufshilfemaßnahme die vor ihrem Beginn bezogene Ausbildungsvergütung zugrunde zu legen. Eine unbillige Härte liegt insbesondere nicht vor, wenn der Verletzte wegen des Arbeitsunfalls eine ihn wirtschaftlich sicherstellende, das nach RVO § 568 Abs 1 berechnete Übergangsgeld übersteigende Rente bezieht und er ohne den Arbeitsunfall nur während der letzten 8 Monate der 21monatigen Berufshilfemaßnahme das Entgelt eines Gesellen hätte erzielen können.

 

Normenkette

RVO § 568 Abs. 3 S. 1 Nr. 3 Fassung: 1974-08-07

 

Verfahrensgang

SG Karlsruhe (Entscheidung vom 23.06.1976; Aktenzeichen S 9 U 1557/75)

 

Tenor

Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Karlsruhe vom 23. Juni 1976 aufgehoben.

Die Klage wird abgewiesen.

Kosten sind nicht zu erstatten.

 

Tatbestand

Der am 31. August 1956 geborene unverheiratete Kläger verletzte sich am 23. Februar 1973 bei einem Verkehrsunfall auf dem Weg zur Arbeit so schwer, daß sein linkes Bein in der Oberschenkelmitte amputiert werden mußte. Er hatte im September 1971 eine Ausbildung als Landmaschinenmechaniker begonnen, die bis zum 28. Februar 1975 dauern sollte. Seine Ausbildungsvergütung zur Unfallzeit betrug 300 DM monatlich. Vom 28. Januar 1974 an übernahm die Beklagte die Kosten (einschließlich Unterkunft und Verpflegung) für eine Umschulung des Klägers zum technischen Zeichner, die bis zum 31. Oktober 1975 durchgeführt wurde. Für die Zeit vom 1. März 1975 bis zum 31. Oktober 1975 begehrt der Kläger Übergangsgeld nach § 568 Abs 3 Nr 3 der Reichsversicherungsordnung (RVO) in der Fassung des Gesetzes über die Angleichung der Leistungen zur Rehabilitation vom 7. August 1974 (BGBl I 1881 - RehaAnglG -), weil es unbillig hart sei, der Bemessung des Übergangsgeldes seine frühere Ausbildungsvergütung auch für den Zeitraum zugrunde zu legen, in dem er ohne den Arbeitsunfall das Arbeitsverdienst eines Gesellen bezogen haben würde.

Die Beklagte gewährte dem Kläger eine Verletztenrente nach einer Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) um 70 vH, die sie vom Beginn der Umschulung an für die Zeit bis zum 28. Februar 1975 gemäß § 587 RVO auf die Vollrente erhöhte (Bescheide vom 11. November 1974). Die Vollrente betrug - bei einem Jahresarbeitsverdienst (JAV) von 7440 DM (Ortslohn) - monatlich 413,40 DM. Vom 1. März 1975 an zahlte die Beklagte die Verletztenrente nach einer MdE um 70 vH nach einem gemäß § 573 Abs 2 RVO angepaßten JAV von 12.812,80 DM (Bescheid vom 11. November 1974), nachträglich neu berechnet gemäß § 573 Abs 1 RVO auf 16.814,72 DM (Bescheid vom 27. Juli 1977), in Höhe von monatlich 498,30 DM bzw 654 DM.

Durch Bescheid vom 13. Mai 1975 lehnte die Beklagte die Zahlung von Übergangsgeld ab: Das dem Kläger vom 1. Juli 1974 an für die Dauer der beruflichen Rehabilitation nach § 568 RVO zustehende Übergangsgeld betrage, nach dem Regellohn berechnet, monatlich 240 DM; es könne jedoch, da die gemäß § 568 Abs 4 RVO anzurechnende Verletztenrente höher sei, nicht ausgezahlt werden.

Das Sozialgericht (SG) Karlsruhe hat die Beklagte durch Urteil vom 23. Juni 1976 antragsgemäß verurteilt, dem Kläger vom 1. März 1975 bis zum 31. Oktober 1975 Übergangsgeld gemäß § 568 Abs 3 Nr 3 RVO unter Anrechnung der Verletztenrente zu gewähren. Zur Begründung hat es ausgeführt: Das Übergangsgeld sei bei Personen, die wie der Kläger wegen der Umschulungsmaßnahmen gehindert seien, eine ganztägige Erwerbstätigkeit auszuüben, grundsätzlich nach dem zur Unfallzeit bezogenen Entgelt zu bemessen (§§ 568 Abs 1 iVm 560, 561 und 182 Abs 4, 5, 7, 8 und 10 RVO). Der Kläger hätte jedoch ohne den Arbeitsunfall noch während der Berufshilfemaßnahme die Gesellenprüfung abgelegt und sodann einen höheren Lohn bezogen. Da dem Übergangsgeld Lohnersatzfunktion zukomme, sei es unbillig hart im Sinne des § 568 Abs 3 Nr 3 RVO, für die Zeit vom 1. März 1975 an nicht den Gesellenlohn der Bemessung des Übergangsgeldes zugrunde zu legen. Durch die Nichtberücksichtigung des mutmaßlichen Gesellenlohnes würde der Kläger eine deutliche finanzielle Einbuße erleiden, die im Widerspruch zum Grundgedanken des Gesetzes stehe. Dem Kläger stehe deshalb ein nach § 568 Abs 3 Nr 3 RVO zu bemessendes Übergangsgeld unter Anrechnung der Rente zu.

Die Beklagte hat mit Zustimmung des Klägers die vom SG zugelassene Revision eingelegt. Sie macht geltend, durch die Erhöhung des JAV sei bereits bei der Verletztenrente die Lohnersatzfunktion berücksichtigt worden. Für das Übergangsgeld fehle es an einer dem § 573 RVO entsprechenden gesetzlichen Regelung. Es sei deshalb auch für die Zeit nach dem voraussichtlichen Abschluß der Lehre nach der Ausbildungsvergütung zu bemessen. Darin liege keine unbillige Härte, zumal da der Kläger eine nach dem Entgelt eines Gesellen berechnete Rente bezogen habe und die bei Anwendung des § 568 Abs 3 Nr 3 RVO geltenden Verdienste nach den Anlagen zum Fremdrentengesetz vom 25. Februar 1960 (BGBl I 93 - FRG -) aufgrund seines jugendlichen Alters nicht hätte erreichen können.

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des SG aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt,

die Revision zurückzuweisen.

Er ist der Auffassung, das nach dem RehaAnglG bei Maßnahmen der beruflichen Rehabilitation zu zahlende Übergangsgeld müsse, da es Lohnersatzfunktion habe, auch der Höhe nach den weggefallenen Lohn ersetzen. Vom 1. März 1975 an, dem voraussichtlichen Beginn seiner Beschäftigung als Geselle, sei zumindest eine dem Gesellenlohn vergleichbare Vergütung der Berechnung des Übergangsgeldes zugrunde zu legen.

 

Entscheidungsgründe

Mit Einverständnis der Beteiligten hat der Senat ohne mündliche Verhandlung entschieden (§ 124 Abs 2 des Sozialgerichtsgesetzes - SGG -).

Die Revision der Beklagten hat Erfolg. Der Anspruch des Klägers auf ein nach § 568 Abs 3 Nr 3 RVO zu bemessendes Übergangsgeld für den hier allein streitigen Zeitraum vom 1. März 1975 bis zum 31. Oktober 1975 ist nicht begründet.

Nach § 568 Abs 1 RVO erhält der Verletzte während einer Maßnahme der Berufshilfe Übergangsgeld nach den §§ 560, 561 auch, wenn er wegen der Teilnahme an der Maßnahme gehindert ist, eine ganztägige Erwerbstätigkeit auszuüben. Die Voraussetzungen dieser Vorschrift, die vom 1. Juli 1974 an auch für - wie hier - laufende Berufshilfemaßnahmen gilt (s. § 45 Abs 2 RehaAnglG), sind erfüllt. Da dem Kläger durch bindend gewordene Bescheide der Beklagten bereits für die Zeit vor dem Beginn der wegen der Unfallfolgen durchgeführten Umschulung Verletztenrente gewährt worden und damit das Verletztengeld (Übergangsgeld) weggefallen ist (§ 562 Abs 1 RVO), richtet sich der Anspruch des Klägers auf Übergangsgeld für den streitigen Zeitraum allein nach § 568 RVO. Entgegen der Auffassung des SG ist das Übergangsgeld nicht nur für die Zeit bis zum 28. Februar 1975, sondern auch für die darauffolgenden letzten acht Monate der insgesamt 21-monatigen Berufshilfemaßnahme nach §§ 568 Abs 1, 561 Abs 1 iVm § 182 Abs 4, 5 und 8 RVO zu bemessen. Hiernach ergibt sich ein Übergangsgeld von monatlich 240 DM. Die Verletztenrente nach einer MdE um 70 vH, die der Kläger während der Umschulung bezog und die für den hier streitigen Zeitraum - nach der voraussichtlichen Beendigung der Berufsausbildung als Landmaschinenmechaniker - gemäß § 573 (Abs 1 und 2) RVO erhöht worden ist, betrug demgegenüber monatlich 498,30 DM bzw - nach der letzten Berechnung - 654 DM. Da die Rente, die der Verletzte wegen des Arbeitsunfalls bezieht, auf das Übergangsgeld anzurechnen ist (§ 568 Abs 4 RVO), wenn der Verletzte - wie hier - seit dem Arbeitsunfall kein Arbeitsentgelt und Arbeitseinkommen erzielt hat, kommt es infolgedessen nicht zur Auszahlung des Übergangsgeldes.

Allerdings sieht § 568 Abs 3 RVO für bestimmte Fälle eine von Abs 1 und 2 abweichende Bemessung des Übergangsgeldes vor. Wenn der letzte Tag der Erwerbstätigkeit zu Beginn der Maßnahme länger als drei Jahre zurückliegt (1. Alternative), kein Arbeitsentgelt und Arbeitseinkommen erzielt worden ist (2. Alternative) oder es unbillig hart wäre, das Arbeitsentgelt und Arbeitseinkommen der Bemessung des Übergangsgeldes zugrunde zu legen (3. Alternative), beträgt das Übergangsgeld für den Kalendertag den 450. Teil des Betrages, der sich bei entsprechender Anwendung der Anlagen des FRG für das bei Beginn der Maßnahme zuletzt angegebene Kalenderjahr ergibt. Nach der Lage des Falles scheiden hier die erste und die zweite Alternative aus, da der letzte Tag der Erwerbstätigkeit des Klägers zu Beginn der Maßnahme erst elf Monate zurücklag und der Kläger vor der Maßnahme eine als Arbeitseinkommen zählende Ausbildungsvergütung (vgl BSGE 32, 169, 171; Brackmann, Handbuch der Sozialversicherung, 1.-8. Aufl, S. 574 b) bezog. Es kommt hier allein die dritte Alternative in Betracht.

Liegen die Voraussetzungen der Nr 3 des § 568 Abs 3 RVO vor, so ist die Berechnung des Übergangsgeldes nach dieser Vorschrift zwingend vorgeschrieben; die Berechnung ist nicht in das Ermessen des Unfallversicherungsträgers gestellt. Insoweit unterscheidet sich § 568 Abs 3 RVO von § 602 RVO, nach dem in Härtefällen eine laufende (Witwen-) Beihilfe gewährt werden kann. Die bei Anwendung dieser Vorschrift auftretenden Fragen über den Umfang der gerichtlichen Nachprüfung der die Leistung versagenden Entscheidung des Versicherungsträgers (vgl BSGE 34, 269; Brackmann aaO S. 592) stellen sich daher hier nicht. Der Begriff der unbilligen Härte ist ein unbestimmter Rechtsbegriff (Brackmann aaO S. 566 s). Es kann dahinstehen, ob dem Versicherungsträger ein gewisser Beurteilungsspielraum zusteht; denn jedenfalls ist die Frage, was unter einer unbilligen Härte im Sinne des § 568 Abs 3 Nr 3 RVO zu verstehen ist und ob der Begriff im Einzelfall richtig angewendet worden ist, nicht der gerichtlichen Nachprüfung entzogen (vgl Brackmann aaO S. 238 y II).

Die Beantwortung der Frage, unter welchen Umständen es unbillig hart wäre, das Übergangsgeld nach dem Arbeitsentgelt zu bemessen (§ 568 Abs 3 Nr 3 RVO), richtet sich nach Sinn und Zweck dieser Vorschrift unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls. Die Gewährung von Übergangsgeld in der gesetzlichen Unfallversicherung während der beruflichen Rehabilitation ist - wie die gesamten Unterhaltsleistungen während der medizinischen und beruflichen Rehabilitation in den anderen Zweigen der Sozialversicherung - durch das RehaAnglG neu geregelt worden. Diese Unterhaltsleistungen, die als Übergangsgeld - nur in der Krankenversicherung als Krankengeld - bezeichnet werden, lehnen sich in der Berechnungsweise und in der Höhe eng an die insoweit grundlegenden Vorschriften über das Krankengeld an (für die Unfallversicherung s. §§ 568 Abs 1 und 2, 561 Abs 1 RVO mit Bezugnahme auf § 182 Abs 4, 5, 8 und 10 RVO). Die enge Beziehung zwischen Übergangsgeld und Krankengeld ist bei der Auslegung des § 568 RVO entscheidend mit zu berücksichtigen. § 568 Abs 3 RVO entspricht dem § 14 RehaAnglG. Der Gesetzgeber hat, wie sich aus der amtlichen Begründung ergibt (s. BT-Drucks 7/1237 S. 59 zu § 14), § 14 in das RehaAnglG aufgenommen, um in den Fällen Abhilfe zu schaffen, in denen eine ausreichende Höhe des Übergangsgeldes bei Zugrundelegung des zuletzt erzielten Arbeitsentgelts nicht sichergestellt ist. Unter den Voraussetzungen des § 568 Abs 3 RVO ist das Übergangsgeld aufgrund eines der Leistungsfähigkeit des Verletzten entsprechenden Entgelts zu berechnen (BT-Drucks 7/1237 S. 68 zu Nr 45). § 568 Abs 3 RVO soll nach dem Willen des Gesetzgebers verhindern, daß die Stellung des Behinderten während der Rehabilitationsmaßnahme zu seinem Nachteil verändert wird (vgl Jung/Preuß, Rehabilitation, 2. Aufl, Anm 5 zu § 2; Elsner/Pelikan, Rehabilitations-Angleichungsgesetz, 177, § 14 Rdnr 7), nicht aber soll die Vorschrift zu einer wirtschaftlichen Besserstellung des Behinderten während der Rehabilitationsmaßnahme führen.

§ 568 Abs 3 RVO gilt nur für das während berufsfördernder Maßnahmen zur Rehabilitation zu zahlende Übergangsgeld (BT-Drucks 7/1237 S. 60 zu § 14 RehaAnglG). Für das Übergangsgeld während medizinischer Maßnahmen zur Rehabilitation fehlt es dagegen an einer entsprechenden Vorschrift. Die unterschiedliche Regelung findet ihren Grund darin, daß Maßnahmen der medizinischen Rehabilitation sich im allgemeinen unmittelbar an die Erwerbstätigkeit des Verletzten anschließen und in der Regel nicht über lange Zeiträume durchgeführt werden müssen, während die Maßnahmen der beruflichen Rehabilitation im allgemeinen erst zu einem späteren Zeitpunkt einsetzen und sich auf einen längeren Zeitraum (uU mehr als zwei Jahre, s. § 11 Abs 3 RehaAnglG) erstrecken. Der Gesetzgeber hat diesen Unterschieden in § 568 Abs 3 Nr 1 RVO dadurch Rechnung getragen, daß er es bei einem Zeitraum von drei Jahren zwischen dem letzten Tag der Erwerbstätigkeit und dem Beginn der Berufshilfemaßnahme für geboten hält, von dem Grundsatz abzuweichen, daß als Bemessungsgrundlage für das Übergangsgeld auf das zuletzt erzielte Arbeitsentgelt abzustellen ist. Daraus wird ersichtlich, daß der Gesetzgeber bestrebt war, die aus der Berücksichtigung eines lange zurückliegenden Arbeitsentgelts als Bemessungsgrundlage entstehenden Verluste auszugleichen, die sich daraus ergeben, daß das Arbeitsentgelt nicht an der allgemeinen Lohn- und Einkommensentwicklung teilgenommen hat. Dieser der wirtschaftlichen Sicherstellung des Rehabilitanden dienende Grundgedanke, wie er aus der Regelung des § 568 Abs 3 Nr 1 RVO abzuleiten ist, muß auch bei der Auslegung des Begriffs der unbilligen Härte in § 568 Abs 3 Nr 3 RVO beachtet werden. Eine unbillige Härte könnte danach, je nach den sonstigen Umständen des Falles, um so eher angenommen werden, je mehr sich - uU bis zu fast drei Jahren nach dem letzten Tag der Erwerbstätigkeit - der Beginn der Berufshilfemaßnahme verzögert hat. Dieser Gesichtspunkt entfällt hier, weil die Umschulung des Klägers bereits weniger als ein Jahr nach dem Arbeitsunfall und der letzten Erwerbstätigkeit begonnen hat.

Eine unbillige Härte liegt zwar vor, wenn das Arbeitsentgelt im letzten Lohnabrechnungszeitraum (§ 568 Abs 1 in Verbindung mit § 182 Abs 5 RVO) wegen der Verletzung des Behinderten wesentlich geringer als früher ist (vgl Brackmann aaO S. 566 s; Bereiter-Hahn/Schieke, Unfallversicherung, 1977, § 568 Rdnr 11; s. auch - zu § 1241 a Abs 2 Nr 3 RVO - MittLVA Oberfr 1976, 192, 204; Gerlach in MittLVA Rheinpr 1974, 566, 581). Dagegen ist die Bemessung des Übergangsgeldes nach der zuletzt bezogenen Ausbildungsvergütung nicht schon unbillig hart, weil der Rehabilitand - wie hier der Kläger vom 1. März 1975 an - noch während der laufenden Berufshilfemaßnahme die Lehre beendet und das höhere Arbeitsentgelt eines Gesellen bezogen hätte. Tatsächliche oder - wie hier - voraussichtliche Änderungen des Arbeitsentgelts, die erst nach dem Beginn der Arbeitsunfähigkeit eintreten, sind bei der Berechnung des Kranken- bzw Übergangsgeldes grundsätzlich nicht zu berücksichtigen (so bereits die Rechtsprechung des BSG vor dem RehaAnglG, BSGE 36, 59, 61; vgl auch Urteil des 3. Senats - 3 RK 82/75 - vom 10. November 1977; BSG SozR 2200 § 1241 Nr 3 und Nr 4). Dies wird durch die Fassung des § 182 Abs 5 RVO idF des RehaAnglG verdeutlicht (Brackmann aaO S 563 n). Solche Änderungen rechtfertigen daher grundsätzlich auch nicht die Anwendung des § 568 Abs 3 Nr 3 RVO. Ohne Berücksichtigung besonderer Umstände des Einzelfalls kann eine unbillige Härte auch nicht allein darin gesehen werden, daß eine vor dem Arbeitsunfall bezogene Ausbildungsvergütung für die gesamte Dauer der Berufshilfemaßnahme die Bemessungsgrundlage für das Übergangsgeld bildet. Der Gesetzgeber hat diese Regelung bewußt getroffen und dabei in Kauf genommen, daß der Kreis der hiervon Betroffenen - meist Jugendliche - uU schlechter gestellt ist als diejenigen, die vor dem Beginn einer Berufshilfemaßnahme überhaupt kein Arbeitsentgelt oder Arbeitseinkommen erzielt haben (§ 568 Abs 3 Nr 2 RVO; vgl dazu Jung/Preuß aaO, 1. Aufl § 14 Anm 3 und 2. Aufl § 2 Anm 5). Die Entscheidung des Gesetzgebers kann von der Rechtsprechung nicht in der Weise korrigiert werden, daß generell in den Fällen, in denen Jugendliche ein Übergangsgeld nach § 568 Abs 1 RVO unter Zugrundelegung der Ausbildungsvergütung erhalten, eine unbillige Härte im Sinne des § 568 Abs 3 Nr 3 RVO bejaht wird.

Für die Berechnung des Übergangsgeldes gibt es keine dem § 573 RVO entsprechende Vorschrift. Eine entsprechende Anwendung des § 573 RVO auf einen Fall der vorliegenden Art kommt nicht in Betracht. Nach Wortlaut, Gesetzessystematik und Zweck des § 573 RVO ist sein Anwendungsbereich auf Leistungen beschränkt, die nach dem JAV berechnet werden (vgl BSGE 42, 163, 169).

Bei der Prüfung, ob es unbillig hart wäre, der Bemessung des Übergangsgeldes die Ausbildungsvergütung des Klägers zugrunde zu legen, sind alle Umstände des Falles zu berücksichtigen. Der Kläger hat ohne zeitliche Verzögerung bereits 11 Monate nach dem Arbeitsunfall, dem letzten Tag der Erwerbstätigkeit, mit der Berufshilfemaßnahme begonnen. Ohne den Arbeitsunfall hätte er nur für einen relativ kurzen Zeitraum - während der letzten acht Monate der 21-monatigen Umschulungsmaßnahme - das höhere Arbeitsentgelt eines Gesellen erzielen können. Ihm ist folglich nicht für die gesamte Laufzeit der Berufshilfemaßnahme der höhere Gesellenlohn entgangen. Darüber hinaus ist insbesondere zu berücksichtigen, daß durch die von der Beklagten gewährte - nach § 571 Abs 1 RVO neu berechnete - Verletztenrente in Höhe von monatlich 654 DM und die von der Beklagten getragenen Kosten für Unterkunft und Verpflegung während der Berufshilfemaßnahme eine ausreichende wirtschaftliche Sicherstellung des bei Beendigung der Maßnahme erst 19 Jahre alten unverheirateten Klägers gewährleistet war. Nach allem liegt hier eine unbillige Härte im Sinne des § 568 Abs 3 Nr 3 RVO nicht vor.

Auf die Revision der Beklagten war daher das Urteil des SG Karlsruhe aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

 

Fundstellen

Haufe-Index 1655172

BSGE, 171

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