Leitsatz (amtlich)
Eine Änderung der Verhältnisse im Sinne des SGG § 145 Nr 4 ist auch die nach RVO § 565 zu berücksichtigende Änderung der Grundlagen für die Berechnung der Rente.
Normenkette
SGG § 145 Nr. 4 Fassung: 1953-09-03; RVO § 565 Fassung: 1942-03-09
Tenor
Das Urteil des Landessozialgerichts Rheinland-Pfalz vom 6. Februar 1959 wird aufgehoben.
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Speyer vom 10. Juni 1958 wird insoweit als unzulässig verworfen, als sie auf § 565 RVO gestützt ist.
Im übrigen wird in Änderung des erstinstanzlichen Urteils die Klage als unzulässig abgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
Von Rechts wegen.
Gründe
I
Der Kläger hatte sein Staatsexamen als Dipl. Physiker abgelegt und war seit November 1953 im M... Institut für Chemie in M... als Doktorand tätig. Am 14. Januar 1954 erlitt er bei der Durchführung eines chemischen Versuches in diesem Institut Verletzungen und büßte dadurch das linke Auge ein. Die Doktoranden werden in diesem Institut nach Auswahl aus dem Kreise qualifizierter Dipl. Physiker im Anschluß an das Staatsexamen beschäftigt. Sie stehen bei der Anfertigung ihrer Dissertationen gleichzeitig im Dienst für Forschungsarbeiten des Instituts und besuchen während dieser Zeit auch Hochschulvorlesungen ihrer sogenannten Doktorväter. Sie erhalten nach einer Einarbeitungszeit von sechs Monaten eine Unterhaltsbeihilfe. Mit der Doktorandenstellung ist die Anwartschaft auf die künftige Anstellung als wissenschaftlicher Assistent in dem Institut bei einer Vergütung nach TO A III verbunden. Dafür ist Voraussetzung die Promotion. Der Kläger erhielt im Zeitpunkt des Unfalls keinerlei Vergütung; in den Genuß der Unterhaltsbeihilfe von anfangs etwa DM 150.-- kam er erst im Mai 1954.
Die Beklagte gewährte dem Kläger durch Bescheid vom 24. Mai 1954 eine vorläufige Rente nach einer Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) von 35 v.H. Der Berechnung dieser Rente wurde unter Bezug auf §§ 563 bis 566 der Reichsversicherungsordnung (RVO) ein Jahresarbeitsverdienst (JAV) von DM 2.400.-- zugrunde gelegt; hierzu ist in dem Bescheid ausgeführt:
"Hierbei gilt als Jahresarbeitsverdienst das 300fache des Ortslohnes für Erwachsene, der zur Zeit des Unfalls für den Beschäftigungsort des Versicherten auf 8.-- DM festgesetzt ist, = 2.400.-- DM, weil diese Berechnung für den Verletzten am günstigsten ist."
Durch Bescheid vom 24. Februar 1956 setzte die Beklagte die Dauerrente nach einer MdE von 25 v.H. fest. Diese Rente wurde wie bisher nach einem JAV von DM 2.400.-- berechnet.
Im Klageverfahren hiergegen beantragte der Kläger, die Beklagte zu verurteilen, ihm die Dauerrente nach einer MdE von 35 v.H. zu gewähren und nach erlangter Promotion die Rente nach dem JAV zu berechnen, der dann für Personen gleicher Ausbildung durch Tarif oder sonst allgemein für einzelne Berufsjahre festgelegt ist.
Nach ärztlicher Begutachtung der Schädigungsfolgen zog der Kläger im Verhandlungstermin vor dem Sozialgericht (SG) vom 27. November 1956 nach Erörterung der Sach- und Rechtslage die Klage gegen den Bescheid vom 24. Februar 1956 zurück.
Am 7. Juni 1957 promovierte der Kläger zum Dr. rer. nat. Mit Wirkung vom 1. Juni 1957 wurde er bei dem M... Institut für Chemie als wissenschaftlicher Assistent mit einem Bruttogehalt von monatlich DM 693.-- (TO A III) angestellt.
Darauf verlangte er am 27. Juni 1957 bei der Beklagten die Neufeststellung seiner Rente; er meint, diese müsse nunmehr nach abgeschlossener Berufsausbildung unter Berücksichtigung seines Verdienstes von monatlich DM 693.-- berechnet und ihm in der entsprechenden Höhe vom 1. Juni 1957 an gewährt werden.
Die Beklagte lehnte durch Bescheid vom 25. Juli 1957 diesen Anspruch mit der Begründung ab: § 565 RVO sei nicht anwendbar, da die Berufsausbildung des Klägers als Dipl. Physiker im Zeitpunkt des Unfalls bereits abgeschlossen gewesen sei. Seine Tätigkeit als Doktorand im M...-Institut habe nur dem Erwerb der Doktorwürde gegolten; den Beruf eines Dipl. Physikers hätte er nach Ablegung der Diplomprüfung ausüben können.
Diesen Bescheid hat der Kläger rechtzeitig angefochten. Mit der Klage macht er geltend: Zur Rücknahme der Klage gegen den Bescheid vom 24. Februar 1956 habe er sich entschließen müssen, weil die Voraussetzungen für die Berechnung des JAV nach § 565 RVO damals noch nicht gegeben gewesen seien. Die Beklagte verneine zu Unrecht, daß seine Doktorandentätigkeit, die der Vorbereitung seiner wissenschaftlichen Laufbahn dienen sollte, noch Berufsausbildung im Sinne dieser Vorschrift gewesen sei. Sie verkenne insbesondere, daß ein Dipl. Physiker ohne Promotion in der Industrie nicht als vollwertig ausgebildete Arbeitskraft behandelt werde.
Das SG Speyer hat die Klage durch Urteil vom 10. Juni 1958 abgewiesen und im wesentlichen ausgeführt: Die Festsetzung des JAV auf DM 2.400.-- nach dem Dreihundertfachen des Ortslohnes für Erwachsene sei zu Recht erfolgt. Die Voraussetzungen für die Ermittlung eines höheren JAV seien nicht gegeben. § 565 RVO sei nicht abwendbar, da sich der Kläger zur Zeit des Unfalls nicht mehr in der Berufsausbildung befunden habe. Weil der Kläger in diesem Zeitpunkt auch keinen Anspruch auf eine Bezahlung gehabt habe, welche die Festsetzung eines DM 2.400.-- übersteigenden JAV ermöglicht hätte, sei dieser Betrag der Rentenberechnung gemäß § 563 Abs. 3 RVO mit Recht zugrunde gelegt worden.
Mit der hiergegen rechtzeitig eingelegten Berufung des Klägers wird geltend gemacht: Das SG habe § 565 RVO unrichtig angewandt. Es sei ohne Beweisaufnahme zu der Überzeugung gelangt, daß es sich bei der Doktorandentätigkeit nicht mehr um Berufsausbildung gehandelt habe. Übersehen habe das SG, daß ein Anwendungsfall des § 566 RVO gegeben gegeben sei. Daß der Kläger den Unfall zufällig nicht erst erlitten habe, als er eine Unterhaltsbeihilfe von schließlich DM 510.-- erhielt, und daß er sich nach seinem Diplomexamen nicht für eine Tätigkeit in der freien Wirtschaft entschlossen habe, dürfe ihm bei der Berechnung des JAV nicht zum Nachteil gereichen.
Im Termin zur Berufungsverhandlung hat der Kläger beantragt, das erstinstanzliche Urteil und den Bescheid der Beklagten vom 25. Juli 1957 aufzuheben und diese zu verurteilen, der Berechnung der Unfallentschädigung einen nach dem Ermessen des Gerichts zu bestimmenden höheren JAV als DM 2.400.-- zugrunde zu legen. Das Landessozialgericht (LSG) hat durch Urteil vom 6. Februar 1959 die Berufung zurückgewiesen. Es hält sie für statthaft, weil ihr Ausschlußgründe nach §§ 144, 145 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) nicht entgegenstünden. In sachlich-rechtlicher Hinsicht hat es zur Begründung des Urteils im wesentlichen ausgeführt: Einer neuen Entscheidung stehe nicht die durch Rücknahme der Klage gegen den Bescheid vom 24. Februar 1956 eingetretene Rechtskraft dieses Bescheides mit der Festsetzung des JAV auf DM 2.400.-- entgegen. Denn diese Klagerücknahme habe nur die Zeit bis zur Anstellung des Klägers als wissenschaftlicher Assistent erfassen sollen; demzufolge habe die Beklagte die Rechtslage neu geprüft, nachdem der Kläger promoviert hatte und als wissenschaftlicher Assistent angestellt worden war. Darin sei ein "Verzicht auf die Rechtskraft" des Bescheides vom 24. Februar 1956 für die Zeit vom 1. Juni 1957 an zu erblicken. Eine Festsetzung des JAV nach billigem Ermessen (§ 566 RVO) sei nicht möglich. Die Berechnung des JAV für den Kläger, der zur Zeit des Unfalls überhaupt kein Arbeitseinkommen gehabt habe, nach dem Dreihundertfachen des Ortslohns für Erwachsene im Betrage von DM 2.400.-- sei nach § 563 RVO durchführbar. Die Voraussetzungen des § 565 RVO für die nachträgliche Festsetzung eines höheren JAV seien nicht gegeben, da sich der Kläger zur Zeit des Unfalls nicht mehr in Berufsausbildung befunden habe. Er hätte nach dem Abschluß seines Hochschulstudiums mit dem Diplomexamen den Beruf eines Physikers ausüben können. Seine Tätigkeit als Doktorand im M...-Institut für Chemie habe nur seiner Weiterbildung für die Ausübung einer bestimmten Berufssparte gedient.
Das LSG hat die Revision zugelassen.
Gegen das am 10. April 1959 zugestellte Urteil hat der Kläger am 4. Mai 1959 Revision eingelegt und sie am Mai 1959 wie folgt begründet: Zur Beurteilung der Frage der Berufsausbildung habe sich das LSG auf Feststellungen gestützt, die nicht Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen seien. Bei der Auslegung des § 565 RVO habe das LSG verkannt, daß für die wissenschaftliche Berufslaufbahn, der sich der Kläger zugewandt habe, der Erwerb des Doktorgrades erforderlich gewesen sei, so daß er bei der Anfertigung der Dissertation und damit bei der unfallbringenden Verrichtung im Rahmen seiner Berufsausbildung tätig gewesen sei. Bei der Prüfung der Voraussetzungen des § 566 RVO habe sich das Berufungsgericht Erwägungen verschlossen, die auf Grund der tatsächlichen Gegebenheiten zu einer dem Sinngehalt der §§ 563 Abs. 2, 566 RVO entsprechenden gerechten Entscheidung geführt hätten. Es sei nicht einzusehen, weshalb § 566 RVO nicht zu einer günstigeren Berechnung des JAV führen könnte als durch die Gleichstellung des Klägers mit einem geringstverdienenden Arbeitnehmer für richtig gehalten worden sei.
Der Kläger beantragt,
unter Aufhebung des Urteils des LSG sowie Änderung der erstinstanzlichen Entscheidung und des Bescheides der Beklagten vom 25. Juli 1957 diese zu verurteilen, an den Kläger vom 1. Juni 1957 an eine Dauerrente nach einer MdE von 25 v.H. unter Zugrundelegung eines JAV gemäß TO A III (Bruttogehalt von DM 693.--) zu zahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Sie hält die Berufung für ausgeschlossen. Der dem Streitverfahren zugrunde liegende Bescheid der Beklagten vom 25. Juli 1957 habe die Neufeststellung der Dauerrente wegen Änderung der Verhältnisse im Sinne des § 145 Nr. 4 SGG zum Gegenstand. Es handele sich um die vom Kläger geltend gemachte Änderung der speziellen Grundlagen für die Rentenberechnung in seinem besonderen Falle, nämlich um den Eintritt des Bezuges eines Bruttogehaltes von DM 693.-- für die Zeit vom 1. Juni 1957 an. In sachlich-rechtlicher Hinsicht widerspricht die Beklagte dem Revisionsvorbringen und macht geltend, daß der vorliegende Streitfall keine Neuberechnung des JAV ermögliche, da weder ein Anwendungsfall des § 565 noch ein solcher des § 566 RVO gegeben sei.
Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt. Der Senat hat von dieser Entscheidungsmöglichkeit Gebrauch gemacht (§ 124 Abs. 2 SGG).
II
Die Revision ist durch Zulassung statthaft (§ 162 Abs. 1 Nr. 1 SGG); sie ist auch form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden, somit zulässig. Sie hatte jedoch keinen Erfolg.
Bei einer zugelassenen Revision hat das Revisionsgericht zunächst von Amts wegen zu prüfen, ob die Prozeßvoraussetzungen für das Klage- und Berufungsverfahren vorliegen (BSG 2, 225). Zu den Prozeßvoraussetzungen für das Berufungsverfahren gehört die Statthaftigkeit der Berufung. Diese hat das LSG insoweit zu Unrecht bejaht, als der Kläger seinen Anspruch auf Erhöhung der Dauerrente damit begründet hat, daß ihm infolge Abschlusses seiner Berufsausbildung durch die Promotion zum Dr. rer. nat. vom 1. Juni 1957 an, dem Zeitpunkt seiner Anstellung als wissenschaftlicher Assistent beim Max-Planck-Institut, gemäß § 565 RVO ein entsprechend höherer JAV zustehe. Es hat, worauf die Beklagte in ihrer Revisionserwiderung zutreffend hingewiesen hat, verkannt, daß die Berufung, soweit sie auf § 565 RVO gestützt wird, durch § 145 Nr. 4 SGG ausgeschlossen ist.
In Angelegenheiten der Unfallversicherung ist - von Ausnahmetatbeständen, die bei einem nur den JAV betreffenden Streit nicht in Betracht kommen, abgesehen - nach § 145 Nr. 4 SGG die Berufung nicht zulässig, soweit sie die Neufeststellung von Dauerrenten wegen Änderung der Verhältnisse betrifft. Gegenstand der Berufung des Klägers gegen das erstinstanzliche Urteil ist eine solche Neufeststellung der Dauerrente. Eine Änderung der Verhältnisse im Sinne des § 145 Nr. 4 SGG kann in der Veränderung von Tatsachen bestehen, die außerhalb des durch den Unfall geschaffenen Gesundheitszustandes liegen. Hierunter ist auch eine Änderung der Verhältnisse zu verstehen, die durch die Änderung sonstiger bei der früheren Feststellung der Dauerrente für die Berechnung der Rente maßgebend gewesener Umstände eingetreten ist (vgl. RVA in EuM 31, 237; BSG in SozR SGG § 215 Bl. Da 13 Nr. 40). Hierbei ist im Interesse einer Entlastung der Berufungsinstanz auf rein äußerliche Merkmale abzustellen. Deshalb ist darunter nach der in der neueren Rechtsprechung vertretenen Auffassung auch eine Änderung der Verhältnisse zu verstehen, die durch eine Änderung der bei der früheren Feststellung der Dauerrente maßgebend gewesenen gesetzlichen Vorschriften über Voraussetzungen für die Berechnung der Renten eingetreten ist (vgl. SozR SGG § 145 Bl. Da 1 Nr. 1). Wie in einem solchen Falle der Entschädigungsanspruch einer Nachprüfung durch die Rechtsmittelinstanzen im Verfahren der Sozialgerichtsbarkeit entzogen ist, obwohl es dabei auf die Entscheidung von Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung ankommen kann, so ergeben sich auch in Fällen der vorliegenden Art nicht etwa schon daraus Bedenken gegen den Ausschluß der Berufung, daß bei der Auslegung des § 565 RVO Rechtsfragen von erheblicher Bedeutung auftreten können.
Der Kläger hat mit der Berufung geltend gemacht, daß bei ihm seit dem 1. Juni 1957 eine andere Beschäftigungsweise und andere Verdienstverhältnisse bestünden, als für die erste Feststellung der Dauerrente maßgeblich gewesen seien. Die Berufung betrifft daher die Neufeststellung der durch den Bescheid vom 24. Februar 1956 zuerkannten Dauerrente von 25 v.H. wegen Änderung der Verhältnisse im Sinne des § 145 Nr. 4 SGG.
Die Zulässigkeit der Berufung ist auch nicht aus § 150 SGG herzuleiten. Von der Möglichkeit, die Berufung nach § 150 Nr. 1 SGG zuzulassen, hat das SG keinen Gebrauch gemacht. Das Urteil enthält keinen Ausspruch, der den Willen des SG zum Ausdruck bringt, die Berufung zuzulassen. Der die Rechtsmittelbelehrung einleitende Satz "Gegen dieses Urteil ist die Berufung zulässig" bewirkt keine solche Zulassung (BSG 2, 121; 4, 263; SozR SGG § 150 Bl. Da 3 Nr. 10). Der Kläger hat auch nicht einen wesentlichen Verfahrensmangel nach § 150 Nr. 2 SGG wirksam gerügt. Der Hinweis in der Berufungsschrift, das SG sei ohne Beweisaufnahme zu der Überzeugung gelangt, daß es sich bei der unfallbringenden Tätigkeit des Klägers nicht mehr um Berufsausbildung gehandelt habe, genügt nicht, um einen solchen Verfahrensmangel darzutun. Es ist nicht dargelegt, inwiefern sich das SG hätte gedrängt fühlen müssen, durch Beweiserhebung den Sachverhalt näher aufzuklären. Ebensowenig ist ersichtlich, daß das SG bei seiner Überzeugungsbildung nicht das Gesamtergebnis des Verfahrens berücksichtigt habe (§ 128 SGG).
Allerdings hat der Kläger die Berufung auch darauf gestützt, daß der Berechnung der Rente aus Billigkeitsgründen nach § 566 RVO ein höherer JAV als DM 2.400.-- zugrunde zu legen sei. Insoweit ist die Berufung zulässig. Mit dem aus § 566 RVO hergeleiteten rechtlichen Gesichtspunkt macht der. Kläger einen weiteren Klaggrund geltend. Dafür ist kein Ausschließungsgrund für die Berufung nach §§ 144 ff SGG gegeben. Gleichwohl war dem Berufungsgericht auch insoweit eine Sachentscheidung verwehrt. Ihr steht die Bindungswirkung des Bescheides der Beklagten vom 24. Februar 1956 entgegen. Dieser Bescheid hatte zwar nicht mehr wie die unter der Herrschaft der Verfahrensvorschriften der RVO ergangenen Rentenbescheide erstinstanzliche Wirkung und war daher nicht ohne weiteres einer der materiellen Rechtskraft von Urteilen entsprechenden Bindung fähig (BSG 5, 98). Indessen hat sich an der materiellen Bindungswirkung der Rentenbescheide auch nach dem Inkrafttreten des SGG grundsätzlich nichts geändert. Nach § 77 SGG werden Bescheide nach formeller Unanfechtbarkeit für die Beteiligten auch in der Sache bindend, soweit durch Gesetz nichts anderes bestimmt ist. Sinn des § 77 SGG ist nach der amtlichen Begründung (Bundestagsdrucksache, 1. Wahlperiode, 1949, Nr. 4357 zu § 26), im Interesse der Versicherten und Versorgungsberechtigten, ebenso aber auch der Leistungspflichtigen, den Bescheiden der Versicherungsträger und Versorgungsbehörden endgültige Wirkung beizulegen, da sie nicht mehr wie bisher erstinstanzliche Wirkung haben, sondern nach neuem Recht nur noch als Verwaltungsakte angesehen werden. Danach werden also auch fehlerhafte Verwaltungsakte endgültig, d.h. bindend, soweit durch Gesetz nichts anderes bestimmt ist (vgl. BSG 7, 156). Das Ausmaß der Bindung, die hiernach jedenfalls einem Rentenbescheid in der Unfallversicherung zukommt, richtet sich nach der Auffassung des erkennenden Senats nicht anders als früher nach den im Zivilprozeß für die materielle Rechtskraft entwickelten Grundsätzen (vgl. Brackmann, Handbuch der Sozialversicherung, Bd. I S. 232 m bis o; Peters/Sautter/Wolff, Komm. z. Sozialgerichtsbarkeit, § 77 SGG Anm. 4 S. 258/18 und § 141 SGG Anm. 1, 3 a S. II 186 u. 188; Haueisen in NJW 1959, 697; Dapprich in SGb 1960, 6; LSG Niedersachsen in Breith. 1959, 673, 674 und in BG 1960, 206; Bundesverwaltungsgericht in MDR 1960, 789 Nr. 113). Wie in BSG 5, 99, 100 hierzu ausgeführt ist, besteht zwischen den Beteiligten - allerdings auch nur - insoweit Bindung, als eine bestimmte Rechtsfolge aus einem bestimmten Tatbestand bejaht oder verneint wird. Nach dem verfügenden Teil des Bescheides der Beklagten über die erste Feststellung der Dauerrente vom 24. Februar 1956 ist die Rentenhöhe von dem ihrer Berechnung zugrunde liegenden JAV abhängig und ist dieser, wie sich aus dem insoweit beibehaltenen Teil des Bescheides über die Gewährung der vorläufigen Rente vom 24. Mai 1954 ergibt, wegen der zur Zeit des Unfalls vergütungslosen Beschäftigung des Klägers als Doktorand nach § 563 Abs. 3 RVO (Dreihundertfaches des Ortslohnes) ermittelt worden. Der Bescheid vom 24. Februar 1956 ist somit in diesem Umfang bindend geworden, nachdem der Kläger die Klage gegen ihn zurückgenommen hatte. Das bedeutet, daß im vorliegenden Streitverfahren nicht mehr nachgeprüft werden darf, ob die Feststellung der Beklagten, daß der JAV nach dem Ortslohn zu berechnen sei, zutrifft, insbesondere ob bei der Ermittlung des JAV § 566 RVO anzuwenden gewesen wäre. Diese Bindungswirkung beschränkt sich nicht, wie das LSG offenbar angenommen hat, auf die Zeit vor der Anstellung des Anfang Juni 1957 promovierten Klägers als wissenschaftlicher Assistent beim Max-Planck-Institut. Auf Grund des Bescheides der Beklagten vom 25. Juli 1957 wurde lediglich die Frage nachprüfbar, ob vom 1. Juni 1957 an eine Rentenerhöhung unter den Voraussetzungen des § 565 RVO möglich geworden war. Dagegen war eine erneute Prüfung des JAV unter dem rechtlichen Gesichtspunkt der §§ 563, 566 RVO wegen des bindend gewordenen Bescheides vom 24. Februar 1956 ausgeschlossen. Klage und Berufung hätten sonach insoweit, als der Anspruch auf die Rentenerhöhung mit einer dem Kläger günstigen Auslegung der §§ 563, 566 RVO begründet worden ist, schon deshalb keinen Erfolg haben dürfen, weil für eine hierauf gestützte Neuberechnung des JAV wegen der Bindungswirkung des früheren Bescheides kein Raum mehr war.
Die Klage ist hinsichtlich dieses Streitpunktes als unzulässig abzuweisen. Wie der erkennende Senat in BSG 13, 188, 189 zu dem Fall einer durch Urteil rechtskräftig entschiedenen Sache ausgesprochen hat, ist die Klage gegen einen erneuten Bescheid gleichen Inhalts jedenfalls dann unzulässig, wenn für sie kein Rechtsschutzinteresse besteht. Bei der der Rechtskraft ähnlichen Bindungswirkung von Bescheiden, die unter dem neueren Recht ergangen sind, hält es der Senat für unbedenklich, die der angeführten Entscheidung zugrunde liegende Auffassung über die Rechtskraftwirkung auf den vorliegenden Streitfall entsprechend anzuwenden. Ein besonderer Grund, der es rechtfertigen könnte, den bindend gewordenen Bescheid über die Feststellung der Dauerrente im Rechtswege bestätigen zu lassen, ist nicht vorhanden. Der Klage fehlt es daher insoweit schon an einem für ihre Zulässigkeit erforderlichen Rechtsschutzinteresse des Klägers.
Der Umstand, daß in dem auf § 566 RVO gestützten Klagegrund die Berufung nicht ausgeschlossen ist, hat nicht zur Folge, daß der gesamte Streit über den geltend gemachten einheitlichen prozessualen Anspruch auf Erhöhung der Rente auch hinsichtlich des aus § 565 RVO hergeleiteten Klaggrundes berufungsfähig wäre.
Hiernach war, wie geschehen, zu erkennen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Fundstellen