Entscheidungsstichwort (Thema)
Kranken- und Pflegeversicherung. Beitragspflicht von Kapitalleistungen aus einer als Direktversicherung abgeschlossenen Lebensversicherung. Betriebseinstellung. Gewerbeabmeldung. betriebliche Altersversorgung. beitragsrechtliche Privilegierung sogenannter "Riesterrentner" durch Art 4 BetrRStärkG. Verfassungsmäßigkeit
Leitsatz (amtlich)
Der institutionelle Rahmen des Betriebsrentenrechts bleibt bei einer vom Arbeitgeber abgeschlossenen und nicht vom Arbeitnehmer als Versicherungsnehmer weitergeführten Direktversicherung auch nach einer Betriebseinstellung oder Gewerbeabmeldung erhalten.
Orientierungssatz
Die Teiländerung des § 229 Abs 1 S 1 Nr 5 SGB 5 durch Art 4 des Betriebsrentenstärkungsgesetzes (juris: BetrRStärkG) vom 17.8.2017, wonach Leistungen aus dem Altersvorsorgevermögen iS des § 92 EStG bei der Beitragspflicht von Versorgungsbezügen außer Betracht bleiben, hat auch unter verfassungsrechtlichen Gesichtspunkten keine Auswirkungen auf die Beitragspflicht einer betrieblichen Altersversorgung (Direktversicherung) bei einem versicherungspflichtigen Mitglied der gesetzlichen Krankenversicherung.
Normenkette
SGB V § 229 Abs. 1 S. 1 Nr. 5 Fassung: 1988-12-20, Nr. 5 Hs. 2 Fassung: 2017-08-17, S. 3 Fassung: 2003-11-14, § 237 S. 1 Nr. 2 Fassung: 1988-12-20, S. 2 Fassung: 1988-12-20; SGB XI § 57 Abs. 1 S. 1 Fassung: 2007-03-26; BetrAVG § 1b Abs. 2; BetrRStärkG Art. 4; EStG § 3 Nr. 63, §§ 10a, 82, 92; SvEV § 1 Abs. 1 S. 1 Nr. 9; GG Art. 3 Abs 1
Verfahrensgang
Tenor
Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Landessozialgerichts Niedersachsen-Bremen vom 24. Juli 2018 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind auch im Revisionsverfahren nicht zu erstatten.
Tatbestand
Zwischen den Beteiligten ist die Erhebung von Beiträgen zur gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) und zur sozialen Pflegeversicherung (sPV) auf die Kapitalleistung aus einer Direktversicherung streitig.
Die im September 1948 geborene Klägerin ist bei der beklagten AOK in der Krankenversicherung der Rentner kranken- und bei der beigeladenen Pflegekasse pflegeversichert. Für sie schloss ihr Ehemann als Arbeitgeber im Oktober 1982 im Rahmen der betrieblichen Altersversorgung eine Lebensversicherung als Direktversicherung bei der Rechtsvorgängerin der S. ab. Nachdem das Unternehmen seine Tätigkeit im Jahr 1992 eingestellt und daraufhin das Arbeitsverhältnis der Klägerin geendet hatte, zahlte sie selbst die Versicherungsbeiträge. Nach der Gewerbeabmeldung im Jahr 1997 wurde die Klägerin zum 1.8.2006 Versicherungsnehmerin der Direktlebensversicherung. Aus dieser Versicherung erhielt sie am 29.8.2013 eine Kapitalleistung in Höhe von 25 297,60 Euro. Hiervon entfallen 12 778,79 Euro auf die bis zur Gewerbeabmeldung und 20 074,42 Euro auf die bis zum Wechsel der Versicherungsnehmereigenschaft gezahlten Beiträge.
Die beklagte Krankenkasse setzte - auch im Namen der beigeladenen Pflegekasse - für die Zeit ab 1.9.2013 monatliche Beiträge zur GKV sowie sPV in Höhe von insgesamt 55,51 Euro fest. Dabei legte sie als Bemessungsgrundlage ua ein Einhundertzwanzigstel von 20 074,42 Euro (167,29 Euro) zugrunde (Bescheid vom 19.11.2013, Widerspruchsbescheid vom 21.5.2014). Für die Zeit ab 1.1.2015 wurden die Beiträge auf 56,14 Euro monatlich festgesetzt (Bescheid vom 28.1.2015).
Die auf Verbeitragung derjenigen Kapitalleistung gerichtete Klage, die auf den bis zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses im Jahr 1992, hilfsweise bis zur Gewerbeabmeldung im Jahr 1997 gezahlten Beiträgen beruht, hat das SG Stade abgewiesen (Urteil vom 29.9.2015). Nachdem im Berufungsverfahren die Beiträge zur GKV und sPV für die Zeit ab 1.1.2017 auf 56,78 Euro monatlich festgesetzt worden waren (Bescheid vom 14.1.2017), hat das LSG Niedersachsen-Bremen die Berufung zurückgewiesen. Nur Kapitalleistungen einer Direktversicherung, die auf Beitragszahlungen eines Arbeitnehmers als Versicherungsnehmer beruhten, seien nach der Rechtsprechung des BVerfG nicht beitragspflichtig. In die Stellung des Versicherungsnehmers sei die Klägerin erst zum 1.8.2006 eingerückt. Eine eventuelle Ungleichbehandlung dadurch, dass § 229 Abs 1 S 1 Nr 5 SGB V seit 1.1.2018 sog "Riesterrenten" von der Beitragspflicht ausnehme, sei gerechtfertigt. Zweck der Riesterförderung im Bereich der betrieblichen Altersversorgung sei es, Geringverdienern die Möglichkeit einer zusätzlichen Altersvorsorge zu eröffnen und damit Altersarmut zu vermeiden (Urteil vom 24.7.2018).
Mit ihrer Revision rügt die Klägerin die Verletzung des § 229 Abs 1 S 1 Nr 5 SGB V und des Art 3 Abs 1 GG. Beiträge dürften nur auf den Teil der Kapitalleistung erhoben werden, der auf den Beitragszahlungen bis 1992 oder allenfalls bis 1997 beruhe. Der frühere Arbeitgeber habe mit der faktischen Betriebseinstellung, spätestens mit der Gewerbeabmeldung nicht mehr existiert. Damit sei die Eigenschaft als Versicherungsnehmer entfallen und auf sie übergegangen. Ungeachtet dessen seien bereits Beiträge aus ihrem Arbeitseinkommen gezahlt worden. Ein die Ungleichbehandlung gegenüber einer riestergeförderten betrieblichen Altersversorgung rechtfertigender Grund liege nicht vor. Die Riesterförderung sei nicht auf ein bestimmtes Einkommen beschränkt und nicht mit anderen Versicherungen der betrieblichen Altersversorgung vergleichbar.
Die Klägerin beantragt,
die Urteile des Landessozialgerichts Niedersachsen-Bremen vom 24. Juli 2018 und des Sozialgerichts Stade vom 29. September 2015 aufzuheben sowie den Bescheid der Beklagten vom 19. November 2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 21. Mai 2014 und der Änderungsbescheide vom 28. Januar 2015 und 14. Januar 2017 insoweit aufzuheben, als Beiträge zur gesetzlichen Kranken- und sozialen Pflegeversicherung aus der Kapitallebensversicherung bei der S. (Nr .) festgesetzt worden sind, die auf nach 1992, hilfsweise nach 1997 gezahlten Beiträgen beruht.
Die Beklagte beantragt,
die Revision der Klägerin zurückzuweisen.
Sie hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend.
Die Beigeladene stellt keinen Antrag.
Entscheidungsgründe
Die Revision der Klägerin ist unbegründet (§ 170 Abs 1 S 1 SGG). Das LSG hat deren Berufung gegen das die Klage abweisende Urteil des SG zu Recht zurückgewiesen. Die angefochtenen Bescheide vom 19.11.2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 21.5.2014 sowie der Änderungsbescheide vom 28.1.2015 und 14.1.2017 (§§ 96, 153 Abs 1 SGG) sind rechtmäßig und verletzen die Klägerin nicht in ihren Rechten. Die Beklagte hat die Beiträge zur GKV und sPV für die Zeit ab 1.9.2013 zutreffend dem Grunde und der Höhe nach festgesetzt (dazu 1.). Ein Verstoß gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz des Art 3 Abs 1 GG liegt nicht vor (dazu 2.).
1. Bei in der GKV pflichtversicherten Rentnern - wie der Klägerin - werden nach § 237 S 1 Nr 2 und S 2 SGB V in der Fassung des Gesundheits-Reformgesetzes (GRG) vom 20.12.1988 (BGBl I 2477) in Verbindung mit § 57 Abs 1 S 1 SGB XI in der Fassung des GKV-Wettbewerbsstärkungsgesetzes vom 26.3.2007 (BGBl I 378) der Beitragsbemessung der Zahlbetrag der der Rente vergleichbaren Einnahmen zugrunde gelegt. Als der Rente vergleichbare Einnahmen (Versorgungsbezüge) gelten nach § 229 Abs 1 S 1 Nr 5 SGB V in der Fassung des GRG (aaO) "Renten der betrieblichen Altersversorgung", soweit sie wegen einer Einschränkung der Erwerbsfähigkeit oder zur Alters- oder Hinterbliebenenversorgung erzielt werden. Tritt an die Stelle der Versorgungsbezüge eine nicht regelmäßig wiederkehrende Leistung oder ist eine solche Leistung vor Eintritt des Versicherungsfalls vereinbart oder zugesagt worden, gilt nach § 229 Abs 1 S 3 SGB V in der seit 1.1.2004 geltenden Fassung des Gesetzes zur Modernisierung der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV-Modernisierungsgesetz - GMG) vom 14.11.2003 (BGBl I 2190) ein Einhundertzwanzigstel der Leistung als monatlicher Zahlbetrag der Versorgungsbezüge, längstens jedoch für einhundertzwanzig Monate. Zu den "Renten der betrieblichen Altersversorgung" gehören auch Leistungen, die aus einer vom Arbeitgeber für den Arbeitnehmer abgeschlossenen Direktversicherung im Sinn des § 1b Abs 2 BetrAVG gezahlt werden. Um eine solche Direktversicherung handelt es sich, wenn für die betriebliche Altersversorgung eine Lebensversicherung auf das Leben des Arbeitnehmers durch den Arbeitgeber vereinbart wird und der Arbeitnehmer oder seine Hinterbliebenen hinsichtlich der Leistung des Versicherers ganz oder teilweise bezugsberechtigt sind. Diese Leistung ist dann der betrieblichen Altersversorgung zuzurechnen, wenn sie die Versorgung des Arbeitnehmers oder seiner Hinterbliebenen im Alter, bei Invalidität oder Tod bezweckt, also der Sicherung des Lebensstandards nach dem Ausscheiden des Arbeitnehmers aus dem Erwerbsleben dienen soll. Ein solcher Versorgungszweck kann sich auch aus der vereinbarten Laufzeit ergeben (stRspr; BSG Urteil vom 30.3.2011 - B 12 KR 16/10 R - BSGE 108, 63 = SozR 4-2500 § 229 Nr 12, RdNr 17 und BSG Urteil vom 5.3.2014 - B 12 KR 22/12 R - SozR 4-2500 § 229 Nr 17 RdNr 19, jeweils mwN).
Die der Klägerin ausgezahlte Lebensversicherung erfüllt diese Voraussetzungen einer betrieblichen Altersversorgung. Sie wurde nach den nicht angegriffenen und damit den Senat bindenden Feststellungen des LSG (§ 163 SGG) vom Arbeitgeber der Klägerin als Direktversicherung zu deren Gunsten abgeschlossen. Da die Klägerin im September 2013 das 65. Lebensjahr vollendete, diente die Lebensversicherung aufgrund ihres Ablauftermins zum 1.9.2013 deren Altersversorgung (vgl BSG Urteil vom 12.12.2007 - B 12 KR 6/06 R - Juris RdNr 16 ≪Auszahlung bei Vollendung des 63. Lebensjahrs≫; BSG Urteil vom 12.11.2008 - B 12 KR 6/08 R - SozR 4-2500 § 229 Nr 7 RdNr 13 ≪Auszahlung bei Vollendung des 60. Lebensjahrs≫).
Die Direktversicherung verlor nicht dadurch ihren Charakter als betriebliche Altersversorgung, dass der Arbeitgeber seine Geschäftstätigkeit 1992 einstellte, die Klägerin aus dem Beschäftigungsverhältnis ausschied, daraufhin selbst die Beiträge zur Versicherung leistete und ihr Ehemann das Gewerbe 1997 abmeldete. Wesentliche Merkmale einer Rente der betrieblichen Altersversorgung (als einer mit der Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung vergleichbaren Einnahme) im Sinne des Beitragsrechts der GKV und sPV sind, wenn ihr Bezug nicht schon institutionell (Versicherungseinrichtung, Versicherungstyp) vom Betriebsrentenrecht erfasst wird, ein Zusammenhang zwischen dem Erwerb dieser Rente und der früheren Beschäftigung sowie ihre (Entgelt-)Ersatzfunktion als - weiteres - Merkmal der Vergleichbarkeit mit der gesetzlichen Rente (stRspr; vgl BSG Urteil vom 13.9.2006 - B 12 KR 5/06 R - SozR 4-2500 § 229 Nr 4 RdNr 11 mwN; BSG Urteil vom 25.5.2011 - B 12 P 1/09 R - SozR 4-2500 § 229 Nr 14 RdNr 13 f mwN; BSG Urteil vom 20.7.2017 - B 12 KR 12/15 R - BSGE 124, 20 = SozR 4-2500 § 229 Nr 21, RdNr 13; zuletzt BSG Urteil vom 4.9.2018 - B 12 KR 20/17 R - Juris RdNr 17). Auch nach Ende eines Arbeitsverhältnisses durch den Arbeitnehmer eingezahlte Beiträge sind betrieblich veranlasst, solange der institutionelle Rahmen des Betriebsrentenrechts zur Durchführung der betrieblichen Altersversorgung nicht verlassen wird. Dieser institutionelle Rahmen bleibt bei einem vom Arbeitgeber abgeschlossenen und als Versicherungsnehmer weitergeführten Versicherungsvertrag erhalten (BVerfG Beschluss vom 6.9.2010 - 1 BvR 739/08 - SozR 4-2500 § 229 Nr 10 RdNr 13 ff). Ihn hat die Klägerin durch den Bezug der Kapitalleistung unabhängig davon genutzt, dass ihr Ehemann die Betriebstätigkeit eingestellt und das Gewerbe abgemeldet hat. Auf die Gründe für die Beendigung eines Arbeitsverhältnisses kommt es nicht an (BSG Urteil vom 12.12.2007 - B 12 KR 6/06 R - Juris RdNr 13).
Allerdings unterliegen Leistungen aus einer als Direktversicherung abgeschlossenen Kapitallebensversicherung bei Pflichtversicherten in der GKV nur insoweit der Beitragspflicht, als sie auf Prämien beruhen, die auf den Versicherungsvertrag für Zeiträume eingezahlt wurden, in denen der Arbeitgeber Versicherungsnehmer war. Ein Lebensversicherungsvertrag, zu dem ein Arbeitnehmer nach Beendigung seines Arbeitsverhältnisses oder seiner Erwerbstätigkeit unter Einrücken in die Stellung des Versicherungsnehmers Prämien entrichtet, wird nicht mehr innerhalb der institutionellen Vorgaben des Betriebsrentenrechts fortgeführt, weil die Bestimmungen des Betriebsrentenrechts auf den Kapitallebensversicherungsvertrag hinsichtlich der nach Vertragsübernahme eingezahlten Prämien keine Anwendung mehr finden (BSG Urteil vom 23.7.2014 - B 12 KR 28/12 R - BSGE 116, 241 = SozR 4-2500 § 229 Nr 18, RdNr 21; BVerfG Beschluss vom 28.9.2010 - 1 BvR 1660/08 - SozR 4-2500 § 229 Nr 11 RdNr 15). Dem hat die Beklagte Rechnung getragen, indem auf den Teil der Kapitalleistung keine Beiträge erhoben worden sind, der auf den seit August 2006 - nach dem Übergang der Versicherungsnehmerstellung auf die Klägerin - entrichteten Beiträgen beruht (vgl BSG Urteil vom 30.3.2011 - B 12 KR 16/10 R - BSGE 108, 63 = SozR 4-2500 § 229 Nr 12, RdNr 30).
2. Die Beitragspflicht der auf den bis zum Wechsel der Versicherungsnehmereigenschaft gezahlten Beiträge beruhenden Kapitalleistung verstößt nicht gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz nach Art 3 Abs 1 GG. Der Gleichheitssatz (dazu a) ist nicht wegen der beitragsrechtlichen Privilegierung sog "Riesterrentner" verletzt. Nach § 229 Abs 1 S 1 Nr 5 Halbs 2 SGB V in der zum 1.1.2018 eingeführten Fassung des Betriebsrentenstärkungsgesetzes vom 17.8.2017 (BGBl I 3214) gelten als Renten der betrieblichen Altersversorgung zwar nicht (mehr) Leistungen aus Altersvermögen im Sinn des § 92 EStG. Damit wurden die nach § 92 in Verbindung mit § 10 EStG geförderten Renten nach dem Altersvorsorgeverträge-Zertifizierungsgesetz (AltZertG, sog "Riesterrenten") von der kranken- und pflegeversicherungsrechtlichen Beitragspflicht auf Versorgungsbezüge ausgenommen. Ungeachtet einer Vergleichbarkeit von Begünstigten einer Direktlebensversicherung mit sog "Riesterrentnern" (dazu b) ist eine beitragsrechtliche Ungleichbehandlung jedenfalls sachlich gerechtfertigt (dazu c).
a) Art 3 Abs 1 GG gebietet, alle Menschen vor dem Gesetz gleich zu behandeln. Damit ist dem Gesetzgeber allerdings nicht jede Differenzierung verwehrt. Differenzierungen bedürfen jedoch stets der Rechtfertigung durch Sachgründe, die dem Differenzierungsziel und dem Ausmaß der Ungleichbehandlung angemessen sind. Der Gleichheitssatz ist dann verletzt, wenn eine Gruppe von Normadressaten oder Normbetroffenen im Vergleich zu einer anderen Gruppe anders behandelt wird, obwohl zwischen beiden Gruppen keine Unterschiede von solcher Art und solchem Gewicht bestehen, dass sie die unterschiedliche Behandlung rechtfertigen können. Die Grenzen, die der allgemeine Gleichheitssatz dem Gesetzgeber vorgibt, können sich von lediglich auf das Willkürverbot beschränkten Bindungen bis hin zu strengen Verhältnismäßigkeitserfordernissen erstrecken. Es gilt ein am Verhältnismäßigkeitsgrundsatz orientierter, stufenloser Prüfungsmaßstab, der nicht abstrakt, sondern nur nach dem jeweils betroffenen Sach- und Regelungsbereich näher bestimmbar ist. Maßgebend ist, ob für die Differenzierung Gründe von solcher Art und solchem Gewicht bestehen, dass sie die ungleichen Rechtsfolgen rechtfertigen können. Allerdings ist der weite sozialpolitische Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers bei der Ausgestaltung der sozialstaatlichen Ordnung zu beachten. Sozialpolitische Entscheidungen des Gesetzgebers sind anzuerkennen, solange seine Erwägungen weder offensichtlich fehlsam noch mit der Wertordnung des GG unvereinbar sind (BSG Urteil vom 30.11.2016 - B 12 KR 6/15 R - SozR 4-2500 § 224 Nr 2 RdNr 26 mit Hinweisen auf BVerfG). Nach diesen Maßstäben ist die Beitragspflicht der Klägerin verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden.
b) Es kann dahingestellt bleiben, ob eine Ungleichbehandlung bereits deshalb ausscheidet, weil Direktversicherungen einerseits und "Riesterrenten" andererseits insgesamt betrachtet beitragsrechtlich gleich behandelt werden. Sofern beide Vorsorgeformen als betriebliche Altersversorgung vereinbart worden sind (vgl zur "Riesterrente" BSG Beschluss vom 6.6.2017 - B 12 KR 13/17 B - Juris), unterliegen sie im Ergebnis jeweils nur einmal der Beitragspflicht zur GKV und sPV: nach §§ 10a, 82, 92 EStG geförderte Renten in der Ansparphase, die übrigen Betriebsrenten in der Auszahlungsphase. Steuerfreie Zuwendungen an Direktversicherungen sind bis zur Höhe von insgesamt 4 vH der Beitragsbemessungsgrenze in der allgemeinen Rentenversicherung nicht dem Arbeitsentgelt zuzurechnen (§ 1 Abs 1 S 1 Nr 9 Sozialversicherungsentgeltverordnung ≪SvEV≫, § 3 Nr 63 EStG). Zu einer Verbeitragung in der Ansparphase kommt es daher nur, wenn und soweit höhere Zuwendungen geleistet werden. Die wegen einer betrieblichen Riesterrente gezahlten Beiträge werden hingegen aus dem sozialversicherungspflichtigen Arbeitsentgelt aufgebracht (vgl BT-Drucks 18/11286 S 52), sind damit in der Ansparphase dem Beitragsrecht unterworfen.
c) Unabhängig davon ist selbst bei isolierter Betrachtung der Auszahlungsphase die insoweit bestehende unterschiedliche Behandlung verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden. Der Gesetzgeber kann in Bezug auf die Beitragspflicht von Versorgungsleistungen eine Teilgruppe herausgreifen und sie zu höheren Beitragszahlungen heranziehen, wenn dies - wie hier - durch einen sachlichen Grund gerechtfertigt ist (vgl BVerfG ≪Kammer≫ Beschluss vom 7.4.2008 - 1 BvR 1924/07 - SozR 4-2500 § 229 Nr 5 RdNr 34).
Mit dem Betriebsrentenstärkungsgesetz vom 17.8.2017 (BGBl I 3214) sollte die betriebliche Altersversorgung in kleinen und mittleren Betrieben ausgebaut und Anreize für Geringverdiener gesetzt werden, ihre Versorgung im Alter zu verbessern (BT-Drucks 18/11286 S 1, 48 f). Der Gesetzgeber hat zu diesem Zweck mit der reinen Beitragszusage einen weiteren Tatbestand der betrieblichen Altersversorgung geschaffen (§ 1 Abs 2 Nr 2a BetrAVG), einen obligatorischen Arbeitgeberzuschuss eingeführt (§ 1a Abs 1a, § 23 Abs 2 BetrAVG), die Steuerfreibeträge (§ 3 Nr 55, 55c, 56, 62, 63 und 63a, § 100 EStG) und die Grenzen der Sozialversicherungsfreiheit für Beiträge zu betrieblicher Altersversorgung aus dem Bruttoentgelt erhöht (§ 1 Abs 1 S 1 Nr 9 SvEV) sowie laufende Betriebs-, "Riester-" und Basisrenten im Grundsicherungsrecht privilegiert (§ 82 Abs 2 S 1 Nr 3, § 90 Abs 2 Nr 2 SGB XII). Die angestrebte erhöhte Attraktivität der betrieblichen "Riesterrenten" für den Personenkreis der Geringverdiener zielte darauf ab, eine effizientere Möglichkeit zu schaffen, die Absenkung ihres Rentenniveaus zu kompensieren, die dazu beitragen kann, Grundsicherung im Alter zu verhindern (vgl BT-Drucks 18/11286 S 52). Die Bekämpfung von Altersarmut ist ein legitimes Ziel, das mit der Privilegierung betrieblicher "Riesterrenten" im Beitragsrecht der GKV und sPV erreicht werden kann. Der Gesetzgeber hat bei der Wahl des Mittels die Grenzen seiner Einschätzungsprärogative nicht verlassen. Er ging nachvollziehbar davon aus, dass betriebliche "Riesterrenten" nur wenig in Anspruch genommen werden, für Personen mit geringem Einkommen weitere Anreize für eine betriebliche Altersversorgung erforderlich sind und der mit einer Beitragspflicht zur GKV und sPV in der Auszahlungsphase verbundene Fehlanreiz bei der Förderung betrieblicher "Riesterrenten" beseitigt werden musste (BT-Drucks, aaO, S 48 und 51). Es ist auch nicht zu beanstanden, wenn der Gesetzgeber die grundsätzliche Attraktivität der "Riesterrente" für diesen Personenkreis annimmt, da mit geringen Eigenbeiträgen (§ 86 EStG) sowie Grund- und Kinderzulagen nach §§ 84, 85 EStG ein Kapitalstock aufgebaut wird, der im Alter der Existenzsicherung dient. Während demnach mit der Privilegierung von Leistungen nach § 92 EStG Betriebsrenten gestärkt und Altersarmut bekämpft werden soll, steht bei Direktversicherungen das die Finanzierung der GKV und sPV bestimmende Solidaritätsprinzip im Vordergrund, wonach die Versicherten an den Kosten entsprechend ihrer wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit zu beteiligen sind (vgl BSG Urteil vom 12.11.2008 - B 12 KR 6/08 R - SozR 4-2500 § 229 Nr 7 RdNr 28).
Soweit auch betriebliche "Riesterrenten" der nicht von Altersarmut bedrohten Personen von der Beitragspflicht ausgenommen sind, hält sich § 229 Abs 1 S 1 Nr 5 SGB V in den Grenzen zulässiger Typisierung. Bei der Ordnung von Massenerscheinungen können typisierende und generalisierende Regelungen notwendig sein. Art 3 Abs 1 GG ist daher in Bezug auf die Beitragsbemessung erst dann verletzt, wenn der Gesetzgeber die Grenzen zulässiger Typisierung überschreitet (vgl BSG Urteil vom 5.12.2017 - B 12 P 1/16 R - SozR 4-3300 § 55 Nr 5 RdNr 18-19 mwN). Unbedenklich ist eine Typisierung, solange eine verhältnismäßig kleine Zahl von Personen benachteiligt wird und der Grundrechtsverstoß nicht sehr intensiv ist (BSG Urteil vom 29.6.2016 - B 12 KR 1/15 R - SozR 4-2500 § 10 Nr 12 RdNr 25 mwN). Gemessen daran ist die ausnahmslose Privilegierung von Leistungen nach § 92 EStG nicht zu beanstanden. Dass betriebliche "Riesterrenten" generell außer Betracht bleiben, dient der Verwaltungsvereinfachung. Mit der Zertifizierung nach dem AltZertG steht den Krankenkassen im Rahmen der Massenverwaltung ein einfach zu prüfendes Kriterium zur Verfügung. Zudem wird die Beitragspflicht von Direktversicherungen - bei unterstellter Benachteiligung - dadurch begünstigend flankiert, dass Arbeitgeber aufgrund des Betriebsrentenstärkungsgesetzes unter bestimmten Voraussetzungen verpflichtet sind, Zuschüsse zu leisten (vgl §§ 1a Abs 1a, 23 Abs 2 BetrAVG).
Die Herausnahme der "Riesterrenten" aus der Beitragspflicht in der Auszahlungsphase begünstigt die betrieblichen "Riesterrentner" nicht unverhältnismäßig. Die übrigen Betriebsrentner erfahren einen Ausgleich durch Steuer- und Sozialversicherungsfreibeträge in der Ansparphase (§ 3 Nr 55, 55c, 56, 62, 63 und 63a sowie § 100 EStG; § 1 Abs 1 S 1 Nr 9 SvEV) sowie durch die Pflicht des Arbeitgebers, wegen durch Entgeltumwandlung ersparter Sozialversicherungsbeiträge Zuschüsse in die betriebliche Altersversorgung zu leisten (§ 1a Abs 1a, § 23 Abs 2 BetrAVG). Sofern die Klägerin in der Ansparphase von diesem Ausgleich nicht profitiert hat, hält sich dieser Nachteil in den Grenzen des Art 3 Abs 1 GG. Der Gesetzgeber durfte die Änderung erst mit Inkrafttreten des Betriebsrentenstärkungsgesetzes wirksam werden lassen (vgl BVerfG Urteil vom 23.11.1999 - 1 BvF 1/94 - BVerfGE 101, 239, 270 = Juris RdNr 113).
3. Für Fehler bei der konkreten Berechnung der Beiträge zur GKV und sPV bestehen keine Anhaltspunkte. Die Klägerin hat insoweit auch keine Einwände erhoben.
4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Fundstellen
NZS 2019, 715 |
NZS 2019, 758 |
SGb 2019, 277 |
RdW 2019, 744 |
Breith. 2020, 16 |