Entscheidungsstichwort (Thema)
Krankengeldanspruch. Feststellung. Arbeitsunfähigkeit. Jugoslawien. Anwendung. Grundsatz der objektiven Beweislast
Leitsatz (amtlich)
1. Die deutschen Krankenkassen sind nicht aufgrund des deutsch-jugoslawischen Sozialversicherungsabkommens an die Feststellung der Arbeitsunfähigkeit durch jugoslawische Ärzte oder Versicherungsträger gebunden.
2. Das Revisionsgericht kann die Anwendung des Grundsatzes der objektiven Beweislast nicht beanstanden, wenn es zwar selbst weitere Aufklärungsmöglichkeiten sieht, die Beteiligten gegen die Feststellung der Vorinstanz, daß der entscheidungserhebliche Sachverhalt nicht weiter aufklärbar sei, aber keine zulässigen und begründeten Verfahrensrügen erhoben haben.
Orientierungssatz
Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen ausländischer Ärzte kommt nicht von vornherein ein geringerer Beweiswert als denen deutscher Ärzte zu. Da Kenntnisse über den Begriff der Arbeitsunfähigkeit iS der deutschen Krankenversicherung und die versicherungsrechtliche Bedeutung dieser Feststellung ausländischen Ärzten dagegen normalerweise fremd ist, kann die Krankenkasse bei Zweifeln über das Vorliegen von Arbeitsunfähigkeit, insbesondere wenn die aus dem Ausland mitgeteilten Diagnosen und Befunde nicht jede Erwerbstätigkeit ausschließen oder wenn die genannten Diagnosen Zweifel an der Dauer der Arbeitsunfähigkeit wecken, den Medizinischen Dienst der Krankenversicherung heranziehen.
Normenkette
RVO § 182 Abs. 1 Nr. 2 S. 1, Abs. 3 Fassung: 1961-07-12; SozSichAbk YUG Art 4 Abs. 1 S. 1 Fassung: 1974-09-30; SozSichAbkDVbg YUG Art 3; SGG §§ 103, 128 Abs. 1, § 163; SGB V § 44 Abs. 1 S. 1 Fassung: 1988-12-20, § 46 S. 1 Nr. 2 Fassung: 1988-12-20
Verfahrensgang
Tatbestand
Die Beteiligten streiten über die Weitergewährung von Krankengeld für die Zeit vom 12. November 1985 bis 20. März 1986.
Der in Jugoslawien geborene Kläger war seit 1968 in der Bundesrepublik als Arbeiter beschäftigt und bezog zuletzt als Arbeitsloser Leistungen vom Arbeitsamt. Mit dessen Zustimmung begab er sich für die Zeit vom 20. August 1985 bis 17. September 1985 auf Heimaturlaub. Dort wurde er am 11. September 1985 wegen zahlreicher Erkrankungen zunächst drei Wochen arbeitsunfähig krank geschrieben. Der jugoslawische Versicherungsträger teilte dies der Beklagten, bei der der Kläger aufgrund des Leistungsbezuges krankenversichert war, auf dem hierfür vorgesehenen Formblatt mit. Später gingen weitere Meldungen über Arbeitsunfähigkeitszeiten bei der Beklagten ein, wobei noch zusätzliche Erkrankungen genannt wurden.
Nachdem der Vertrauensärztliche Dienst unter Berücksichtigung der beigezogenen Unterlagen von einer Arbeitsunfähigkeit von zwei Monaten ausgegangen war, bewilligte die Beklagte für die Zeit nach Beendigung der Leistungserbringung durch das Arbeitsamt Krankengeld bis zum 11. November 1985. Gleichzeitig erbat sie bei einem eventuellen Fortbestehen von Arbeitsunfähigkeit um die Übersendung neuer ärztlicher Befunde. Weil nach Auffassung des Vertrauensärztlichen Dienstes aus den vom Kläger übersandten neuen ärztlichen Unterlagen auf eine Fortdauer der Arbeitsunfähigkeit nicht geschlossen werden könne, lehnte die Beklagte die Gewährung von Krankengeld über den 11. November 1985 hinaus ab (Bescheid vom 18. Februar 1986).
Obwohl der jugoslawische Versicherungsträger inzwischen Arbeitsunfähigkeit bis einschließlich 20. März 1986 bestätigt und gemeldet hatte, sah die Beklagte den Widerspruch nicht als begründet an, da die Fortdauer der Arbeitsunfähigkeit nicht nachgewiesen sei (Widerspruchsbescheid vom 11. Juli 1986).
Die hiergegen erhobene Klage hat das Sozialgericht (SG) München abgewiesen, nachdem es erfolglos versucht hatte, weitere Krankenunterlagen aus Jugoslawien zu erhalten (Urteil vom 26. Oktober 1988). Die Berufung hat das Landessozialgericht (LSG) zurückgewiesen (Urteil vom 28. Juni 1990). Es hat im wesentlichen ausgeführt: Dem Kläger stehe Krankengeld für den streitigen Zeitraum nicht zu, weil das Bestehen von Arbeitsunfähigkeit über den 11. November 1985 hinaus nicht nachgewiesen sei. Der Versicherte sei bei Eintritt der Arbeitsunfähigkeit arbeitsuchend gemeldet und damit weitgehend auf andere Tätigkeiten verweisbar gewesen. Es fehle jeder Nachweis darüber, daß die behaupteten Krankheiten sich derart langfristig auf seine Arbeitsfähigkeit ausgewirkt haben könnten und daß keine ihm zumutbare Arbeit möglich gewesen wäre. Die Beklagte müsse entgegen der Ansicht des Klägers die Arbeitsunfähigkeitsmeldung des jugoslawischen Versicherungsträgers nicht ungeprüft übernehmen. Eine solche Rechtsfolge lasse sich aus dem deutsch-jugoslawischen Sozialversicherungsabkommen nicht entnehmen. Der Kläger könne auch keine Rechte aus den europäischen Verträgen und den aus ihnen hervorgegangenen EG-Verordnungen Nr 1408/71 und 574/72 sowie der hierzu ergangenen Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) und des Bundessozialgerichts (BSG) herleiten. Diese Regelungen seien mit dem deutsch-jugoslawischen Sozialversicherungsabkommen nicht vergleichbar. Der Grundsatz, daß die Beklagte als leistender Versicherungsträger entsprechend den Vorschriften der Reichsversicherungsordnung (RVO) über die Krankengeldgewährung zu entscheiden habe, werde auch nicht durch das dem Kläger ausgehändigte Merkblatt, in dem Art 4 des Zusatzabkommens zum deutsch-jugoslawischen Sozialversicherungsabkommen wiedergegeben sei, aufgehoben. Hiermit habe sich die Beklagte nicht verpflichtet, ihre Entscheidungskompetenz gesetzwidrig auf den jugoslawischen Versicherungsträger zu verlagern. Zwar könne es für den Versicherten unbefriedigend sein, wenn das Krankengeld wegen unterschiedlicher Auffassungen von der Arbeitsunfähigkeit zwischen den jugoslawischen Ärzten bzw Krankenversicherungsgemeinschaften einerseits und den deutschen Krankenkassen andererseits verweigert werde, obwohl er alles getan habe, was ihm das Abkommen vorschreibe und er wenig Einfluß auf die Aussagekraft der Bescheinigungen und die durchgeführten Untersuchungen habe. Dies könne aber nicht dazu führen, die Beklagte zu verpflichten, ungeprüft gesetzlich geforderte Voraussetzungen zu unterstellen, zumal sie selbst keinerlei Einfluß auf die von ihr nicht zu vertretenden Mängel bei der Anwendung des Abkommens habe.
Mit seiner vom LSG zugelassenen Revision rügt der Kläger eine Verletzung der §§ 30 Abs 2 Sozialgesetzbuch - Allgemeiner Teil- (SGB I), 182 Abs 1 Nr 2, Abs 3 und 183 RVO sowie des Art 29 iVm Art 4 des deutsch-jugoslawischen Sozialversicherungsabkommens. Das LSG habe übersehen, daß, unabhängig davon, wie nach innerstaatlichem Recht das Bestehen von Arbeitsunfähigkeit festgestellt werde, Ausnahmen durch das Recht der europäischen Gemeinschaften oder durch zwischenstaatliche Abkommen bestimmt werden könnten. Der Entscheidungskompetenz der Beklagten über die Arbeitsunfähigkeit stünden Art 29 iVm Art 4 des Abkommens und die übrigen Vereinbarungen mit Jugoslawien entgegen. Hiernach leisteten Träger, Verbände von Trägern, Behörden und Gerichte der Vertragsstaaten einander bei der Durchführung der in Art 2 Abs 1 bezeichneten Rechtsvorschriften und des Abkommens gegenseitige Hilfe. Die Amtshilfe erstrecke sich ausdrücklich auch auf ärztliche Kontrolluntersuchungen. Ferner bestimme Art 3 der Durchführungsvereinbarung zum Abkommen, daß die Pflicht des Versicherten, dem zuständigen Träger das Vorliegen der Arbeitsunfähigkeit mitzuteilen, nur gegenüber dem Träger des Aufenthaltsortes bestehe. Entsprechend werde der Versicherte von seiner Krankenkasse durch Merkblätter informiert. Das gesamte Regelwerk des Abkommens mache deutlich, daß die Mitteilung über das Bestehen und die Überwachung der Arbeitsunfähigkeit ausschließlich bei dem örtlich zuständigen jugoslawischen Krankenversicherungsträger liege. Da das Abkommen keinen Vorbehalt gegen die Feststellung der jugoslawischen Kontrollärzte enthalte, stehe den deutschen Krankenkassen keine eigene Feststellungs- und Kontrollbefugnis hinsichtlich der Arbeitsunfähigkeit zu. Für die Beurteilung der Arbeitsunfähigkeit und deren Kontrolle solle nach dem Abkommen und den Zusatzvereinbarungen das Recht des Aufenthaltsstaates maßgebend sein. Das sei der eindeutige Wille der vertragschließenden Staaten gewesen. Falls bei dem deutschen Versicherungsträger berechtigte Zweifel an der Richtigkeit des Ergebnisses von Kontrolluntersuchungen bestehen sollten, müsse er dieselben über den zuständigen jugoslawischen Versicherungsträger ausräumen lassen und gegebenenfalls auf seine Kosten eine stationäre Beobachtung in einem jugoslawischen Krankenhaus beantragen. Er, der Kläger, habe alle seine Mitwirkungspflichten erfüllt und mit der Übersendung der Mitteilung über das Bestehen oder Fortbestehen der Arbeitsunfähigkeit durch den jugoslawischen Träger zugleich den ihm obliegenden Nachweis der Arbeitsunfähigkeit geführt.
Der Kläger beantragt,
die Urteile des Bayerischen Landessozialgerichts vom 28. Juni 1990 und des Sozialgerichts München vom 26. Oktober 1988 aufzuheben und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 18. Februar 1986 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 11. Juli 1986 zu verurteilen, ihm Krankengeld über den 11. November 1985 hinaus bis einschließlich 20. März 1986 zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist unbegründet. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Krankengeld über den 11. November 1985 hinaus.
Nach § 182 Abs 1 Nr 2 RVO, der mit Wirkung ab 1. Januar 1989 durch Art 5 Nr 2 des Gesundheits-Reformgesetzes (GRG) vom 20. Dezember 1988 (BGBl I, S 2477) aufgehoben wurde, hier jedoch noch anwendbar ist, wird Krankengeld gewährt, wenn die Krankheit den Versicherten arbeitsunfähig macht. Das Vorliegen von Arbeitsunfähigkeit muß gemäß § 182 Abs 3 RVO von einem Arzt festgestellt werden, wobei es unerheblich ist, aus welchem Anlaß und zu welchem Zweck diese Feststellung getroffen wird (BSGE 41, 201, 203 = SozR 2200 § 182 Nr 12). Die Feststellung kann auch durch einen ausländischen Arzt erfolgen. Dem während eines Urlaubsaufenthaltes im Ausland erkrankten Versicherten steht - sofern ein Sozialversicherungsabkommen entsprechendes regelt- deshalb auch Krankengeld für die Zeit des Auslandsaufenthaltes zu, in der er nachweislich arbeitsunfähig ist. Bestand kein Sozialversicherungsabkommen mit dem Aufenthaltsstaat, war Krankengeld in der Zeit der Geltung des § 182 RVO trotzdem bei Eintritt von Arbeitsunfähigkeit zu gewähren (BSGE 31, 100, 101 f = SozR Nr 39 zu § 182 RVO). Ab 1. Januar 1989 gilt demgegenüber § 16 Abs 1 Nr 1 Sozialgesetzbuch - Gesetzliche Krankenversicherung- (SGB V). Hiernach ruht der Anspruch auf Leistungen, solange sich der Versicherte außerhalb des Geltungsbereiches dieses Gesetzes aufhält, soweit nichts Abweichendes bestimmt ist. Solche Ausnahmen sind Regelungen im zwischen- bzw überstaatlichen Recht, insbesondere also in Sozialversicherungsabkommen. Ansonsten kann Krankengeld während eines Auslandsaufenthaltes nicht mehr gewährt werden (BT-Drucks 11/2237, S 165).
Entgegen der Ansicht des Klägers ist die Beklagte an die Feststellung der Arbeitsunfähigkeit durch einen jugoslawischen Arzt oder an die Meldung des jugoslawischen Versicherungsträgers nicht gebunden. Eine solche Bindung läßt sich insbesondere nicht aus dem Abkommen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Sozialistischen Föderativen Republik Jugoslawien über Soziale Sicherheit vom 12. Oktober 1968 (BGBl II 1969, S 1438) idF des Änderungsabkommens vom 30. September 1974 (BGBl II 1975, S 390) - zukünftig Abkommen genannt - und der Durchführungsvereinbarung zum Abkommen entnehmen.
Art 4 Abs 1 Satz 1 des Abkommens sieht vor, daß, soweit das Abkommen nichts anderes bestimmt, die Rechtsvorschriften eines Vertragsstaates, nach denen die Entstehung von Ansprüchen auf Leistungen oder Gewährung von Leistungen oder die Zahlung von Geldleistungen vom Inlandsaufenthalt abhängig ist, nicht für die Staatsangehörigen gelten, die sich im Gebiet des anderen Vertragsstaates aufhalten. Diese Regelung enthält den Grundsatz der uneingeschränkten Leistungsgewährung in dem anderen Vertragsstaat (Denkschrift der Bundesregierung zum Abkommen, BT-Drucks V/4124). Krankengeld ist nach dem Abkommen also grundsätzlich auch dann zu zahlen, wenn die Arbeitsunfähigkeit in Jugoslawien eintritt. Weitere Regelungen, insbesondere hinsichtlich der Feststellung der Arbeitsunfähigkeit, beinhaltet Art 4 Abs 1 Satz 1 des Abkommens nicht. Sozialversicherungsabkommen enthalten - anders als bei den Sachleistungen, die im allgemeinen nach dem Recht des Aufenthaltsstaates gewährt werden (vgl Art 15 Abs 2 des Abkommens und Plöger/Wortmann, Deutsche Sozialversicherungsabkommen mit ausländischen Staaten, Bd I, Allgemeiner Teil, S 296; Baumeister in Gesamtkommentar zur Sozialversicherung, Bd X, Stichwort Jugoslawien, Art 15 Anm 2; Neumann-Duesberg, DOK 1985, S 302, 309) - regelmäßig keinen Eingriff in das innerstaatliche Recht hinsichtlich der Voraussetzungen für den Anspruch auf Krankengeld (Begriff der Arbeitsunfähigkeit) und bezüglich der Höhe der Geldleistungen. Es bleiben vielmehr die für den zuständigen Träger nach innerstaatlichem Recht geltenden Vorschriften maßgebend (Plöger/Wortmann, aaO, Bd I, Allgemeiner Teil, S 395). Diese allgemeine Regelung gilt auch für das deutsch-jugoslawische Sozialversicherungsabkommen (vgl dazu Art 16 des Abkommens). Hiernach werden auf Ersuchen der deutschen Krankenkassen Geldleistungen vom jugoslawischen Sozialversicherungsträger ausgezahlt, woraus sich gleichzeitig ergibt, daß die Prüfung der Anspruchsvoraussetzungen und der Höhe und Dauer der auszuzahlenden Geldleistungen Aufgabe der deutschen Krankenkassen bleibt (Baumeister, aaO, Bd X, Stichwort Jugoslawien, Art 16 Anm 1). Aus Art 4 Abs 1 Satz 1 des Abkommens läßt sich also eine Bindung des deutschen Versicherungsträgers an die Feststellung der jugoslawischen Ärzte oder Krankenversicherungsgemeinschaften nicht entnehmen.
Gleiches gilt für Art 15 Abs 2 des Abkommens, denn er enthält lediglich die Regelung, daß die Sachleistungen - von gewissen Ausnahmen abgesehen - nach den für den Träger des Aufenthaltsortes maßgebenden Rechtsvorschriften gewährt werden. Für Geldleistungen gilt diese Vorschrift damit nicht.
Gemäß Art 29 Abs 1 Satz 1 des Abkommens leisten die Träger, Verbände von Trägern, Behörden und Gerichte der Vertragsstaaten einander bei Durchführung der vom Abkommen umfaßten Rechtsvorschriften und dieses Abkommens gegenseitige Hilfe, als wendeten sie die für sie geltenden Rechtsvorschriften an. Art 29 Abs 1 Satz 1 gilt, wie Abs 2 dieser Vorschrift regelt, auch für ärztliche Untersuchungen. Nach der Denkschrift der Bundesregierung enthalten die Art 29 bis 38 des Abkommens die auch sonst üblichen Regelungen für das Zusammenwirken der in den beiden Staaten mit der Durchführung des Abkommens betrauten Stellen. In Art 29 sind also Vorschriften über die Rechts- und Amtshilfe enthalten. Die deutschen Krankenkassen können sich daher jugoslawischer Ärzte für Untersuchungen und zu Kontrollzwecken bedienen, indem sie sich im Wege der Amtshilfe an die zuständige Krankenversicherungsgemeinschaft wenden. Die Formulierung "als wendeten sie die für sie geltenden Rechtsvorschriften an" umschreibt lediglich Art und Umfang der Amts- und Rechtshilfe. Deutsche Sozialversicherungsträger haben bei der Erbringung der Amtshilfe daher die Regelungen der §§ 3 ff Sozialgesetzbuch - Verwaltungsverfahren - (SGB X), aber auch § 35 SGB I iVm §§ 67 ff SGB X über die Offenbarung von Daten, die unter das Sozialgeheimnis fallen, zu beachten (Baumeister, aaO, Bd X, Stichwort Jugoslawien, Art 29 Anm 1; Koch/Hartmann, Die Rentenversicherung im Sozialgesetzbuch unter besonderer Berücksichtigung der Angestelltenversicherung - zwischenstaatliches Sozialversicherungsrecht- Bd I, Allgemeiner Teil, Anm 9.3.). Ärztliche Untersuchungen müssen unter Berücksichtigung der §§ 62, 65 SGB I durchgeführt werden. Umgekehrt haben die jugoslawischen Versicherungsträger bei Untersuchungen in ihrem Staat die für sie geltenden Verfahrensvorschriften anzuwenden.
Eine weitere - über den dargestellten Inhalt hinausgehende - Regelung, insbesondere über die Begründung materiell-rechtlicher Leistungsansprüche oder die Bindung deutscher Sozialversicherungsträger an die im Rahmen der Amtshilfe getroffenen Feststellungen, kann aus Art 29 des Abkommens nicht entnommen werden. Der Wortlaut, dem bei der Auslegung völkerrechtlicher Verträge im allgemeinen eine größere Bedeutung beizumessen ist als bei der Auslegung innerstaatlicher Gesetze (BSGE 36, 125, 126 = SozR Nr 16 zu § 1303 RVO; BSGE 39, 284, 287 = SozR 2200 § 1303 Nr 3; BSGE 55, 131, 134 = SozR 6555 Art 26 Nr 1; Gobbers, Gestaltungsgrundsätze des zwischenstaatlichen und überstaatlichen Sozialversicherungsrechts, 1980, S 10 mwN), läßt die vom Kläger behauptete Bindung an die in Jugoslawien getroffenen Feststellungen nicht erkennen. Er ist nicht unklar, mißverständlich oder gar mehrdeutig; die wortlautmäßige Auslegung führt auch nicht zu unvernünftigen, mit dem Ziel und Zweck der Bestimmung und des Vertrages unvereinbaren Ergebnissen, so daß eine andere Auslegung erforderlich wäre. Auch läßt der in der Denkschrift zum Abkommen manifestierte Wille der Vertragspartner keine andere Auslegung zu.
Nach Art 3 der Durchführungsvereinbarung zum Abkommen, auf den sich der Kläger weiter beruft, besteht die Pflicht des Versicherten, dem zuständigen Träger das Vorliegen der Arbeitsunfähigkeit mitzuteilen, bei Anwendung des Art 4 Abs 1 des Abkommens nur gegenüber dem Träger des Aufenthaltsortes. Tritt bei einem bei einer deutschen Krankenkasse Versicherten in Jugoslawien Arbeitsunfähigkeit ein, so enthebt ihn diese Bestimmung lediglich der Verpflichtung, das Vorliegen von Arbeitsunfähigkeit dieser Krankenkasse bzw beim Bestehen eines Beschäftigungsverhältnisses gemäß § 3 Abs 2 Lohnfortzahlungsgesetz (LFZG) dem Arbeitgeber und der Krankenkasse zu melden, um ein Ruhen des Krankengeldanspruches nach § 216 Abs 3 RVO (ab 1. Januar 1989 § 49 Abs 1 Nr 5 SGB V) oder des Lohnfortzahlungsanspruches nach § 5 Nr 1 LFZG zu verhindern. Es genügt, wenn er die jugoslawische Krankenversicherungsgemeinschaft vom Bestehen der Arbeitsunfähigkeit unterrichtet; diese leitet die Mitteilung mittels des vorgesehenen Vordruckes Ju 4 an die deutsche Krankenkasse weiter, die wiederum gegebenenfalls den Arbeitgeber informiert. Hierüber werden die Versicherten in dem Merkblatt Ju 93 unterrichtet. Weitere Regelungen sind in Art 3 der Durchführungsvereinbarung nicht enthalten, insbesondere läßt sich aus dieser Regelung keine Bindung an die Feststellung der Arbeitsunfähigkeit durch jugoslawische Ärzte oder jugoslawische Versicherungsträger entnehmen (vgl auch BSG SozR 2200 § 369 b Nr 1 und BSG USK 83 160 zum deutsch-spanischen Sozialversicherungsabkommen).
Schließlich sind die Entscheidung des 8. Senats des BSG vom 10. September 1987 (BSG SozR 6055 Art 18 Nr 2) und das ihr zugrundeliegende Urteil des EuGH vom 12. März 1987 (SozR 6055 Art 18 Nr 1) nicht einschlägig. Die dort angenommene Bindung der deutschen Krankenkassen in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht an die vom Träger des Wohnortes getroffenen ärztlichen Feststellungen über den Eintritt und die Dauer der Arbeitsunfähigkeit betrifft nur Staaten der Europäischen Gemeinschaft, zu denen Jugoslawien nicht gehört. Art 18 der EWG-VO Nr 574/72 hat zudem einen völlig anderen Wortlaut als die Vorschriften im hier anwendbaren Abkommen und enthält auch inhaltlich ganz unterschiedliche Regelungen.
Wird somit der Grundsatz, daß krankenversicherungsrechtliche Geldleistungen vom deutschen Versicherungsträger nach den für ihn geltenden Rechtsvorschriften zu gewähren sind, durch das Abkommen nicht berührt, sind das Vorliegen von Arbeitsunfähigkeit und der Anspruch auf Krankengeld nach § 182 Abs 1 Nr 2 iVm Abs 3 RVO zu prüfen. Der Begriff der Arbeitsunfähigkeit ist ein Rechtsbegriff, dessen Voraussetzungen die Krankenkasse anhand ärztlich erhobener Befunde festzustellen hat. Das Attest mit der ärztlichen Feststellung der Arbeitsunfähigkeit hat lediglich die Bedeutung einer ärztlichen Stellungnahme, die die Grundlage für den über den Krankengeldbezug zu erteilenden Verwaltungsakt der Krankenkasse bildet (vgl BSGE 54, 62, 65 = SozR 2200 § 182 Nr 84; BSG SozR 2200 § 216 Nr 8; Höfler in Kasseler Kommentar zur Sozialversicherung, § 46 RdNr 7; Krauskopf/Schroeder-Printzen, Soziale Krankenversicherung, § 182 Anm, 4.1; Krauskopf, Soziale Krankenversicherung - SGB V -, § 44 RdNr 15; Peters, Handbuch der Krankenversicherung, § 182 Anm 13b). Aus den Bestimmungen der §§ 182 Abs 3 und 369b RVO (nun § 46 Satz 1 Nr 2 und § 275 SGB V) folgt, daß die Krankenkasse die ärztliche Feststellung über das Vorliegen von Arbeitsunfähigkeit nur überprüft (BSG SozR 2200 § 216 Nr 8), während sie die sonstigen Leistungsvoraussetzungen (zB Mitgliedschaft mit Krankengeldanspruch, Erschöpfung des Leistungsanspruches innerhalb der Blockfrist) selbständig ermittelt und dann über die Krankengeldgewährung entscheidet. Den Bescheinigungen ausländischer Ärzte kommt dabei nicht von vornherein ein geringerer Beweiswert zu als denen deutscher Ärzte (BSGE 31, 100, 102 = SozR Nr 39 zu § 182 RVO; BAGE 48, 115, 119; BAG EzA § 3 LFZG Nr 11; LSG Rheinland-Pfalz, Breithaupt 1984, 361, 362). Da der Begriff der Arbeitsunfähigkeit den deutschen Ärzten vertraut ist (vgl jetzt die Arbeitsunfähigkeits-Richtlinien vom 3. September 1991, BKK 1991, S 707 = WzS 1991, S 326), genügt es in der Praxis regelmäßig, wenn sie Arbeitsunfähigkeit bescheinigen (BSGE 41, 201, 203 = SozR 2200 § 182 Nr 12). Kenntnisse über den Begriff der Arbeitsunfähigkeit iS der deutschen Krankenversicherung und die versicherungsrechtliche Bedeutung dieser Feststellung sind ausländischen Ärzten dagegen normalerweise fremd (BSGE 31, 100, 102 = SozR Nr 39 zu § 182 RVO). Zur Kontrolle kann die Krankenkasse daher bei Zweifeln über das Vorliegen von Arbeitsunfähigkeit, insbesondere wenn die aus dem Ausland mitgeteilten Diagnosen und Befunde nicht jede Erwerbstätigkeit ausschließen und - wie hier - für arbeitslose Arbeiter eine weite Verweisbarkeit in Betracht kommt (BSG SozR 4100 § 105b Nr 4), oder wenn die genannten Diagnosen Zweifel an der Dauer der Arbeitsunfähigkeit wecken, den Medizinischen Dienst heranziehen. Eine Überprüfung durch den Vertrauensärztlichen bzw Medizinischen Dienst ist auch nicht deshalb ausgeschlossen, weil ein ausländischer Arzt die Arbeitsunfähigkeit festgestellt hat. § 369b RVO enthält, ebenso wie § 275 SGB V, keine Einschränkung dahingehend, daß nur die Feststellungen inländischer Ärzte überprüft werden könnten. Einen Ermessensfehler bei der Entscheidung über die Erforderlichkeit der Untersuchung (BSG SozR 2200 § 369b Nr 1) hat das Berufungsgericht nicht festgestellt.
Schließlich hat das LSG nicht den Grundsatz der objektiven Beweislast verletzt. Er regelt, wen die Folgen treffen, wenn das Gericht bestimmte Tatsachen nicht feststellen kann. Es gilt der Grundsatz, daß die Folgen der objektiven Beweislosigkeit oder des Nichtfestgestelltseins einer Tatsache von dem Beteiligten zu tragen ist, der aus dieser Tatsache ein Recht herleiten will (BSGE 30, 121, 123 = SozR Nr 83 zu § 128 SGG; Meyer-Ladewig, Komm zum SGG, 4. Aufl, 1991, § 103 RdNr 19 mwN). Die Regeln über die objektive Beweislast können nach der ständigen Rechtsprechung des BSG erst angewendet werden, wenn alle verfügbaren Erkenntnisquellen ausgeschöpft sind (BSG SozR 2200 § 317 Nr 2; BSG SozR 1500 § 128 Nr 18). Sie entheben den Tatrichter nicht seiner insbesondere durch § 103 und § 128 Abs 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) begründeten Pflicht zur eingehenden Erforschung des Sachverhalts und zur sorgfältigen Würdigung der erhobenen Beweise unter Berücksichtigung der besonderen Umstände des Einzelfalles. Die Frage der Beweislastverteilung stellt sich erst dann, wenn es nach Ausschöpfung aller Möglichkeiten zur Aufklärung des Sachverhaltes nicht gelungen ist, die bestehende Ungewißheit über eine ungeklärte Tatsache zu beseitigen (BSGE 30, 121, 123 = SozR Nr 83 zu § 128 SGG; BSG SozR 1500 § 128 Nr 18). Trotz seines engen Zusammenhangs mit dem Verfahrensrecht gehört der Grundsatz der objektiven Beweislast zum materiellen Recht (BSG SozR 1500 § 161 Nr 26; Meyer-Ladewig, aaO, § 103 RdNr 19; BVerwGE 45, 131, 132; BGH NJW 1983, 2032, 2033; NJW 1985, 1774, 1775; Kopp, Komm zum VWGO, 8. Aufl 1989, § 108 RdNr 12; aA Peters/Sauters/Wolff, Komm zum SGG, § 103 Anm 4 S II/74 - 14 -; Ule, Verwaltungsprozeßrecht, 9. Aufl 1987, S 274). Seine richtige Anwendung ist deshalb vom Senat auch grundsätzlich ohne entsprechende Rüge durch den Kläger zu prüfen.
Das LSG ist zu dem Ergebnis gelangt, daß die medizinischen Grundlagen für die Beurteilung der Arbeitsunfähigkeit über den 11. November 1985 hinaus nicht mehr aufklärbar sind. Hierbei handelt es sich um eine Tatsachenfeststellung, an die das Revisionsgericht nach § 163 SGG gebunden ist, wenn die Beteiligten - wie im vorliegenden Falle - dagegen keine zulässigen und begründeten Verfahrensrügen erhoben haben. Daß die Vorinstanz nach Auffassung des erkennenden Senats nicht alle Möglichkeiten der Aufklärung genutzt hat, läßt die Bindung nicht entfallen. Das Revisionsgericht wäre nur dann nicht nach § 163 SGG gebunden, wenn die tatrichterliche Feststellung der nicht weiteren Aufklärbarkeit mit anderen Tatsachenfeststellungen im angefochtenen Urteil im Widerspruch stünde (vgl dazu BSG SozR 2200 § 1246 Nr 139). Das ist hier aber nicht der Fall. Deshalb ist es nicht zu beanstanden, daß das LSG den Grundsatz der objektiven Beweislast angewendet hat und davon ausgegangen ist, daß der Kläger die Folgen der Nichtfeststellbarkeit der von ihm behaupteten Arbeitsunfähigkeit zu tragen hat.
Nach alledem war die Revision zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.
Fundstellen