Entscheidungsstichwort (Thema)
Ruhen des Krankengeldanspruchs bei Übergangsgeldbezug
Leitsatz (redaktionell)
1. Den Leistungen zur Rehabilitation kommt gegenüber anderen Sozialleistungen eine vorrangige Bedeutung zu, weshalb das RehaAnglG die Einheitlichkeit der Trägerschaft sicherstellen und die Rehabilitationsleistungen der einzelnen Leistungsträger untereinander anpassen will (RehaAnglG §§ 5, 9 ff); das gegliederte Sozialleistungssystem wird jedoch auch für den Bereich der Rehabilitation ausdrücklich beibehalten, so daß sich Voraussetzungen, Art und Umfang der Leistungen im einzelnen nach den für den Rehabilitationsträger geltenden besonderen Rechtsvorschriften richten.
2. RVO § 1241 Abs 4 (AVG § 18 Abs 4) - nach dem der Rentenversicherungsträger nur ein auf 75 vH herabgesetztes Übergangsgeld zu zahlen braucht, wenn der Versicherte nicht verheiratet und nicht zum Unterhalt verpflichtet ist - gilt ausschließlich für eine Rehabilitationsmaßnahme des Rentenversicherungsträgers; der wegen Arbeitsunfähigkeit - unabhängig von einer Rehabilitationsmaßnahme gegebene Krankengeldanspruch darf deshalb nicht entsprechend gemindert werden.
Orientierungssatz
1. Der Anspruch auf Krankengeld ruht gemäß RVO § 183 Abs 6 nicht in voller Höhe, sondern nur in Höhe des von der BfA gezahlten Übergangsgeldes (vergleiche BSG vom 1977-08-31 1 RA 15/76 = BSGE 44, 226, 229).
2. In den Fällen der gesetzlichen Anordnung des Ruhens beim Zusammentreffen mehrerer gleichartiger Ansprüche mit gleicher Funktion folgt aus dem Normzweck - Verhinderung der Leistungshäufung -, daß grundsätzlich kein Ruhen eintritt, soweit der zum Ruhen zu bringende Anspruch den hinzutretenden Anspruch übersteigt.
Normenkette
RVO § 183 Abs. 6 Fassung: 1974-08-07, § 1239 S. 2 Fassung: 1974-08-07, § 1241 Abs. 4 Fassung: 1977-06-27; AVG § 16 S. 2 Fassung: 1974-08-07, § 18 Abs. 4 Fassung: 1974-08-07; RehaAnglG § 5 Fassung: 1974-08-07, § 9 Fassung: 1974-08-07
Verfahrensgang
Tatbestand
I
Zwischen den Beteiligten besteht darüber Streit, ob der Anspruch auf Krankengeld beim Bezug eines gekürzten Übergangsgeldes des Rentenversicherungsträgers in vollem Umfange oder nur in Höhe des Übergangsgeldes ruht.
Die Klägerin, von Beruf Sekretärin, ist Mitglied der beklagten Innungskrankenkasse. Ende 1976 wurde sie arbeitsunfähig krank. Sie erhielt von der Beklagten Krankengeld, zuletzt ab 1. Oktober 1977 kalendertäglich 53,53 DM. Vom 8. März bis 19. April 1978 befand sie sich zur medizinischen Rehabilitation in einer neurologischen Klinik, aus der sie als weiterhin arbeitsunfähig entlassen wurde. Während des Klinikaufenthaltes gewährte die Bundesversicherungsanstalt für Angestellte (BfA), die Trägerin der Rehabilitationsmaßnahme, ein nach § 18 Abs 4 des Angestelltenversicherungsgesetzes (AVG) gekürztes Übergangsgeld von kalendertäglich 40,15 DM. Wegen dieser Leistung stellte die Beklagte die Zahlung des Krankengeldes vom 8. März 1978 an vor Ablauf der am 6. April 1978 endenden gesetzlichen Anspruchszeit (78 Wochen innerhalb eines Dreijahreszeitraumes) ein.
Einen auf das Urteil des Bundessozialgerichts (BSG) vom 31. August 1977 - 1 RA 15/76 - (BSGE 44, 226 ff = SozR 2200 § 1241 RVO Nr 5) gestützten Antrag der Klägerin auf Nachzahlung des Differenzbetrages zwischen dem Übergangsgeld und dem höheren Krankengeld lehnte die Beklagte am 17. April 1978 mit folgender Begründung ab: Das BSG habe zwar in dem angegebenen Urteil die Auffassung vertreten, die Ruhensvorschrift des § 183 Abs 6 der Reichsversicherungsordnung (RVO) bezwecke nicht, den wirtschaftlichen Besitzstand zu verringern, der durch den höheren Leistungsanspruch bestimmt werde. Es habe jedoch die Frage offen gelassen, ob ausnahmsweise etwas anderes gelten könne, wenn die zu einem Anspruch hinzutretende andere, das Ruhen bewirkende Leistung ihrer Art nach dazu bestimmt sei, den Lebensunterhalt zu sichern, und ihn auch tatsächlich abdecke. Das sei hier der Fall. Im übrigen sei das Übergangsgeld von der BfA um 25 vH gekürzt worden, weil der Ehemann der Klägerin ein regelmäßiges Arbeitsentgelt bzw Arbeitseinkommen in Höhe von mindestens 50 vH der monatlichen Bezugsgröße nach § 18 des Vierten Buches des Sozialgesetzbuches - Gemeinsame Vorschriften für die Sozialversicherung (SGB 4) - erzielt habe und die Klägerin keinem Kind zum Unterhalt verpflichtet gewesen sei. Es liege mit Sicherheit nicht im Sinne des Gesetzgebers, durch diese mit dem Gesetz zur Zwanzigsten Rentenanpassung und zur Verbesserung der Finanzgrundlagen der gesetzlichen Rentenversicherung (20.RAG) vom 27. Juni 1977 (BGBl I 1040) vorgenommene Kürzung des Übergangsgeldes den Krankenversicherungsträger zusätzlich zu belasten.
Auf die Klage hat das Sozialgericht (SG) diesen Bescheid und den ihn bestätigenden Widerspruchsbescheid aufgehoben und die Beklagte antragsgemäß verurteilt, für die Zeit vom 8. März bis 6. April 1978 die Differenz zwischen Krankengeld und Übergangsgeld ("Spitzenbetrag") zu bezahlen. Das Landessozialgericht (LSG) hat die vom SG zugelassene Berufung der Beklagten zurückgewiesen. Ausgehend von dem Urteil des BSG vom 31. August 1977 (aaO) ist es der Auffassung, daß die Erhaltung des zahlbaren Krankengeldanspruches in Höhe des Spitzbetrages - des Differenzbetrages zwischen Übergangsgeld und höherem Krankengeld - die allein verfassungskonforme Lösung sei. Ein Ruhen des gesamten Krankengeldanspruchs sei mit Art 3 Abs 1 des Grundgesetzes (GG) unvereinbar. Es gebe keinen einleuchtenden Grund dafür, der Klägerin allein wegen des Bezuges des niedrigeren Übergangsgeldes das höhere Krankengeld ganz vorzuenthalten, während eine andere Versicherte, die unter sonst gleichen Voraussetzungen kein Übergangsgeld beziehe, das Krankengeld in voller Höhe bekomme. Es würde auch zu erheblichen Abgrenzungsschwierigkeiten führen, wollte man in den Fällen, in denen das Übergangsgeld anders als in dem vom BSG entschiedenen Fall einen erheblichen Betrag ausmache, den Krankengeldspitzbetrag versagen. Schließlich lasse sich der rentenversicherungsrechtlichen Regelung über die Kürzung des Übergangsgeldes, die durch das 20. RAG zur Verbesserung der Finanzgrundlagen der gesetzlichen Rentenversicherung eingefügt worden sei, nicht entnehmen, daß auch aus der gesetzlichen Krankenversicherung kein höherer Betrag zustehen solle. Der Krankengeldanspruch sei durch das 20. RAG nicht beschnitten worden. Aus der Begrenzung des Übergangsgeldes ergebe sich nicht immer eine zusätzliche Belastung der Krankenkasse, nämlich dann nicht, wenn der Versicherte kein Krankengeld (mehr) erhalte.
Mit der vom LSG zugelassenen Revision rügt die Beklagte eine unrichtige Anwendung des materiellen Rechts. Neben dem nach § 18 Abs 4 AVG gekürzten Übergangsgeld sei kein Krankengeldspitzbetrag zu zahlen. Das vollständige Ruhen des Krankengeldanspruches ergebe sich bereits aus der Wortfassung des § 183 Abs 6 RVO ("solange"). Ansonsten müßte die Vorschrift noch eine Aussage zur Höhe des Ruhens enthalten (zB "insoweit"). Einer gleichzeitigen Gewährung von Übergangsgeld und Krankengeld stünden vor allem die Grundsätze des Gesetzes über die Angleichung der Leistungen zur Rehabilitation (RehaAnglG) vom 7. August 1974 (BGBl I 1881) entgegen. Jeder Rehabilitationsträger habe die nach Lage des Einzelfalles erforderlichen Leistungen so vollständig und umfassend zu erbringen, daß Leistungen eines anderen Trägers nicht erforderlich würden (§ 5 Abs 2 RehaAnglG). Im besonderen habe der Rentenversicherungsträger gemäß §§ 14 bis 14b AVG alle Leistungen zu gewähren, wenn er anstelle des Krankenversicherungsträgers die medizinische Rehabilitation übernehme; die Ansprüche des Betreuten gegen den Krankenversicherungsträger ruhten (§ 16 AVG). Demgegenüber habe das bis zum 30. September 1974 geltende Recht nur ein Ruhen "insoweit" vorgesehen (§ 16 AVG aF). Trotz des Wegfalls des Wortes "insoweit" habe zwar das BSG in seinem Urteil vom 31. August 1977 (aaO) die Krankenkasse zur Zahlung eines Krankengeldspitzbetrages verurteilt, aber nicht ausgeschlossen, daß unter bestimmten Voraussetzungen - Sicherung des Lebensunterhaltes durch das Übergangsgeld - ausnahmsweise etwas anderes gelten könne. Das LSG habe zu Unrecht diese Möglichkeit verneint. Die von ihm gesehenen Abgrenzungsschwierigkeiten - bei welcher Höhe das Übergangsgeld zur Deckung des Lebensunterhaltes ausreiche - könnten sich nicht ergeben, da die Berechnungsvorschriften für Krankengeld und Übergangsgeld grundsätzlich gleich seien und eine Abweichung aufgrund der Kürzungsbestimmungen maximal 25 vH betrage. Die dem § 18 Abs 4 AVG zugrunde liegende Absicht des Gesetzgebers, die gesetzliche Rentenversicherung zu entlasten, werde nur dann sinnvoll verwirklicht, wenn nicht ein anderer Sozialleistungsträger die Minderung des Übergangsgeldes auszugleichen habe. Den Gesetzesmaterialien sei nicht zu entnehmen, daß es bei Einfügung des § 18 Abs 4 AVG durch das 20. RAG die Absicht des Gesetzgebers gewesen sei, die im Bereich der Rentenversicherung eingesparten Kosten auf die Krankenversicherung zu verlagern. Es wäre nicht recht verständlich, wenn der Träger der Krankenversicherung durch seine zusätzliche Leistung die Absicht des Gesetzgebers unterlaufen und der Versicherte im Ergebnis die bisherigen Geldleistungen erhalten würde, obwohl die Leistungen des Rentenversicherungsträgers ausreichend seien. Die in der Rechtsprechung des 2. und 3. Senats aufgestellten Grundsätze zur Abgrenzung der Ansprüche auf Krankengeld und auf Übergangsgeld aus der Unfallversicherung könnten nicht auf das Verhältnis zwischen Krankenversicherung und Rentenversicherung übertragen werden. Der 3. Senat habe in seinem Urteil vom 9. November 1977 - 3 RK 25/76 - (SozSich 1978, 63 = KVRS 2420/21) die Beschränkung des Ruhens des Krankengeldanspruches mit den besonderen Vorschriften des Zweiten Buches der RVO - §§ 565 Abs 2 und 560 Abs 2 - begründet. Eine vom LSG bei einem vollständigen Ruhen angenommene Verletzung des Gleichheitsgrundsatzes (Art 3 Abs 1 GG) liege nicht vor.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 27. April 1979 und das Urteil des Sozialgerichts Stuttgart vom 24. Oktober 1978 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin ist nicht vertreten.
Entscheidungsgründe
II
Die Revision der Beklagten ist unbegründet. Die Vorinstanzen haben zu Recht entschieden, daß der Anspruch der Klägerin auf Gewährung von Krankengeld nur in Höhe des von der BfA gezahlten, gemäß § 18 Abs 4 AVG gekürzten Übergangsgeldes ruht.
Nach der hier anzuwendenden Vorschrift des § 183 Abs 6 RVO in der seit 1. Oktober 1974 geltenden Fassung des RehaAnglG ruht der Anspruch auf Krankengeld, solange der Versicherte Übergangsgeld bezieht. Diese gesetzliche Regelung enthält zwar lediglich in zeitlicher Hinsicht eine eindeutige Aussage ("solange"), hinsichtlich des betragsmäßigen Umfangs des Ruhens fehlt eine ausdrückliche Begrenzung (zB "insoweit"). Die daraus von der Beklagten und teilweise auch im Schrifttum gezogene Schlußfolgerung, der Krankengeldanspruch ruhe beim Bezug eines Übergangsgeldes stets in voller Höhe, wird aber weder vom erkennenden Senat noch - soweit ersichtlich - von einem anderen Senat des BSG für zutreffend gehalten.
Der 1. Senat hat in seiner von beiden Beteiligten erwähnten, ebenfalls zu § 183 Abs 6 RVO ergangenen Entscheidung vom 31. August 1977 (aaO) ausgeführt, in den Fällen der gesetzlichen Anordnung des Ruhens beim Zusammentreffen mehrerer gleichartiger Ansprüche mit gleicher Funktion folge aus dem Normzweck - Verhinderung der Leistungshäufung -, daß grundsätzlich kein Ruhen eintrete, soweit der zum Ruhen zu bringende Anspruch den hinzutretenden Anspruch übersteige. Ein Ruhen auch des übersteigenden Anspruchsteils schlösse entgegen dem eindeutigen Gesetzeszweck nicht nur den Doppelbezug gleichartiger Sozialleistungen aus, sondern vernichte einen gegebenen sozialrechtlichen Leistungsanspruch, ohne daß hierfür ein rechtfertigender Grund erkennbar wäre (BSGE 44, 229). Dieser Auffassung hat sich der 11. Senat angeschlossen (Urteil vom 19. September 1979 - 11 RA 72/78 - SozR 2200 § 1241b Nr 2). Zum gleichen Ergebnis - jedoch mit teils anderer, teils ergänzender Begründung - sind der 2. und der erkennende Senat in solchen Streitverfahren gekommen, die nicht - wie die Entscheidungen des 1. und 11. Senats - das Verhältnis des Krankengeldanspruchs zum Übergangsgeld aus der gesetzlichen Rentenversicherung, sondern sein Verhältnis zum Übergangsgeld aus der Unfallversicherung betrafen. Nach Auffassung dieser Senate ergäbe sich hier die Beschränkung des Ruhens bereits aus den besonderen Vorschriften des Dritten Buches der RVO (§ 565 Abs 2 und § 560 Abs 2), die für das Zusammentreffen von Krankengeld und Übergangsgeld aus der Unfallversicherung eine neben § 183 Abs 6 RVO zu beachtende Regelung träfen (vgl Urteil vom 9. November 1977 - 3 RK 25/76 - aaO; SozR 2200 § 183 RVO Nr 20; BSGE 43, 68 ff = SozR 2200 § 1504 RVO Nr 3; Urteil vom 9. März 1977 - 2 RU 90/76 - Die Leistungen 1978, 125). Wenn auch die Entscheidungen des 2. und 3. Senats die Frage offen lassen, ob sich - wie vom 1. und 11. Senat angenommen - bereits aus der allgemeinen Zweckbestimmung und dem Begriff des Ruhens die Beschränkung ergibt, gehen sie doch ebenfalls davon aus, daß der Wortlaut des § 183 Abs 6 RVO nicht ausschließt, das Ruhen nur auf den Teil des Anspruchs zu beziehen, der sich mit dem Anspruch auf Übergangsgeld deckt. Der Senat sieht keinen Grund, von dieser Rechtsprechung abzuweichen.
Die Rechtsauffassung des 1. und 11. Senats, ein bestehender Anspruch auf Krankengeld ruhe auch bei einem hinzukommenden Anspruch auf Übergangsgeld aus der Rentenversicherung grundsätzlich nur in Höhe dieses Bezugs, findet eine Bestätigung in rentenversicherungsrechtlichen Regelungen, die mit § 183 Abs 6 RVO korrespondieren. § 16 Satz 2 AVG in der nicht mehr geltenden Fassung des Angestelltenversicherungs-Neuregelungsgesetzes (AnVNG) vom 23. Februar 1957 (= § 1239 Satz 2 RVO idF des Arbeiterrentenversicherungs-Neuregelungsgesetzes -ArVNG- vom selben Tage) bestimmte, daß der Rentenversicherungsträger, wenn er anstelle eines ebenfalls verpflichteten Krankenversicherungsträgers Leistungen der Heilbehandlung übernommen hatte, verpflichtet war, dem Betreuten mindestens das zu gewähren, was der Krankenversicherungsträger nach Gesetz oder Satzung zu leisten gehabt hätte. In diesem Falle ruhten insoweit die Ansprüche gegen den Krankenversicherungsträger (Satz 3), dieser hatte jedoch dem Rentenversicherungsträger Ersatz zu leisten, soweit der Betreute nach Gesetz und Satzung Krankengeld zu beanspruchen gehabt hätte (Satz 4). Im Ergebnis blieben also dem Betreuten zumindest die Ansprüche aus dem Krankenversicherungsverhältnis erhalten, es wurde lediglich ihm gegenüber ein anderer Versicherungsträger leistungspflichtig. Daran hat sich für den Betreuten bis zum Inkrafttreten des RehaAnglG nichts geändert. Zwar wurde durch das Gesetz zur Änderung und Ergänzung des Gesetzes zur Verbesserung der wirtschaftlichen Sicherung der Arbeiter im Krankheitsfalle vom 12. Juli 1961 (BGBl I 913) im Rahmen der Neufassung des § 183 RVO ein Absatz 6 angefügt, nach dessen Satz 1 der Anspruch auf Krankengeld entfiel, solange der Versicherte von einem Rentenversicherungsträger Übergangsgeld erhielt. Damit wurde die Vorschrift über die Verpflichtung des Krankenversicherungsträgers, dem Rentenversicherungsträger in Höhe des zustehenden Krankengeldes Ersatz zu leisten (§ 16 Satz 4 AVG aF = § 1239 Satz 4 RVO aF), gegenstandslos. Allein das entsprach der Absicht des Gesetzgebers (BT-Drucks III/2748 S 3). Eine Beeinträchtigung der sozialversicherungsrechtlichen Ansprüche des Versicherten, insbesondere eine Kürzung der ihm bisher zustehenden Leistungen war nicht gewollt. Der Betreute hatte weiterhin Anspruch auf Übergangsgeld mindestens in Höhe des Krankengeldes (vgl Koch/Hartmann, Das Angestelltenversicherungsgesetz, Stand Oktober 1963, Anm 4 zu § 16 AVG aF; Gemeinsames Rundschreiben der Spitzenverbände der Krankenkassen vom 28. Februar 1969 in DOK 1969, 265 f mwN).
An diese Rechtslage knüpft das am 1. Oktober 1974 in Kraft getretene RehaAnglG an. Ihm liegt die Erkenntnis zugrunde, daß die Rehabilitation ein einheitlicher, in sich geschlossener und nicht aufteilbarer Prozeß ist (BT-Drucks 7/1237 S. 55) und ihr gegenüber anderen Sozialleistungen eine vorrangige Bedeutung zukommt (§ 7 RehaAnglG). Das RehaAnglG ist daher von dem Bestreben gekennzeichnet, die Einheitlichkeit der Trägerschaft sicherzustellen (§ 5 RehaAnglG) und die Rehabilitationsleistungen der einzelnen Leistungsträger einander anzupassen (§§ 9 ff RehaAnglG). Das gegliederte Sozialleistungssystem wird jedoch auch für den Bereich der Rehabilitation ausdrücklich beibehalten. Voraussetzungen, Art und Umfang der Leistungen richten sich entsprechend den allgemeinen Grundsätzen im einzelnen nach den für den Rehabilitationsträger geltenden besonderen Rechtsvorschriften (§ 9 Abs 1 RehaAnglG). Die weitgehende Angleichung der Rehabilitationsleistungen und die umfassende Verpflichtung des zuständigen Sozialleistungsträgers nach den für ihn geltenden Bestimmungen (§ 5 Abs 2 RehaAnglG) veranlaßten auch eine Änderung des § 16 AVG (§ 1239 RVO). Der Rentenversicherungsträger hat nun bei Übernahme von Rehabilitationsleistungen nicht mehr mindestens das zu gewähren, was der Krankenversicherungsträger zu leisten gehabt hätte, sondern er hat alle Leistungen gemäß den §§ 14 bis 14b AVG (§§ 1237 bis 1237b RVO) zu erbringen (§ 16 Satz 2 AVG, § 1239 Satz 2 RVO). Die Ansprüche des Betreuten gegen den Krankenversicherungsträger ruhen (§ 16 Satz 3 AVG, § 1239 Satz 3 RVO). Es sind demzufolge auch für die Barleistungen des Rentenversicherungsträgers - für das Übergangsgeld - allein die rentenversicherungsrechtlichen Bestimmungen maßgebend. Diese Neuregelung bezieht sich aber ausschließlich auf Leistungen zur Rehabilitation. Es ist deshalb nicht gerechtfertigt, aus dem RehaAnglG Beeinträchtigungen von solchen Rechtsansprüchen abzuleiten, die unabhängig von der Rehabilitationsmaßnahme begründet sind. Bei einem Krankengeldanspruch wegen Arbeitsunfähigkeit handelt es sich um einen solchen Anspruch. Mit einer Rehabilitationsmaßnahme ist zwar in der Regel die Gewährung von Übergangsgeld verbunden, und da dieses, wie das Krankengeld, Lohnersatzfunktion hat, bedarf es einer gesetzlichen Regelung, um den Doppelbezug gleichartiger Leistungen auszuschließen. Das bis zum Inkrafttreten des RehaAnglG geltende Recht sah daher - wie bereits dargelegt - vor, daß der Rentenversicherungsträger Übergangsgeld zumindest in Höhe des Krankengeldes zu leisten hatte und dem Versicherten daneben kein Anspruch gegen den Krankenversicherungsträger zustand. Damit war aber auch gewährleistet, daß der Versicherte auf alle Fälle die ihm aus dem Krankenversicherungsverhältnis zustehenden Barleistungen erhielt. Es sind keine Anhaltspunkte ersichtlich, die dafür sprechen, daß das RehaAnglG diese Rechtsposition des Versicherten verschlechtern wollte. Ein solcher Eingriff in die Rechte des Versicherten ginge über die mit dem RehaAnglG verfolgte Absicht hinaus. Es ist daher die Schlußfolgerung gerechtfertigt, daß auch nach neuem Recht der Versicherte während der Rehabilitationsmaßnahme eines Rentenversicherungsträgers zumindest Barleistungen in Höhe des ihm bereits vorher zugestandenen und während der Rehabilitationszeit weiterhin zustehenden Krankengeldes wegen Arbeitsunfähigkeit zu beanspruchen hat. Da aber der Rentenversicherungsträger im Rahmen der Rehabilitationsmaßnahme nur noch zur Zahlung von Übergangsgeld nach den für ihn geltenden Vorschriften verpflichtet ist, kann der unabhängig von der Rehabilitationsmaßnahme wegen einer bestehenden Arbeitsunfähigkeit gegebene Krankengeldanspruch gemäß § 183 Abs 6 RVO nF nur in Höhe des hinzukommenden Übergangsgeldes ruhen. Dem steht auch nicht § 5 Abs 2 RehaAnglG entgegen, denn diese Vorschrift beschränkt sich auf die Leistungen zur Rehabilitation, erstreckt sich also nicht auf Leistungen, die einem Versicherten unabhängig davon zustehen.
Das Ruhen eines wegen Arbeitsunfähigkeit zustehenden Krankengeldanspruches nur in Höhe des während eines zwischenzeitlichen Heilverfahrens zu gewährenden Übergangsgeldes eines Rentenversicherungträgers steht schließlich in Einklang mit der Rechtsprechung des BSG bezüglich der Anrechnung der Ruhenszeit auf die Höchstbezugsdauer des Krankengeldanspruches. Entfiele der Anspruch auf Krankengeld während des Übergangsgeldbezuges schon dem Grunde nach - also nicht nur der Höhe nach -, dann wäre in Betracht zu ziehen, die Zeit des Übergangsgeldbezuges nicht auf die Höchstbezugsdauer des Krankengeldes anzurechnen (so zu § 183 Abs 6 RVO aF SozR Nr 55 zu § 183 RVO; anders zur Neufassung des § 183 Abs 6 RVO Urteil des Senats vom 10. Dezember 1979 - 3 RK 36/79 -).
Zu einem anderen Ergebnis führt auch nicht die vom 1. Senat in seinem Urteil vom 31. August 1977 (aaO) aufgeworfene Frage, ob ausnahmsweise dann etwas anderes gilt, wenn der hinzutretende, das Ruhen bewirkende Anspruch seiner Art nach dazu bestimmt ist, den Lebensunterhalt des Berechtigten zu sichern, und auch tatsächlich deckt. Es kann hier dahinstehen, ob das der Klägerin von der BfA gewährte Übergangsgeld (kalendertäglich DM 40, 15) diese Voraussetzungen erfüllt. Der Senat hält es nicht für zulässig, dieselbe Ruhensregelung je nach der Höhe des Übergangsgeldes unterschiedlich auszulegen. Ergibt sich aus ihrer Zweckbestimmung, daß sie nicht ein Ruhen des bestehenden Anspruchs in voller Höhe, sondern nur in Höhe des hinzutretenden Anspruchs anordnet, dann ist sie stets in diesem Sinne anzuwenden. Die vom 1. Senat offen gelassene Frage bezog sich auf eine Entscheidung des 7. Senats vom 3. November 1976 (BSGE 43, 26 ff), die das Ruhen eines Anspruchs auf Arbeitslosengeld (Alg) nach § 118 Abs 1 Nr 4 des Arbeitsförderungsgesetzes (AFG) zum Gegenstand hatte. Diese Vorschrift, so wird dort ausgeführt, stelle nicht auf die Höhe der das Ruhen bewirkenden Leistung ab, sie begnüge sich also nicht mit einer Anrechnung dieser Leistung (aaO S. 35). Es wird also ebenfalls angenommen, daß die Ruhensbestimmung nicht unterschiedlich anzuwenden ist. Die bezüglich jener Vorschrift geäußerten verfassungsrechtlichen Bedenken bestehen nicht, wenn sich - wie im vorliegenden Fall - die Ruhensregelung auf eine Anrechnung der hinzugetretenen Leistung beschränkt.
Die rentenversicherungsrechtlichen Vorschriften über die Rehabilitation haben zwischenzeitlich durch das 20. RAG weitere Änderungen erfahren. Ua ist der bisherige Absatz 4 des § 18 AVG (§ 1241 RVO) gestrichen und ein neuer Absatz 4 eingefügt worden (Art 2 § 2 Nr 6 aaO). Nach dieser im vorliegenden Fall angewandten Vorschrift hat der Rentenversicherungsträger unter bestimmten Voraussetzungen nur ein auf 75 vH herabgesetztes Übergangsgeld zu zahlen. Es handelt sich hier um eine auf die Rentenversicherung beschränkte Regelung, die nur für eine Rehabilitationsmaßnahme des Rentenversicherungsträgers von Bedeutung ist (§ 9 Abs 1 RehaAnglG). Dem Gesetzgebungsverfahren sind keine Hinweise zu entnehmen, daß mit dem 20. RAG nicht nur die dem Rentenversicherungsträger obliegende Leistung, sondern auch die dem Versicherten unter Einbeziehung der Leistungspflicht anderer Sozialleistungsträger und wegen anderer Gründe zustehenden Gesamtleistung eingeschränkt werden sollte. Die Bezeichnung des Gesetzes spricht vielmehr gegen eine solche Absicht. Gewollt war eine "Verbesserung der Finanzgrundlagen der gesetzlichen Rentenversicherung", nicht eine über den Rentenversicherungsbereich hinauswirkende Einschränkung der Sozialleistungsansprüche des Versicherten. Eine dem § 18 Abs 4 AVG (§ 1241 Abs 4 RVO) entsprechende Regelung gibt es im Recht der gesetzlichen Krankenversicherung nicht. Es ist deshalb nicht zu begründen, den wegen Arbeitsunfähigkeit - unabhängig von einer Rehabilitationsmaßnahme - gegebenen Krankengeldanspruch aus der Krankenversicherung über den Übergangsgeldbezug hinaus um den Kürzungsbetrag nach § 18 Abs 4 AVG zu mindern. Auf den Krankengeldanspruch kann daher nur das nach den Vorschriften des jeweiligen Rehabilitationsträgers zustehende Übergangsgeld angerechnet werden.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 des Sozialgerichtsgesetzes.
Fundstellen