Entscheidungsstichwort (Thema)
Krankengeldanspruch. Krankengeldwiedergewährung. Krankengeldentziehung. Bedeutung einer Zusicherung
Orientierungssatz
1. Vor Inkrafttreten des SGB 10 konnte ein wiedergewährtes Krankengeld - sieht man von einem Wegfall des Krankengeldanspruchs wegen einer Änderung der Verhältnisse ab (zB Wiedereintritt der Arbeitsfähigkeit, Ablauf der gesetzlichen Bezugszeit, Gewährung einer Erwerbsunfähigkeitsrente oder eines Altersruhegeldes) - nur unter den Voraussetzungen des inzwischen aufgehobenen § 1744 RVO entzogen werden (Bestätigung BSG vom 1978-12-20 3 RK 42/78 = BSGE 47, 288).
2. Die rückwirkende Bewilligung der Erwerbsunfähigkeitsrente ermächtigt die Krankenkassen nicht, über eine bereits anerkannte Krankengeldberechtigung des Versicherten in vollem Umfange, also auch dem Grunde nach eine neue Entscheidung zu treffen.
3. Hat die Krankenkasse das Krankengeld rechtsverbindlich bewilligt (gewährt), jedoch noch nicht zur Auszahlung gebracht, so ist sie in den Fällen des § 183 Abs 3 RVO verpflichtet, den Unterschiedsbetrag zwischen der Erwerbsunfähigkeitsrente und des höheren Krankengeldes nachzuzahlen.
4. Zur rechtlichen Bedeutung einer Zusicherung vor Geltung des § 34 SGB 10 (vergleiche BSG vom 1978-10-25 1 RA 1/78 = SozR 2200 § 1237 RVO Nr 10 mwN).
Normenkette
RVO § 183 Abs 3 Fassung: 1961-07-12, § 1744 Abs 1; SGB 10 § 34 Fassung: 1980-08-18
Verfahrensgang
LSG Baden-Württemberg (Entscheidung vom 25.07.1980; Aktenzeichen L 4 Kr 1837/79) |
SG Karlsruhe (Entscheidung vom 10.10.1979; Aktenzeichen S 2 Kr 1605/78) |
Tatbestand
Umstritten ist ein Anspruch auf Krankengeld.
Die Klägerin war bei der beklagten Ersatzkasse mit Anspruch auf Krankengeld versichert. Seit dem 17. Dezember 1974 ist sie arbeitsunfähig krank. Sie bezog Krankengeld bis zum Ende der gesetzlichen Bezugszeit von 78 Wochen innerhalb des ersten Dreijahreszeitraums, gerechnet vom Beginn der Arbeitsunfähigkeit an (Block- bzw Rahmenfrist iS des § 183 Abs 2 der Reichsversicherungsordnung -RVO-). Schließlich erhielt sie von der Bundesversicherungsanstalt für Angestellte (BfA) Rente wegen Erwerbsunfähigkeit auf Zeit. Nach dem Beginn einer neuen Blockfrist am 17. Dezember 1977 und dem vorläufigen Ende des Rentenbezugs am 31. Dezember 1977 - ein Antrag auf Weitergewährung der Rente wurde von der BfA zunächst abgelehnt, die Ablehnung jedoch von der Klägerin angefochten - nahm die Beklagte die Krankengeldzahlung am 1. Januar 1978 wieder auf.
Mit einem Bescheid vom 17. Februar 1978 teilte die Beklagte der Klägerin mit, eine Überprüfung des Versicherungsfalles, die aufgrund der Entscheidungen des Bundessozialgerichts (BSG) vom 5. Oktober 1977 in den Verfahren 3 RK 35/75 und 3 RK 8/77 notwendig geworden sei, habe ergeben, daß der Krankengeldanspruch rückwirkend zum 1. Januar 1978 weggefallen sei. Krankengeld werde daher nur noch bis einschließlich 18. Februar 1978 gezahlt. Eine Rückforderung des bisher gewährten Krankengelds erfolge jedoch nicht. Ein Anspruch auf Krankengeld bestehe deshalb nicht mehr, weil die Mitgliedschaft der Klägerin nach der Leistungsunterbrechung am 31. März 1976 in einer Beitragsklasse ohne Anspruch auf Krankengeld fortgesetzt worden und auch die Frist für einen nachgehenden Anspruch auf Krankenpflege nach § 183 Abs 1 Satz 2 RVO abgelaufen gewesen sei.
Die Beklagte wies den Widerspruch der Klägerin zurück (Widerspruchsbescheid vom 29. Juni 1978). Im anschließenden Klageverfahren hat sie jedoch mit Schreiben vom 9. Oktober 1978 einen Vergleichsvorschlag unterbreitet, wonach sie bereit wäre, von dem Rechtsstandpunkt des BSG, den dieses in einem bei ihm anhängigen gleichgelagerten Rechtsstreit (3 RK 42/78) einnehmen werde, auch im vorliegenden Fall auszugehen. Die Klägerin hat diesen Vergleichsvorschlag nicht angenommen, weil sie den Sachverhalt nicht kenne, der in dem beim BSG anhängigen Rechtsstreit zu beurteilen sei. Sie erklärte jedoch ihr Einverständnis mit dem Ruhen des Verfahrens bis zur Entscheidung des BSG.
Nachdem die BfA im Rentenstreitverfahren das Anerkenntnis abgegeben hatte, Rente wegen Erwerbsunfähigkeit über den 31. Dezember 1977 hinaus zu gewähren (Rentennachzahlung am 8. März 1979, laufende Zahlung ab 1. April 1979), verlangte die Klägerin nur noch die Zahlung von Krankengeld für die Zeit vom 19. Februar 1978 bis 7. März 1979 unter Anrechnung der auf diese Zeit entfallenden Rente. Zur Begründung trug sie vor: Aus der nun vorliegenden Entscheidung des BSG in der Sache 3 RK 42/78 (Urteil vom 20. Dezember 1978) ergebe sich, daß die Beklagte das Krankengeld zu Unrecht entzogen habe. Da sie (die Klägerin) vor der Entziehung des Krankengeldes nicht angehört worden sei, habe die Beklagte auch gegen den - inzwischen aufgehobenen - § 34 Abs 1 des Sozialgesetzbuches - Allgemeiner Teil - (SGB I) verstoßen. Schließlich sei die Beklagte nach § 43 Abs 1 Satz 1 SGB I verpflichtet gewesen, vorläufige Leistungen zu erbringen. Sie (die Klägerin) habe einen Anspruch darauf, so behandelt zu werden, als wäre der angefochtene Bescheid vom 17. Februar 1978 nicht ergangen.
Klage und Berufung hatten keinen Erfolg. Im Berufungsverfahren hat die Beklagte eingewandt, sie habe das Krankengeld mit Bescheid vom 17. Februar 1978 zwar rechtsirrtümlich versagt, dennoch greife § 183 Abs 3 Satz 1 RVO ein, andernfalls komme es zu einer unzulässigen Doppelleistung. Das Sozialgericht (SG) und das Landessozialgericht (LSG) haben sich der Rechtsauffassung der Beklagten angeschlossen. Das Berufungsgericht hat ausgeführt:
Obwohl die Erwerbsunfähigkeitsrente erst nach Erlaß des angefochtenen Bescheides zuerkannt worden sei, müsse die rückwirkende Rentengewährung berücksichtigt werden und nach § 183 Abs 3 Satz 1 RVO zum Wegfall des Krankengeldanspruchs ab Rentenbeginn führen. Bei Anfechtungsklagen, die sich gegen einen Verwaltungsakt ohne Dauerwirkung wie hier gegen den Entziehungsbescheid richteten, sei der gerichtlichen Entscheidung zwar grundsätzlich die Sach- und Rechtslage bei Erlaß des Verwaltungsaktes bzw des Widerspruchsbescheides zugrunde zu legen. Das schließe aber die Verwertung späterer Erkenntnisse zur damaligen Sach- und Rechtslage nicht aus. Nach Bewilligung der Erwerbsunfähigkeitsrente über den 31. Dezember 1977 hinaus rechtfertige § 183 Abs 3 Satz 1 RVO die Versagung weiteren Krankengelds. Daran ändere nichts der Umstand, daß das Krankengeld mit einer Begründung versagt worden sei, die die Beklagte angesichts der späteren Rechtsprechung des BSG (BSGE 47, 288 ff) selbst nicht mehr aufrechterhalten habe. Das Nachschieben von Gründen sei hier zulässig, weil der das weitere Krankengeld versagende Verwaltungsakt in seinem Wesen nicht verändert werde und andere Gesichtspunkte ebenfalls nicht entgegenstünden. Die Klägerin könne auch mit ihrem Hinweis auf Vorschriften des SGB I nicht durchdringen. Es sei schließlich nicht rechtsmißbräuchlich, daß sich die Beklagte auf § 183 Abs 3 Satz 1 RVO berufe.
Zur Begründung der gegen das Berufungsurteil eingelegten Revision trägt die Klägerin vor: Bei der Entscheidung sei nicht auf den Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung vor dem SG, sondern auf den Zeitpunkt des Erlasses der angefochtenen Verwaltungsentscheidungen (17. Februar und 29. Juni 1978) abzustellen. Sie sei damals auf den Bezug des Krankengelds angewiesen gewesen. Die Einstellung der Krankengeldzahlung habe nie mit der Notwendigkeit konfrontiert, ihren Lebensunterhalt aus den nach langer Krankheit ohnehin nahezu nicht mehr vorhandenen Ersparnissen zu bestreiten. Bei dieser Sachlage wäre es nach § 34 Abs 1 SGB I unerläßlich gewesen, sie vor Einstellung der Krankengeldzahlung anzuhören, zumal sich die Beklagte zur Einstellung nicht aufgrund eines geänderten Sachverhalts, sondern aufgrund einer geänderten Rechtsmeinung veranlaßt gesehen habe. Zumindest hätte die Beklagte nach § 42 Abs 1 SGB I Vorschußleistungen erbringen müssen, denn Sinn und Zweck dieser Vorschrift sei es, eine soziale Mindestausstattung der Versicherten zu gewährleisten. § 183 Abs 3 RVO bezwecke, daß Renten- und Krankengeldleistungen nahtlos ineinander übergingen. Dem habe die Beklagte nicht Rechnung getragen, als sie aufgrund einer geänderten Rechtsauffassung, die sich bei näherer Betrachtung als unhaltbar erwiesen habe, von einer jahrzehntelangen Verwaltungspraxis abweichend von einem Tag auf den anderen jegliche Krankengeldleistungen eingestellt und sie auch nicht wieder aufgenommen habe, als ihr das Urteil des BSG vom 20. Dezember 1978 bekannt geworden sei. Der Beklagten sei es deshalb nach § 160 Abs 2 iVm § 242 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) verwehrt, sich auf § 183 Abs 3 RVO zu berufen.
Die Klägerin beantragt,
die Urteile des Landessozialgerichts Baden-Württemberg
vom 25. Juli 1980 und des Sozialgerichts Karlsruhe vom
20. Juli 1979 sowie den Bescheid der Beklagten vom
17. Februar 1978 in Gestalt des Widerspruchsbescheides
vom 29. Juni 1978 aufzuheben und die Beklagte zu
verurteilen, Krankengeld für die Zeit vom 19. Februar
1978 bis 7. März 1979 unter Anrechnung der für diesen
Zeitraum geleisteten Rente wegen Erwerbsunfähigkeit
zu zahlen,
hilfsweise,
die Streitsache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung
an einen anderen Senat des Landessozialgerichts
Baden-Württemberg zurückzuverweisen.
Die Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Sie bezieht sich auf die Entscheidungen der Vorinstanzen und trägt ergänzend vor, ein Anspruch auf Vorschußleistungen nach § 42 Abs 1 SGB I sei schon deshalb nicht begründet gewesen, weil nicht die Höhe des Anspruchs streitig gewesen sei.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist begründet. Das LSG hat zu Unrecht die Berufung der Klägerin gegen das klageabweisende Urteil des SG zurückgewiesen.
Der angefochtene Bescheid vom 17. Februar 1978, mit dem die Beklagte das ab 1. Januar 1978 wiedergewährte Krankengeld entzogen hat, ist rechtswidrig und daher aufzuheben. Der Klägerin steht daher, wie von der Beklagten vor der Entziehung festgestellt, ein Anspruch auf Wiedergewährung von Krankengeld für die Zeit ab 1. Januar 1978 zu. Unter Berücksichtigung der Krankengeldzahlung bis 18. Februar 1978 und der während des Klageverfahrens zuerkannten Erwerbsunfähigkeitsrente beschränkt sich jedoch die der Klägerin noch zustehende Krankengeldleistung auf die Zeit vom 19. Februar 1978 bis zum 7. März 1979 und auf den die Erwerbsunfähigkeitsrente übersteigenden Krankengeldbetrag. Da die Klägerin auch nur diese Leistung begehrt, ist ihrer Klage in vollem Umfange stattzugeben.
Bei der Prüfung der Rechtslage ist davon auszugehen, daß die Beklagte nach Beginn der 2. Blockfrist die Krankengeldzahlung ab 1. Januar 1978 erneut aufgenommen und damit einen Anspruch der Klägerin auf Wiedergewährung des Krankengelds rechtsverbindlich anerkannt hat. Wie der Senat auch für die hier streitbefangene Zeit vor Inkrafttreten des Sozialgesetzbuches - Verwaltungsverfahren - (SGB X) am 1. Januar 1981 (Art II § 40 SGB X) bereits mehrfach entschieden hat, handelt es sich bei der Wiedergewährung von Krankengeld um einen Verwaltungsakt, und zwar selbst dann, wenn die Wiedergewährung nicht durch ausdrücklichen Bescheid, sondern nur mündlich oder auch nur durch konkludente Handlung, zB Überweisung des Geldes, erfolgt sein sollte (BSGE 47, 288, 290 = SozR 2200 § 183 RVO Nr 19). Ein Verwaltungsakt, gegen den ein Rechtsbehelf nicht oder erfolglos eingelegt wird, ist für die Beteiligten in der Sache bindend, soweit durch Gesetz nichts anderes bestimmt ist (§ 77 des Sozialgerichtsgesetzes -SGG-). Auch im vorliegenden Fall ist die Entscheidung der Beklagten über die Wiedergewährung des Krankengelds an die Klägerin rechtsverbindlich geworden.
Vor Inkrafttreten des SGB 10 konnte ein wiedergewährtes Krankengeld - sieht man von einem Wegfall des Krankengeldanspruchs wegen einer Änderung der Verhältnisse ab (zB Wiedereintritt der Arbeitsfähigkeit, Ablauf der gesetzlichen Bezugszeit, Gewährung einer Erwerbsunfähigkeitsrente oder eines Altersruhegeldes) - nur unter den Voraussetzungen des inzwischen aufgehobenen § 1744 RVO entzogen werden (BSGE aaO). Daß der angefochtene Entziehungsbescheid der Beklagten vom 17. Februar 1978 nicht den Voraussetzungen dieser Vorschrift entspricht, steht außer Frage. Gegenteiliges wird auch von der Beklagten nicht behauptet. Diese war bei Erteilung des Entziehungsbescheides der Auffassung, nach einer von ihr angenommenen Änderung der Rechtsprechung habe der Klägerin von Anfang an kein Anspruch auf Wiedergewährung des Krankengelds in der 2. Blockfrist zugestanden, weil jene als Rentenantragstellerin nur noch ohne Krankengeldberechtigung versichert gewesen sei. Abgesehen davon, daß die Beklagte insoweit aus den Entscheidungen des Senats vom 5. Oktober 1977 - 3 RK 35/75 - (BSGE 45, 11 ff = SozR 2200 § 183 RVO Nr 1) und vom selben Tag - 3 RK 8/77 - (BKK 1978, 42, 157 mit Anmerkung von von Wulffen) unzutreffende Schlußfolgerungen gezogen hat (vgl BSGE 49, 163 ff = SozR 2200 § 183 Nr 30; SozR 2200 § 183 RVO Nr 35 und 36), rechtfertigte eine Änderung der Rechtsauffassung nicht die Entziehung eines wiedergewährten Krankengelds. Das hat der Senat im Verlaufe dieses Rechtsstreits durch Entscheidungen in anderen Verfahren klargestellt (ua BSGE 47, 288 ff). Die Beklagte hat dieser Rechtsprechung Rechnung getragen und ihre ursprüngliche Begründung für die Krankengeldentziehung nicht aufrechterhalten. Damit fehlt aber dem Entziehungsbescheid vom 17. Februar 1978 jede Rechtsgrundlage, denn die Rücknahme des das Krankengeld wiedergewährenden Verwaltungsaktes hätte nur auf § 1744 RVO gestützt werden können.
Die Beklagte beruft sich nun auf die während des Klageverfahrens erfolgte Rentenbewilligung. Diese nachgeschobene Begründung macht die Entziehung des Krankengelds nicht nachträglich rechtmäßig. Im Verfahren vor den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit wird das Nachschieben von Gründen zur Rechtfertigung eines Verwaltungsaktes nur mit der Einschränkung als zulässig erachtet, daß das neue Vorbringen weder den angefochtenen Bescheid in seinem Wesensgehalt noch den Bescheidempfänger in seiner Rechtsverfolgung beeinträchtigen darf (BSGE 29, 129, 132 = SozR Nr 123 zu § 54 SGG; BSGE 45, 206, 208 = SozR 2200 § 1227 RVO Nr 10 mwN). Die rückwirkende Bewilligung der Erwerbsunfähigkeitsrente rechtfertigt nicht eine Krankengeldentziehung, wie sie die Beklagte mit dem Bescheid vom 17. Februar 1978 vorgenommen hat. Nach § 183 Abs 3 RVO endet der Krankengeldanspruch mit dem Tage, von dem an Rente wegen Erwerbsunfähigkeit oder Altersruhegeld zugebilligt wird (Satz 1); ist aber über diesen Zeitpunkt hinaus Krankengeld gezahlt worden, so verbleibt dem Versicherten der die Rente übersteigende Krankengeldbetrag (Satz 2 und 3). Die Rentengewährung führt also zu einer kraft Gesetzes wirksam werdenden Beschränkung der Krankengeldleistung. Mit Wegfall der Rente lebt, soweit die Voraussetzungen noch vorliegen, der Krankengeldanspruch wieder auf. § 183 Abs 3 RVO ermächtigt die Krankenkassen also nicht, über eine bereits anerkannte Krankengeldberechtigung des Versicherten in vollem Umfange, also auch dem Grunde nach eine neue Entscheidung zu treffen. Gerade das hat aber die Beklagte mit dem Bescheid vom 17. Februar 1978 getan. Sie teilte der Klägerin mit, sie habe eine Überprüfung des Versicherungsfalles vorgenommen und sei dabei zu dem Ergebnis gekommen, daß ein Krankengeldanspruch in der 2. Blockfrist von Anfang an nicht zugestanden habe und zwar deshalb, weil die Anspruchsvoraussetzungen nicht erfüllt gewesen seien. Damit hat sie in eine von der Klägerin erworbene Rechtsposition gestaltend eingegriffen. Sie hat den rechtsverbindlichen Verwaltungsakt, der die Wiedergewährung des Krankengelds beinhaltete, aufgehoben und eine neue Entscheidung getroffen. Der Bescheid vom 17. Februar 1978 enthält also einen rechtsgestaltenden Verwaltungsakt und nicht nur die Mitteilung einer kraft Gesetzes eingetretenen Rechtsfolge. Außerdem trifft er eine Regelung, die über die des § 183 Abs 3 RVO hinausgeht. Ob ein Krankengeldanspruch überhaupt nicht mehr besteht, weil schon die (mitgliedschaftlichen) Grundvoraussetzungen fehlen, oder ob eine Krankengeldleistung nur wegen und während eines Rentenbezugs rückwirkend (unter Umständen nur teilweise) entfällt, ist sowohl, worauf oben bereits hingewiesen worden ist, leistungsrechtlich als auch in mitgliedschaftlicher Hinsicht von Bedeutung (zB § 311 Abs 1 Nr 2 RVO).
Daraus folgt jedoch nicht, daß im vorliegenden Fall die Zuerkennung der Erwerbsunfähigkeitsrente während des Klageverfahrens überhaupt unberücksichtigt bleiben müßte. Sie kann lediglich nicht die Rechtswidrigkeit des Krankengeldentziehungsbescheides vom 17. Februar 1978 beseitigen. Die Klägerin begehrt aber nicht nur die Aufhebung dieses Bescheides, sondern auch die Verurteilung der Beklagten zur Zahlung von Krankengeld. Bei einer Leistungsklage hat das Gericht seiner Entscheidung die tatsächlichen und rechtlichen Verhältnisse zugrunde zu legen, wie sie im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung bestanden haben (Meyer-Ladewig, Sozialgerichtsgesetz, 2. Aufl, § 54 RdNr 34; Hennig/Danckwerts/König, Sozialgerichtsgesetz, Kommentar, Stand April 1981, § 54 Anm 19). Die Zuerkennung der Erwerbsunfähigkeitsrente wirkt kraft Gesetzes auf den Krankengeldanspruch ein. Aus der gesetzlichen Regelung des § 183 Abs 3 RVO ergibt sich, daß mit der Gewährung der Erwerbsunfähigkeitsrente die laufende Krankengeldzahlung entfällt. Der Anspruch auf Krankengeld endet zwar rückwirkend ab Zubilligung der Rente, also ab Rentenbeginn (BSGE 48, 253, 254 = SozR 2200 § 183 Nr 25 mwN); für das über diesen Zeitpunkt hinaus gezahlte Krankengeld erhält die Krankenkasse aber nur insoweit einen Ausgleich, als der Anspruch auf Rente bis zur Höhe des gezahlten Krankengelds auf die Kasse übergeht (Satz 2 des § 183 Abs 3 RVO); den die Rente übersteigenden Krankengeldbetrag kann die Krankenkasse nicht vom Versicherten zurückfordern (Satz 3).
Im vorliegenden Fall hätte demnach die Klägerin, wäre das Krankengeld nicht rechtswidrig entzogen worden, bis zur tatsächlichen Rentengewährung Krankengeld bezogen und auch insoweit behalten, als es die Rente überstieg. Nun ist zwar der Klägerin das Krankengeld nicht ausgezahlt worden, die Beklagte hat es ihr aber rechtsverbindlich bewilligt. Die Klägerin konnte also von Anfang an mit dieser Krankengeldleistung rechnen und sich auf sie einstellen. Die rechtsverbindliche Bewilligung (Gewährung) des Krankengelds ist deshalb einer Auszahlung iS des § 183 Abs 3 RVO gleichzuachten. Die Beklagte ist daher verpflichtet, für die Zeit vom 18. Februar 1978 (rechtswidrige Einstellung der Krankengeldzahlung) bis zum 7. März 1979 (Wiedergewährung der Erwerbsunfähigkeitsrente) - bezüglich dieses zeitlichen Rahmens besteht zwischen den Beteiligten kein Streit - den Unterschiedsbetrag zwischen der Erwerbsunfähigkeitsrente und des höheren Krankengelds an die Klägerin nachzuzahlen.
Dieses Ergebnis entspricht dem Sinn und Zweck der in § 183 Abs 3 RVO getroffenen Regelung, wie er sich insbesondere aus den Sätzen 2 und 3 der Vorschrift ergibt. Es steht vor allem auch im Einklang mit der Begründung, die dieser Regelung im Gesetzgebungsverfahren gegeben worden ist. § 183 Abs 3 RVO geht zurück auf das Gesetz zur Änderung und Ergänzung des Gesetzes zur Verbesserung der wirtschaftlichen Sicherung der Arbeiter im Krankheitsfalle vom 12. Juli 1961 (BGBl I 913). In seinem Bericht zum Entwurf dieses Gesetzes hat der Bundestagsausschuß für Sozialpolitik ausgeführt, der Versicherte habe zwar von dem Tage an, von dem an er eine Erwerbsunfähigkeitsrente oder ein Altersruhegeld erhält, keinen Anspruch mehr auf Krankengeld, der Anspruch falle aber nicht etwa rückwirkend weg, der Versicherte erhalte vielmehr das Krankengeld, das bis zur Zustellung des Rentenbescheids gezahlt sei (BT-Drucks 3/2748 S 3). Wenn diese Ausführungen auch widersprüchlich erscheinen, weil einerseits davon die Rede ist, daß der Versicherte das Krankengeld "erhält", andererseits auf das Krankengeld Bezug genommen wird, das "gezahlt ist", kann ihnen doch entnommen werden, daß dem Versicherten die ihm für die zurückliegende Zeit gewährte Krankengeldleistung verbleiben soll. Im vorliegenden Fall stand der Klägerin für die hier streitbefangene Zeit Krankengeld zu. Die Beklagte war aufgrund ihrer Bewilligung, an die sie gemäß § 77 SGG gebunden ist, zur Auszahlung des Krankengelds verpflichtet. Sie hat mit der Bewilligung das Krankengeld rechtsverbindlich gewährt, sie hat es nur noch nicht ausgezahlt.
Ein weiterer Gesichtspunkt verdient im vorliegenden Fall Beachtung. Der Umstand, daß die Klägerin sich mit dem Ruhen des Klageverfahrens bis zur Entscheidung des Senats in der Streitsache 3 RK 42/78 einverstanden erklärt und damit die Möglichkeit eröffnet hat, auch den Abschluß ihres Rentenverfahrens abzuwarten, darf nicht zu einer Benachteiligung der Klägerin führen. Der Einverständniserklärung war ein Vergleichsvorschlag der Beklagten vorausgegangen, der die Zusicherung enthielt, im vorliegenden Fall von dem Rechtsstandpunkt auszugehen, den der Senat in der Streitsache 3 RK 42/78 einnehmen werde. Zwar hat die Klägerin diesen Vergleichsvorschlag nicht angenommen, sie hat sich aber aufgrund dieses Vorschlages bereit gefunden, dem Ruhen des Verfahrens zuzustimmen. Ihre diesbezügliche Erklärung muß daher im Zusammenhang mit dem Vorschlag der Beklagten gesehen werden. Die Beklagte hat sich, nachdem die Klägerin nur teilweise auf ihren Vorschlag eingegangen war, nicht von ihrer Zusicherung distanziert. Es ist daher geboten, die Klägerin so zu stellen, wie sie gestanden hätte, wenn der Rechtsstandpunkt, den der Senat in seiner Entscheidung vom 20. Dezember 1978 - 3 RK 42/78 - (BSGE 47, 288 ff) eingenommen hat, bereits damals auch im vorliegenden Fall zugrundegelegt worden wäre (zur rechtlichen Bedeutung einer Zusicherung vor Geltung des § 34 SGB X: BSG SozR 2200 § 1237 RVO Nr 10 mwN). Nach der in jener Entscheidung vertretenen Rechtsauffassung war die Beklagte, wie bereits ausgeführt, nicht berechtigt, die Krankengeldzahlung an die Klägerin einzustellen. Mit der weiteren Zahlung des Krankengelds bis zur Rentengewährung hätte die Klägerin die Leistungen erhalten, die sie heute begehrt. Die spätere Rentengewährung stellt keine Änderung der Verhältnisse dar, die die Beklagte von ihrer Zusicherung freistellt, denn sie wäre zur Krankengeldzahlung auch dann verpflichtet gewesen, wenn sie mit einem positiven Ausgang des Rentenverfahrens hätte rechnen dürfen. Die Zusicherung, die damals noch ausstehende Entscheidung des Senats in der Sache 3 RK 42/78 (BSGE 47, 288 ff) auch im vorliegenden Fall zu beachten, war daher unabhängig von der späteren Rentengewährung (vgl hinsichtlich dieser Frage Absatz 3 des seit 1. Januar 1981 geltenden § 34 SGB X).
Dem Begehren der Klägerin ist daher zu entsprechen. Damit setzt sich der Senat nicht in Widerspruch zu früheren Entscheidungen, die eine Verpflichtung der Krankenkasse zur Nachzahlung eines Differenzbetrages zwischen der Erwerbsunfähigkeitsrente bzw des Altersruhegeldes und des höheren Krankengeldes verneint haben (SozR Nr 24 zu § 183 RVO; Urteil vom 25. September 1979 - 3 RK 78/77 - KVRS A-2350/1). Diesen Entscheidungen lag ein anderer Sachverhalt zugrunde. Insbesondere war nicht, wie hier, der Krankengeldanspruch rechtsverbindlich anerkannt.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Fundstellen