Verfahrensgang
LSG Niedersachsen (Urteil vom 16.10.1984) |
Tenor
Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des Landessozialgerichts Niedersachsen vom 16. Oktober 1984 wird zurückgewiesen.
Die Beklagte hat dem Kläger die Kosten des Revisionsverfahrens zu erstatten.
Tatbestand
I
Der Kläger wendet sich gegen die Aufhebung einer Bewilligung und gegen die Rückforderung von Arbeitslosengeld (Alg).
Der Kläger bezog seit 29. November 1982 von der Beklagten Alg (Bewilligungsbescheid vom 7. Dezember 1982). Am 23. März 1983 nahm er eine Beschäftigung auf und teilte dies schriftlich der Nebenstelle N.… des Arbeitsamtes E.… mit. Durch ein Versehen (falsche Ablage der Änderungsmitteilung) der Nebenstelle unterblieb die entsprechende Benachrichtigung des Hauptamtes, so daß das bewilligte Alg bis zum 12. Mai 1983 an den Kläger weiter ausgezahlt wurde. Der Vorgang gelangte erst im Mai 1983 zur Aufklärung. Die Zahlungen wurden daraufhin mit Ablauf des 12. Mai 1983 eingestellt. Durch Bescheid vom 1. Juni 1983 (Widerspruchsbescheid vom 20. Oktober 1983) hob die Beklagte ihren Bewilligungsbescheid vom 7. Dezember 1982 für die Zeit vom 23. März bis 12. Mai 1983 auf und forderte vom Kläger das für diesen Zeitraum gezahlte Alg in Höhe von 1.834,80 DM unter Hinweis auf § 48 Abs 1 Satz 2 Nr 4 Sozialgesetzbuch – Verwaltungsverfahren – (SGB 10) zurück.
Mit der Klage hat der Kläger geltend gemacht, daß er dem Arbeitsamt seine Arbeitsaufnahme rechtzeitig angezeigt habe. Da er schon früher die Höhe der ihm seit 29. November 1982 gezahlten Leistung beanstandet habe, habe er die seit dem 22. März 1983 erhaltenen Zahlungen als Nachzahlungen angesehen. Zudem habe er neben der Aufforderung zur Rückzahlung aufgrund eines Bewilligungsänderungsbescheides vom 24. August 1983 erneut eine Nachzahlung erhalten; dem könne er geistig nicht mehr folgen. Durch Urteil vom 15. März 1984 hat das Sozialgericht (SG) den Bescheid der Beklagten vom 1. Juni 1983 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 20. Oktober 1983 aufgehoben.
Durch Urteil vom 16. Oktober 1984 hat das Landessozialgericht (LSG) die Berufung der Beklagten zurückgewiesen. Zur Begründung hat das LSG im wesentlichen ausgeführt: Die Berufung sei wegen eines von der Beklagten zutreffend gerügten Verfahrensmangels nach § 150 Nr 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) zulässig. Tenor und Gründe des angefochtenen Urteils widersprächen sich wesentlich; denn das SG habe dem Antrag des Klägers, den angefochtenen Bescheid aufzuheben, im Tenor in vollem Umfange entsprochen, obwohl es in den Entscheidungsgründen ausgeführt habe, daß die Beklagte die Entscheidung über die Bewilligung von Leistungen für die Zeit ab 23. März 1983 zu Recht aufgehoben habe. Das SG habe insoweit das Gesamtergebnis des Verfahrens nicht sachentsprechend gewürdigt und damit gegen § 128 SGG verstoßen. Hinsichtlich des Erstattungsanspruchs sei die Berufung gemäß § 149 SGG statthaft.
Die Berufung sei jedoch in der Sache nicht begründet. Der angefochtene Bescheid sei rechtswidrig. Grundlage für die Aufhebung sei § 48 Abs 1 Satz 2 SGB 10, wonach ein Verwaltungsakt mit Dauerwirkung bei Änderung der Verhältnisse mit Wirkung vom Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse aufgehoben werden könne. Ob bereits die Voraussetzungen nach Nr 3 dieser Vorschrift, nämlich Erzielung von Einkommen, das zum Wegfall oder zur Minderung des Anspruchs geführt haben würde, vorliege, könne dahinstehen. Jedenfalls habe der Kläger iS des § 48 Abs 1 Satz 2 Nr 4 SGB 10 zumindest wissen müssen, daß ihm das ab 23. März 1983 gezahlte Alg als Folge der Beendigung seiner Arbeitslosigkeit nicht mehr zustand. Ihm seien seit dem 21. Januar 1983 in ununterbrochener und gleichmäßiger Reihenfolge bis zum 12. Mai 1983 alle zwei Wochen 500,40 DM überwiesen worden. Da dabei stets Grund und Zahlungszeitraum angegeben worden seien, hätte der Kläger erkennen können, daß es sich nicht um Nachzahlungen, sondern um die regelmäßige Weitergewährung der laufenden Leistungen in der Zeit bis zum 12. Mai 1983 gehandelt habe. Unerheblich sei deshalb, daß der Kläger aufgrund eines Änderungsbewilligungsbescheides später eine Nachzahlung erhalten habe. Die Beklagte sei grundsätzlich berechtigt gewesen, den Bewilligungsbescheid mit Wirkung vom 23. März 1983 aufzuheben, sie sei dazu jedoch nicht verpflichtet gewesen. Insoweit stehe die Verweisung in § 48 Abs 4 SGB 10 auf § 45 Abs 4 SGB 10 nicht entgegen, denn sie bedeute nicht, daß der Verwaltungsakt nur in den Fällen des § 45 Abs 2 Satz 3 und Abs 3 Satz 2 SGB 10 mit Wirkung für die Vergangenheit zurückgenommen werden dürfe. Diese Verweisung beruhe auf einem Redaktionsversehen des Gesetzgebers, der lediglich auf Satz 2, nicht aber auf Satz 1 des § 45 Abs 4 SGB 10 habe verweisen wollen.
Bei Aufhebung eines Verwaltungsakts mit Dauerwirkung räume § 48 Abs 1 Satz 2 SGB 10 der Behörde die Möglichkeit ein, unter bestimmten Umständen von der Aufhebung des Verwaltungsaktes für die Vergangenheit abzusehen. Die Behörde habe mithin eine Ermessensentscheidung zu treffen. Im vorliegenden Falle ergebe sich aus dem Inhalt des angefochtenen Verwaltungsaktes, daß die Beklagte eine Entscheidung habe treffen wollen, die als gesetzlich gebundene Entscheidung ergehen sollte. In diesen Fällen sei nach § 43 Abs 3 SGB 10 die Umdeutung in eine Ermessensentscheidung verboten. Fehle es aber, wie hier, an einer notwendigerweise auszuübenden Ermessensentscheidung, sei der Verwaltungsakt schon aus diesem Grunde rechtswidrig. Es könne dahinstehen, ob etwas anderes gelte, wenn unter allen tatsächlichen und rechtlichen Gesichtspunkten nur noch eine einzige richtige Entscheidung möglich sei und sich deswegen das Ermessen der Behörde im Ergebnis auf Null reduziere. Angesichts der Tatsache, daß die Beklagte die Überzahlung dadurch mitverursacht habe, daß sie die Mitteilung der Arbeitsaufnahme des Klägers in die Aktenunterlagen eines anderen Arbeitslosen abgelegt habe, könne nicht von der Hand gewiesen werden, daß pflichtgemäße Ermessensausübung zu einem anderen Ergebnis geführt hätte, als es in dem angefochtenen Verwaltungsakt festgelegt worden sei. Die Beklagte habe die fehlende Ermessensausübung auch nicht durch ihre Erklärung in der mündlichen Verhandlung vom 16. Oktober 1984 zulässigerweise nachschieben können. Sie hätte nur einen neuen Verwaltungsakt erlassen können, der gemäß § 96 SGG Gegenstand des Verfahrens geworden wäre. Dies habe sie jedoch nicht getan. Im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung wäre der Erlaß eines solchen Verwaltungsaktes allerdings auch rechtswidrig gewesen, da die Einjahresfrist des § 48 Abs 4 SGB 10 iVm § 45 Abs 4 SGB 10 verstrichen sei. Von der Tatsache, daß der Kläger am 23. März 1983 eine Arbeit aufgenommen habe, habe die Beklagte schon im Mai 1983 Kenntnis erlangt.
Mit der Revision rügt die Beklagte einen Verstoß gegen § 48 Abs 1 Satz 2 SGB 10. Sie führt dazu aus: Das LSG habe zu Recht festgestellt, daß die Voraussetzungen des § 48 Abs 1 Satz 2 Nr 4 SGB 10 vorlägen und die Beklagte deshalb berechtigt gewesen sei, die Alg-Bewilligung aufzuheben. Für seine Auffassung des Verbots der Umdeutung und der Unzulässigkeit des Nachschiebens von Ermessensgründen beziehe sich das LSG allerdings zu Unrecht auf die Entscheidung des Bundessozialgerichts (BSG) vom 12. April 1984 (7 RAr 34/83). Dort sei nämlich (auch) entschieden worden, daß bei Anwendung des § 48 Abs 1 SGB 10 die Verwaltung kein Ermessen auszuüben habe. Schon aus diesem Grunde hätte das LSG die Rechtmäßigkeit des angefochtenen Bescheides bestätigen müssen. Im übrigen sei die Auffassung des LSG inkonsequent, daß weder die Ausübung des Ermessens noch ein neuer Verwaltungsakt im Berufungsverfahren rechtswirksam möglich sei. Insoweit berufe sich das LSG zu Unrecht auf die Entscheidung des BSG vom 24. März 1983 (SozR 5870 § 2 Nr 30). Das BSG habe dort entschieden, daß die Beklagte ein bisher fehlendes Ermessen noch ausüben könne, und zwar offensichtlich ohne Beachtung der Einjahresfrist des § 48 Abs 4 iVm § 45 Abs 4 SGB 10. Wenn jedoch die Ausübung des Ermessens und die Setzung eines neuen Verwaltungsaktes nach dieser Entscheidung noch möglich seien, müsse beides erst recht noch während eines laufenden Gerichtsverfahrens in den Tatsacheninstanzen zulässig sein. Das LSG hätte deshalb zumindest auch über die Ermessensausübung der Beklagten in der mündlichen Verhandlung vor dem LSG mitentscheiden und, da für Ermessensfehler keine Anhaltspunkte bestünden, die Aufhebung der Alg-Bewilligung als rechtmäßig bestätigen müssen.
Die Beklagte beantragt,
das angefochtene Urteil und das Urteil des Sozialgerichts vom 15. März 1984 aufzuheben, die Klage abzuweisen und zu entscheiden, daß außergerichtliche Kosten nicht zu erstatten sind.
Der Kläger beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Zur Begründung führt er im wesentlichen aus, daß er die Entscheidung des LSG für zutreffend hält. Nach den sachlichen Voraussetzungen wäre hier eine Ermessensentscheidung notwendig gewesen, die jedoch nicht erfolgt sei.
Beide Beteiligten haben ihr Einverständnis mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung durch Urteil erklärt (§ 124 Abs 2 SGG).
Entscheidungsgründe
II
Die Revision der Beklagten ist nicht begründet.
Das LSG hat zu Recht in der Sache entschieden. Seine Ausführungen, daß die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des SG zulässig war, lassen Rechtsfehler nicht erkennen.
Dasselbe gilt für die vom LSG vertretene Rechtsauffassung, daß es der Beklagten nach den tatbestandlichen Voraussetzungen des § 48 Abs 1 Satz 2 Nr 4 SGB 10 eröffnet war, die Alg-Bewilligung vom 7. Dezember 1982 für die Zeit ab 23. März 1983 aufzuheben. Nach dieser Vorschrift soll ein Verwaltungsakt mit Dauerwirkung, um den es hier geht, bei wesentlicher Änderung der tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse, die bei seinem Erlaß vorgelegen haben, vom Zeitpunkt der Änderung an, also auch rückwirkend, aufgehoben werden, wenn der Betroffene wußte oder wegen besonders schwerer Sorgfaltsverletzung nicht wußte, daß der sich aus dem Verwaltungsakt ergebende Anspruch kraft Gesetzes zum Ruhen gekommen oder ganz oder teilweise weggefallen ist. Das LSG hat zutreffend erkannt, daß das Aufhebungsrecht nach § 48 Abs 1 Satz 2 SGB 10 durch die Verweisung des § 48 Abs 4 SGB 10 ua auf § 45 Abs 4 SGB 10 nicht eingeschränkt wird (BSG SozR 5870 § 2 Nr 30).
Die wesentliche Änderung der Verhältnisse liegt hier in der Arbeitsaufnahme des Klägers zum 23. März 1983. Damit war, wie das LSG richtig ausgeführt hat, die Arbeitslosigkeit des Klägers beendet, die Voraussetzung für seinen Anspruch auf Alg war (§§ 100, 101 Arbeitsförderungsgesetz -AFG-). Der Senat stimmt dem LSG auch darin zu, daß der Kläger sich das Wissen um den Wegfall seines Anspruchs auf Alg ab 23. März 1983 vorhalten lassen muß. Wer Leistungen der Arbeitslosenversicherung in Anspruch nimmt, weiß, daß ihm diese nur für Zeiten zustehen können, in denen er tatsächlich ohne Beschäftigung ist. Dies folgt nicht nur aus dem Wesen dieser Versicherungsleistung und ihrer Bezeichnung, sondern ist ein offenkundiger Lebenssachverhalt. Die Anzeige seiner Arbeitsaufnahme an das Arbeitsamt erweist, daß dies dem Kläger auch bewußt war. Daran ändern weder die laufenden Weiterzahlungen des Alg noch einzelne Nachzahlungen aus anderem Grunde etwas. Wenn sein Wissen darum, daß er wegen der Arbeitsaufnahme keinen Anspruch auf Leistungen wegen Arbeitslosigkeit mehr besaß, davon überhaupt berührt sein konnte, dann allenfalls in der Weise, daß es eine Sorgfaltsverletzung im Sinne grober Fahrlässigkeit geblieben ist (vgl dazu BSG SozR 1300 § 48 Nr 14), anzunehmen, er besitze auch in der Zeit seiner Vollbeschäftigung weiterhin einen Anspruch auf Alg.
Gleichwohl war die rückwirkende Aufhebung der Bewilligung in dem angefochtenen Bescheid rechtswidrig. Die Auffassung des LSG, daß § 48 Abs 1 Satz 2 SGB 10 der Verwaltung nicht die Pflicht, sondern lediglich das Recht zur rückwirkenden Aufhebung eines Verwaltungsakts mit Dauerwirkung einräumt, stimmt mit der Rechtsprechung des BSG allerdings nicht in vollem Umfang überein. Danach soll die Verwaltung zwar in typischen Regelfällen den Verwaltungsakt rückwirkend aufheben, während in atypischen Fällen hiervon ganz oder teilweise abgesehen werden darf, was durch Ausübung pflichtgemäßen Ermessens geschieht (vgl BSG SozR 1300 § 48 Nr 19 mwN). Entgegen der Auffassung der Beklagten hat der Senat im Urteil vom 12. April 1984 – 7 RAr 34/83 – nicht eine davon abweichende Auffassung vertreten (vgl dazu auch den Beschluß des Senats vom 7. August 1985 – 7 S 6/85 –). Er hat dies zuletzt im Urteil vom 19. Februar 1986 – 7 RAr 55/84 – ausdrücklich bestätigt.
Aus den Feststellungen des LSG folgt, daß im vorliegenden Falle Anlaß für eine Ermessensentscheidung der Beklagten bestand. Es liegt kein Fall einer typischen Leistungsüberzahlung aufgrund eines auf einfacher Fahrlässigkeit beruhenden Verwaltungsfehlers oder allein in den Verantwortungsbereich des Begünstigten fallenden Fehlverhaltens vor. Der Kläger ist seiner Pflicht zur Anzeige der Arbeitsaufnahme ordnungsgemäß nachgekommen. Die rechtzeitige Einstellung der Zahlungen und Aufhebung der Bewilligung unterblieb ausschließlich aus Gründen, die die Beklagte zu vertreten hat. Das Ablegen der Änderungsmitteilung des Klägers in die Unterlagen eines anderen Arbeitslosen und die offenbar unzulängliche innerdienstliche Kontrolle, um derartige Vorgänge zu vermeiden, ist ein grober Verwaltungsfehler. Es kann nicht davon ausgegangen werden, daß das Verwaltungshandeln der Beklagten typischerweise mit solchen Fehlern behaftet ist (vgl zum Vertrauensschutz bei Verwaltungsfehlern auch BSG vom 14. November 1985 – 7 RAr 123/84 –). Bei einer solchen atypischen Sachlage ist die Beklagte verpflichtet, eine Ermessensentscheidung darüber zu treffen, ob und ggf inwieweit sie von ihrem Aufhebungsrecht Gebrauch machen will.
Daran fehlt es hier. Auszugehen ist vom Inhalt des Aufhebungsbescheides in der Gestalt des Widerspruchsbescheides und seiner Begründung. Daraus muß nicht nur erkennbar sein, daß die Beklagte eine Ermessensentscheidung treffen wollte und getroffen hat, sondern auch die Gesichtspunkte, von denen sie bei der Ausübung des Ermessens ausgegangen ist (vgl BSG vom 14. November 1985 – 7 RAr 123/84 – mwN). Der angefochtene Bescheid in der Gestalt des Widerspruchsbescheides entspricht diesen Voraussetzungen nicht. Sein Inhalt erhellt, daß die Beklagte eine Ermessensentscheidung nicht getroffen hat, weil sie diese aufgrund ihrer Rechtsauffassung, daß die Aufhebung als gebundene Entscheidung zu ergehen habe, gar nicht treffen wollte. Sie gelangt lediglich unter Hinweis auf die tatbestandlichen Voraussetzungen für ihr Aufhebungsrecht nach § 48 Abs 1 Satz 2 Nr 4 SGB 10 und nach § 151 Abs 1 AFG zu der getroffenen Entscheidung.
Daran ändert die von der Beklagten in der mündlichen Verhandlung vor dem LSG abgegebene Erklärung nichts. Diese lautet:
“Die für die Ermessensausübung maßgeblichen Gesichtspunkte sind für die Aufhebung des Verwaltungsaktes berücksichtigt. Es sind keine Gründe ersichtlich und werden auch nicht vorgetragen, die eine andere als die gegebene Entscheidung zulassen.”
Satz 1 dieser Erklärung enthält lediglich die Behauptung der Beklagten, sie habe bereits bei Erlaß des angefochtenen Bescheides eine Ermessensentscheidung getroffen. Dies trifft nicht zu. Satz 2 beschränkt sich auf die formelhafte Feststellung, Gründe für eine andere Entscheidung seien weder ersichtlich noch vorgetragen. Das reicht keinesfalls aus, denn aus einer solchen Erklärung wird nicht in nachprüfbarer Weise erkennbar, welche Erwägungen die Beklagte angestellt und auf welche Umstände sie ihre Ermessensentscheidung überhaupt gestützt hat (vgl dazu BSG vom 14. November 1985 – 7 RAr 123/84 – ). Unter diesen Umständen kommt es nicht mehr darauf an, ob die Beklagte im Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung vor dem LSG die Rechtmäßigkeit ihres Aufhebungsbescheides durch ein zulässiges Nachschieben von Ermessenserwägungen überhaupt noch herstellen konnte (vgl §§ 35 Abs 1 Satz 2, 41 Abs 2 SGB 10; siehe dazu ebenfalls BSG vom 14. November 1985 – 7 RAr 123/84 – und vom 17. April 1986 – 7 RAr 127/84 –). Keiner Entscheidung bedarf es ferner, ob und wie lange die Beklagte noch eine ordnungsgemäße Ermessensentscheidung zu treffen berechtigt ist. Eine solche Entscheidung ist bisher nicht ergangen, so daß diese Frage nicht Gegenstand des anhängigen Verfahrens sein kann. Insoweit beruft sich die Beklagte übrigens zu Unrecht auf die Entscheidung des 10. Senats des BSG vom 24. März 1983 (SozR 5870 § 2 Nr 30); der 10. Senat hat dort die Aufhebung des angefochtenen Verwaltungsakts wegen fehlender Ermessensausübung ebenfalls endgültig bestätigt.
Der angefochtene Verwaltungsakt läßt sich schließlich nicht auf § 151 Abs 1 AFG stützen, wonach die Beklagte außer in den Fällen der §§ 47, 48 SGB 10 einen rechtmäßigen begünstigenden Verwaltungsakt ganz oder teilweise mit Wirkung für die Zukunft oder für die Vergangenheit widerrufen kann, soweit die aufgrund des Verwaltungsakts gewährten Leistungen nicht mehr oder nicht ihrem Zweck entsprechend verwendet oder eine mit dem Verwaltungsakt verbundene Auflage nicht oder nicht fristgerecht erfüllt wird. Abgesehen davon, daß der angefochtene Verwaltungsakt eine Auflage nicht enthält und § 151 Abs 1 AFG im übrigen wegen des Merkmals der Zweckbindung nicht auf das Alg anzuwenden ist (vgl Knigge/Ketelsen/Marschall/Wittrock, Komm zum AFG, Anm 7 zu § 151; Hennig/Kühl/Heuer, Komm zum AFG, September 1982, Anm 2 zu § 151), wäre auch bei Anwendung dieser Vorschrift die Ausübung von Ermessen erforderlich, an der es fehlt.
Erweist sich danach die angefochtene Aufhebung der Alhi ab 23. März 1983 als rechtswidrig, gilt dies in gleicher Weise für die ausgesprochene Rückforderung des zu Unrecht gezahlten Alg (§ 50 Abs 1 SGB 10). Der Revision der Beklagten gegen die Entscheidung des LSG muß deshalb der Erfolg versagt bleiben; sie ist zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung folgt aus der Anwendung von § 193 SGG.
Fundstellen