Entscheidungsstichwort (Thema)
Bescheid. Berichtigung. Anerkennung der MdE. Verschlimmerung. Beweiswürdigung
Orientierungssatz
1. Ist ein Bescheid bezüglich der Anerkennung eines Leidens als Schädigungsfolge im Sinne der Entstehung zweifellos unrichtig, so kann er hinsichtlich der Rentenhöhe nach § 41 KOVVfG nur berichtigt werden, wenn und soweit die bisher anerkannte MdE zweifelsfrei auch nicht durch eine Verschlimmerung gerechtfertigt war (vgl BSG 1963-01-31 9 RV 538/59 = SozR Nr 20 zu § 41 VerwVG).
2. Entnimmt das Gericht einem Gutachten Erklärungen, die in ihm nicht enthalten sind, verletzt es § 128 SGG (vgl BSG 1956-11-13 10 RV 370/54 = SozR Nr 12 zu § 128 SGG).
Normenkette
KOVVfG § 41; SGG § 128
Verfahrensgang
LSG Nordrhein-Westfalen (Entscheidung vom 18.06.1964) |
Tenor
Auf die Revision des Beklagten wird das Urteil des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 18. Juni 1964 aufgehoben.
Die Sache wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landessozialgericht zurückverwiesen.
Gründe
Der Kläger beantragte im Juli 1947 Versorgung wegen eines Gehörleidens, das er sich im Juli 1942 als Angehöriger der schweren Eisenbahnflak zugezogen habe, und reichte den Befund des Luftwaffenlazaretts A. vom 5. März 1943 ein. Nach Untersuchung durch Dr. B und gutachtlicher Stellungnahme des Dr. S der die Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) für die schon vor dem Beginn des militärischen Dienstes entstandene Schwerhörigkeit auf 40 v. H. schätzte, verfügte die Ruhrknappschaft als frühere Versorgungsbehörde, daß als Gesundheitsstörung eine im Wehrdienst verschlimmerte Innenohrschwerhörigkeit mit einer MdE um 40 v. H. anerkannt werde. Dieses Leiden wurde als Folge des militärischen Dienstes in dem nach der Sozialversicherungsdirektive (SVD) 27 erlassenen Bescheid vom 10. April 1949 mit einer MdE um 40 v. H. anerkannt, jedoch ohne nähere Angabe, ob es durch Einflüsse des Wehrdienstes entstanden oder verschlimmert worden sei. Eine solche Feststellung ist auch in dem Bescheid vom 23. Mai 1950 nicht enthalten, durch den die Rente ab 1. Dezember 1948 nach einer MdE um 50 v. H. gewährt wurde. Durch Umanerkennungsbescheid vom 20. Juli 1951 wurde die Innenohrschwerhörigkeit als durch schädigende Einwirkungen im Sinne des § 1 des Bundesversorgungsgesetzes (BVG) hervorgerufen bezeichnet und Rente nach einer MdE um 50 v. H. gewährt. Zweifel an der Richtigkeit dieser Anerkennung führten 1956 zu einer Überprüfung der Leidensbezeichnung und der MdE. Prof. Dr. H/Dr. G kamen in dem fachärztlichen Gutachten vom 5. Juli 1956 zu dem Ergebnis, daß die Untersuchung am ehesten das Hörbild einer fortgeschrittenen Otosklerose ergebe und daß von der Gesamt-MdE von 50 v. H. - mit Hörhilfe 40 v. H. - nur 10 v. H. auf die wehrdienstliche einmalige nichtrichtunggebende Verschlimmerung entfielen. Dr. G gab am 25. Februar 1957, Dr. H am 16. August 1957 eine ergänzende Stellungnahme ab; eine eingehende Beurteilung wurde außerdem von dem Vertragsarzt der versorgungsärztlichen Untersuchungsstelle Dr. K und eine abschließende Stellungnahme von Dr. V eingeholt. Mit Zustimmung des Landesversorgungsamts (LVersorgA) wurden durch Bescheid vom 4. Juni 1958 die Bescheide vom 10. April 1949, 23. Mai 1950 und 20. Juli 1951 gemäß § 41 des Verwaltungsverfahrensgesetzes (VerwVG) dahin berichtigt, daß nur noch eine durch Einflüsse des Wehrdienstes verschlimmerte Innenohrschwerhörigkeit ohne Anspruch auf Rente anerkannt wurde; die Rente wurde mit dem 1. August 1958 entzogen. Die gewährten Leistungen wurden nicht zurückgefordert. Der Widerspruch war erfolglos. Das Sozialgericht (SG) holte ein Gutachten von Dr. K und ein weiteres von Prof. Dr. H ein. Mit Urteil vom 7. Februar 1962 wies es die Klage ab. Auf die Berufung des Klägers änderte das Landessozialgericht (LSG) Nordrhein-Westfalen mit Urteil vom 18. Juni 1964 das Urteil des SG. Es verpflichtete den Beklagten, dem Kläger unter Abänderung des Berichtigungsbescheides vom 4. Juni 1958 für das im Sinne der Verschlimmerung anerkannte Versorgungsleiden Innenohrschwerhörigkeit ab 1. August 1958 Rente nach einer MdE um 40 v. H. zu gewähren. Der Kläger habe 1947 die Anerkennung seiner Schwerhörigkeit als Schädigungsfolge beantragt, weil diese während der Wehrdienstzeit erheblich zugenommen habe. Auch in dem Befund des Luftwaffenlazaretts A. vom 5. März 1943 sei zur Vorgeschichte angegeben, "schon seit Jahren schwerhörig. In der letzten Zeit weiter zunehmende Schwerhörigkeit". Dr. S sei in seiner Stellungnahme zu der Schlußfolgerung gekommen, daß eine Schwerhörigkeit schon vor dem Wehrdienst bestanden und diese sich im Laufe der Jahre schicksalsmäßig verschlimmert habe; die MdE betrage zum Zeitpunkt der Untersuchung 40 v. H. Wenn in den Bescheiden vom 10. April 1949 und 13. Mai 1950 (richtig: 23. Mai 1950) zur Frage der Entstehung oder Verschlimmerung nicht Stellung genommen, aber Rente nach einer MdE um 40 v. H. bzw. ab 1. Dezember 1948 um 50 v. H. gewährt und im Umanerkennungsbescheid vom 20. Juli 1951 die Innenohrschwerhörigkeit als durch den militärischen Dienst hervorgerufen anerkannt worden sei, so sei schon aus der Entstehungsgeschichte offenkundig, daß die Anerkennung im Sinne der Entstehung zweifellos unrichtig sei. Dies hätten auch die Gutachten von Prof. Dr. H und Dr. K bestätigt. Dagegen sei die Rentenentziehung nicht gerechtfertigt. Schon aus der unterschiedlichen Bewertung des schädigungsbedingten Verschlimmerungsanteils in den Gutachten des Prof. Dr. H mit 10 v. H., 10 bis 15 v. H. und höchsten 10 bis 20 v. H. werde deutlich, daß der Gutachter im Grunde genommen überfragt sei, wenn er eine über die Wahrscheinlichkeit hinausgehende Antwort auf die Frage der Abgrenzung des kriegsbedingten Anteils vom schicksalsbedingten Anteil des Ohrenleidens geben solle. In der ergänzenden Stellungnahme vom 17. August 1958 (richtig: 16. August 1957) habe er ausgeführt, daß eine genaue Differenzierung des Anteils wehrdienstlicher Verschlimmerung des Ohrenleidens von dem, der vor dem Wehrdienst bestanden habe, nicht mehr möglich sei. Es könne nicht daran gezweifelt werden, daß der Kläger infolge der Otosklerose schon vor dem Wehrdienst schwerhörig gewesen sei; andererseits sei aber nicht anzunehmen, daß die Taubheit, die 1943 bestanden habe, beim Eintritt in die Wehrmacht schon vorhanden gewesen sei. Da im März 1943 schon eine an Taubheit grenzende Schwerhörigkeit rechts, hochgradige Schwerhörigkeit links festgestellt worden sei und nicht angenommen werden könne, daß der Kläger bei einem solchen Grade der Schwerhörigkeit zur Wehrmacht einberufen und einer Flakabteilung zugeteilt worden wäre, müsse davon ausgegangen werden, daß eine erhebliche Leidensverschlimmerung durch den Wehrdienst eingetreten sei. Dieser schädigungsbedingte Anteil der Erkrankung lasse sich medizinisch gegen den schicksalsbedingten Anteil nicht abgrenzen. Da 1947 eine MdE von 40 v. H. bestanden habe und eine nur einmalige Verschlimmerung nicht zweifelsfrei auszuschließen sei, müsse dieser Grad der MdE in vollem Umfange als durch Schädigungsfolgen bedingt angesehen werden. Die nach der Untersuchung vom Februar 1947 eingetretene weitere Verschlimmerung könne nicht mehr einer wehrdienstlichen Schädigung zugerechnet werden. Insoweit sei die Höhe der bisherigen MdE (50 v. H.) zweifelsfrei unrichtig.
Mit der zugelassenen Revision rügt der Beklagte sinngemäß Verletzung des § 128 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) und sachlich-rechtlich unrichtige Anwendung des § 41 VerwVG. Das LSG habe verkannt, daß Prof. Dr. H die von Dr. S diagnostizierte kombinierte Schwerhörigkeit auf drei Komponenten zurückgeführt habe, eine Schalleitungsschwerhörigkeit, eine otosklerotisch bedingte Innenohrschwerhörigkeit und einen schädigungsbedingten Innenohrschwerhörigkeitsanteil als Ausdruck der Detonation. Auch Dr. S habe allenfalls nur einen Anteil der Innenohrschwerhörigkeit als Detonationsschaden gelten lassen wollen. Er habe die MdE von 40 v. H. an dem Gesamtschaden ausgerichtet, der Anerkennungsbescheid aber die Innenohrschwerhörigkeit allein mit einer Erwerbseinbuße um 40 v. H. bewertet. Das LSG habe dem Bescheid vom 10. April 1949 entnommen, daß die MdE von 40 v. H. lediglich die anerkannte Innenohrschwerhörigkeit erfassen würde. Dies treffe nicht zu. Die von Prof. Dr. H bestätigte mangelnde Abgrenzungsmöglichkeit der detonationsbedingten Innenohrschwerhörigkeit von der durch die Otosklerose bedingten schließe die zweifelsfreie Unrichtigkeit der MdE-Feststellung von 40 v. H. nicht aus; denn der Gutachter habe ausgeführt, es habe keine entfernt liegende Möglichkeit bestanden, daß die Innenohrschwerhörigkeit allein eine Folge des militärischen Dienstes war, der kriegsbedingte Anteil der Innenohrschwerhörigkeit betrage höchstens 10 bis 20 v. H. Aus der Nichtabgrenzbarkeit der MdE-Bewertung im Bereich der nicht rentenberechtigenden Erwerbseinbuße (10 bis 20 v. H.) lasse sich nicht herleiten, daß damit Zweifel in der MdE-Bewertung gegeben seien. Die Ausführungen in dem Gutachten des Prof. Dr. H, daß von einer erheblichen Leidensverschlimmerung während des Wehrdienstes ausgegangen werden müsse und daß eine Abgrenzung des Anteils der kriegsbedingten Schädigung von dem durch Otosklerose bedingten praktisch nicht möglich sei, könnten nur im Zusammenhang mit den übrigen Ausführungen des Gutachters gesehen werden. Das LSG habe diesen Zusammenhang nicht beachtet und nicht berücksichtigt, welche Schädigungsfolgen bei der Bemessung der MdE zugrunde gelegt worden seien.
Der Beklagte beantragt,
das angefochtene Urteil aufzuheben und die Berufung zurückzuweisen,
hilfsweise,
die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das LSG zurückzuverweisen.
Der Kläger beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Er hält das angefochtene Urteil für zutreffend. Der Revisionsangriff richte sich im Grunde nur gegen die Beweiswürdigung des Berufungsgerichts, die der Nachprüfung des Revisionsgerichts entzogen sei. Eine formgerechte Verfahrensrüge sei nicht erhoben worden und habe auch nicht erhoben werden sollen, da nur die Verletzung materiellen Rechts gerügt sei.
Die durch Zulassung statthafte Revision ist form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden (§§ 162 Abs. 1 Nr. 1, 164, 166 SGG) und deshalb zulässig. Sie ist auch im Sinne der Zurückverweisung der Sache begründet.
Der Beklagte hat ausdrücklich nur Verletzung des § 41 VerwVG, somit einer Norm des sachlichen Rechts, gerügt. Er hat außerdem geltend gemacht, daß das LSG das Gutachten des Prof. Dr. H unzutreffend gewürdigt habe. Damit hat er auch eine Verletzung des § 128 SGG als Verfahrensverstoß gerügt. Bei der Rüge von Verfahrensmängeln braucht die verletzte Rechtsnorm nicht ausdrücklich bezeichnet zu werden, sofern sich aus den substantiiert vorgetragenen Tatsachen ergibt, welche Verfahrensvorschrift als verletzt angesehen wird (BSG in SozR Nr. 9 zu § 164 SGG). Mit Recht hat der Beklagte gerügt, das LSG hätte den Ausführungen des Prof. Dr. H nicht entnehmen dürfen, daß eine Abgrenzung des Anteils der kriegsbedingten Schädigung von dem durch Otosklerose bedingten Anteil der Gesundheitsstörungen praktisch nicht möglich und deshalb die MdE von 40 v. H. in vollem Umfang als durch Schädigungsfolgen bedingt anzusehen sei.
Das LSG ist bei der Auslegung des § 41 VerwVG von den in der Rechtsprechung des BSG anerkannten Rechtsgrundsätzen ausgegangen. Es hat ohne Rechtsirrtum festgestellt, daß, soweit die Innenohrschwerhörigkeit als durch den militärischen Dienst entstanden anerkannt wurde, diese Anerkennung ohne Zweifel tatsächlich und rechtlich unrichtig war. Die Unrichtigkeit der Bewertung der MdE stand nur dann außer Zweifel, wenn jede Möglichkeit ausschied, die Bewertung noch als vertretbar ansehen zu können (BSG in SozR Nr. 10 zu § 41 VerwVG). Ist ein Bescheid bezüglich der Anerkennung eines Leidens als Schädigungsfolge im Sinne der Entstehung zweifellos unrichtig, so kann er hinsichtlich der Rentenhöhe nach § 41 VerwVG nur berichtigt werden, wenn und soweit die bisher anerkannte MdE zweifelsfrei auch nicht durch eine Verschlimmerung gerechtfertigt war (BSG in SozR Nr. 20 zu § 41 VerwVG). Das LSG ist bei der Nachprüfung des Berichtigungsbescheides vom 4. Juni 1958 zwar von diesen Grundsätzen ausgegangen, hat sie aber auf den Sachverhalt nicht zutreffend angewandt.
Prof. Dr. H hat in dem Gutachten vom 7. Oktober 1961 auf das Ergebnis des Gutachtens vom 5. Juli 1956 Bezug genommen und hervorgehoben, daß 1956 zum ersten Mal eine elektroakustische Untersuchung mit einem Audiometer vorgenommen wurde. Das Audiogramm habe deutlich eine kombinierte, aber "vorwiegend" Schalleitungsstörung im Sinne einer Otosklerose erkennen lassen. Durch das Audiogramm sei festgestellt worden, daß die Schalleitungsstörung bei dem Kläger überwog, also keine reine Innenohrschwerhörigkeit vorlag, jedenfalls das typische Hörbild einer schalltraumatisch bedingten Innenohrstörung gefehlt habe. Auch Dr. K habe sich in dem Gutachten vom 12. Januar 1961 auf Grund der von ihm mit Audiogramm vorgenommenen Untersuchung dieser Beurteilung angeschlossen. Dr. K hatte ausgeführt, daß man bei der audiometrischen Hörprüfung beiderseits eine starke Störung im Bereich des schalleitendenden Apparates finde, die durch das bessere Hören mittels der Knochenleitung als der Luftleitung angezeigt werde. Die Knochenleitungskurve, die in diesem Falle die wahre Innenohrhörfähigkeit angebe, sei im unteren Tonbereich um ca. 30 Dezibel gegenüber der Norm eingeschränkt und falle zum oberen Tonbereich kontinuierlich ab (Zeichen einer Nervenschwerhörigkeit). Auf Grund der audiometrischen Hörprüfung fand er das typische Bild einer Otosklerose und nahm eine einmalige geringe Verschlimmerung durch Einflüsse des Wehrdienstes an, die er mit 10 v. H. bewertete. Prof. Dr. H fand somit seine schon 1956 geäußerte Auffassung, daß der Kläger vorwiegend an einer Otosklerose als einer anlagebedingten Erkrankung leide, durch Dr. K bestätigt. Er hat 1961 ausgeführt, es handele sich um eine kombinierte - also Schalleitungs-+ Innenohrschwerhörigkeit - und darauf hingewiesen, daß auch die Otosklerose auf die Dauer die Leistung des Hörnerven beeinträchtige, also nicht nur eine Schalleitungsstörung verursache, daß die vom Kläger als Schädigungsursache behauptete Schallschädigung aber nur eine zusätzliche Schädigung des Innenohrs verursacht haben könne. Der anschließende Satz, eine Abgrenzung des Anteils der kriegsbedingten Schädigung von dem durch Otosklerose bedingten sei praktisch nicht möglich, läßt angesichts des Umstandes, daß der Sachverständige unmittelbar vorher die Innenohrschwerhörigkeit erörtert hatte, mindestens die Auslegung zu, daß damit nur gemeint war, innerhalb der - durch Audiometer bestimmbaren - Innenohrschwerhörigkeit lasse sich der Anteil der kriegsbedingten und der schicksalshaften Gesundheitsstörung nicht voneinander abgrenzen. Bei dieser Beurteilung wäre die auf der Otosklerose beruhende Schalleitungsstörung als überwiegende Gesundheitsstörung in die Abgrenzung nicht einbezogen worden. Diese Auslegung des Gutachtens wird durch die nachfolgenden Ausführungen bestätigt, in denen dargelegt ist, der Knochenprozeß, um den es sich bei der Otosklerose handele, könne durch Schallwirkungen nicht beeinflußt werden; die von dem Kläger angegebenen Schallschädigungen könnten sich nur auf den Hörnerven nachteilig ausgewirkt haben. Wenn die Gesamt-MdE heute mit 50 v. H. anzusetzen sei, dann entfielen auf den kriegsbedingten Anteil "höchstens" 10 bis 20 v. H. Diese bestimmte Angabe über den schädigungsbedingten Anteil an der Gesamt-MdE würde jeder Begründung entbehren und wäre unverständlich, wenn der Sachverständige vorher hätte sagen wollen, daß der schädigungsbedingte Anteil des Leidens von der die Schalleitungsstörung einschließenden Gesamt-MdE nicht abzugrenzen sei. Das Gutachten würde dann auch durch Nichtbeachtung der aus dem Audiogramm gezogenen Folgerungen einen Widerspruch aufweisen, den das LSG hätte aufklären müssen. Auch die Angabe des Gutachters in der ergänzenden Stellungnahme vom 16. August 1957, es sei eine "genaue" Differenzierung des Anteils wehrdienstlicher Verschlimmerung des Ohrenleidens von dem, der vor dem Dienstantritt bestanden habe, nicht mehr möglich, rechtfertigte nicht die von dem LSG gezogene Schlußfolgerung; denn hier wurde im wesentlichen auf das Stadium des Leidens vor Beginn des Wehrdienstes abgestellt, das nachträglich nicht mehr genauer festzustellen sei. Wenn damit zum Ausdruck hätte kommen sollen, daß eine Abgrenzung zwischen wehrdienstlicher Schädigung und wehrdienstunabhängiger Gesundheitsstörung nicht möglich sei, wäre damit die von dem Gutachter 1956 selbst getroffene Feststellung unbeachtet geblieben, daß das Ohrenleiden vorwiegend auf einer schädigungsunabhängigen Otosklerose beruhe. Welches Stadium dieses anlagebedingte und durch Schallwirkungen nicht beeinflußte Leiden zur Zeit der Einberufung zur Wehrmacht erreicht hatte, war unwesentlich. Im übrigen ist auch in der Stellungnahme vom 16. August 1957 der durch den Wehrdienst bedingte Verschlimmerungsanteil nur mit 10 bis 15 v. H. bewertet worden. Auch die in den einzelnen Gutachten des Prof. Dr. H angegebenen, nicht einheitlichen MdE-Grade für den schädigungsbedingten Anteil des Leidens (10, 10 bis 15, höchstens 10 bis 20 v. H.) lassen die Folgerung, daß eine Abgrenzung nach einem Höchstwert dieses Anteils unmöglich sei, nicht zu, zumal diese unterschiedlichen Bewertungen sich in geringen Grenzen und noch innerhalb einer nicht zur Rente berechtigenden MdE halten. Das LSG konnte aus dem Gutachten des Prof. Dr. H um so weniger die von ihm gezogenen Folgerungen herleiten, als andere Gutachter eine ähnliche Bewertung des schädigungsbedingten Anteils vorgenommen hatten; Dr. K hat diesen Anteil mit höchstens 20 v. H. angegeben und ebenfalls hervorgehoben, das vorliegende Audiogramm lasse erkennen, daß die bestehende Schwerhörigkeit überwiegend schalleitungsbedingt sei. Dr. V hat sich dieser Stellungnahme angeschlossen. Dr. K hat den Anteil auf nur 10 v. H. geschätzt. Diese Beurteilungen hätte das LSG nicht außer Betracht lassen dürfen, wenn es glaubte, dem Gutachten des Prof. Dr. H vom 7. Oktober 1961 entnehmen zu sollen, eine nähere Abgrenzung zwischen Schädigungsfolgen und schädigungsunabhängigen Gesundheitsstörungen sei bei der Ermittlung der MdE nicht möglich.
Nach alledem konnte sich das LSG für die Feststellung der Rechtswidrigkeit des Bescheides vom 4. Juni 1958 nicht auf die gutachtlichen Stellungnahmen des Prof. Dr. H stützen, weil sie die von dem LSG gezogenen Folgerungen nicht rechtfertigten; dadurch daß das LSG diesen Gutachten eine Erklärung entnommen hat, die in ihnen nicht enthalten ist, hat es § 128 SGG verletzt (BSG in SozR Nr. 12 zu § 128 SGG; siehe auch Nr. 21 zu § 128 SGG). Deshalb war das angefochtene Urteil aufzuheben. Der Senat konnte in der Sache nicht selbst entscheiden, da die von der Revision nicht angegriffenen tatsächlichen Feststellungen des LSG für eine Entscheidung nicht ausreichen. Deshalb war die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das LSG zurückzuverweisen. Das LSG wird nunmehr festzustellen haben, welcher Anteil der MdE zweifelsfrei noch auf die Verschlimmerung entfällt.
Die Kostenentscheidung bleibt der das Verfahren abschließenden Entscheidung vorbehalten.
Fundstellen