Leitsatz (amtlich)
Die Gleichstellung von Zeiten des Bezugs von Anpassungsgeld für entlassene Arbeitnehmer des Bergbaus mit Zeiten der Arbeitslosigkeit in RKG § 48 Abs 2 S 2 ist im Falle des Bezugs von Knappschaftsausgleichsleistung für die Anrechnung von Ausfallzeiten nach RKG § 57 S 1 Nr 3 (= RVO § 1259 Abs 1 S 1 Nr 3) nicht entsprechend anwendbar.
Normenkette
RKG § 48 Abs. 2 S. 2 Fassung: 1972-10-16, § 56 Abs. 1a Fassung: 1971-12-22, § 57 S. 1 Nr. 3 Fassung: 1965-06-09; RVO § 1259 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 Fassung: 1965-06-09
Verfahrensgang
LSG für das Saarland (Entscheidung vom 15.09.1976; Aktenzeichen L 2 Kn 23/75) |
SG für das Saarland (Entscheidung vom 04.11.1975; Aktenzeichen S 8 Kn 21/73) |
Tenor
Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Landessozialgerichts für das Saarland vom 15. September 1976 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind zwischen den Beteiligten nicht zu erstatten.
Tatbestand
Die Klägerin ist die Rechtsnachfolgerin ihres am 24. September 1974 verstorbenen Ehemannes W N, des Versicherten. Ob bei der Berechnung seines Knappschaftsruhegeldes die Zeit vom 15. Januar 1968 bis 17. Januar 1972 als Ausfallzeit gemäß § 57 Nr 3 Reichsknappschaftsgesetz (RKG) angerechnet werden muß, ist zwischen den Beteiligten streitig.
Der Versicherte schied am 31. März 1967 aus der knappschaftlich versicherten Arbeit aus und erhielt eine Abfindung nach § 15 der "Richtlinien über die Gewährung von Beihilfen für Arbeitnehmer des Steinkohlenbergbaus, die von Maßnahmen iS des Art 56 § 2 des Montanunionvertrages betroffen werden". Auf seinen Antrag vom 22. März 1967 gewährte die Beklagte dem Versicherten mit Bescheid vom 7. Mai 1968 Knappschaftsausgleichsleistung ab 1. April 1967 in Höhe von monatlich 806,90 DM. Vom 15. Januar 1968 bis zum 17. Januar 1972 meldete der Versicherte sich beim Arbeitsamt als arbeitsuchend, ohne von diesem Leistungen zu beziehen.
Im Mai 1971 beantragte der Versicherte ohne Erfolg die Knappschaftsrente wegen Erwerbsunfähigkeit (Bescheid vom 25. Juni 1971). Sein weiterer Antrag vom 14. Dezember 1971 führte dazu, daß die Beklagte die Knappschaftsausgleichsleistung mit Bescheid vom 17. April 1972 für die Zeit ab 1. Februar 1972 in Knappschaftsruhegeld wegen Vollendung des 60. Lebensjahres und mindestens einjähriger Arbeitslosigkeit (§ 48 Abs 2 RKG) umwandelte. Dabei wurde die streitige Zeit der Arbeitslosigkeit nicht als Ausfallzeit angerechnet. Mit seinem dagegen gerichteten Widerspruch hatte der Ehemann der Klägerin keinen Erfolg.
Das der Klage stattgebende Urteil des Sozialgerichts (SG) vom 4. November 1975 hat das Landessozialgericht (LSG) aufgehoben. Es hat die Voraussetzungen des § 57 Nr 3 RKG nicht als erfüllt angesehen. Die Arbeitslosigkeit, die als Ausfallzeit angerechnet werden solle, müsse eine knappschaftlich versicherungspflichtige Beschäftigung unterbrechen, also grundsätzlich daran unmittelbar anschließen. Selbst wenn trotz der einverständlichen Beendigung des Beschäftigungsverhältnisses im Zuge einer Stillegungsmaßnahme und trotz der gezahlten Abfindung eine Unterbrechung iS der genannten Vorschrift anzunehmen sei, so scheitere der geltend gemachte Anspruch bereits daran, daß der Zeitraum von 9 1/2 Monaten zwischen dem 31. März 1967 und dem 15. Januar 1968 nicht mehr als unschädliche Überbrückungszeit angesehen werden könne. Der Versuch des Versicherten, im Wege der behaupteten Selbsthilfe einen Arbeitsplatz zu bekommen, sei aussichtslos gewesen, was er bereits 1967 habe erkennen müssen. Er habe sich lediglich im Bau- und im Zimmerergewerbe bei den Firmen F und A um eine Erwerbstätigkeit beworben. Durch deren Bescheinigungen könne die Ernsthaftigkeit eines Arbeitsversuchs nicht nachgewiesen werden. Aus dem gesamten Verhalten des Versicherten ergebe sich, daß er auch subjektiv dem allgemeinen Arbeitsmarkt nicht zur Verfügung gestanden habe (Urteil vom 15. September 1976).
Dagegen wendet sich die Klägerin mit der vom LSG zugelassenen Revision. Sie tritt der Auffassung des Berufungsgerichts entgegen, wonach eine unschädliche Überbrückungszeit die Zeitspanne von etwa sechs Monaten nicht überschreiten dürfe. Den Rentenanträgen des Versicherten aus den Jahren 1967 und 1971 könne nicht entnommen werden, daß er subjektiv dem Arbeitsmarkt nicht zur Verfügung gestanden habe. Zudem müsse eine ernsthafte Arbeitsbereitschaft bei einem Empfänger von Knappschaftsausgleichsleistung, der seinen Arbeitsplatz aus Gründen verloren habe, die nicht in seiner Person lägen, jedenfalls dann angenommen werden, wenn der Sachverhalt nicht gewichtige Anhaltspunkte dagegen biete. Das müsse der Regelung des § 48 Abs 2 Satz 2 RKG entnommen werden, die die Bezieher von Anpassungsgeld betreffe. Insoweit befinde sich der Empfänger von Knappschaftsausgleichsleistung in einer vergleichbaren Situation, die es rechtfertige, in entsprechender Weise zu verfahren.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des LSG für das Saarland vom 15. September 1976 aufzuheben und die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des SG für das Saarland vom 4. November 1975 zurückzuweisen.
Die Beklagte beantragt,
die Revision der Klägerin gegen das Urteil des LSG für das Saarland vom 15. September 1976 zurückzuweisen.
Sie hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Revision der Klägerin ist nicht begründet. Bei der Berechnung des Knappschaftsruhegeldes konnte ihrem Ehemann die von der Klägerin als seiner Rechtsnachfolgerin geltend gemachte Ausfallzeit vom 15. Januar 1968 bis zum 17. Januar 1972 nicht angerechnet werden.
Zu den Ausfallzeiten zählen gemäß § 57 Nr 3 RKG (= § 1259 Abs 1 Nr 3 Reichsversicherungsordnung - RVO -) Zeiten, in denen eine versicherungspflichtige Beschäftigung oder Tätigkeit durch eine mindestens einen Kalendermonat andauernde Arbeitslosigkeit unterbrochen worden ist, wenn der Arbeitslose bei einem deutschen Arbeitsamt als Arbeitsuchender gemeldet war, wegen der Arbeitslosigkeit die in § 57 Nr 3 Buchst a - d RKG genannten Leistungen erhalten oder aus den in dieser Vorschrift genannten Gründen nicht bezogen hat. Im Normalfall ist eine versicherungspflichtige Beschäftigung durch Arbeitslosigkeit dann "unterbrochen", wenn sich diese ihr unmittelbar anschließt (vgl BSG in SozR Nr 22 zu § 1259 RVO). Allerdings gibt es von diesem Grundsatz Ausnahmen dann, wenn Überbrückungstatbestände den Anschluß zum Ende der Beschäftigung herstellen (vgl BSG aaO; SozR Nrn 29, 44, 50, 62 zu § 1259 RVO; SozR 2200 § 1259 Nr 8). Dabei ist weiter bereits zu § 1259 Abs 1 Nr 3 RVO entschieden, daß es nach Wortlaut und Sinn der Vorschrift, die § 57 Nr 3 RKG entspricht, bei der Unterbrechung nur auf die Arbeitslosigkeit ankommt, nicht dagegen auf die zusätzlichen Erfordernisse, die notwendig sind, um den Tatbestand einer anrechenbaren Ausfallzeit zu erfüllen (vgl BSG SozR 2200 § 1259 Nr 8).
Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) gehört zum Begriff der Arbeitslosigkeit auch die sogenannte "Verfügbarkeit" (vgl SozR Nr 39 zu § 1259 RVO mit weiteren Nachweisen). Die danach für die Arbeitslosigkeit - ua - erforderliche subjektive ernsthafte Bereitschaft, eine Beschäftigung unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes auszuüben (vgl § 76 Abs 1 Nr 1 des Gesetzes über Arbeitsvermittlung und Arbeitslosenversicherung in der 1967/1968 gültigen Fassung) ist indes nach den Feststellungen des LSG zu verneinen. Das Berufungsgericht hat sich dabei auf folgende Erwägungen gestützt: Der Versicherte habe sich 1967 lediglich bei einem Bauunternehmer und im Betrieb eines Zimmermanns um Arbeit bemüht. Auf solche Firmen habe er seine Bewerbungen nicht beschränken dürfen, weil dort körperlich leichte Verrichtungen regelmäßig nicht vorkämen. Er habe im Antrag vom 25. Februar 1967 sein Leistungsvermögen im Erwerbsleben dahingehend beschrieben, daß er nur noch in der Lage sei, leichte Tätigkeiten mit Unterbrechungen auszuführen. Bei diesen Einschränkungen habe er keine Aussicht gehabt, in einem Zimmer- oder Baugeschäft eingestellt zu werden. Aus seinem gesamten Verhalten ergebe sich, daß er subjektiv dem Arbeitsmarkt nicht zur Verfügung gestanden habe. Im Antrag vom 5. Mai 1971 habe er angegeben, seit März 1967 sei er krank und berufs- bzw erwerbsunfähig. Wenn auch die ärztlichen Beurteilungen zu anderen Ergebnissen gelangt seien, so zeige das Verhalten des Versicherten, dessen Nettoeinkommen sich nach Aufgabe der knappschaftlichen Arbeit nicht in wirtschaftlich entscheidender Weise geändert habe, daß eine ernsthafte Arbeitsbereitschaft für alle zumutbaren Arbeiten unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes nicht bestanden habe.
An diese tatsächlichen Feststellungen des LSG ist der erkennende Senat gebunden (§ 163 Sozialgerichtsgesetz - SGG -), denn zulässige und begründete Revisionsrügen sind von der Klägerin dagegen nicht vorgebracht worden. Zwar hat die Klägerin vorgetragen, "bei lebensnaher Betrachtungsweise und unter Berücksichtigung des Arbeitslebens sowie der Arbeitsbemühungen bei den Firmen F und A ergebe sich ein Gesamteindruck, der es rechtfertige, von der Auffassung des LSG, der Ehemann der Klägerin habe subjektiv dem allgemeinen Arbeitsmarkt nicht zur Verfügung gestanden, abzuweichen. Bei diesen Ausführungen der Klägerin handelt es sich jedoch nicht um verfahrensrechtlich beachtliche Angriffe gegen die vorstehend aufgeführten Feststellungen des LSG, sondern um eine für das Revisionsgericht unverbindliche andere Würdigung der Tatumstände und Beweismittel. Dem Vortrag der Klägerin könnte der Senat nur dann nähertreten, wenn sie gemäß § 164 Abs 2 Satz 3 SGG bezeichnet hätte, welche Verfahrensnorm das LSG bei der Feststellung des Sachverhalts ihrer Ansicht nach verletzt hat, und wenn sie außerdem die Tatsachen angegeben hätte, die den Verfahrensmangel ergeben. In dieser Richtung ist dem Vortrag der Klägerin nichts zu entnehmen.
Da somit der Senat seiner Entscheidung eine Arbeitslosigkeit in der Zeit vom 31. März 1967 bis 15. Januar 1968 ohnehin nicht zugrunde legen durfte, konnte dahingestellt bleiben, ob die Rechtsauffassung des LSG zutreffend ist, zur Anerkennung einer Ausfallzeit iS des § 57 Nr 3 RKG könne lediglich ein Zeitraum bis zu etwa sechs Monaten zwischen dem Ende der Beschäftigung und der Meldung beim Arbeitsamt als unschädliche Überbrückungszeit angesehen werden (aA nunmehr BSG-Urteil vom 5.7.1978 - 1 RA 15/78 -).
Schließlich rechtfertigt auch der Hinweis der Revision auf § 48 Abs 2 Satz 2 RKG nicht, bei einem Empfänger von Knappschaftsausgleichsleistung eine ernsthafte Arbeitsbereitschaft ganz allgemein zu unterstellen. Nach dieser erst mit Wirkung vom 1. Januar 1972 (Art 1 Nr 1 des Änderungsgesetzes vom 22.12.1971 - BGBl I S. 2110 -) eingefügten Vorschrift sind Zeiten des Bezugs von Anpassungsgeld für entlassene Arbeitnehmer des Bergbaus der Arbeitslosigkeit gleichgestellt. Aus dieser lediglich für den Anspruch auf vorgezogenes Knappschaftsruhegeld iS des § 48 Abs 2 Satz 1 RKG gültigen und nur auf den Bezug von Anpassungsgeld beschränkten Fiktion kann keine gesetzlich fingierte Arbeitslosigkeit während des Bezugs von Knappschaftsausgleichsleistung hergeleitet werden, die der Anrechnung einer Ausfallzeit nach § 57 Nr 3 RKG dienen soll. Eine solche ist nicht einmal für den Bezug von Anpassungsgeld vorgesehen, weil für ihn durch die Berücksichtigung bei der Ermittlung der Anzahl der anrechnungsfähigen Versicherungsjahre gemäß § 56 Abs 1 a RKG die rentensteigernde Wirkung herbeigeführt wird, ohne daß die Bezugszeit des Anpassungsgeldes zu einer Versicherungszeit oder einer anrechenbaren beitragslosen Zeit (Ausfallzeit) iS der Rentenversicherungsgesetze gemacht wird (so ausdrücklich die Begründung für die ebenfalls durch das Änderungsgesetz vom 22.12.1971 aaO eingefügte Vorschrift des § 56 Abs 1 a in BT-Drucks VI/2900). Nach dieser lediglich für den Bezug von Anpassungsgeld getroffenen Regelung muß angenommen werden, daß der Gesetzgeber dem Bezug von Knappschaftsausgleichsleistung nicht einmal derartige rentenrechtliche Auswirkungen zukommen lassen wollte. Um so mehr verbietet es sich dann, bei der Prüfung einer Ausfallzeit iS des § 57 Nr 3 RKG für Bezieher von Knappschaftsausgleichsleistungen eine Arbeitslosigkeit zu unterstellen.
Dem Revisionsbegehren muß nach alledem der Erfolg versagt bleiben.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Fundstellen