Leitsatz (amtlich)
Eine Hauterkrankung ist nur dann als Berufskrankheit zu entschädigen, wenn sie ursächlich für die Aufgabe der beruflichen Beschäftigung gewesen ist und diese erzwungen hat (Fortführung von BSG 1978-01-26 2 RU 27/77 = SozR 2200 § 551 Nr 10).
Normenkette
BKVO 7 Anl 1 Nr 46 Fassung: 1968-06-20; RVO § 551 Abs 1 S 1 Fassung: 1963-04-30
Verfahrensgang
LSG Baden-Württemberg (Entscheidung vom 04.04.1979; Aktenzeichen L 2 Ua 754/77) |
LSG Baden-Württemberg (Entscheidung vom 04.04.1979; Aktenzeichen L 2 Ua 113/79) |
SG Ulm (Entscheidung vom 15.03.1977; Aktenzeichen S 9 U 1232/76) |
SG Ulm (Entscheidung vom 15.03.1977; Aktenzeichen S 9 U 1005/75) |
Tatbestand
Die Beteiligten streiten darüber, ob dem Kläger ab Aufgabe der Berufstätigkeit Verletztenrente dem Grunde nach zusteht.
Der Kläger betrieb bis 10. Januar 1975 in G als Maurermeister ein Baugeschäft. Er meldete es am 9. Januar 1975 bei der Beklagten ab. Am 10. Januar 1975 meldete er Konkurs an. Wegen der Folgen eines Arbeitsunfalles 1972 bewilligte ihm die Beklagte mit bindendem Bescheid vom 2. März 1973 eine vorläufige Verletztenrente für dreieinhalb Monate, lehnte aber seinen Antrag vom Mai 1974, ihm die Verletztenrente wieder zu gewähren, ab (Bescheid vom 12. Juni 1975). Widerspruch und Klage blieben erfolglos (Widerspruchsbescheid vom 25. Juli 1975; Urteil des Sozialgerichts -SG- Ulm vom 15. März 1977).
Nachdem der Kläger im Februar 1974 eine Hauterkrankung angezeigt hatte, die schon in den Vorjahren wiederholt zur Arbeitsunfähigkeit geführt, ihn aber nicht zur notwendigen Berufsaufgabe veranlaßt hatte, lehnte es die Beklagte ab, eine Entschädigung zu gewähren, weil er den Betrieb nicht wegen der Hauterkrankung, sondern wegen Konkurses und sonstiger Leiden abgemeldet habe; die Hauterkrankung sei keine wesentlich mitwirkende Ursache für die Geschäftsaufgabe gewesen (Bescheid vom 19. August 1976). Die dagegen erhobene Klage blieb ebenfalls erfolglos (Urteil des SG Ulm vom 15. März 1977).
Das Landessozialgericht (LSG) hat die Berufungen des Klägers gegen beide Urteile miteinander verbunden, das zuletzt genannte Urteil aufgehoben, das erstgenannte abgeändert und die Beklagte dem Grunde nach verurteilt, dem Kläger ab 10. Januar 1975 Rente wegen einer Berufskrankheit und Stützrente wegen der Folgen des Arbeitsunfalles zu gewähren. Im übrigen hat es die Berufung zurück- und die auf § 627 Reichsversicherungsordnung (RVO) gestützte Klage als unzulässig abgewiesen.
Mit der zugelassenen Revision rügt die Beklagte einen Verstoß gegen die §§ 551 Abs 1 RVO, 1 der 7. BKVO (Verordnung über Ausdehnung der Unfallversicherung auf gewerbliche Berufskrankheiten) iVm Nr 46 der Anlage 1 zur 7. BKVO.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des LSG insoweit aufzuheben, als es
die Urteile des SG aufgehoben oder abgeändert
und die Beklagte verurteilt habe, dem Kläger
Verletztenrente zu zahlen,
hilfsweise,
insoweit den Rechtsstreit an das LSG
zurückzuverweisen.
Der Kläger ist in der Revisionsinstanz nicht vertreten.
Die Beteiligten sind damit einverstanden, daß der Senat durch Urteil ohne mündliche Verhandlung entscheidet (§ 124 Abs 2 Sozialgerichtsgesetz -SGG-).
Entscheidungsgründe
Die Revision der Beklagten ist begründet. Das Urteil des LSG ist aufzuheben. Der Rechtsstreit ist zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das LSG zurückzuverweisen.
Nach § 1 der 7. BKVO vom 20. Juni 1968 (BGBl I 721) sind Berufskrankheiten die in der Anlage 1 bezeichneten Krankheiten, die ein Versicherter bei einer der in den §§ 539, 540 und 543 bis 545 RVO genannten Tätigkeiten erleidet; sie gelten nach § 551 Abs 1 RVO als Arbeitsunfälle. Nr 46 der Anlage führt als Berufskrankheit "schwere oder wiederholt rückfällige Hauterkrankungen" auf, "die zur Aufgabe der beruflichen Beschäftigung oder jeder Erwerbsarbeit gezwungen haben". Dieser Zwang muß seine Ursache in der Hauterkrankung haben. Er darf nicht durch andere Umstände allein oder überwiegend bedingt sein, wie dies das LSG entgegen der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) genügen lassen will.
Der 2. Senat des BSG hat in seinen Urteilen vom 26. Januar 1978 - 2 RU 27/77 - (SozR 2200 § 551 Nr 10) und vom 20. April 1978 - 2 RU 79/77 - (SozR 5677 Anlage 1 Nr 46 Nr 8) hervorgehoben, daß die in den Nrn 41, 43 und 46 der Anlage 1 zur 7. BKVO aufgeführten Krankheiten dadurch als schwer gekennzeichnet sind, daß sie zur Aufgabe der beruflichen Beschäftigung oder jeder Erwerbsarbeit infolge der Erkrankung geführt haben. Durch das Tatbestandsmerkmal des Zwanges zur Aufgabe der beruflichen Beschäftigung oder jeder Erwerbsarbeit wird typisierend der Schweregrad der Krankheit beschrieben (BSG aaO). So soll verhindert werden, daß der Versicherte trotz seiner Hautkrankheit, die ihn an sich zur Aufgabe der beruflichen Beschäftigung oder jeder Erwerbsarbeit nötigen sollte, auf dem gesundheitsgefährdenden Arbeitsplatz weiter arbeitet und so eine Verschlimmerung der Krankheit mit der Folge einer erhöhten Entschädigungsleistung des Unfallversicherungsträgers bewirkt (BSGE 10, 286, 290). Die Entschädigungspflicht des Versicherungsträgers wegen einer Hautkrankheit nach Nr 46 der Anlage 1 zur 7. BKVO setzt also voraus, daß aus medizinischen Gründen ein Zwang zur Aufgabe der beruflichen Beschäftigung oder jeder Erwerbsarbeit besteht und wegen dieses Zwanges der Versicherte die berufliche Beschäftigung oder jede Erwerbsarbeit auch tatsächlich aufgegeben hat. Die ursächliche Verknüpfung der medizinisch gebotenen Aufgabe des Arbeitsplatzes mit der tatsächlichen Aufgabe des Arbeitsplatzes ist daher zwingend zu beachten (vgl neuestens: Urteil des 2. Senats vom 29. April 1980 - 2 RU 60/78 -). Der erkennende Senat hat die Nr 46 der Anlage 1 zur 7. BKVO stets in derselben Weise ausgelegt (vgl ua Urteile vom 19. Dezember 1974 - 8 RU 296/73 -, BSGE 39, 49, 50 und vom 6. Dezember 1978 - 8 RU 108/77 - SozR 5670 Anlage 1 Nr 5101 Nr 3). Er hält an dieser Rechtsprechung fest.
Da das LSG von seinem Rechtsstandpunkt aus nichts dazu festgestellt hat, ob der Kläger seine Tätigkeit als selbständiger Maurermeister wegen der Hautkrankheit oder aus anderen Gründen aufgegeben hat, wird es die hierzu fehlenden Feststellungen nachzuholen haben. Immerhin könnten die wirtschaftlichen Schwierigkeiten bis zur Konkursanmeldung und das Alter des Versicherten, worauf die Beklagte zutreffend hinweist, die wesentlichen Ursachen für die tatsächliche Berufsaufgabe und nicht die festgestellte Hautkrankheit gewesen sein. Insoweit wird das LSG auch festzustellen haben, ob und welche Erkrankungen des Klägers zum wirtschaftlichen Rückgang seines Betriebes beigetragen haben, welcher Art sie gewesen sind (Hautkrankheit und/oder sonstige Krankheiten) und welchen Umfang die Krankheiten im einzelnen gehabt haben; in diesem Zusammenhang dürfte es naheliegen, die in den fraglichen Jahren ergangenen Einkommenssteuerbescheide beizuziehen. Schließlich wird das LSG festzustellen haben, wie der Kläger seinen Betrieb in der Vergangenheit geführt hat, ob und in welchem Umfang er Arbeitnehmer beschäftigt hat und ob und welche Tätigkeit oder Beschäftigung der Kläger noch ausübt.
Die Voraussetzungen für die Gewährung einer Stützrente (§ 581 Abs 3 RVO) werden von der Revision nicht unmittelbar bestritten. Insoweit hat das LSG nach eingehender Sachprüfung zutreffend eine MdE von 10 vH angenommen. Sie kann je nach dem Ergebnis der zu treffenden tatsächlichen Feststellungen und der Ursachenabwägung übernommen werden, sofern sie weiter besteht.
Die Entscheidung über die Kosten bleibt dem abschließenden Urteil vorbehalten.
Fundstellen