Entscheidungsstichwort (Thema)
KOV. Bösgläubigkeit. Versorgungsleistung. Rückforderung
Orientierungssatz
1. Zur Frage, ob und ggf ab wann ein Empfänger von Versorgungsleistungen der KOV hat wissen müssen, daß ihm diese Leistungen nicht mehr zustehen.
2. Auch wenn ein Bezieher von Versorgungsleistungen von einem bestimmten Zeitpunkt an nicht mehr hat "wissen müssen", daß ihm die gezahlten Versorgungsbezüge im Zeitpunkt der Zahlung nicht zugestanden haben, kann die Versorgungsbehörde diese Versorgungsbezüge zurückfordern, wenn die Rückforderung nach den wirtschaftlichen Verhältnissen des Klägers vertretbar ist.
Normenkette
SGG § 128; KOVVfG § 47 Abs. 2 Alt. 2
Verfahrensgang
LSG Niedersachsen (Entscheidung vom 01.10.1957) |
SG Hildesheim (Entscheidung vom 17.11.1955) |
Tenor
Das Urteil des Landessozialgerichts Celle vom 1. Oktober 1957 wird aufgehoben.
Die Sache wird zu neuer Entscheidung an das Landessozialgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen.
Gründe
I
Der Kläger erhielt durch Umanerkennungsbescheid des Versorgungsamts (VersorgA.) H vom 21. Dezember 1951 wegen Verlustes des linken Unterschenkels vom 1. Oktober 1950 an eine Rente nach einer Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE.) um 50 v.H. Bei der Berechnung der Ausgleichsrente legte das VersorgA. das Einkommen zu Grunde, das der Kläger nach einer Auskunft seines damaligen Arbeitgebers ab 1. Oktober 1950 monatlich hatte. Anfang 1952 teilte der Kläger dem VersorgA. mit, er habe seit dem 1. Januar 1952 eine Bäckerei gepachtet. Am 12. Dezember 1952 forderte das VersorgA. den Kläger auf, sein monatliches Bruttoeinkommen seit 1. Januar 1952 anzugeben; diese Anfrage beantwortete der Kläger am 29. Dezember 1952 dahin, er sei seit Anfang Januar 1952 selbständiger Gewerbetreibender, könne sein Einkommen aber erst nach dem Jahresabschluß angeben, er habe vierteljährlich an Vorauszahlungen für Einkommensteuer 195.- DM, Notopfer Berlin 13.- DM, Kirchensteuer 15.- DM zu leisten. Am 9. September 1953 bat das VersorgA. den Kläger, den Einkommensteuerbescheid für 1952 oder eine Bescheinigung des Finanzamts über die Höhe des Einkommens ab 1. Januar 1952 vorzulegen. Am 17. September 1953 teilte für den Kläger sein Helfer in Steuersachen dem VersorgA. mit, nach Rücksprache mit dem Finanzamt könne mit dem Erlaß des Steuerbescheids vor Ende 1953 nicht gerechnet werden, das Finanzamt könne auch eine Bescheinigung über die Höhe des Einkommens für 1952 nicht erteilen, dies könne erst nach der Veranlagung geschehen; nach der Steuererklärung für 1952 habe der Kläger im Kalenderjahr 1952 ein Einkommen von 5 074.- DM erzielt. Daraufhin stellte das VersorgA. durch Bescheid vom 23. November 1953 die Versorgungsbezüge neu fest, es berücksichtigte dieses Einkommen mit monatlich 422.84 DM, gewährte ab 1. Februar 1952 keine Ausgleichsrente mehr, berechnete für die Zeit bis zum 31. Dezember 1953 eine Überzahlung von insgesamt 1 120.- DM und verfügte, daß bis zur Tilgung dieses Betrages die laufenden Versorgungsbezüge (Grundrente und Ersatz für Kleiderverschleiß) in Höhe von 30.- DM von Januar 1954 an einbehalten werden. Den Widerspruch wies das Landesversorgungsamt Niedersachsen durch Bescheid vom 22. März 1955 zurück. Das Sozialgericht (SG.) Hildesheim wies die Klage durch Urteil vom 17. November 1955 ab. Auf die Berufung des Klägers hob das Landessozialgericht (LSG.) Celle durch Urteil vom 1. Oktober 1957 das Urteil des SG. und den Widerspruchsbescheid in vollem Umfange, den Bescheid des VersorgA. vom 23. November 1953 insoweit auf, als Versorgungsbezüge für die Zeit vom 1. Juli 1953 bis zum 31. Dezember 1953 zurückgefordert wurden, im übrigen wies es die Klage ab; es verurteilte ferner den Beklagten, dem Kläger die für diese Zeit einbehaltenen Versorgungsbezüge in Höhe von 300.- DM zurückzuzahlen: Der Kläger habe ab 1. Januar 1952 ein monatliches Einkommen von durchschnittlich 422.83 DM und daher ab 1. Februar 1952 keinen Anspruch auf Ausgleichsrente mehr gehabt; die Ausgleichsrente sei für diese Zeit zu Unrecht gewährt worden; der Beklagte könne jedoch nach § 47 Abs. 2 des Gesetzes über das Verwaltungsverfahren der Kriegsopferversorgung (VerwVG) nur die bis Ende Juni 1953 gezahlten Beträge zurückfordern; der Kläger habe nach den wiederholten Belehrungen in den von ihm unterschriebenen Anträgen und Erklärungen und in den Bescheiden zwar zunächst wissen müssen, daß ihm die Ausgleichsrente ab 1. Februar 1952 wegen der Höhe seines Einkommens nicht mehr zustehe. Von Juli 1953 an sei aber das Wissen oder Wissenmüssen des Klägers entfallen, weil das VersorgA., nachdem ihm die Erhöhung des Einkommens bekannt geworden sei, nicht innerhalb angemessener Frist die Versorgungsbezüge neu festgestellt habe; dies habe es zwar noch nicht auf Grund der Anzeige des Klägers im Januar 1952 tun können, es habe aber die Ausgleichsrente sofort einstellen müssen, nachdem der Kläger im Dezember 1952 die Höhe der Vorauszahlungen auf die Einkommensteuer mitgeteilt habe, es habe nicht bis zum Eingang des Einkommensteuerbescheides warten dürfen; jedenfalls habe der Kläger von einem Zeitpunkt an, der sechs Monate nach Eingang seiner Mitteilung von Dezember 1952 liege, annehmen dürfen, daß ihm die Ausgleichsrente in der bisherigen Höhe belassen werde. Die Revision ließ das LSG. zu.
Das Urteil wurde dem Beklagten am 19. November 1957 zugestellt. Am 17. Dezember 1957 legte der Beklagte Revision ein und beantragte,
das Urteil des LSG. Celle vom 1. Oktober 1957 aufzuheben und die Berufung gegen das Urteil des SG. Hildesheim vom 17. November 1955 zurückzuweisen,
hilfsweise,
die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das LSG. zurückzuverweisen.
Am 16. Januar 1958 begründete er die Revision: Das LSG. habe die §§ 47 VerwVG, 33, 60 des Bundesversorgungsgesetzes (BVG) und 103, 128 SGG verletzt; da der Kläger im Januar 1952 den Gewerbebetrieb eröffnet habe und zuvor nicht einkommensteuerpflichtig gewesen sei, habe er erst nach Ablauf des Jahres 1952 zur Einkommensteuer veranlagt werden können; nach der Verwaltungsvorschrift Nr. 4 Abs. 5 zu § 33 BVG sei von dem Gesamtbetrage der Einkünfte bei der Veranlagung durch die Finanzämter auszugehen, soweit eine Veranlagung zur Einkommensteuer stattfinde; dabei seien steuerliche Vergünstigungen im Sinne des Abs. 1 Satz 2 der genannten Verwaltungsvorschrift sowie etwa abgezogene Sonderausgaben, die nach Abs. 3 dieser Vorschrift nicht abzugsfähig seien, für die Feststellung der Ausgleichsrente den Einkünften wieder hinzuzurechnen; die Versorgungsämter hätten daher in solchen Fällen nicht selbst das Einkommen zu ermitteln, sondern die Veranlagung durch die Finanzämter abzuwarten; es gebe auch keinen Rechtsgrundsatz des Inhalts, daß nach Ablauf von sechs Monaten ein Versorgungsberechtigter darauf vertrauen könne, daß ihm Versorgungsbezüge in bisheriger Höhe weiterhin zustehen; im übrigen habe das LSG. nicht geprüft, ob die Rückforderung etwa nach § 47 Abs. 2 VerwVG, letzter Halbsatz, wegen der wirtschaftlichen Verhältnisse des Empfängers vertretbar sei.
Der Kläger beantragte,
die Revision zurückzuweisen.
II
Die Revision ist nach § 162 Abs. 1 Nr. 1 SGG statthaft; sie ist frist- und formgerecht eingelegt und begründet worden und sonach zulässig. Sie ist auch begründet.
Das LSG. hat die Berufung mit Recht als zulässig angesehen. Bei der Rückforderung von Versorgungsbezügen handelt es sich weder um eine einmalige Leistung im Sinne von § 144 Nr. 1 SGG noch um Versorgung für bereits abgelaufene Zeiträume im Sinne von § 148 Nr. 2 SGG; in einem solchen Falle ist die Berufung nicht ausgeschlossen (BSG. 3 S. 234). Das LSG. hat jedoch, wie der Beklagte zu Recht rügt, nicht das Gesamtergebnis des Verfahrens gewürdigt, wenn es die Berufung teilweise für begründet gehalten hat, es hat gegen § 128 SGG verstoßen, seine Feststellungen sind für das Bundessozialgericht (BSG.) deshalb nicht bindend (§ 163 SGG).
Die Leistungen, die der Beklagte teilweise zurückfordert, hat er dem Kläger durch den Bescheid vom 21. Dezember 1951 bewilligt. Dieser Bescheid ist für die Beteiligten bindend geworden. Die Leistungen, die der Beklagte nach diesem Bescheid gewährt hat, kann er - ganz oder teilweise - nur zurückfordern, wenn der Bescheid von einem bestimmten Zeitpunkt an - ganz oder teilweise - rechtswirksam zurückgenommen ist (BSG. 7 S. 8). Dies ist durch den Bescheid vom 23. November 1953 geschehen. Ein Bescheid, durch den wiederkehrende Leistungen geändert oder entzogen werden, bedeutet rechtlich zugleich, daß der Bescheid, durch den die Leistungen bewilligt worden sind, von der Wirksamkeit der Änderung oder Entziehung an insoweit als rechtswidrig angesehen und deshalb als nunmehr fehlerhaft zurückgenommen wird (BSG. a.a.O.). Die teilweise Rücknahme des Bescheids vom 21. Dezember 1951 ist nach § 62 BVG berechtigt gewesen. Nach dieser Vorschrift sind die Versorgungsbezüge neu festzustellen, wenn in den Verhältnissen, die für die Feststellung maßgebend gewesen sind, eine wesentliche Änderung eingetreten ist. Diese Voraussetzungen haben hier vorgelegen, denn das Einkommen des Klägers, welches auf die Ausgleichsrente anzurechnen ist, hat sich seit dem Bescheid vom 21. Dezember 1951 für die Zeit vom 1. Februar 1952 an unstreitig geändert. Der Beklagte hat daher den Bescheid vom 21. Dezember 1951 mit Recht für diese Zeit teilweise zurückgenommen. Davon ist erkennbar nach den Urteilsgründen auch das LSG. ausgegangen, weil es die Rückforderung für berechtigt gehalten hat, soweit sie die Rente für die Zeit vom 1. Februar 1952 bis Ende Juni 1953 betrifft; das LSG. hat zu diesem Ergebnis nur kommen können, wenn es überzeugt gewesen ist, daß der Beklagte insoweit den Bescheid vom 21. Dezember 1951 mit dem angefochtenen Bescheid vom 23. November 1953 rechtswirksam zurückgenommen hat.
Ist der Bescheid mit Recht teilweise zurückgenommen, so ist nunmehr zu prüfen gewesen, ob die nach diesem Bescheid bewilligten Beträge für die strittige Zeit zu Recht zurückgefordert worden sind. Strittig ist nur noch die Rückforderung für die Zeit vom 1. Juli 1953 bis 31. Dezember 1953, der Kläger hat das Urteil des LSG. nicht angefochten, soweit nach diesem Urteil die Ausgleichsrente für die Zeit vom 1. Februar 1952 bis 30. Juni 1953 zurückzuerstatten ist. Ob der Beklagte die Versorgungsbezüge für die noch strittige Zeit hat zurückfordern dürfen, bestimmt sich nach § 47 VerwVG. Diese Vorschrift ist nach der ständigen Rechtsprechung des BSG. auf alle Rückforderungsfälle anzuwenden, die - wie der vorliegende Fall - bei Inkrafttreten des VerwVG bereits anhängig gewesen sind (vergl. z.B. BSG. 3 S. 234; 6 S. 11; 7 S. 8). Nach § 47 Abs. 1 VerwVG sind zu Unrecht empfangene Leistungen grundsätzlich zurückzuzahlen. Nach § 47 Abs. 2 VerwVG kann, soweit die Überzahlung auf einer wesentlichen Änderung der Verhältnisse beruht, der zu Unrecht gezahlte Betrag nur zurückgefordert werden, wenn der Empfänger gewusst hat oder hat wissen müssen, daß ihm die gezahlten Versorgungsbezüge im Zeitpunkt der Zahlung nicht oder nicht in der bisherigen Höhe zugestanden haben oder wenn die Rückforderung wegen der wirtschaftlichen Verhältnisse des Empfängers vertretbar ist. Ob der Versorgungsberechtigte wusste oder wissen mußte, daß ihm die gezahlten Versorgungsbezüge nicht oder nicht in der bisherigen Höhe zustehen, bestimmt sich nach den Verhältnissen des Einzelfalles (BSG. 5 S. 267). Im vorliegenden Falle hat der Kläger seiner Pflicht, die Änderung seiner persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse dem VersorgA. unverzüglich mitzuteilen, zunächst dadurch genügt, daß er im Januar 1952 angezeigt hat, er habe - nachdem er bisher Lohnempfänger gewesen ist - am 1. Januar 1952 eine Bäckerei übernommen; diese Anzeige hat, wie auch das LSG. angenommen hat, dem VersorgA. für eine Neufeststellung der Ausgleichsrente jedoch keine ausreichende Grundlage gegeben; weder der Kläger noch das VersorgA. haben damals übersehen können, inwieweit sich dadurch das Einkommen des Klägers seiner Höhe nach künftig ändern werde. Auch Ende Dezember 1952 hat der Kläger auf Anfrage des VersorgA. umgehend die Höhe seiner Einkommensteuervorauszahlungen mitgeteilt. Das LSG. hat daher nach § 47 Abs. 2 VerwVG, 1. Halbsatz, zu prüfen gehabt, ob der Kläger vom 1. Februar 1952 bis 31. Dezember 1953 - für diese Zeit ist ihm die Ausgleichsrente rückwirkend entzogen worden - gewusst hat oder hat wissen müssen, daß ihm die Ausgleichsrente nicht oder nicht in der bisherigen Höhe zusteht. Das LSG. hat festgestellt, der Kläger als selbständiger Bäckermeister, der nach seinem Verhalten während des Verfahrens als gewandt und geschäftstüchtig anzusehen sei, habe "mit einer Rentenverkürzung bzw. -entziehung" von dem Zeitpunkt an rechnen müssen, von dem an er "anrechenbare Einkünfte" erzielt habe, er habe gewusst, daß Einkommen "von Anfang an" angerechnet werde und zu einer Minderung oder Entziehung der Rente führe, dies reiche für das "Wissenmüssen" aus. Das LSG. hat insoweit den rechtlichen Gehalt des Begriffs "Wissenmüssen" nicht verkannt, es hat auch die Tatsachen, auf die es seine rechtlichen Schlußfolgerungen gestützt hat, zutreffend gewürdigt, seine Feststellungen sind insoweit für das BSG. bindend (§ 163 SGG). Es kann nun dahingestellt bleiben, ob nach den Umständen des Einzelfalles aus der Tatsache, daß die Versorgungsverwaltung eine "unangemessen lange" Frist hat verstreichen lassen, ehe sie - nachdem ihr die Änderung der Verhältnisse bekanntgeworden ist - die Rente neu festgestellt hat, geschlossen werden darf, der Versorgungsempfänger habe von einem bestimmten Zeitpunkt an nicht mehr "Wissenmüssen", daß ihm die gezahlten Versorgungsbezüge ganz oder teilweise nicht zugestanden haben und ob eine Frist, die sechs Monate übersteigt, in der Regel als "unangemessen lange" anzusehen ist (vergl. hierzu BSG. 9 S. 48 ff.). Das LSG. hat jedenfalls nicht alle Umstände des vorliegenden Falles gewürdigt, wenn es das "Wissenmüssen" für die Zeit vom 1. Juli 1953 an verneint hat. Das LSG. hat festgestellt, daß die Versorgungsverwaltung den Kläger im September 1953 aufgefordert hat, die Höhe seines Einkommens durch den Einkommensteuerbescheid oder eine Bescheinigung des Finanzamts nachzuweisen. Es hat hieraus aber keine Schlüsse gezogen. Es hat zu Unrecht nicht geprüft, ob der Kläger gerade dann, wenn er zunächst hat "wissen müssen", aus dieser Anfrage nicht auch weiterhin hat erkennen müssen, daß für die Versorgungsverwaltung die Höhe seines Einkommens bedeutsam ist und daß sie eine abschließende Regelung noch nicht getroffen hat. Selbst wenn die Versorgungsverwaltung die Höhe der Ausgleichsrente nicht so rasch neu festgestellt hat, wie es von ihr bei Kenntnis der Höhe der Einkommensteuervorauszahlungen hat erwartet werden müssen, so hat sie möglicherweise eine etwaige "Gutgläubigkeit" des Klägers doch durch die Rückfrage vom 9. September 1953 beseitigt. Soweit keine ausdrückliche gesetzliche Regelung vorliegt, ist es zwar möglich, daß die Verwaltung nach den Grundsätzen des allgemeinen Verwaltungsrechts einen rechtswidrigen Verwaltungsakt nicht mehr zurücknehmen darf, weil sie die Rücknahme unangemessen lange Zeit nicht verfügt hat, obwohl der Empfänger seiner Anzeigepflicht genügt hat und der Verwaltung die Rechtswidrigkeit bekannt gewesen ist; in solchen Fällen kann das Vertrauen des durch den Bescheid Begünstigten auf den Bestand des Verwaltungsakts das öffentliche Interesse an der Beseitigung des rechtswidrigen Verwaltungsakts überwiegen; wenn der Verwaltungsakt deshalb nicht zurückgenommen werden darf, so entfällt damit auch eine Rückforderung. Nicht denselben Schutz verdient aber in der Regel das Vertrauen des Empfängers von Leistungen darauf, daß ihm die Leistungen, die er infolge der Rücknahme des Verwaltungsakts, auf Grund dessen sie bewilligt worden sind, zu Unrecht empfangen hat, belassen werden. Selbst wenn dem Kläger die Rechtslage etwa von Mitte 1953 an zweifelhaft gewesen wäre, so wären diese Zweifel durch die erneute Anfrage des VersorgA. vom September 1953 möglicherweise beseitigt worden. Der Senat hat insoweit den Sachverhalt nicht selbst würdigen dürfen, bei der Feststellung, ob der Kläger nach den gesamten Umständen des Falles vom 1. Juli 1953 bis 31. Dezember nicht mehr hat "wissen müssen", daß ihm die Ausgleichsrente nicht zusteht, handelt es sich um die Feststellung von Tatsachen, die dem Revisionsgericht entzogen ist.
Selbst wenn das LSG. aber auch bei Würdigung der Anfrage des VersorgA. vom September 1953 zu dem Ergebnis kommt, der Kläger sei vom 1. Juli 1953 an "gutgläubig" gewesen, so ist damit noch nicht gesagt, daß der Beklagte die Ausgleichsrente für die Zeit vom 1. Juli 1953 bis 31. Dezember 1953 nicht hat zurückfordern dürfen. Auch wenn der Kläger von einem bestimmten Zeitpunkt an nicht mehr hat "wissen müssen", daß ihm die gezahlten Versorgungsbezüge im Zeitpunkt der Zahlung nicht zugestanden haben, hat der Beklagte diese Versorgungsbezüge zurückfordern dürfen, wenn die Rückforderung nach den wirtschaftlichen Verhältnissen des Klägers vertretbar ist (§ 47 Abs. 2 VerwVG, 2. Alternative). Bei dem Tatbestandsmerkmal "nach den wirtschaftlichen Verhältnissen vertretbar" handelt es sich um einen unbestimmten Rechtsbegriff, dessen Inhalt das Gericht im Wege der Auslegung zu ermitteln hat; wann eine Rückforderung nach den wirtschaftlichen Verhältnissen des Empfängers vertretbar ist, bestimmt sich nach den gesamten Umständen des Einzelfalles. Auch hierzu hat das LSG. indessen Feststellungen, auf die der erkennende Senat sich hat stützen können, nicht getroffen. Das LSG. ist zwar schon auf Grund der Einkommensteuervorauszahlungen, die der Kläger für das Jahr 1952 geleistet hat, davon ausgegangen, daß der Kläger das der Höhe dieser Vorauszahlungen entsprechende Einkommen im Jahre 1952 auch erzielt hat; es kann dahingestellt bleiben, ob die Revisionsrügen, die der Beklagte insoweit geltend gemacht hat, begründet sind. Wie der erkennende Senat bereits in dem Urteil vom 11. November 1959 - 11/10 RV 150/57 - ausgeführt hat, sind die "wirtschaftlichen Verhältnisse" im Sinne des § 47 Abs. 2 VerwVG, 2. Halbsatz, nicht nur nach den Einkünften zu beurteilen, es kommt vielmehr auf die gesamte wirtschaftliche Lage an, dabei sind die Vermögens- und Familienverhältnisse und auch etwaige besondere Aufwendungen zu berücksichtigen; hierfür reichen die Feststellungen über die Einkünfte im Jahre 1952 nicht aus.
Da das LSG. möglicherweise § 47 Abs. 2 VerwVG unrichtig angewandt hat, ist sein Urteil aufzuheben. Der Senat kann nicht selbst entscheiden. Die Sache ist vielmehr zu neuer Entscheidung an das LSG. zurückzuverweisen (§ 170 Abs. 2 Satz 2 SGG).
Die Entscheidung über die Kosten bleibt dem den Rechtsstreit abschließenden Urteil vorbehalten.
Fundstellen