Entscheidungsstichwort (Thema)
Röntgenzulassung von Kassenärzten
Leitsatz (amtlich)
1. Richtlinien einer KÄV über die fachlichen Voraussetzungen für die Ausführung von Röntgenleistungen im kassenärztlichen Bereich (Röntgenrichtlinien) müssen sich im Rahmen des BMV-Ä § 15 Abs 2 halten und den verfassungsrechtlichen Erfordernissen für Regelungen der Berufsausübung (GG Art 12 Abs 1 S 2), insbesondere dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, entsprechen (Weiterführung von BSG 1968-05-28 6 RKa 12/66 = BSGE 28, 73).
2. Die Röntgenrichtlinien dürfen für fachgebundene Röntgenleistungen (hier: Röntgendiagnostik des Skeletts durch Internisten) weitergehende Ausbildungsanforderungen als das allgemeine ärztliche Berufsrecht (Weiterbildungsordnung) nur vorsehen, soweit dieses den Erwerb der für die fraglichen Leistungen "vernünftigerweise zu fordernden Sachkunde" (vergleiche BSG 1968-05-28 6 RKa 12/66 = BSGE 28, 73, 78) nicht gewährleistet; das kann namentlich für Sonder- oder Randgebiete eines Faches in Betracht kommen.
3. Die Röntgenrichtlinien müssen dem einzelnen Kassenarzt die Möglichkeit offenhalten, seine Sachkunde durch eine Prüfung seiner Befähigung für die fraglichen Röntgenleistungen nachzuweisen.
Leitsatz (redaktionell)
1. Die KÄV ist berechtigt, die Erbringung bestimmter ärztlicher Leistungen, insbesondere solcher, mit denen - wie bei Röntgenleistungen - erhebliche gesundheitliche Gefährdungen verbunden sein können, von der Erfüllung besonderer persönlicher Zulassungsvoraussetzungen abhängig zu machen, wenn und soweit nach allgemeinem ärztlichen Berufsrecht eine ausreichende Aus- oder Weiterbildung des Arztes nicht, noch nicht oder nicht überall sichergestellt ist.
2. Wenn für bestimmte ärztliche Leistungen allgemein Ausbildungslücken feststellbar sind, können hierfür zusätzliche Aus- oder Weiterbildungszeiten gefordert werden, deren Dauer jedoch nicht das Maß dessen überschreiten darf, was notwendig ist, um dem Arzt die "vernünftigerweise zu fordernde Sachkunde" zu vermitteln; daneben muß der Arzt die Möglichkeit haben, seine Sachkunde auch in anderer Weise nachzuweisen.
Normenkette
GG Art. 12 Abs. 1 S. 2 Fassung: 1968-06-24; RVO § 368g Fassung: 1955-08-17; BMV-Ä § 15 Abs. 2; RöRL
Tenor
Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des Landessozialgerichts Niedersachsen vom 18. Dezember 1974 aufgehoben.
Der Rechtsstreit wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Landessozialgericht zurückverwiesen.
Tatbestand
Der Kläger, ein zur Kassenpraxis zugelassener Internist, besitzt seit 1968 die Genehmigung der beklagten Kassenärztlichen Vereinigung (KV) zur Ausführung folgender Röntgenleistungen im "engeren Fachgebiet der inneren Medizin": Durchleuchtungen und Aufnahmen von Thorax (Herz, Lunge), Schilddrüse, Magen, Darm, Nieren- und Harnwege, Galle und Gallenwege, Speiseröhre.
Im Januar 1971 beantragte er die Erweiterung der Genehmigung auf die Röntgendiagnostik des Skeletts. Dazu legte er eine Bescheinigung vor, nach der er vom 1. März 1963 bis zum 15. März 1968 an der Medizinischen Klinik des N-krankenhauses H als Assistenzarzt tätig gewesen sei und seit dem 1. Januar 1967 der - vom Aussteller der Bescheinigung, dem Oberarzt, später Chefarzt Dr. M geleiteten - Medizinischen Röntgenabteilung zugeteilt gewesen sei; während der gesamten Fortbildungszeit habe er an der täglichen Röntgenvisite teilgenommen und insbesondere "sehr gute Kenntnisse in der röntgenologischen Skelettdiagnostik erworben"; er sei "speziell befähigt, im Rahmen der inneren Medizin die Röntgendiagnostik des Skelettsystems selbständig durchzuführen".
Der Vorstand der Bezirksstelle H der beklagten KV lehnte nach Anhörung des Röntgenausschusses den Antrag des Klägers mit Bescheid vom 11. Februar 1971 ab: Die Skelettdiagnostik gehöre "zu den Grenzfällen" des internistischen Fachgebiets, dafür sei nach den Röntgenrichtlinien der Beklagten eine - vom Kläger nicht nachgewiesene - zusätzliche spezielle ganztägige Weiterbildung von einem Jahr erforderlich. Der Widerspruch des Klägers wurde vom Vorstand der Beklagten mit Beschluß vom 17. Juli 1971 entsprechend einer Empfehlung des Röntgenberufungsausschusses zurückgewiesen.
Klage und Berufung des Klägers sind erfolglos geblieben (Urteil des Sozialgerichts - SG - Hannover vom 5. Juli 1972 und des Landessozialgerichts - LSG - Niedersachsen vom 18. Dezember 1974). Das LSG hat ausgeführt: Der Kläger habe nach den Röntgenrichtlinien der Beklagten keinen Anspruch auf Erweiterung seiner Röntgengenehmigung, da er die erforderlichen Kenntnisse nicht nachgewiesen habe. Die Beklagte habe die Röntgenrichtlinien aufgrund des § 15 Abs. 2 des Bundesmantelvertrages-Ärzte (BMV-Ä) erlassen; danach könne die KV die Ausübung des ärztlichen Berufes in der Kassenpraxis regeln. Die Beklagte habe von ihrer Ermächtigung auch wirksam Gebrauch gemacht, insbesondere für die Röntgendiagnostik des Skeletts - als Randgebiet der inneren Medizin - zusätzliche, über die Bestimmungen der Berufsordnung hinausgehende Weiterbildungsvoraussetzungen aufstellen dürfen. Bei der Abgrenzung zwischen dem engeren Fachgebiet und seinen Randgebieten habe die KV einen Beurteilungsspielraum, der jedenfalls dann nicht überschritten werde, wenn die vorgenommene Abgrenzung "vernünftigerweise vertretbar" sei. Daß die Zuordnung der Röntgendiagnostik des Skeletts zu den Grenzgebieten der inneren Medizin vertretbar sei, folge schon daraus, daß sie von der Vertreterversammlung der Beklagten, also einem Gremium sachkundiger Ärzte, beschlossen worden sei; im übrigen sei selbst 1961 noch keineswegs unumstritten gewesen, ob die Röntgendiagnostik am Skelettsystem überhaupt zum internistischen Fachgebiet gehöre. In der vom Kläger vorgelegten Bescheinigung sei nur die übliche Weiterbildung im Rahmen der internen Röntgentätigkeit bestätigt worden. Mit ihr sei aber nicht nachgewiesen, daß er die fraglichen Weiterbildungsvoraussetzungen auf dem Gebiet der Skelettdiagnostik erfüllt habe. Das gleiche gelte für den Hinweis des Klägers auf seine Teilnahme an den täglichen Röntgenvisiten; ihm fehle eine ausreichende selbständige Tätigkeit am Röntgengerät. Durch die Röntgenrichtlinien der Beklagten würden schließlich Röntgenologen und Internisten hinsichtlich der Anforderungen an ihre Weiterbildung nicht ungleich behandelt.
Der Kläger hat die zugelassene Revision eingelegt und zur Begründung im wesentlichen vorgetragen: Entgegen der Ansicht des LSG seien die Röntgenrichtlinien der Beklagten rechtswidrig. Nach der Facharztentscheidung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) sei die Weiterbildung der Ärzte, soweit nicht der Gesetzgeber dafür zuständig sei, von den Ärztekammern zu regeln; diese hätten von ihrer Regelungsbefugnis auch schon Gebrauch gemacht und in der Weiterbildungsordnung u. a. die Fachgebiete definiert; dabei hätten sie zur inneren Medizin auch die Erkennung und Behandlung interner Erkrankungen des Stütz- und Bewegungsapparates einschließlich der erforderlichen diagnostischen Maßnahmen gerechnet und Bestimmungen über die Weiterbildungszeit der Internisten erlassen. Die Beklagte habe deshalb für die Röntgendiagnostik des Skeletts - als eine diagnostische Maßnahme bei Erkrankungen des Stütz- und Bewegungssystems - keine zusätzliche Weiterbildungszeit vorschreiben dürfen. Dazu sei sie auch aufgrund des § 15 Abs. 2 BMV-Ä und des § 368 g der Reichsversicherungsordnung (RVO) nicht befugt gewesen. Für eine unterschiedliche Bemessung der Weiterbildungszeit von Ärzten im Rahmen ihrer kassenärztlichen und ihrer außerkassenärztlichen Tätigkeit gebe es keinen vernünftigen Grund, eine Differenzierung würde daher gegen Art. 3 des Grundgesetzes (GG) verstoßen. Im übrigen seien die Röntgenrichtlinien der Beklagten mit Art. 12 Abs. 1 Satz 2 GG nicht vereinbar, da der in ihnen enthaltene Eingriff in die ärztliche Berufsausübung nicht durch sachliche Gründe gerechtfertigt werde. Sachfremd und überholt sei ferner nach Ansicht zahlreicher neuerer Autoren die Abgrenzung eines engeren Fachgebiets der inneren Medizin von Randgebieten, insbesondere der Röntgendiagnostik des Skeletts. Zudem würden durch die Röntgenrichtlinien Internisten gegenüber Röntgenologen insofern nicht gleichbehandelt, als von ihnen eine ebensolange, wenn nicht längere Weiterbildung verlangt werde, wenn man bei ihnen die täglichen Röntgenvisiten berücksichtige. Selbst die Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV) habe - in Übereinstimmung mit ihrem Länderausschuß - in einem Rundschreiben von Ende 1974 die Auffassung vertreten, daß es Aufgabe der Ärztekammern sei, die fachlichen Voraussetzungen einer Röntgentätigkeit festzulegen, und daß die KVen während einer Übergangszeit - solange insoweit noch Lücken in der Weiterbildungsordnung beständen - das Vorliegen der genannten fachlichen Voraussetzungen nicht zu prüfen hätten, sofern der Arzt seine Facharztanerkennung nach der neuen Weiterbildungsordnung erhalten habe oder die zuständige Ärztekammer bestätige, daß seine Röntgenausbildung der neuen Weiterbildungsordnung entspreche.
Der Kläger beantragt,
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1. |
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das Urteil des LSG Niedersachsen vom 18. Dezember 1974 und das Urteil des SG Hannover vom 5. Juli 1972 aufzuheben, |
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2. |
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die Beklagte zu verurteilen, die Röntgenzulassung des Klägers auf die internistische Röntgendiagnostik des Stütz- und Bewegungsapparates einschließlich des Schädels zu erweitern. |
Die Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Sie hat vorgetragen: Die Zulässigkeit besonderer Röntgenrichtlinien der KVen sei vom Bundessozialgericht (BSG) anerkannt. Der Facharztbeschluß des BVerfG habe daran nichts geändert. Die Beklagte habe auch mit der Abgrenzung eines engeren Fachgebiets der inneren Medizin von ihren Randgebieten nicht in die - zur Zuständigkeit der Ärztekammer gehörende - Definition des internistischen Fachgebiets eingegriffen, wenn sie für den kassenärztlichen Bereich eine zusätzliche Weiterbildungszeit für die röntgenologische Skelettdiagnostik vorgeschrieben habe; daß außerhalb des kassenärztlichen Bereichs ähnliche Regelungen zum Schutz der Patienten nicht beständen, sei unerheblich. Die zusätzliche Weiterbildungszeit sei deshalb erforderlich, weil der röntgendiagnostischen Fortbildung des Facharztes für innere Medizin auf dem Gebiet der Skelettdiagnostik sehr enge Grenzen gesetzt seien; das ihm zugängliche Krankengut sei insoweit begrenzt und umfasse nur einen Teil der Skeletterkrankungen, so daß eine stetige Fortbildung durch differentialdiagnostische Analyse nicht möglich sei. Der Erwerb einer "vernünftigerweise zu fordernden Sachkunde" sei nur in Ausnahmefällen garantiert. Die Skelettdiagnostik nehme deshalb bei Internisten eine besondere Stellung ein, die dazu berechtige, sie als Grenzgebiet ihrer Tätigkeit anzusehen. Andernfalls könnten Fehlbeurteilungen von erheblicher Tragweite entstehen. Entgegen der Ansicht des Klägers werde er auch im Verhältnis zu Röntgenfachärzten nicht ungleich behandelt, da die Mindestweiterbildungszeit für Röntgenologen 3 1/2 Jahre betrage, für Internisten jedoch, die sich, wie der Kläger, auf einem Randgebiet der internistischen Röntgendiagnostik betätigen wollten, nur 2 Jahre; dabei werde die Teilnahme an der Röntgendiagnostik während der gesamten Weiterbildungszeit nach einer von der ärztlichen Selbstverwaltung getroffenen und sachgerechten Regelung einem Jahr ganztägiger röntgenologischer Weiterbildung gleichgesetzt. Nach dem vom Kläger erwähnten Rundschreiben der KBV seien Röntgenrichtlinien, die weitergehende Anforderungen an eine Röntgentätigkeit als die Weiterbildungsordnung stellten, nicht ohne weiteres rechtswidrig. Bis zu einer gegenteiligen Entscheidung des BSG sei vielmehr von der Zulässigkeit solcher Röntgenrichtlinien für den kassenärztlichen Bereich auszugehen, soweit die Weiterbildungsordnung noch Lücken, insbesondere für fachliche Randgebiete, enthalte.
Entscheidungsgründe
Der Senat hat über die Revision - wie schon die Vorinstanzen über die Klage und die Berufung - mit zwei ehrenamtlichen Richtern aus dem Kreise der Kassenärzte entschieden. Der Rechtsstreit betrifft eine Angelegenheit der Kassenärzte im Sinne des § 12 Abs. 3 Satz 2 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG); denn über den Umfang der Röntgenzulassung eines Kassenarztes hat - anders als über die Zulassung zur Kassenpraxis überhaupt, die in der Hand von paritätisch besetzten Ausschüssen liegt (§ 368 b RVO) - allein die zuständige KV zu entscheiden (vgl. BSG 28, 73, 74).
Die Revision des Klägers hat Erfolg. Das angefochtene Urteil kann mit der vom LSG gegebenen Begründung nicht aufrechterhalten werden. Andererseits reichen die bisher getroffenen Feststellungen für eine abschließende Sachentscheidung nicht aus, so daß der Rechtsstreit an das LSG zurückverwiesen werden muß.
Der Kläger will für bestimmte Röntgenleistungen - Röntgendiagnostik des Skeletts (Stütz- und Bewegungsapparat einschließlich des Schädels) -, die er außerhalb seiner kassenärztlichen Tätigkeit schon aufgrund seiner Facharztanerkennung als Internist ausführen darf, auch im kassenärztlichen Bereich zugelassen werden. Gegenstand des Rechtsstreits ist mithin, in welchem Umfang der Kläger seinen ärztlichen Beruf, von dem die kassenärztliche Tätigkeit nur ein Teil ist (BSG 2, 201 Leitsatz 6; BVerfG 11, 30, 42 und 25, 236, 250), ausüben darf, ob er insbesondere die Voraussetzungen erfüllt, von denen die Beklagte die Zulassung zur Skelettdiagnostik abhängig macht. Daß in einer Regelung der Berufsausübung durch Gesetz oder aufgrund eines Gesetzes (Art. 12 Abs. 1 Satz 2 GG) auch die Erfüllung bestimmter persönlicher Zulassungsvoraussetzungen gefordert werden kann, sofern dies zum Schutz eines wichtigen Gemeinschaftsgutes notwendig ist oder mindestens durch vernünftige Gründe des Gemeinwohls gerechtfertigt wird und wenn außerdem die Anforderungen in einem angemessenen Verhältnis zu dem erstrebten Zweck stehen, so daß die Betroffenen nicht unzumutbar belastet werden, ist allgemein anerkannt (vgl. BSG 28, 73, 76 mit weiteren Nachweisen; BVerfG 25, 247).
Diesen verfassungsrechtlichen Bedingungen genügt § 15 BMV-Ä, der von den Vertragspartnern aufgrund einer Rechtsetzungsermächtigung in § 368 g Abs. 2 Satz 2 RVO vereinbart worden ist und die kassenärztliche Röntgentätigkeit regelt (vgl. BSG 28, 75). Er enthält außer Bestimmungen über eine ausreichende Röntgeneinrichtung (Abs. 1) im zweiten Absatz Vorschriften über die persönlichen Zulassungsvoraussetzungen, die zu der Zeit, als der Kläger seinen Antrag stellte (Januar 1971), wie folgt lauteten:
Im übrigen wird die Berechtigung zur Ausführung von Röntgenleistungen, abgesehen von den Fachärzten für Röntgen- und Strahlenheilkunde, nur an Ärzte erteilt, die nachweisen, daß sie die fachlichen Voraussetzungen erfüllen. Die Berechtigung kann auf die Ausführung bestimmter Röntgenleistungen beschränkt werden.
Spätere Änderungen zum 1. Juli 1971 und 1. Januar 1975 betreffen die Ausführung von nuklearmedizinischen Leistungen und die Pflicht der Fachärzte für Radiologie zum Nachweis ihrer fachlichen Voraussetzungen (die Nachweispflicht entfällt jetzt nur noch für solche Leistungen, "welche allgemein zum Inhalt ihrer Weiterbildung gehört haben" vgl. Heinemann/Liebold, Kassenarztrecht, 4. Auflage, Stand: April 1975, § 15 BMV-Ä Anm. 1 sowie 3. und 5. Änderungsvereinbarung zum BMV-Ä S. IV,70 o und 70 q).
Die "Durchführung" des § 15 Abs. 2 BMV-Ä übertrug die KBV den einzelnen KVen (vgl. die Richtlinien der KBV über die Röntgeneinrichtungen in der Kassenpraxis vom 19. Mai 1967 unter A4: "... ist zur Zeit an die Kassenärztlichen Vereinigungen delegiert", Heinemann/Liebold aaO S. IV 185). Die Beklagte erließ daraufhin "Richtlinien für die Durchführung von Röntgenleistungen in der Kassenpraxis" mit "Ergänzungen, Änderungen und Kommentierungen der Röntgenrichtlinien", die jeweils von der Vertreterversammlung der Beklagten beschlossen und im Niedersächsischen Ärzteblatt veröffentlicht wurden (Beschlüsse vom 3. Februar 1962, 7. Dezember 1963, 5. Dezember 1964, 19. April 1969, 17. April 1971 und 13. November 1971, Niedersächsisches Ärzteblatt 1962 S. 110, 1964 S. 62, 1965 S. 31, 1969 S. 306, 1971 S. 817 und - zusammenfassend - 1. Sonderheft zum Niedersächsischen Ärzteblatt von Mai 1973).
Nach den genannten "Richtlinien" ist bei Fachärzten für innere Krankheiten "für die Erteilung der Röntgengenehmigung folgende Weiterbildung erforderlich: 12 Monate interne Röntgentätigkeit in einer Med. Klinik, Inneren Abteilung oder in einer Röntgenabteilung mit entsprechendem Krankengut" (Abschnitt D. Nachweis der erforderlichen Kenntnisse, II 1).
Nach den "Ergänzungen" sind die in den "Richtlinien" festgelegten Weiterbildungsfristen "Mindestzeiten, die grundsätzlich nur berechtigen zur Ausführung von Röntgenleistungen in dem entsprechenden Fachgebiet im engsten Sinne. Kassenärzte dürfen Röntgenleistungen auch auf den Randgebieten ihres Fachs erbringen, wenn eine über die Mindestweiterbildungszeiten hinausgehende spezielle Weiterbildung von mindestens einem Jahr nachgewiesen wird. Diese zusätzliche Weiterbildung muß sich über das Fachgebiet im engeren Sinne hinaus auf die erstrebten Grenz- oder Randgebiete des Faches erstrecken. Diese zusätzliche Weiterbildung von einem Jahr kann innerhalb des gleichen Fachgebiets erfolgen. Aus dem Nachweis muß sich dann aber zweifelsfrei ergeben, daß der Antragsteller tatsächlich die entsprechenden Kenntnisse auf dem Randgebiet erworben hat. Dabei ist das besondere Krankengut des Krankenhauses sowie die Qualifikation des ausbildenden Chefs zu berücksichtigen. Die zusätzliche Weiterbildung auf den Randgebieten des Fachgebiets muß nicht zwingend auf dem anderen berührten Fachgebiet erfolgen. Wenn der Nachweis der erforderlichen Kenntnisse in Ausnahmefällen nicht durch Vorlage einer Bescheinigung geführt werden kann oder wenn trotz vorliegender Bescheinigung Zweifel an dem Vorhandensein der erforderlichen Kenntnisse bestehen, sollte von den Röntgenausschüssen bzw. vom Röntgenberufungsausschuß weitgehend von der Möglichkeit eines Kolloquiums mit dem Antragsteller Gebrauch gemacht werden".
Die "Ergänzungen" enthalten ferner eine "Abgrenzung der Fachgebiete" in jeweils ein "engeres Fachgebiet" und in "Grenzfälle" und rechnen in der inneren Medizin zum "engeren Fachgebiet":
Thoraxdurchleuchtungen und -aufnahmen, Herz, Lunge, Schilddrüse, Magen, Darm, Nieren- und Harnwege, Galle und Gallenwege, Speiseröhre
und zu den "Grenzfällen":
Knochenaufnahmen, insbesondere bei tumorösen und entzündlichen Knochen- und Gelenkprozessen, auch Wirbelsäulen- und Beckenschäden, Gefäßdarstellungen, Sella turcica.
Welche Rechtsqualität die "Richtlinien" und ihre "Ergänzungen" haben, ob es sich dabei um Normen mit Außenwirkung (Satzungsrecht) handelt oder, entsprechend ihrer Bezeichnung als "Richtlinien", lediglich um interne Geschäftsanweisungen (Verwaltungsvorschriften) - für Normeigenschaft könnte sprechen, daß sie von der Vertreterversammlung als dem legislativen Organ der KV beschlossen und in dem allen Mitgliedern der Beklagten übersandten Niedersächsischen Ärzteblatt bekanntgemacht worden sind -, hat der Senat aus Anlaß dieses Rechtsstreits nicht zu entscheiden brauchen (vgl. BSG 38, 35 zur Verbindlichkeit der Arzneimittel-Richtlinien). Auch als Rechtsnormen wären sie nur gültig, soweit sie sich im Rahmen des § 15 Abs. 2 BMV-Ä halten, zu dessen Ausführung sie erlassen sind. Im übrigen unterliegen sie den genannten verfassungsrechtlichen Einschränkungen, insbesondere den Einschränkungen aus Art. 12 GG, da sie - wie § 15 Abs. 2 BMV-Ä selbst - die Ausübung des ärztlichen Berufs regeln. Prüfungsmaßstab sind damit, soweit es sich um die Einhaltung der durch § 15 BMV-Ä und die Vorschriften des Verfassungsrechts gezogenen Grenzen handelt, Normen des Bundesrechts, deren Auslegung und Anwendung der Senat - ungeachtet der Irrevisibilität der Röntgenrichtlinien selbst (vgl. § 162 SGG) - voll nachprüfen kann.
Zu § 15 Abs. 2 BMV-Ä hat der Senat in dem Urteil vom 28. Mai 1968 (BSG 28, 73) entschieden, daß eine beantragte Röntgenzulassung von der KV nicht nach ihrem Ermessen oder aus irgendwelchen "sachlichen" Gründen ganz oder teilweise versagt werden darf, sondern nur, wenn und soweit der Antragsteller nicht die "vernünftigerweise zu fordernde Sachkunde besitzt" (aaO S. 77 f): Das könne allerdings auch innerhalb des berufsrechtlich zulässigen Tätigkeitsbereichs der Fall sein, mithin bei Fachärzten, die vor ihrer Facharztanerkennung eine bestimmte Zeit in der Röntgendiagnostik zurücklegen müßten, auch innerhalb des eigenen Fachgebiets. Denn auch bei ihnen könnten, namentlich auf Sonder- oder Grenzgebieten des Faches, Ausbildungslücken bestehen, so daß es nicht vertretbar wäre, die Röntgenberechtigung für das gesamte Fachgebiet einschließlich etwa beantragter Spezialgebiete zu erteilen. Damit hat es der Senat in dem genannten Urteil für zulässig erachtet, daß die KVen unter bestimmten Voraussetzungen für den kassenärztlichen Tätigkeitsbereich besondere, über das allgemeine Berufsrecht hinausgehende Zulassungsvoraussetzungen fordern.
Der Senat ist dabei von der Erwägung ausgegangen, daß die Abgrenzung der einzelnen Fachgebiete - und damit auch der Umfang der fachärztlichen Weiterbildung - vor Verabschiedung der vom 71. Deutschen Ärztetag beschlossenen Weiterbildungsordnung (Ärztliche Mitteilungen 1969, S. 26, abgedruckt auch bei Etmer/Bolck, Bundesärzteordnung, Stand: 15. November 1975, Anhang A 2, S. 120) noch vielfach unsicher war (auch in dem 1968 vom Senat entschiedenen Fall ist vor allem darum gestritten worden, ob das Gebiet, für das die Röntgenzulassung beantragt war - Röntgendiagnostik des Harnapparats -, dem Fachgebiet der inneren Medizin zuzuordnen sei). "Ausbildungslücken", insbesondere in den Randzonen der Fachgebiete, in denen sie sich mit anderen Fächern berühren oder überschneiden, konnten deshalb früher relativ leicht eintreten.
Auf der anderen Seite haben nicht nur die Versicherten gegen ihre Krankenkasse einen Anspruch auf "ausreichende" ärztliche Behandlung (§ 182 Abs. 2 RVO); auch die KV ist der Krankenkasse gegenüber verpflichtet, eine ausreichende Versorgung sicherzustellen (§ 368 n Abs. 1 RVO, vgl. ferner § 368 g Abs. 1 RVO, wonach die KV im Zusammenwirken mit den Krankenkassen u. a. eine ausreichende Versorgung der Kranken zu gewährleisten hat). Um dieser Verpflichtung nachzukommen, muß die KV berechtigt sein, im kassenärztlichen Bereich die Erbringung bestimmter ärztlicher Leistungen, insbesondere solcher, mit denen - wie bei Röntgenleistungen - erhebliche gesundheitliche Gefährdungen der Patienten verbunden sein können, von der Erfüllung besonderer persönlicher Zulassungsvoraussetzungen abhängig zu machen, wenn und soweit nach allgemeinem ärztlichen Berufsrecht eine ausreichende Aus- oder Weiterbildung des Arztes nicht, noch nicht oder nicht überall (in allen Ausbildungsstätten) sichergestellt ist.
Das mag, soweit für bestimmte Leistungen allgemein Ausbildungslücken feststellbar sind (etwa weil es sich um neuartige Leistungen handelt, auf die sich die Ausbildung noch nicht hat erstrecken können, wie z. B. die Mammographie), auch in der Weise geschehen, daß für diese Leistungen generell - z. B. durch Richtlinien u. ä. - zusätzliche Aus- oder Weiterbildungszeiten gefordert werden. Die Dauer von solchen zusätzlichen Zeiten darf dann jedoch nach dem verfassungsrechtlichen Grundsatz der Verhältnismäßigkeit nicht das Maß dessen überschreiten, was notwendig ist, um dem Arzt die "vernünftigerweise zu fordernde Sachkunde" zu vermitteln. Außerdem muß der einzelne Arzt die Möglichkeit haben, seine Sachkunde auch in anderer Weise als durch die geforderte Zusatzausbildung nachzuweisen, etwa durch Vorlage von Bescheinigungen, aus denen sich ergibt, daß er während seiner regulären Weiterbildungszeit zum Facharzt für die betreffenden Leistungen hinreichend ausgebildet worden ist. Sollten darüber Zweifel bestehen, die anderweitig nicht behoben werden können, muß er ferner die Möglichkeit haben, den unmittelbaren Nachweis seiner Befähigung vor der Zulassungsstelle oder einem Sachverständigen zu führen. Daß ihm diese Möglichkeiten nicht abgeschnitten werden dürfen, ergibt sich aus § 15 Abs. 2 BMV-Ä, der von dem Arzt nur verlangt, daß er die Erfüllung der fachlichen Voraussetzungen nachweist.
Im vorliegenden Fall kann es schon fraglich sein, ob die Beklagte bei Erlaß der Röntgenrichtlinien (und ihrer Ergänzungen) für Internisten, die eine Röntgendiagnostik des Skeletts betreiben wollen, allgemein eine spezielle zusätzliche Weiterbildungszeit von einem Jahr für den kassenärztlichen Bereich fordern durfte. Noch zweifelhafter ist dies geworden, nachdem die neue Weiterbildungsordnung die Behandlung interner Erkrankungen des Stütz- und Bewegungsapparates einschließlich der erforderlichen diagnostischen Maßnahmen (zu denen auch die Röntgendiagnostik gehört) ausdrücklich in die Definition des internistischen Fachgebiets aufgenommen und damit in das Weiterbildungsprogramm für Internisten einbezogen hat. Das schließt allerdings nicht aus, daß selbst bei Fachärzten, die ihre Facharztanerkennung schon nach der neuen Weiterbildungsordnung erhalten haben, insoweit noch Ausbildungslücken bestehen; erst recht gilt dies für Fachärzte, die, wie der Kläger, ihre Weiterbildung ganz oder teilweise noch unter der alten Facharztordnung beendet haben. Zu prüfen wären die Röntgenrichtlinien der Beklagten ferner unter dem verfassungsrechtlichen Gesichtspunkt, ob die verlangte zusätzliche Weiterbildungszeit für die Röntgendiagnostik des Skeletts ihrer Art nach (ganztätig) und vor allem ihrer Dauer nach (ein Jahr) in einem angemessenen Verhältnis zu dem mit ihr erstrebten Zweck steht, dem Arzt die erforderliche Sachkunde in dem genannten Leistungsbereich zu vermitteln.
Alle diese Fragen, die sich möglicherweise nur unter Heranziehung von Sachverständigen klären lassen, können indessen offenbleiben, wenn dem Kläger die beantragte Erweiterung seiner Röntgenzulassung schon aus anderen Gründen zu erteilen ist. Das wäre der Fall, wenn er durch ausreichend beweiskräftige Unterlagen aus der Zeit seiner Weiterbildung zum Internisten nachweisen könnte, daß er die erforderliche Sachkunde für eine Röntgendiagnostik des Skeletts besitzt. Sollten insoweit Zweifel bestehen bleiben, könnte er diese dadurch beheben, daß er sich einer Befähigungsprüfung vor einem Röntgenausschuß der Beklagten oder einem vom Gericht bestellten unabhängigen Sachverständigen unterzieht. Würde dann die erforderliche Sachkunde zu bejahen sein, so stünde die in Abschnitt D II 1 der obengenannten Richtlinien getroffene, hier streitige Regelung einer Erweiterung der Röntgenzulassung des Klägers auf die internistische Röntgendiagnostik des Stütz- und Bewegungsapparates einschließlich des Schädels nicht entgegen. Nach den bisher getroffenen Feststellungen ist die Frage seiner Sachkunde nicht hinreichend sicher zu beantworten. Da der Senat die erforderlichen Ermittlungen selbst nicht nachholen kann, hat er den Rechtsstreit an die Vorinstanz zurückverwiesen. Diese wird auch die abschließende Kostenentscheidung treffen.
Fundstellen