Entscheidungsstichwort (Thema)
Rückwirkende Aufhebung rechtswidriger begünstigender Verwaltungsakte. rückwirkende Geltung des Gesetzes. Änderung der Verhältnisse. Anrechnung "erzielten" Einkommens aus Hausbesitz
Orientierungssatz
1. Zur Frage, ob das Versorgungsamt gewährte Versorgungsbezüge wegen erzielten Einkommens aus Hausbesitz im Rahmen des § 48 Abs 1 S 2 Nr 3 SGB 10 rückwirkend herabsetzen und insoweit überzahlte Beträge auch für Zeiten vor dem 1.1.1981 zurückfordern darf.
2. Nach ständiger Rechtsprechung beurteilt sich die rückwirkende Aufhebung eines unanfechtbar gewordenen begünstigenden Verwaltungsaktes grundsätzlich nach dem Recht, das im Zeitpunkt des Entstehens der den Anspruch auf Aufhebung begründenden Umstände gegolten hat (vgl ua BSG vom 11.4.1985 4b/9a RV 23/84).
3. Die Grenze der rückwirkenden Anwendung neuen Rechts liegt dort, wo schon nach früheren Vorschriften die Aufhebung eines Bescheids nicht mehr bewirkt werden konnte (vgl BSG, Großer Senat vom 15.12.1982 GS 2/80 = BSGE 54, 223, 231 = SozR 1300 § 44 Nr 3).
4. § 48 Abs 1 S 2 Nr 3 SGB 10 gilt nur für Fälle, in denen der Leistungsempfänger das anrechnungspflichtige Einkommen erstmals nach dem 31. Dezember 1980 erzielt.
Normenkette
SGB 10 § 45 Fassung: 1980-08-18, § 48 Abs 1 S 2 Nr 3 Fassung: 1980-08-18; SGB 10 Art 2 § 40 Abs 2 S 2
Verfahrensgang
SG Mainz (Entscheidung vom 27.03.1984; Aktenzeichen S 5 V 140/83) |
Tatbestand
Streitig ist, ob das beklagte Land der Klägerin gewährte Versorgungsbezüge rückwirkend herabsetzen und angeblich überzahlte Beträge zurückfordern darf.
Die 1912 geborene Klägerin bezieht nach ihrem im Zweiten Weltkrieg gefallenen Ehemann Friedrich K ua einkommensabhängige Leistungen (Ausgleichsrente und Schadensausgleich) nach dem Bundesversorgungsgesetz (BVG). In einem am 4. September 1973 an das Versorgungsamt (VA) Mainz ausgefüllt zurückgereichten Fragebogen erklärte sie unter Überreichung finanzamtlicher Unterlagen, daß sie Alleineigentümerin eines Zweifamilienhauses in F, , sei, dessen Einheitswert am 20. Juni 1948 4.200,-- DM betragen habe und sich jetzt (seit 1. Januar 1964) auf 18.100,-- DM belaufe. Am 8. November 1973 übersandte sie Einheitswertbescheide, wonach auf den 1. Januar 1964 der Einheitswert mit 18.100,-- DM festgestellt wurde, sowie eine Bescheinigung des Notariats O vom 24. Januar 1959, wonach sie ihrer Tochter und ihrem Schwiegersohn unentgeltlich dingliches Wohnrecht im gesamten 1. Obergeschoß ihres Wohnhauses eingeräumt hat. Nachdem das VA in einer "Aktenverfügung" vom 15. November 1973 vermerkt hatte, daß Einkünfte aus Hausbesitz entfielen, "da der zur Zeit maßgebende Einheitswert des Hauses 6.000,-- DM unterschreitet", blieben sowohl im Neubescheid vom 20. August 1974 als auch in folgenden Feststellungsbescheiden Einkünfte aus Grund- bzw Hausbesitz außer Ansatz. In einem weiteren am 22. Februar 1976 zurückgereichten Fragebogen erklärte die Klägerin, der auf sie entfallende "Einheitswertanteil" ihres Hausbesitzes liege unter 15.000,-- DM; gleichzeitig übersandte sie den notariellen Vertrag vom 29. Januar 1959 über die Bestellung des Wohnrechts für ihre Tochter und ihren Schwiegersohn sowie nochmals eine Ablichtung des Einheitswertbescheides vom 14. Februar 1969. In weiteren beantworteten Fragebögen vom 2. Oktober und 22. November 1981 gab die Klägerin wiederum den Einheitswert mit 18.100,-- DM an, erklärte aber auch hier, daß der auf sie entfallende Anteil unter 15.000,-- DM liege.
Schließlich bestätigte auch das Finanzamt B im Oktober 1981 auf Anfrage des VA, daß die Klägerin Alleineigentümerin des Zweifamilienhauses sei und der Einheitswert 18.100,-- DM betrage.
Daraufhin stellte das VA Mainz mit Bescheid vom 18. Dezember 1981 die einkommensabhängigen Versorgungsbezüge der Klägerin unter teilweiser Aufhebung der zwischen dem 4. April 1972 und dem 10. Dezember 1981 erlassenen Anpassungs- und Berechnungsbescheide rückwirkend vom 1. Januar 1972 an neu fest und forderte einen - nicht bezifferten - Überzahlungsbetrag von der Klägerin zurück, weil Einkommen aus Haus- und Grundbesitz angerechnet werden müsse (Hinweis auf § 48 Abs 1 Satz 2 Nr 3 des Zehnten Buchs des Sozialgesetzbuchs -SGB 10-). Hiergegen legte die Klägerin Widerspruch ein. Mit Bescheid vom 4. Juni 1982 errechnete das VA für die Zeit ab Januar 1974 eine Überzahlung von 5.832,-- DM, mit weiterem Bescheid vom 22. Juni 1982 führte es eine Neufeststellung (Kürzung des der Berechnung des Schadensausgleichs zugrunde liegenden Vergleichseinkommens auf 75 vH) durch und stellte den Überzahlungsbetrag auf nunmehr 4.278,-- DM fest. Weitere Feststellungsbescheide ergingen am 4. November 1982 (Überzahlung: 3.318,-- DM), am 25. November 1982 (Überzahlung: 2.148,-- DM) und am 4. Dezember 1982 (Überzahlung: 1.026,-- DM).
Den Widerspruch wies das Landesversorgungsamt Rheinland-Pfalz durch Bescheid vom 27. Juni 1983 zurück, "soweit er über die Abhilfen hinausgeht."
Auf die von der Klägerin erhobene Klage hat das Sozialgericht (SG) Mainz durch Urteil vom 27. März 1984 die Bescheide vom 18. Dezember 1981, 4. Juni, 22. Juni, 4. November, 25. November und 4. Dezember 1982 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 27. Juli 1983 mit Wirkung bis zum 31. Dezember 1981 aufgehoben. Es hat ausgeführt: Als Rechtsgrundlage für die Aufhebung der von der Beklagten genannten Bescheide könne nicht § 48 Abs 1 Satz 2 Nr 3 SGB 10, sondern nur § 45 SGB 10 in Betracht kommen. Die Bescheide seien von Anfang an rechtswidrig gewesen, weil der damals beim VA schon aktenkundige Einheitswert von 18.100,-- DM die Freigrenze von 15.000,-- DM überschritten habe; auch das Alleineigentum der Klägerin sei aktenkundig gewesen. Die Voraussetzungen des § 45 SGB 10 seien für die Zeit bis Dezember 1981 nicht erfüllt; der Klägerin könne für die Zeit bis Dezember 1981 auch grob fahrlässige Unkenntnis von der Rechtswidrigkeit der aufgehobenen Bescheide nicht nachgewiesen werden. Sie habe ihrer Mitteilungs- und Sorgfaltspflicht bereits vollständig genügt gehabt, bevor die Bescheide erlassen worden seien. Außerdem habe aus den Bescheiden nicht unmittelbar deren Rechtswidrigkeit entnommen werden können. Soweit die Klägerin erklärt habe, auf sie entfalle ein Einheitswert von weniger als 15.000,-- DM, beruhe dies erkennbar auf der laienhaften Vorstellung, daß ihr wegen des der Tochter und dem Schwiegersohn eingeräumten dinglichen Wohnrechts der Einheitswert nicht voll zugerechnet werden könne. Die Anwendung des § 48 Abs 1 Satz 2 Nr 3 SGB 10 scheide aus, weil es nicht Sinn und Zweck dieser Vorschrift sei, der Verwaltungsbehörde die Möglichkeit zu geben, Bescheide, die wegen ihres Fehlverhaltens von Anfang an rechtswidrig gewesen seien, rückwirkend zuungunsten des Bescheidempfängers aufzuheben. Überdies verstoße die von der Beklagten vorgenommene Auslegung dieser Bestimmung gegen Art 14 Grundgesetz (GG), weil hiernach Versorgungsansprüche ohne jegliche Prüfung eines entgegenstehenden Vertrauensschutzes rückwirkend entzogen würden.
Das SG hat die Sprungrevision im Urteil zugelassen.
Der Beklagte hat im schriftlichen Einverständnis der Klägerin Sprungrevision eingelegt. Er trägt vor, eine wesentliche Änderung der Verhältnisse liege in der Erhöhung des Einheitswertes auf 18.100,-- DM sowie der Erhöhung des Freibetrages auf 15.000,-- DM. Die Änderung des Einheitswertes sei erstmals 1974 bei der Gewährung von Ausgleichsrente und Schadensausgleich zu berücksichtigen gewesen. Entgegen der Auffassung des SG sei § 48 SGB 10 anzuwenden, dessen Abs 1 nicht darauf abhebe, welche Verhältnisse für die bisherige Feststellung maßgebend gewesen seien, sondern welche Verhältnisse bei Erlaß der bisherigen Entscheidung objektiv vorgelegen hätten. Die Gründe für die Nichtberücksichtigung der Einkommensänderung in den früheren Bescheiden sei rechtlich unerheblich; es komme auch nicht darauf an, ob ein Verschulden der Verwaltungsbehörde oder der Klägerin vorgelegen habe. § 48 SGB 10 gelte nach Art II § 40 Abs 2 SGB 10 auch für Sachverhalte, die - wie hier - vor dem 1. Januar 1981 lägen; der Gesetzgeber wünsche nämlich für diese Bestimmung erkennbar eine rückwirkende Bedeutung.
Der Beklagte beantragt, das Urteil des Sozialgerichts Mainz vom 27. März 1984 aufzuheben und die Klage gegen die Bescheide des Versorgungsamtes Mainz vom 18. Dezember 1981, 6. April, 22. Juni, 4. November, 25. November und 4. Dezember 1982 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 27. Juli 1983 abzuweisen sowie die Bundesrepublik Deutschland zu dem Rechtsstreit beizuladen.
Die Klägerin beantragt, die Revision zurückzuweisen.
Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend und weist darauf hin, daß § 48 Abs 1 Satz 2 Nr 3 SGB 10 nur anwendbar sei, wenn von einer nachträglichen Änderung in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen ausgegangen werden könnte.
Beide Beteiligte haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung durch Urteil einverstanden erklärt (§ 124 Abs 2 Sozialgerichtsgesetz -SGG-).
Entscheidungsgründe
Die zulässige Sprungrevision des Beklagten ist unbegründet. Das SG hat zutreffend erkannt, daß der Beklagte nicht berechtigt war, mit den strittigen Bescheiden die Versorgungsbezüge der Klägerin für Zeiten vor dem 1. Januar 1982 neu festzusetzen und für diese Zeit Beträge zurückzufordern.
Zu Unrecht stützt der Beklagte den Aufhebungs- und Rückforderungsbescheid vom 18. Dezember 1981 und die folgenden im Widerspruchsverfahren ergangenen Bescheide auf § 48 Abs 1 Satz 2 Nr 3 SGB 10. Nach Abs 1 Satz 1 dieser Vorschrift ist, soweit in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen, die beim Erlaß eines Verwaltungsaktes mit Dauerwirkung vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung eintritt, der Verwaltungsakt mit Wirkung für die Zukunft aufzuheben. Satz 2 aaO ergänzt diese Regelung für bestimmte Fälle dahin, daß der Verwaltungsakt nicht erst für die Zukunft, sondern "mit Wirkung vom Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse" - also rückwirkend - aufgehoben werden soll. Darunter fällt nach Satz 2 Nr 3 aaO ua ein Sachverhalt, in dem "nach Antragstellung oder Erlaß des Verwaltungsaktes" Einkommen oder Vermögen erzielt worden ist, das zum Wegfall oder zur Minderung des Anspruchs geführt haben würde. Ergänzend hierzu bestimmt Satz 3 aaO, daß in diesen Fällen der Erzielung anrechnungspflichtigen Einkommens oder Vermögens für einen bereits in der Vergangenheit liegenden Zeitraum "der Beginn des Anrechnungszeitraums" als Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse gilt.
Nach der Ansicht des Beklagten sind nach Satz 2 aaO mit Wirkung vom Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse aufzuhebende Bescheide die den Zeitraum ab 1974 betreffenden; das ergibt sich aus den während des Widerspruchsverfahrens erlassenen Folgebescheiden. Die Einkünfte aus Hausbesitz, die der Beklagte rückwirkend ab 1974 anspruchsmindernd anrechnen möchte, sind aber schon vor den aufgehobenen Bescheiden "erzielt" worden. Im Verhältnis zu diesen Bescheiden ist also keine nachträgliche Änderung eingetreten. Dem versucht der Beklagte mit dem - allerdings erst in der Revisionsbegründungsschrift gegebenen - Hinweis zu begegnen, daß der Klägerin bereits mit Bescheid vom 28. August 1951 Ausgleichsrente und mit weiterem Bescheid vom 18. Dezember 1964 Schadensausgleich bewilligt worden sei und die Klägerin nach der Antragstellung Einkommen erzielt habe, so daß deshalb § 48 Abs 1 Satz 2 Nr 3 SGB 10 Anwendung finde. Indessen bestehen nicht unerhebliche Zweifel, ob diese Erwägungen das Vorgehen des Beklagten nach § 48 SGB 10 rechtfertigen können. Zum einen ist der Grundnorm dieser Vorschrift (Abs 1 Satz 1) zu entnehmen, daß die Änderung grundsätzlich nach dem Erlaß des Verwaltungsaktes - gemeint ist derjenige, der ganz oder teilweise aufgehoben wird - eingetreten sein muß (vgl hierzu insbesondere Zweng/Scheerer/Buschmann, Handbuch der Rentenversicherung, 2. Aufl, Stand: August 1984, SGB X § 48 Anm B). Zum anderen genügt zwar für die Fallgruppe des Satzes 2 Nr 3 der Vorschrift ua, daß Einkommen, das zur Minderung des Anspruchs geführt haben würde, bereits "nach Antragstellung" erzielt worden ist; gemeint sein kann aber nur der Antrag, auf den der aufgehobene oder aufzuhebende Verwaltungsakt (Bescheid) ergangen ist. Da die vom Beklagten teilaufgehobenen Anpassungs- und Neufeststellungsbescheide von Amts wegen erlassen worden sind, stellt sich noch die Frage, ob auf einen früheren Antrag zurückgegriffen werden kann (nach den Ausführungen des Beklagten in der Revisionsbegründungsschrift hat die Klägerin am 18. Juli 1951 Ausgleichsrente und am 10. Juni 1964 Schadensausgleich beantragt). Wiederum bestehen starke Zweifel, ob eine solche Auslegung mit Wortlaut und Sinn der Vorschrift vereinbar ist; denn jenen Anträgen war bereits durch Bewilligungsbescheide entsprochen worden, bevor die vom Beklagten aufgehobenen Neufeststellungs- und Anpassungsbescheide ergingen. Hinzu kommt, daß diese aufgehobenen Bescheide auch aus der Sicht des Beklagten von Anfang an rechtswidrige begünstigende Verwaltungsakte sind. Solche Bescheide dürfen nach der Auffassung des 9a Senats des Bundessozialgerichts (BSG) nicht mit Hilfe des § 48 SGB 10, sondern nur unter den Voraussetzungen des § 45 SGB 10 zurückgenommen werden (vgl hierzu das zur Veröffentlichung bestimmte Urteil vom 13. Dezember 1984 - 9a RV 40/83, S 6 ff; vgl auch aus letzter Zeit Graßl in Sgb 1985, 145, 152: der Vertrauensschutz des Leistungsempfängers könne nach § 48 SGB X nicht geringer sein als beim rechtswidrigen begünstigenden Erstbescheid nach § 45 SGB X).
Gleichwohl kann für die hier zu treffende Entscheidung letztlich dahingestellt bleiben, ob schon aus einem der vorgenannten Gründe die strittigen Aufhebungsbescheide des Beklagten rechtswidrig sind. Denn § 48 Abs 1 Satz 2 Nr 3 SGB 10 erfaßt bereits nach seinem zeitlichen Geltungsbereich den vorliegenden Sachverhalt nicht. Das hat der erkennende Senat für einen insoweit vergleichbaren Sachverhalt, an dem der Beklagte beteiligt war, in dem zur Veröffentlichung bestimmten Urteil vom 11. April 1985 - 4b/9a RV 23/84 - entschieden: Nach Art II § 40 Abs 2 Satz 1 und 2 des Gesetzes vom 18. August 1980 (BGBl I 1469, 2218) sind zwar die §§ 44 bis 49 SGB 10 erstmals auch dann anzuwenden, wenn nach dem 31. Dezember 1980 ein vor dem 1. Januar 1981 erlassener Verwaltungsakt aufzuheben ist. Diese Regelung trifft jedoch den vorliegenden Fall nur scheinbar. Denn nach ständiger Rechtsprechung beurteilt sich die rückwirkende Aufhebung eines unanfechtbar gewordenen begünstigenden Verwaltungsaktes grundsätzlich nach dem Recht, das im Zeitpunkt des Entstehens der den Anspruch auf Aufhebung begründenden Umstände gegolten hat (Urteil vom 11. April 1985, S 11 mN). Die Grenze der rückwirkenden Anwendung neuen Rechts liegt dort, wo schon nach früheren Vorschriften die Aufhebung eines Bescheids nicht mehr bewirkt werden konnte (BSG, Großer Senat - GrS - in BSGE 54, 223, 231 = SozR 1300 § 44 Nr 3). Dadurch, daß der Beklagte den Anrechnungszeitraum mit dem 1. Januar 1974 beginnen läßt, überschreitet er die Grenze der zulässigen Rückwirkung; denn eine dem § 48 Abs 1 Satz 2 Nr 3 SGB 10 vergleichbare Regelung mit dem Inhalt, wie ihn der Beklagte dieser Vorschrift beilegt, hat vor dem Inkrafttreten des SGB 10 am 1. Januar 1981 nicht bestanden: Eine rückwirkende Herabsetzung der Beschädigtenversorgung war bei einem Sachverhalt wie dem vorliegenden nach § 62 Abs 1 Satz 1 und 2 des BVG idF des Gesetzes vom 22. Juni 1976 (BGBl I S 1633), die bis zum 31. Dezember 1980 galt, nicht möglich. Zwar kam damals - wie der erkennende Senat im genannten Urteil (S 12 f) ebenfalls bereits ausgeführt hat - eine rückwirkende Herabsetzung der Beschädigtenversorgung nach § 41 des Gesetzes über das Verwaltungsverfahren in der Kriegsopferversorgung (VfG-KOV) vom 2. Mai 1955 (BGBl I 202) in den jeweils geltenden Fassungen in Betracht. Indessen war die Aufhebbarkeit und Rückforderung nach § 47 VfG-KOV gegenüber dem jetzigen Rechtszustand erheblich schwieriger. Nach § 41 VfG-KOV konnten Bescheide zuungunsten des Beschädigten nur aufgehoben werden, wenn außer Zweifel stand, daß die frühere Entscheidung unrichtig war. Vieles spricht dafür, daß das Recht auf Rücknahme der Verwaltungsakte nach dieser Vorschrift bereits verwirkt war. Das Rechtsinstitut der Verwirkung gilt auch im Sozialleistungsrecht (vgl allgemein: BSGE 7, 199; speziell hinsichtlich der "Berichtigung" nach § 41 VfG-KOV: BSGE 35, 91). Tatbestand und Entscheidungsgründe des angefochtenen SG-Urteils enthalten Feststellungen über Umstände, aufgrund derer das Vorliegen eines Verwirkungstatbestandes hinsichtlich der Befugnis des Rechts zur Rücknahme der Bescheide zu bejahen ist. Nach den unangefochtenen und daher den erkennenden Senat nach § 163 SGG bindenden Feststellungen des SG fällt es bei dem gegebenen Sachverhalt ausschließlich in den Verantwortungsbereich des Beklagten, daß die Versorgungsbezüge (auch) ab 1974 in unrichtiger Höhe weitergezahlt wurden; bis die Aufhebung erfolgte, vergingen von da an etwa acht Jahre; in der Zwischenzeit wurden eine Reihe Neufeststellungs- und Anpassungsbescheide unter Fortschreibung der unrichtigen Höhe der Versorgungsbezüge erlassen, so daß die Klägerin von der Richtigkeit der Beträge ausgehen durfte. Hatte der Beklagte hiernach das Recht, die objektiv unrichtigen Bescheide aufzuheben, nach früherem Recht verwirkt, kann auch nach neuem Recht kein Aufhebungsanspruch entstanden sein. Abgesehen davon war der gutgläubige Leistungsempfänger nach § 47 VfG-KOV gegenüber einer Rückforderung geschützt; auch in diesem Zusammenhang hat das SG unwidersprochen Feststellungen getroffen, denen zufolge die Klägerin nicht bösgläubig war. Dies ist deswegen von Belang, weil Aufhebungs- und Rückforderungsbescheid einheitlich entweder nach neuem oder nach altem Recht beurteilt werden müssen (vgl Entscheidungen des Senats vom 11. April 1985 und vom 21. Februar 1985 - 4 RJ 103/83 ; Urteile des BSG vom 22. August 1984 - 7 RAr 46/84 und vom 19. Mai 1981 in SozR 2250 § 1301 Nr 14).
Aus alledem ergibt sich, daß Art 2 § 40 Abs 2 Satz 2 aaO den bereits vor dem Inkrafttreten des SGB 10 am 1. Januar 1981 abgeschlossenen vorliegenden und der Versorgungsbehörde klar erkennbaren Umstand, daß der Leistungsempfänger damals schon, also vor dem Erlaß der angeblich aufzuhebenden Verwaltungsakte mit Dauerwirkung anrechnungspflichtiges Einkommen erzielt hat, nicht rückwirkend, zu dessen Lasten der neuen, im Vergleich mit dem bis zum 31. Dezember 1980 geltenden Recht erheblich verschärften Regelung des § 48 Abs 1 Satz 2 Nr 3 SGB 10 unterwerfen will. Diese neue verschärfte Regelung gilt vielmehr ohne belastende Rückwirkung nur für Fälle, in denen der Leistungsempfänger das anrechnungspflichtige Einkommen erstmals nach dem 31. Dezember 1980 erzielt. Daran fehlt es hier.
Hiernach hat das SG den vorliegenden Sachverhalt unter Berücksichtigung von Art 2 § 40 Abs 2 Satz 1 und 2 aaO im Ergebnis zu Recht nach § 45 SGB 10, also nach der Regelung über die Aufhebung bereits von Anfang an rechtswidriger begünstigender Verwaltungsakte beurteilt. Nach Abs 2 Satz 1 dieser Vorschrift darf ein solcher bereits anfänglich unrichtiger Verwaltungsakt nicht zurückgenommen werden, soweit der Begünstigte auf den Bestand des Verwaltungsaktes vertraut hat, es sei denn, der Leistungsempfänger sei im Sinne des Satzes 3 aaO bösgläubig gewesen. Das SG hat hierzu im angefochtenen Urteil im einzelnen dargelegt, daß und weshalb der Klägerin nach den Umständen des konkreten Falles keine grob fahrlässige Unkenntnis von der Rechtswidrigkeit der genannten Bescheide zugerechnet werden könne und ihr ein schutzwürdiges Vertrauen hinsichtlich der Höhe der Versorgungsbezüge während des strittigen Zeitraumes zugebilligt werden müsse. Diese nicht angegriffenen tatsächlichen Feststellungen des Tatsachengerichts binden den erkennenden Senat (§ 163 SGG).
Die Revision des Beklagten konnte daher keinen Erfolg haben.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Fundstellen