Entscheidungsstichwort (Thema)
Revisibilität von Willenserklärungen. Auslegung. Empfängerhorizont
Leitsatz (amtlich)
"Beanstandet" der Träger der Rentenversicherung Beiträge, die ein Arbeitgeber für einen bei ihm Beschäftigten abgeführt und die der Träger zunächst entgegengenommen hat, später durch "Bescheid" als zu Unrecht entrichtet, so handelt es sich hierbei um einen Verwaltungsakt iS von SGB 10 § 31 S 1.
Orientierungssatz
1. Die Frage, welche Erklärung ein Beteiligter - schlüssig - abgegeben hat und was er gemeint hat - der sogenannte innere Wille -, ist eine Tat-, keine Rechtsfrage (vgl BSG 1976-11-24 1 RA 151/75 = SozR 2200 § 1265 Nr 24). Jedoch sind die sachlich-rechtlichen Regeln, die für die Auslegung von Willenserklärungen von jedermann zu beachten sind, revisibles Recht; insbesondere ist eine Verletzung des § 133 BGB, der für alle, auch öffentlich-rechtliche Willenserklärungen anwendbar ist (vgl BVerwG 1963-07-10 VI C 91/60 = DVBl 63, 894) vom Revisionsgericht auf die Sachrüge des Revisionsklägers zu beachten (vgl BSG 1979-12-12 1 RA 71/78).
2. Nach § 133 BGB genügt es, wenn der wirkliche Wille auch nur unvollkommen oder andeutungsweise aus der Erklärung erkennbar wird (vgl BGH 1974-12-20 V ZR 132/73 = BGHZ 63, 359, 363); dies gilt auch bei formbedürftigen Willenserklärungen (vgl BGH 1973-05-25 V ZR 13/71 = NJW 1973, 2019). Dabei ist auf den "Empfängerhorizont" abzustellen (vgl BGH 1976-05-28 V ZR 203/75 = NJW 1976, 2340).
Normenkette
SGG § 54 Abs 1 S 1 Fassung: 1953-09-03; SGB 10 § 31 S 1 Fassung: 1980-08-18; AVG § 143 Abs 1 Fassung: 1957-02-23, § 143 Abs 2 Fassung: 1957-02-23, § 145 Abs 2 S 1 Nr 1 Fassung: 1957-02-23; RVO § 1421 Abs 1 Fassung: 1957-02-23, § 1421 Abs 2 Fassung: 1957-02-23, § 1423 Abs 2 S 1 Nr 1 Fassung: 1957-02-23; BGB § 133; SGG § 163
Verfahrensgang
Schleswig-Holsteinisches LSG (Entscheidung vom 20.10.1981; Aktenzeichen L 4 An 52/81) |
SG Schleswig (Entscheidung vom 18.02.1981; Aktenzeichen S 3 An 87/80) |
Tatbestand
Streitig ist, ob die beklagte Bundesversicherungsanstalt für Angestellte (BfA) Beiträge wirksam beanstandet hat.
Die Beklagte hatte den 1936 geborenen Kläger im Januar 1966 auf seinen Antrag vom 2. Dezember 1965 ab 1. Juli 1965 von der Versicherungspflicht in der Angestelltenversicherung (AnV) befreit, und zwar auf Grund des Art 2 § 1 des Angestelltenversicherungs-Neuregelungsgesetzes (AnVNG) idF des Rentenversicherungs-Änderungsgesetzes (RVÄndG) vom 9. Juni 1965 (BGBl I 476), also wegen bis dahin gegebener Versicherungsfreiheit bei Überschreiten der Jahresarbeitsverdienstgrenze und ausreichender anderweitiger Versicherung.
Unter dem 6. September 1973 beantragte der Kläger bei der Beklagten mit deren Formblatt 6.1060 (Antrag auf Ausstellung einer Versicherungskarte der AnV mit Angaben zur Feststellung einer Versicherungsnummer) "Ausstellung eines Versicherungsnachweisheftes mit einer Versicherungsnummer" und gab an, als Angestellter beschäftigt zu sein. Die Beklagte entsprach diesem Antrag. Ab 1. August 1973 führte der Arbeitgeber des Klägers Pflichtbeiträge ua zur AnV ab.
Im November 1979 stellte die Beklagte fest, daß für den Kläger trotz Befreiung von der Versicherungspflicht vom 1. August 1973 bis 31. März 1979 Pflichtbeiträge zur AnV abgeführt worden waren. Auf Anfrage gab der Kläger dazu an, er sei von der Beklagten mit der ihm auf seinen Antrag ausgehändigten Versicherungskarte der AnV und durch Zuteilung einer Versicherungsnummer in die AnV rückgeführt worden; er beantrage diese Rückführung erneut.
Mit dem streitigen Bescheid vom 28. März 1980, bestätigt durch Widerspruchsbescheid vom 25. November 1980 (ausgefertigt: 1. Dezember 1980), "beanstandete" die Beklagte die Beiträge vom 1. August 1973 bis 31. März 1979 als zu Unrecht entrichtet und erklärte sie für rechtsunwirksam: Der Kläger habe keine Erklärung über die Beendigung der Befreiung von der Versicherungspflicht gemäß Art 2 § 1 AnVNG abgegeben; dies habe er nur bis zum 31. Dezember 1973 tun können (Art 2 § 1 Abs 4 AnVNG).
Auf die Klage hat das Sozialgericht (SG) den streitigen Bescheid samt Widerspruchsbescheid aufgehoben. Das Landessozialgericht (LSG) hat auf die Berufung der Beklagten dagegen mit der angefochtenen Entscheidung vom 20. Oktober 1981 das Ersturteil aufgehoben und die Klage abgewiesen. In der Begründung heißt es, der Kläger habe bis zum 31. Dezember 1973 nicht gemäß Art 2 § 1 Abs 4 AnVNG gegenüber der Beklagten schriftlich und ausdrücklich erklärt, daß seine Befreiung von der Versicherungspflicht enden solle. Der Antrag auf Ausstellung des Versicherungsnachweisheftes und einer Versicherungsnummer enthalte "nicht automatisch" auch den Verzicht auf die Befreiung von der Versicherungspflicht. In dieser Richtung enthalte der Formularantrag nicht einmal einen Anhaltspunkt. Nur eine ausdrückliche und eindeutige Verzichtserklärung genüge dem Gesetz, zumal solche Formularanträge schon wegen ihrer Vielzahl gar nicht zu einer Überprüfung des gesamten Versicherungsverhältnisses führen könnten. Das gelte auch für die tatsächliche Entrichtung von Pflichtbeiträgen und ihre Entgegennahme durch die Beklagte, die nicht jedes einzelne Versicherungskonto in kurzen Abständen überprüfen könne und müsse.
Das LSG hat in dem Urteil die Revision zugelassen.
Der Kläger hat die Revision eingelegt. Er führt aus, die vorgeschriebene Schriftform sage nichts über den Inhalt einer abzugebenden Erklärung aus, für die die allgemeinen Auslegungsregeln des § 133 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) gälten; zu erforschen sei der wirkliche Wille, nicht dagegen sei am Buchstaben eines Ausdrucks zu haften. Die tatsächliche Feststellung des LSG, daß Anträge auf eine Neuversicherung wegen ihrer Vielzahl nicht sofort geprüft werden könnten und einen unverhältnismäßig hohen Arbeitsaufwand erforderten, finde in den Urteilsgründen keine Grundlage und sei gemäß § 128 Abs 2 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) anzufechten. Im übrigen habe die Beklagte eine Prüfung über sechs Jahre vollständig unterlassen. Durch eine entsprechende "Fütterung des Computers" hätte die Beklagte Fälle der vorliegenden Art vermeiden können. Auch sei nicht ersichtlich, welche tatsächlichen oder rechtlichen Gesichtspunkte es rechtfertigen könnten, die "jahrelang bezahlte Versicherung" rückwirkend zu vernichten; es komme nach dem Gesetz insoweit nur auf eine Entscheidung des Versicherten an, die durch Antrag und Beitragsleistung eindeutig bestätigt sei.
Der Kläger beantragt, das Urteil des Landessozialgerichts vom 20. Oktober 1981 zu ändern und die Berufung zurückzuweisen oder das Urteil aufzuheben und die Sache zur erneuten Verhandlung zurückzuverweisen.
Die Beklagte beantragt, die Sache an das Schleswig-Holsteinische Landessozialgericht zurückzuverweisen.
Sie ist der Auffassung, das Verfahren vor dem LSG leide an einem im Revisionsverfahren fortwirkenden prozessualen Mangel. Das Berufungsgericht habe nicht beachtet, daß die Entscheidung darüber, ob die Beiträge für die Zeit vom 1. August 1973 bis 31. März 1979 zu Recht entrichtet worden seien, ein Rechtsverhältnis betreffe, an dem nicht nur der Kläger, sondern auch sein Arbeitgeber derart beteiligt sei, daß im Sinne des § 75 Abs 2 SGG die Entscheidung hierüber auch ihm gegenüber nur einheitlich ergehen könne (Hinweis auf Urteile des Bundessozialgerichts - BSG - vom 24. Juni 1981). Im übrigen halte die Beklagte die Ausführungen des LSG für zutreffend.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Revision des Klägers ist im Sinne des Hilfsantrages und des Antrages der Beklagten auf Zurückverweisung der Sache an die Vorinstanz begründet.
Zutreffend sind die Vorinstanzen davon ausgegangen, daß der Kläger mit der gegen den "Beanstandungsbescheid" der Beklagten vom 28. März 1980 idF des bestätigenden Widerspruchsbescheides gerichteten Klage die Aufhebung eines belastenden Verwaltungsaktes der Beklagten im Sinne von § 54 Abs 1 Satz 1 Regelung 1 SGG iVm § 31 des Zehnten Buches des Sozialgesetzbuches (SGB 10) erstrebt. Die Versicherungs- und Beitragspflicht des Klägers in der AnV ab 1. August 1973 bildet dagegen nur die rechtliche Begründung der von der Beklagten vorgenommenen und vom Kläger angegriffenen Beitrags-Beanstandung; eine unmittelbar auf Feststellung der Versicherungs- und Beitragspflicht gerichtete Klage (vgl § 55 Abs 1 Nr 1 SGG) liegt nicht vor. Im einzelnen ergibt sich dies aus folgendem:
Eine "Beanstandung" von Beiträgen durch den Rentenversicherungsträger mit bestimmter rechtlicher Wirkung erwähnt das Recht der gesetzlichen Rentenversicherung ausdrücklich nur in § 143 Abs 1 und 2 des Angestelltenversicherungsgesetzes (AVG = § 1421 Abs 1 und 2 der Reichsversicherungsordnung -RVO). Es handelt sich um den Fall, daß Beiträge zur Rentenversicherung der Angestellten statt zur Rentenversicherung der Arbeiter oder zur knappschaftlichen Rentenversicherung oder umgekehrt entrichtet sind (sog. Fehlversicherung). Die Beanstandung der Beiträge durch den Versicherungsträger, bei dem der Versicherte fehlversichert ist, stellt dies rechtlich verbindlich fest und berechtigt ihn, die beanstandeten Beiträge dem zuständigen Versicherungsträger zu überweisen mit der Wirkung, daß sie dort als zu Recht entrichtet gelten (Abs 2 aaO). Diese Beanstandung samt der Rechtswirkung, die sie erzeugt, ist daher ein Verwaltungsakt (inzwischen ganz überwiegende Meinung, vgl zB BSG in SozR Nr 6 zu § 1421 RVO; BSG in SozR 1500 § 75 Nr 36; Zweng/Scheerer, Handbuch der Rentenversicherung, 2. Aufl, § 1421 Anm I; Verbandskomm., § 1421, Anm 3); soweit den Ausführungen des erkennenden Senats in seiner Entscheidung vom 22. September 1965 (BSGE 24, 13, 14 = SozR Nr 2 zu § 1421 RVO) anderes entnommen werden könnte, wird hieran nicht festgehalten. Als Beanstandung bezeichnen Rechtsprechung und Schrifttum ferner die "Anfechtung" ua der unrichtigen Eintragung von Beiträgen in die Versicherungskarte durch den Versicherungsträger nach § 145 Abs 2 Satz 1 Nr 1 AVG (= § 1423 Abs 2 Satz 1 Nr 1 RVO); auch diese Beanstandung ist ein mit der Aufhebungsklage anfechtbarer Verwaltungsakt (so der erkennende Senat in BSGE 49, 51, 52 = SozR 2200 § 1423 Nr 1O; vgl auch die Entscheidung des BSG vom 16. Dezember 1981 - 11 RA 39/81 - in DAngVers 1982, 158 mit zustimmender Anmerkung von Wünnemann). In diesen Fällen, in denen Beiträge zu einem Träger der gesetzlichen Rentenversicherung irrig gezahlt oder dort "gebucht" und/oder ohne Prüfung der Berechtigung hierzu - vorläufig - entgegengenommen worden sind, bewirkt die spätere Beanstandung des Versicherungsträgers nach Prüfung und Verneinung der Beitragsberechtigung, daß der mit der Entgegennahme oder Buchung erzeugte Rechtsschein einer wirksamen Beitragsentrichtung rückwirkend beseitigt wird. Über die in §§ 143, 145 AVG gesetzlich geregelten Fälle hinaus ist eine Beanstandung von zu Unrecht entrichteten Beiträgen durch den zuständigen Rentenversicherungsträger auch für den weiteren, hier vorliegenden Fall zuzulassen, in dem Beiträge zur gesetzlichen Rentenversicherung durch den Arbeitgeber angeblich in irriger Annahme der Versicherungs- und Beitragspflicht entrichtet und von dem Versicherungsträger bis zu einer den Rechtsirrtum klärenden Prüfung ebenfalls entgegengenommen sind. Die Entgegennahme der Beiträge durch den Rentenversicherungsträger von dem nach § 118 Abs 1 Satz 1 AVG (= § 1396 Abs 1 Satz 1 RVO) für seine versicherungspflichtig Beschäftigten beitragszahlungspflichtigen Arbeitgeber - regelmäßig über die gesetzlichen Beitragseinzugsstellen (§ 121 AVG = § 1399 RVO) - unter dem stillschweigenden Vorbehalt späterer Überprüfung (§ 148 AVG = § 1426 RVO) ist einerseits nicht zu beanstanden, erweckt aber andererseits - insbesondere bei längeren, wie vorliegend Jahre umfassenden Zeiträumen - ebenfalls einen Rechtsschein wirksamer Beitragsentrichtung. Auf die Beseitigung dieses Rechtsscheins zielt auch im vorliegenden Fall der "Beanstandungsbescheid" der beklagten BfA vom 28. März 1980 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 25. November 1980, nachdem sie die Entrichtung der Beiträge für den Kläger durch den Arbeitgeber wegen dessen ihrer Ansicht nach mangelnder Versicherungs- und Beitragspflicht als zu Unrecht geschehen erkannt hatte. Tatsächlich wird dieser Rechtsschein durch die mit dem Anspruch auf Maßgeblichkeit verbundene Beanstandung der Beiträge durch die Beklagte als zu Unrecht entrichtet "mit unmittelbarer Wirkung nach außen" (§ 31 Satz 1 SGB 1O) beseitigt; der Beanstandungsbescheid ist daher Verwaltungsakt und kann mit der Aufhebungsklage angegriffen werden. Da die von dem Beanstandungsbescheid ausgehende unmittelbare Rechtswirkung auch den beitragszahlungspflichtigen Arbeitgeber trifft, kann die Entscheidung des vorliegenden Rechtsstreits auch ihm gegenüber nur einheitlich ergehen. Die Beklagte hätte den angefochtenen Bescheid daher auch dem Arbeitgeber bekanntgeben müssen (vgl § 37 Abs 1 Satz 1 SGB 10), und die Vorinstanzen hätten diesen daher im Streitverfahren gemäß § 75 Abs 2 SGG SGG notwendig beiladen müssen; die unterlassene Beiladung wirkt im Revisionsverfahren fort und kann nach § 168 SGG vom Revisionsgericht nicht nachgeholt werden. Die Beklagte hat zutreffend darauf hingewiesen, daß schon deshalb das angefochtene Urteil aufzuheben und die Sache an die Vorinstanz zurückzuverweisen ist (vgl BSG in SozR 1500 § 75 Nr 36).
Bei der Entscheidung in der Sache selbst wird das LSG folgendes zu beachten haben: Der Kläger hätte die von der Beklagten im Januar 1966 auf seinen Antrag vom 2. Dezember 1965 ab 1. Juli 1965 verfügte Befreiung von der Versicherungspflicht in der AnV mit Wirkung ab 1. August 1973 nur dadurch wieder beseitigen können, daß er gemäß Art 2 § 1 Abs 4 Satz 1 AnVNG der beklagten BfA bis zum 31. Dezember 1973 erklärt hätte, daß seine Befreiung von der Versicherungspflicht enden solle. In diesem Fall hätte die Versicherungspflicht des Klägers mit dem Ersten des Kalendermonats wieder begonnen, der auf den Monat folgt, in dem die Erklärung bei der Beklagten eingegangen ist (Satz 2 aaO). Ob der Kläger fristgerecht eine Erklärung nach Satz 1 aaO abgegeben hat, liegt auf tatsächlichem Gebiet. Dem erkennenden Senat sind als Revisionsgericht - Rechtskontrollinstanz - nach § 163 SGG solche Feststellungen verwehrt. Laut den hiernach bindenden tatsächlichen Feststellungen des LSG im angefochtenen Urteil hat der Kläger eine "ausdrückliche" Erklärung über die Beendigung der Versicherungsbefreiung bis zum 31. Dezember 1973 nicht abgegeben. Hiernach ist nur noch darüber zu befinden, ob der Formblatt-Antrag des Klägers vom 6. September 1973 auf Ausstellung eines Versicherungsnachweisheftes und Zuteilung einer Versicherungsnummer schlüssig und stillschweigend auch eine Erklärung des Klägers nach Art 2 § 1 Abs 4 Satz 1 AnVNG enthält. Zwar ist auch die Frage, welche Erklärung ein Beteiligter - schlüssig - abgegeben hat und was er gemeint hat - der sogenannte innere Wille -, eine Tat-, keine Rechtsfrage (BSG in SozR 1500 § 163 Nr 2; der erkennende Senat in BSGE 43, 37, 39 = SozR 2200 § 1265 Nr 24; Meyer-Ladewig, SGG, 2. Aufl, § 162 RdNr 3). Andererseits sind die sachlich-rechtlichen Regeln, die für die Auslegung von Willenserklärungen von jedermann zu beachten sind, revisibles Recht; insbesondere ist eine Verletzung des § 133 BGB, der für alle, auch öffentlich-rechtliche Willenserklärungen anwendbar ist (BVerwG in DVBl 63, 894), vom Revisionsgericht auf die Sachrüge des Revisionsklägers zu beachten (vgl auch die Entscheidung des erkennenden Senats vom 12. Dezember 1979 - 1 RA 71/78). Nach § 133 aaO genügt es, wenn der wirkliche Wille auch nur unvollkommen oder andeutungsweise aus der Erklärung erkennbar wird (BGHZ 63, 259, 363); dies gilt auch bei formbedürftigen Willenserklärungen (BGH in NJW 73, 2019). Mithin ist es rechtsfehlerhaft, wenn das LSG im angefochtenen Urteil fordert, daß eine Erklärung der hier in Frage stehenden Art "nur ausdrücklich" abgegeben und einem Antrag auf Ausstellung eines Versicherungsnachweisheftes samt Zuteilung einer Versicherungsnummer nur dann entnommen werden könne, wenn ein "entsprechender Zusatz" einen Verzicht hinreichend deutlich erkennen lasse. Bei der Frage der - zulässigerweise - nur schlüssig abgegebenen Willenserklärung sind außerdem die Begleit- oder Nebenumstände des Falles zu berücksichtigen (BGHZ 63, 359, 362). Es ist daher unzutreffend, wenn das LSG nur auf den objektiven Inhalt des "Formularantrages" des Klägers vom 6. September 1973 abstellt. Dabei ist außerdem auf den Zeitpunkt abzustellen, in dem die Beklagte die zum angefochtenen Beanstandungsbescheid führende Prüfung der Beitragsangelegenheit des Klägers erstmals vorgenommen hat; wie das LSG zutreffend herausgestellt hat, braucht die Beklagte Überprüfungen der Beitragsberechtigung nur in Jahresabständen, nicht schon bei Eingang einer Beitragszahlung durchzuführen. Es läßt sich nicht rechtfertigen, die Überprüfung und Beanstandung von Beiträgen durch die Beklagte noch in nach Jahren bemessenen Abständen nach Eingang der Beiträge zuzulassen, die Frage einer im konkreten Fall behaupteten, damit unauflösbar zusammenhängenden Beendigung der Befreiung von der Beitragspflicht ganz auszuklammern und die Betrachtung auf einen vor Jahren eingegangenen Formblattantrag zu beschränken. Vielmehr ist auf den "Empfängerhorizont" (BGH in NJW 76, 2340, 2342) der Beklagten zur Zeit der von ihr erstmals durchgeführten Prüfung der Beitragsberechtigung und deshalb auf alle zu diesem Zeitpunkt erkennbaren Gesamtumstände des zu prüfenden Falles abzustellen, die schon bei Eingang der streitigen Willenserklärung objektiv vorlagen.
Die Auslegung einer möglicherweise schlüssigen Willenserklärung des Klägers in seinem Formblattantrag an die Beklagte vom 6. September 1973 im angefochtenen Urteil entspricht daher in einigen Punkten nicht den gesetzlichen Auslegungsregeln. Das LSG wird unter Beachtung dieser Regeln eine Neuauslegung vorzunehmen haben.
Sollte das Berufungsgericht wiederum zu der Auffassung kommen, daß der Kläger seine Beitragsbefreiung nicht wirksam widerrufen hat, wird es noch zu prüfen haben, wieweit die Beklagte zwar nicht gleich nach Eingang des streitigen Antrages, jedenfalls aber nach Ablauf einiger Monate und noch vor dem 1. Januar 1974 eine Pflicht zur Aufklärung des Klägers und zum Hinweis darauf getroffen haben könnte, daß sein Antrag sinnvoll noch um eine Erklärung nach Art 2 § 1 Abs 4 Satz 1 AnVNG zu ergänzen sei (vgl den erkennenden Senat in SozR 1200 § 14 Nr 9).
Nach allem war zu entscheiden wie geschehen und der Kostenausspruch der endgültigen Entscheidung in der Sache vorzubehalten.
Fundstellen